Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 11.03.2010

LSG Berlin und Brandenburg: hauptsache, erlass, entlastung, verbraucher, nachforderung, verwaltungsverfahren, beschränkung, geldleistung, gerichtsakte, beratung

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss vom 11.03.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 156 AS 35440/09 ER
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 20 AS 2061/09 B ER
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 06. November 2009 sowie die Beschwerde
gegen die Nichtzulassung der Beschwerde werden als unzulässig verworfen. Außergerichtliche Kosten sind für das
Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I. Der Antragsteller wehrt sich gegen die Nichtzulassung der Beschwerde in dem von ihm mit der Beschwerde
angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts.
Der Antragsteller, der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch –
SGB II – von dem Antragsgegner bezieht, hat am 19. Oktober 2009 beim Sozialgericht Berlin unter Bezugnahme auf
eine vorherige Antragstellung bei dem Antragsgegner vom 10. September 2009 beantragt, den Antragsgegner im
Wege der einstweiligen Anordnung zur Gewährung eines Mehrbedarfs für erhöhten Stromverbrauch als Vorschuss
oder vorläufige Leistung zu verpflichten. Mit dem Antrag hat er u.a. ausgeführt: "Die beantragte Leistung ist
gerechtfertigt. Der Höhe nach geht es um ca. 17,37 Euro/Monat, soweit es um die Anwendung durch Warmwasser
geht, da dieses durch einen Durchlauferhitzer erzeugt werden muss" (Seite 2 der Antragsschrift). Mit Schriftsatz vom
29. Oktober 2009 hat der Antragsteller die streitige monatliche Mehrleistung in Höhe von 17,37 Euro bestätigt (Seite 3
des Schriftsatzes).
Mit Beschluss vom 06. November 2009, dem Antragsteller am 12. November 2009 zugestellt, hat das Sozialgericht
den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, es fehle an einem Anordnungsgrund. Die Ablehnung der Leistung in
Höhe von 17,37 Euro monatlich stellte keinen schweren und unzumutbaren Nachteil dar, der den Erlass einer
einstweiligen Anordnung rechtfertige. Der geringe Betrag führe nicht zu einer Existenznot.
Das Sozialgericht hat dem Antragsteller weiter mitgeteilt, dass der Beschluss unanfechtbar sei, weil der
Beschwerdewert von 750,00 Euro nicht erreicht werde.
Mit seiner am 08. Dezember 2009 erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde macht der Antragsteller geltend, sein
Antrag habe sich zum einen auf die Gewährung eines monatlichen Mehrbedarfs in Höhe von 35 v.H. der Regelleistung
(359,00 Euro) bezogen, so dass die Beschwerdesumme erreicht werde. Zum anderen sei der "Bewilligungszeitraum ( )
dann mit 6 oder 12 Monaten anzusetzen". Zudem sei der Betrag von 17,52 Euro zwischenzeitlich auf 19,22 Euro
gestiegen. Der von ihm begehrte Zuschlag hänge nicht davon ab, dass er Leistungen der Teilhabe am Arbeitsleben
von dem Antragsgegner in Anspruch nehme. Dieser habe den geltend gemachten Anspruch nach § 14
Sozialgesetzbuch Neuntes Buch – SGB IX – auch nach anderen Anspruchsnormen zu prüfen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der Entscheidung wird auf die
Gerichtsakte und die beigezogenen Ablichtungen des Verwaltungsvorganges des Antragsgegners verwiesen, die
vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers, soweit sie sich gegen den Beschluss des Sozialgericht als solches richtet, ist
nicht statthaft.
Nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 in Verbindung mit § 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - in der ab 01. April 2008
geltenden Fassung (eingefügt durch Artikel 1 Nr. 29 b Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des
Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008, BGBl I Seite 444) sind Beschwerden in Verfahren des einstweiligen
Rechtsschutzes u. a. dann nicht statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes in der Hauptsache bei einer
eine Geldleistung betreffenden Klage 750 Euro nicht übersteigt.
Bei der Prüfung der Statthaftigkeit der Beschwerde ist auf die Beschwer des Beschwerdeführers durch den
angefochtenen Beschluss abzustellen (so auch zur entsprechenden Problematik der Anwendung des § 146 Abs. 4
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - idF. des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege v. 11. Januar 1993 - BGBl
I S. 50 - iVm. § 131 Abs. 2 VwGO: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen 22. Senat, Beschluss
vom 17. August 1993, - 22 B 1230/93 -, a. A. auf den tatsächlichen Streitgegenstand des Hauptsacheverfahrens
abstellend: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen 15. Senat, Beschluss vom 11. Juni 1996, - 15 B
1313/96 -). Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG, wonach in Verfahren des einstweiligen
Rechtsschutzes darauf abzustellen ist, ob in der Hauptsache die Berufung zulässig wäre. Die Zulässigkeit der
Berufung einer Hauptsache richtet sich nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG und bemisst sich nach der durch das
erstinstanzliche Urteil eingetretenen Beschwer für den Berufungsführer. Dass bei der Prüfung der Zulässigkeit der
Beschwerde ebenfalls an die durch den Beschluss eingetretene Beschwer anzuknüpfen ist, entspricht auch der
Intention des Gesetzgebers, die Beschwerdemöglichkeit bei wirtschaftlich nicht relevanten Entscheidungen im
einstweiligen Rechtsschutzverfahren zur Entlastung der Landessozialgerichte auszuschließen (BT-Drs. 16/7716, Seite
13f. zu 2) c) bb); Seite 22 zu Nr. 29 b)). Die Rechtsschutzmöglichkeit im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist
nicht gegenüber derjenigen in Hauptsacheverfahren zu privilegieren.
Davon ausgehend ist die Beschwerde des Antragstellers hier nicht statthaft, weil die durch den angefochtenen
Beschluss für ihn eingetretene Beschwer nicht 750 Euro übersteigt. Dabei ist von dem Antrag des Antragstellers
auszugehen.
Der Antragsteller hat beim Sozialgericht ausdrücklich die Verpflichtung des Antragsgegners zu einer monatlichen
Leistung in Höhe von 17,37 Euro begehrt. Nur über diesen Anspruch hat das Sozialgericht entschieden und damit
allenfalls über das Begehren bezogen auf den gesamten Bewilligungszeitraum von sechs Monaten (104,22 EUR).
Damit erreicht die Beschwer nicht 750,00 Euro. Selbst wenn mit dem Beschwerdevorbringen des Antragstellers von
einem auch schon erstinstanzlich geltend gemachten Bewilligungszeitraum von "bis zu 12 Monaten" auszugehen
wäre, wäre der Beschwerdewert nicht erreicht. Soweit der Antragsteller nunmehr im Beschwerdeverfahren geltend
macht, dass er eine monatliche Mehrleistung von 35 v.H. des Regelsatzes begehrt haben will, führt dies nicht zu einer
höheren Beschwer durch die erstinstanzliche Entscheidung. Ein solches Verpflichtungsbegehren hat der Antragsteller
nicht zur Entscheidung des Sozialgerichts gestellt, das über ein solches Begehren auch nicht entschieden hat (nicht
entscheiden durfte). Dies gilt im Übrigen auch, soweit der Antragsteller nunmehr geltend macht, die monatliche
Mehrleistung erhöhe sich durch gestiegene Strompreise auf 19, 22 Euro.
Damit ist der Beschwerdewert nicht erreicht und eine Berufung in der Hauptsache nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG
nicht zulässig, da auch keine Verpflichtung zu einer wiederkehrenden oder laufenden Leistung für mehr als ein Jahr im
Streit ist (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Soweit der Antragsteller mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Zulassung der Beschwerde begehrt, ist diese
Beschwerde ebenfalls nicht statthaft und war zu verwerfen. Eine gesetzliche Grundlage, wonach das Sozialgericht in
Fällen des § 172 Abs. 3 SGG die Beschwerde zulassen kann, sieht das Gesetz - anders als in Fällen der
Beschränkung einer Berufung nach § 144 Abs. 1 SGG - nicht vor.
Nur ergänzend weist der Senat daraufhin, dass die Beschwerde gegen den Beschluss auch in der Sache keinen
Erfolg gehabt hätte. Zutreffend hat das Sozialgericht mit den angegebenen Gründen das Vorliegen eines
Anordnungsgrundes für den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Der Antragsteller hat im Übrigen zu
keiner Zeit dargelegt, dass er bereits durch warme Wannenbäder mit höheren Stromkosten belastet ist, dass ein
Bedarf überhaupt besteht. Ein von ihm geltend gemachter, durch Erlass einer einstweiligen Anordnung
abzuwendender Nachteil ist nicht ersichtlich. Es ist allgemein bekannt, dass Stromversorger nach einer
Abrechnungsperiode den tatsächlichen Stromverbrauch unter Anrechnung der geleisteten Abschläge mit dem
Verbraucher abrechnen und ggf. eine Nachforderung verbunden mit der Erhöhung der monatlich laufenden Abschläge
geltend machen. Dem Antragsteller ist es also derzeit ohne Mehrkosten möglich, etwaigen Schmerzen durch warme
Wannenbäder zu begegnen, da er mit Strom versorgt wird. Soweit ihm dadurch tatsächlich Mehrkosten entstehen, ist
er zumindest derzeit gehalten, seine Ansprüche in einem Hauptsacheverfahren bei dem Antragsgegner oder einem
von ihm für zuständig erachteten sonstigen Leistungsträger in einem geordneten Verwaltungsverfahren geltend zu
machen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem
Ausgang des Verfahrens.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).