Urteil des LSG Hessen vom 17.12.2007

LSG Hes: arbeitsentgelt, leiter, aufwand, qualifikation, bfa, abgrenzung, arbeitsmarkt, hessen, gemeindeverwaltung, pflege

Hessisches Landessozialgericht
Urteil vom 17.12.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Kassel S 12 KR 2180/02
Hessisches Landessozialgericht L 1 KR 92/06
Bundessozialgericht B 12 KR 39/08 B
Das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 6. Oktober 2004 wird geändert.
Der Bescheid der Beklagten vom 19. Oktober 2000 und der Ergänzungsbescheid vom 6. August 2002 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 28. Oktober 2002 werden insoweit aufgehoben als versicherungspflichtige
Beschäftigungen der Beigeladenen zu 1 bis 3 auch für die Tätigkeit als Vorsitzender des Ortsbeirats festgestellt und
insoweit Sozialversicherungsbeiträge festgesetzt worden sind.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin ¾ und die Beklagte ¼ zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Umstritten ist die Beitragspflicht der Klägerin zur Sozialversicherung für die Beigeladenen zu 1) bis 3), drei
ehrenamtliche Ortsvorsteher der Klägerin, welche zugleich mit der Stelle eines Leiters der Außenstelle der Verwaltung
betraut worden waren, und darauf basierend eine durch Bescheid festgesetzte Beitragsnacherhebung in Höhe von
5.428,88 Euro.
Im September 2000 führte die Rechtsvorgängerin der Beklagten und Berufungsbeklagten, die
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), bei der Klägerin eine Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV durch.
Hierbei wurde u.a. festgestellt, dass mehrere Ortsvorsteher, nämlich die Ortsvorsteher B., C. und A., pauschale
Aufwandsentschädigungen erhalten hatten, welche den nach § 3 Nr. 12 S. 2 EStG steuerfreien Betrag überschritten.
Diese drei Ortsvorsteher waren auch nach § 82 Abs. 5 S. 4 Hessische Gemeindeordnung (HGO) mit der Leitung einer
Außenstelle der Gemeindeverwaltung im Ortsbezirk betraut gewesen.
Durch Bescheid vom 19. Oktober 2000 und – nach Einlegung des Widerspruchs hiergegen sowie weiteren Prüfungen
– weiteren Bescheid vom 8. Juni 2002, der nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden war,
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2002 setzte die Beklagte für die drei Ortsvorsteher
Beitragsnachforderungen gegen die Beklagte in Höhe von EUR 5.428,88 fest.
Dies beruhte auf in der Höhe nicht bestrittenen Zahlungen aufgrund der Entschädigungssatzung der Klägerin vom 22.
Februar 1990. Nach dieser Satzung wurden zum einen Aufwandsentschädigungen für Teilnahmen an Sitzungen des
Ortsbeirates geleistet. Zum anderen erhielten Ortsvorsteher, denen die Leitung einer Verwaltungsaußenstelle
übertragen worden war, eine zusätzliche Aufwandsentschädigung in Abhängigkeit von der Größe des jeweiligen
Stadtteils. Für die mit der Leitung der Außenstelle verbundenen Aufgaben galt eine Anordnung des Bürgermeisters der
Klägerin aus dem Jahre 1998, in welcher u.a. zum einen deren Einordnung in die administrative Hierarchie der
Klägerin klargestellt wurde und welche zum anderen einen Katalog der in die Zuständigkeit dieser Ortsvorsteher
fallenden administrativen Aufgaben enthielt.
Die BfA (und später die Beklage als ihre Rechtsnachfolgerin) zog von den Bruttozahlungen die Beträge ab, welche bei
ehrenamtlicher Tätigkeit auch einkommensteuerrechtlich pauschal als echte Aufwandsentschädigung anerkannt
werden. Die überschießenden Beträge behandelte sie als Arbeitsentgelt, welches je nach den individuellen
Verhältnissen als beitragspflichtig angesehen wurde. Dabei wurden die auf unterschiedlichen satzungsrechtlichen
Grundlagen beruhenden und für unterschiedliche Aufgabenwahrnehmungen gezahlten Beträge zusammengefasst.
Für den Beigeladenen zu 1) ermittelte die BfA von April 1999 bis Dezember 2001 DM 12.494,68 sowie für Januar bis
März 2002 EUR 720,12 Arbeitsentgelt. Für ihn als geringfügig beschäftigten Bezieher einer Beamtenpension seien
pauschale Arbeitgeberbeiträge zur Rentenversicherung nachzuentrichten.
Als einkommensteuerpflichtiges und damit grundsätzlich beitragspflichtiges Arbeitsentgelt wurden für den
Beigeladenen zu 2) für die Zeit von März 2000 bis April 2001 DM 13.723,30 zugrunde gelegt. Er sei in der Zeit
versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Die Klägerin müsse für ihn Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und
Arbeitslosenversicherung nachentrichten.
Für den Beigeladenen zu 3) ermittelte die BfA schließlich entsprechend für die Zeit von April 1999 bis Dezember 2001
DM 12.730,51 sowie für die Zeit von Januar bis März 2002 EUR 383,04 im Grundsatz beitragspflichtiges
Arbeitsentgelt. Für ihn als geringfügig Beschäftigten müsse die Klägerin Arbeitgeberbeiträge zur Kranken-, Pflege- und
Rentenversicherung nachentrichten.
Die drei Ortsvorsteher seien im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV in nichtselbständiger Arbeit beschäftigt gewesen.
Dem stehe gemäß der Rechtsprechung des BSG nicht entgegen, dass sie ehrenamtlich tätig gewesen seien. Sie
hätten nicht nur Repräsentationsaufgaben wahrgenommen, sondern auch dem allgemeinen Erwerbsleben zugängliche
Verwaltungsaufgaben. Ihre pauschale, nicht am tatsächlichen Aufwand orientierte Aufwandsentschädigung sei
insoweit Arbeitsentgelt, als sie einkommensteuerpflichtig seien.
Bereits gegen den Bescheid vom 19. Oktober 2000 hatte die Klägerin am 3. November 2000 Widerspruch eingelegt.
Während des Widerspruchsverfahrens ergingen zwei Änderungs- und Ergänzungsbescheide, welche nach § 86 SGG
Gegenstand des Widerspruchsverfahrens wurden. Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2002 wies die Beklagte
den Widerspruch zurück und setzte die sich aus der Betriebsprüfung ergebende Beitragsnachforderung auf 6.366,08
Euro fest. Aus der Verwaltungsakte der Beklagten ergibt sich, dass von diesem Gesamtbetrag die
Beitragsnachforderungen, welche sich aus den als Arbeitsentgelt behandelten Aufwandsentschädigungen der
Beigeladenen zu 1) bis 3) ergaben, 5.428,88 Euro betrugen.
Hiergegen hat die Klägerin am 28. November 2002 beim Sozialgericht Kassel Klage erhoben.
Sie hat die bereits im Widerspruchsverfahren vertretene Ansicht, die drei Ortsvorsteher seien nicht
versicherungspflichtig beschäftigt gewesen, damit begründet, dass zwar gemäß der Rechtsprechung des BSG
ehrenamtliche Inhaber kommunaler Ämter Beschäftigte im Sinne des Sozialversicherungsrechts seien, wenn deren
Tätigkeit über die Wahrnehmung von Repräsentationsaufgaben hinausgehe und sich in einer die Tätigkeit prägenden
Weise auf Verwaltungstätigkeiten erstrecke, die dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich seien. Ortsvorsteher seien
als gewählte Amtsträger aber nicht weisungsgebunden und darum nicht abhängig beschäftigt. Der Ortsbeirat werde
mit der Gemeindevertretung gewählt und wähle aus seiner Mitte den Ortsvorsteher als seinen Vorsitzenden, dem auch
die Leitung der Außenstelle der Verwaltung anvertraut werden könne. Bereits wegen der Wahl und der
Voraussetzungen der Wählbarkeit könne nicht davon die Rede sein, dass die Aufgaben eines Ortsvorstehers dem
allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich seien. Der Ortsvorsteher sei im Wesentlichen mit dem Vorsitzenden der
Gemeindevertretung vergleichbar, der ebenfalls eine höhere Aufwandsentschädigung erhalte als die anderen
Gemeindevertreter. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin erklärt, streitig seien nur noch die
Beitragsnacherhebungen für die drei Ortsvorsteher.
Die Klägerin hat beantragt, die Bescheide der Beklagten vom 19. Oktober 2000 und vom 6. August 2002 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2002 aufzuheben, soweit die Beklagte für an Ortsvorsteher
gezahlte Aufwandsentschädigungen Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 5.428,88 Euro nacherhebt.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Auch in Hessen seien die Voraussetzungen erfüllt, wegen derer das BSG entschieden habe, dass ehrenamtliche
kommunale Amtsträger dann Beschäftigte seien, wenn sie nicht nur Repräsentationsaufgaben wahrnähmen, sondern
dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugängliche Verwaltungstätigkeiten ausübten. Die Kriterien für die Wählbarkeit und die
Auswahl der Beigeladenen zu 1) bis 3) stellten lediglich Elemente des Bewerberauswahlverfahrens dar. Die
Ortsvorsteher der Klägerin nähmen aufgrund der Organisationsregelungen derselben neben den
Repräsentationsaufgaben auch Verwaltungsaufgaben wahr. Hierfür seien sie an die Vorgaben des Gemeindevorstands
gebunden.
Mit Urteil vom 6. Oktober 2004 hat das Sozialgericht Kassel die Klage abgewiesen. Es ist im Wesentlichen den
Argumenten der Beklagten gefolgt. Ergänzend hat es ausgeführt, Ortsvorsteher, die mit der Leitung einer Außenstelle
der Verwaltung betraut seien, nähmen zusätzlich zu den mit dem Wahlamt selbst verbundenen Aufgaben in die
Verwaltungsorganisation der Gemeinde eingeordnete Verwaltungsaufgaben wahr. Dabei seien sie auch
weisungsgebunden. Auch die Berechnung der als Arbeitsentgelt geltenden Anteile der Aufwandsentschädigungen im
Wege der Zusammenrechnung der für das Ortsvorsteheramt als solches und der für die Leitung der Außenstelle
gezahlten Anteile sei richtig.
Gegen das der Klägerin am 27. Oktober 2004 zugestellte Urteil hat diese am 23. November 2004 Berufung eingelegt.
Sie vertritt weiterhin ihre bereits im Widerspruchsverfahren und in der ersten Instanz begründete Auffassung.
Ergänzend führt sie aus, Ortsvorsteher hätten in erster Linie ein politisches, also repräsentatives Amt. Sie seien
historisch und aktuell Bindeglied zwischen Verwaltung und ihrem Ortsteil sowie Interessenvertreter ihres Ortsteils und
seiner Bürger in den kommunalen Gremien und gegenüber der Kommunalverwaltung, nähmen aber keine wesentlichen
Verwaltungsaufgaben wahr. Auch seien die den Ortsvorstehern gemäß der Entschädigungssatzung der Klägerin
gezahlten Beträge kein Entgelt für geleistete Arbeit, sondern allein echte, wenn auch pauschalierte
Aufwandsentschädigung.
Auch im Lichte des Urteils des BSG vom 25. Januar 2006 (B 12 KR 12/05 R) ergebe sich keine andere Einschätzung
der Tätigkeit hessischer Ortsvorsteher. Wie das BSG in dem genannten Urteil bestätigt habe, komme es auf eine
Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles an. Dazu gehörten auch die kommunalverfassungsrechtlichen
Besonderheiten im jeweiligen Bundesland. Schon deshalb sei das Urteil zu einem ehrenamtlichen Bürgermeister in S.
nicht präjudiziell für die Qualifikation der Tätigkeit eines Ortsvorstehers in Hessen. Zutreffend sei vielmehr die
Auffassung des 8. Senats des HLSG, der mit Urteil vom 28. Juli 2005 - L 8/14 KR 331/04 - hessische Ortsvorsteher
nicht als Beschäftigte angesehen habe.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 6. Oktober 2004 aufzuheben und nach den
erstinstanzlich gestellten Anträgen zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und sieht sich auch durch die Entscheidung des BSG vom 25.
Januar 2006 bestätigt.
Der Senat hat die betroffenen Ortsvorsteher A., B. und C. sowie die Barmer Ersatzkasse, die Barmer Ersatzkasse –
Pflegekasse, die Bahn-BKK und die Bahn-BKK - Pflegekasse nach § 75 Abs. 2 Alt. 1 SGG beigeladen.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Im Übrigen wird zum Sach- und Streitstand auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist teilweise begründet.
Soweit in den strittigen Beitragsnachforderungen auch solche Aufwandsentschädigungen als Arbeitsentgelt behandelt
und der Beitragsberechnung zugrunde gelegt wurden, die nach der Entschädigungssatzung der Klägerin für die
Tätigkeit der Ortsvorsteher als Vorsitzende ihrer Ortsbeiräte gezahlt wurden, ist die Berufung begründet. Soweit
hingegen Aufwandsentschädigungen für die Tätigkeit der Beigeladenen als Leiter einer Außenstelle der Verwaltung
gezahlt wurden, ist die Berufung unbegründet.
Zwischen den Parteien strittig ist allein die Frage, ob und inwieweit die Ortsvorsteher als Beschäftigte gegen
Arbeitsentgelt anzusehen sind. Die gegebenenfalls daraus zu ziehenden Konsequenzen für eine Beitragspflicht der
Klägerin sind weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht strittig.
Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV sind für die Beigeladenen zu 1) bis 3) erfüllt, soweit es um ihre
Tätigkeit als Leiter einer Verwaltungsaußenstelle geht. Sie sind hingegen nicht erfüllt, soweit es um die Aufgaben der
Ortsvorsteher nach § 82 Abs. 5 S. 1 bis 3 HGO geht. Nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV ist Beschäftigung die
nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Die Beigeladenen zu 1) bis 3) hatten im fraglichen
Zeitraum mit ihrer Tätigkeit als Ortsvorsteher mit der Funktion von Leitern einer Verwaltungsaußenstelle
nichtselbständige Arbeit im Sinne dieser für alle einschlägigen Sozialversicherungsverhältnisse geltenden Vorschrift
geleistet. Es ist seit langem in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass auch ehrenamtliche kommunale
Funktionsträger Beschäftigte sein können. Voraussetzung ist, wie das BSG in seinem Urteil vom 25. Januar 2006
(a.a.O.) erneut bestätigt hat, dass solche Personen – gegebenenfalls neben der Wahrnehmung weisungsfreier
Repräsentativaufgaben – weisungsgebunden "dem allgemeinen Erwerbsleben zugängliche Verwaltungsaufgaben
wahrnehmen und hierfür eine den tatsächlichen Aufwand übersteigende pauschale Aufwandsentschädigung erhalten”
(Tz. 15 des amtlich Umdrucks). Entscheidend ist in einer Gemengelage solcher unterschiedlicher Aufgaben eine
"Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles unter Berücksichtigung der Ausgestaltung des Ehrenamtes in der
Kommunalverfassung des jeweiligen Bundeslandes” (BSG a.a.O.).
Für diese Gesamtwürdigung bedarf es im Interesse der Praktikabilität nicht einer quantitativen und qualitativen
Bewertung der konkret vom betreffenden Amtsträger wahrgenommenen Aufgaben. Insofern genügt eine typisierende,
an den gesetzlichen oder auf anderen Rechtsgrundlagen beruhenden Aufgaben orientierte Betrachtung. Insbesondere
ist eine quantitative oder qualitative Bewertung der zu erfüllenden Verwaltungsaufgaben ebenso wenig erforderlich wie
eine Ermittlung des tatsächlich wahrgenommenen Umfangs übertragener Verwaltungsaufgaben (BSG, a.a.O.). In
diesem Verzicht auf gar nicht oder nur mit großem Verwaltungsaufwand zu leistende Detailuntersuchungen hat das
BSG zu erkennen gegeben, dass die Abgrenzung aufgrund der Gesamtwürdigung aller Umstände sowohl für die
betroffenen Sozialversicherungsträger als auch für die betroffenen Arbeitgeber praktikabel sein muss. Dem folgt der
Senat. Für Ortsvorsteher in Hessen ergibt sich hieraus Folgendes:
Wenn Ortsvorsteher zu Leitern einer Außenstelle der Verwaltung bestellt werden, sind sie Beschäftigte und folglich bei
Erfüllung der gegebenenfalls noch zu prüfenden weiteren Voraussetzungen versicherungspflichtig. Ihre Tätigkeiten
sind im Sinne der Rechtsprechung "dem allgemeinen Erwerbsleben zugängliche Verwaltungsaufgaben”. Dem steht
nicht entgegen, dass nach § 82 Abs. 5 S. 1 HGO der Ortsvorsteher durch den Ortsbeirat aus seiner Mitte zu wählen
ist. Das Kriterium, dass die Tätigkeit dem allgemeinen Erwerbsleben zugänglich sein muss, darf nämlich nicht etwa
personenbezogen dahingehend missverstanden werden, die Aufgabe müsse im Prinzip jedem fachlich und qualitativ
geeigneten Bewerber zugänglich sein. Insbesondere stehen die persönlichen Anforderungen, die sich aus dem
Erfordernis und den Umsetzungselementen demokratischer Legitimation ergeben, einer entsprechenden Einordnung
der Verwaltungstätigkeit nicht entgegen. Insofern kommt es entgegen der Auffassung der Klägerin nicht auf die
spezifischen kommunalrechtlichen Wählbarkeitsvoraussetzungen und das Erfordernis einer Wahl durch den
seinerseits gewählten Ortsbeirat an. Dem entspricht auch die Rechtsprechung des BSG. So wurden Tätigkeiten von
Personen mit entsprechenden Anforderungen demokratischer Legitimation als Beschäftigung qualifiziert, nämlich
diejenige eines ehrenamtlichen Bürgermeisters im DS. (BSG, Breithaupt 1969, 823); ebenso die Tätigkeit eines
ehrenamtlichen Ortsbürgermeisters einer amtsangehörigen Gemeinde in HS. (BSG, SozR 2200 § 165 Nr. 44, S. 61 f.;
entsprechend auch BSG, SozR 2200 § 1248 Nr. 41, S. 103 f. für Rheinland-Pfalz) und schließlich auch die Tätigkeit
eines ehrenamtlichen Bürgermeisters einer verbandsangehörigen Gemeinde in S. (BSG v. 25. Januar 2006).
Insofern folgt der Senat nicht dem Urteil des 8. Senats des HLSG vom 28. Juli 2005 (L 8/14 KR 331/04), welches das
genannte Kriterium aus der Rechtsprechung des BSG personenbezogen verstanden hat und der Tatsache, dass
Ortsvorsteher aus dem Kreis der Mitglieder des Ortsbeirates zu wählen seien und damit auch alle einschlägigen
Voraussetzungen des passiven Wahlrechts zu erfüllen hätten, für die Frage entscheidende Bedeutung beigemessen
hat, ob die Tätigkeit die Erfüllung einer dem allgemeinen Erwerbsleben zugänglichen Verwaltungsaufgabe ist.
Das Kriterium, dass die Tätigkeit im Prinzip auch im allgemeinen Erwerbsleben in Betracht kommen kann, ist – nur
dieses Verständnis ist auch mit den zitierten Entscheidungen des BSG zu kommunalen Amtsträgern kompatibel –
vielmehr sachbezogen zu verstehen. Es geht um den Inhalt der Verwaltungstätigkeit gerade in der Abgrenzung
gegenüber den Repräsentationsfunktionen, wie sie insbesondere die Tätigkeit eines Gemeindevertreters
kennzeichnen. Im Erwerbsleben prinzipiell in Betracht kommende Tätigkeiten sind insbesondere solche, die –
abgesehen vom Umfang, der bei Ehrenämtern typischerweise geringer ist – auch hauptamtlich vorstellbar wären. Für
die Abgrenzung gegenüber den selbständigen, nämlich nach den Kommunalverfassungen explizit weisungsfreien
Repräsentativaufgaben ist auch die typische Entgegensetzung von Gemeindevertretung und "Verwaltung” als Inbegriff
der Administrativorganisation einschließlich ihrer Spitze relevant. Dieser Unterscheidung hat auch das BSG im
zitierten Urteil vom 25. Januar 2006 Rechnung getragen, indem es die Qualifikation der Vorinstanz billigte, welche im
Falle des s. Bürgermeisters, der auch Vorsitzender der Gemeindevertretung ist, die administrative Vorbereitung von
Beschlüssen der Gemeindevertretung außerhalb von deren Sitzungen als Tätigkeiten eingeordnet hatte, die für eine
Gesamtwürdigung als Beschäftigung sprachen.
Ortsvorsteher, die mit der Leitung einer Außenstelle der Verwaltung beauftragt und insofern Teil der Administration
und auch eingeordnet in die Verwaltungsorganisation sind, üben insoweit eine Tätigkeit aus, die auch hauptamtlich
wahrgenommen werden könnte. Dies zeigt schon der Vergleich mit der Leitung einer Außenstelle der Verwaltung für
den Fall, dass eine solche Funktion nicht durch einen Ortsvorsteher wahrgenommen würde. In diesem Falle, der
kommunalrechtlich durchaus zulässig ist, da, wie sich § 81 Abs. 3 HGO entnehmen lässt, die Möglichkeit der Bildung
von Außenstellen nicht von der Einrichtung von Ortsbezirken abhängt, würde die Leitung einem hauptamtlichen
Bediensteten der Gemeindeverwaltung übertragen. An den Aufgaben ändert sich insoweit nichts, wenn die Aufgabe
einem Ortsvorsteher übertragen wird.
Die Tätigkeit des Leiters einer Außenstelle der Verwaltung ist auch eine nichtselbständige Tätigkeit. In ihr ist der
Ortsvorsteher nicht etwa unabhängig, sondern als Teil der Verwaltung nach § 66 Abs. 1 HGO der Leitung der
Gemeindeverwaltung durch den Gemeindevorstand unterworfen. Wie im Einzelnen die Hierarchie ausgestaltet ist,
entscheidet seinerseits der Gemeindevorstand. Gerade im Falle der Klägerin enthält hierzu die Anordnung des
Bürgermeisters vom 11. März 1998 die Regelung, die Ortsvorsteher unterlägen in ihrer Funktion als Leiter von
Außenstellen der Verwaltung der "Dienstaufsicht des Bürgermeisters”. Aber auch ohne eine solche konkrete Regelung
gilt nach §§ 66 Abs. 1 S. 1 und 70 Abs. 1 S. 2 HGO dasselbe.
An der Einschätzung, dass der Ortsvorsteher mit Leitungsfunktion über die Außenstelle der Verwaltung abhängig
Beschäftigter ist, ändert der Umstand nichts, dass er zugleich auch Vorsitzender des Ortsbeirates ist (§ 82 Abs. 5 S.
1 und 2 HGO). Allerdings ist diese Funktion allein keine abhängige Arbeit und insofern auch keine Beschäftigung. Der
Vorsitzende des Ortsbeirats übt nämlich – ebenso wie der Vorsitzende der Gemeindevertretung – gerade eine
Repräsentationsfunktion aus und ist in ihr auch Weisungen nicht unterworfen.
Für die Qualifikation von Aufwandsentschädigungen als Arbeitsentgelt kommt es im jeweiligen Fall darauf an, ob die
geleisteten Zahlungen den unterschiedlichen Funktionen zuzuordnen sind oder nicht. Wenn, wie im Falle der
Entschädigungssatzung der Klägerin, klar abgrenzbare Aufwandsentschädigungen für die administrative Funktion als
Leiter einer Außenstelle der Verwaltung und für die repräsentative Funktion als Vorsitzender des Ortsbeirats
vorgesehen sind, gibt es keinen Grund, diese Zahlungen nicht auch getrennt zu qualifizieren. Die
Aufwandsentschädigung für die Tätigkeit als Vorsitzender des Ortsbeirats ist demgemäß, soweit sie über den
pauschal anzuerkennenden echten Ausgleich für Aufwand hinausgeht, eine Entlohnung für selbständige Tätigkeit, was
keine Versicherungspflicht begründet. Umgekehrt ist die "Aufwandsentschädigung” für die Tätigkeit als Leiter einer
Außenstelle der Verwaltung Arbeitsentgelt. Soweit es um die Zuordnung der einkommensteuerrechtlich anerkannten
pauschalen Absetzungsbeträge geht, ist es angemessen, diese zunächst von der Aufwandsentschädigung für die
"politische” und selbständige Tätigkeit abzusetzen und erst eventuelle Restbeträge von der Aufwandsentschädigung
für die unselbständige Tätigkeit.
Sofern eine Gemeinde keine getrennten Aufwandsentschädigungen vorsieht, sondern nur einheitliche Zahlungen
sowohl für die repräsentative wie auch für die administrative Funktion, ist eine Gesamtwürdigung dieser Verbindung
von Repräsentativelementen und Administrativelementen in der Funktion eines Ortsvorstehers mit Leitung einer
Verwaltungsaußenstelle unvermeidlich. In diesem Fall muss insgesamt von einer im Prinzip auch hauptamtlich
möglichen und abhängigen Tätigkeit ausgegangen werden. Dies ergibt sich schon aus dem offenkundigen typischen
zeitlichen Aufwand für die jeweiligen Funktionen, wobei auch zu berücksichtigen ist, dass die außerhalb der Sitzungen
stattfindende eventuelle Vorbereitung und Umsetzung von Beschlüssen des Ortsbeirats ebenso zur
Administrativfunktion gehört, wie dies das BSG im zitierten Urteil vom 21. Januar 2006 (Tz. 18) für den
ehrenamtlichen Bürgermeister und seine Rolle als Vorsitzender der Gemeindevertretung in S. angenommen hat.
Gemäß der Rechtsprechung des BSG, welcher der Senat folgt, bedürfte es in einem solchen Fall auch nicht etwa
einer konkreten Untersuchung der – möglicherweise von Monat zu Monat unterschiedlichen – zeitlichen Anteile der
jeweiligen Aufgaben. Geboten ist dann vielmehr eine typisierende Gesamteinschätzung. Insgesamt ist darum im Falle
der Notwendigkeit einer Gesamtbetrachtung davon auszugehen, dass für den Ortsvorsteher, der auch Leiter einer
Außenstelle der Verwaltung ist, diese Funktion nicht unerheblich, sondern prägend für sein Amt ist.
Im vorliegenden Fall bedarf es keiner die Ortsvorstehertätigkeit insgesamt betrachtenden Qualifikation. Vielmehr ist
die Klägerin verpflichtet, die unterschiedlichen Aufwandsentschädigungen der selbständigen und der
nichtselbständigen Funktion ihrer Ortsvorsteher zuzuordnen und entsprechend ihren Meldungen nach § 28a SGB IV
zugrundezulegen. Ebenso konnte hier die Beklagte für die Berechnung der Beitragsnachforderungen nicht die
gesamten Aufwandsentschädigungen zusammenrechnen. Insofern ist der Nachforderungsbescheid, letztlich in
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2002, teilweise rechtswidrig und war insoweit aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 155 Abs. 1 S. 1 VwGO. Die Aufteilung der
Kosten entspricht nach Auffassung des Senats dem jeweiligen Erfolg der Parteien.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Soweit es um die Auslegung von
Bundesrecht geht, sind alle hier relevanten Rechtsfragen, insbesondere die sozialrechtlichen Grundsätze für die
Abgrenzung der Beschäftigteneigenschaft bei Inhabern kommunaler Ehrenämter, höchstrichterlich geklärt. Von diesen
Grundsätzen ist der Senat nicht abgewichen. Soweit es um die kommunalrechtlichen Vorschriften und um deren
Auslegung geht, ist die Revision nicht zuzulassen, da diese nach § 162 SGG als Landesrecht nicht revisibel sind.