Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 17.12.2008

LSG Berlin-Brandenburg: berechnung der beiträge, bemessung der beiträge, rente, beitragssatz, eltern, begünstigung, versicherter, beitragspflicht, entlastung, auszahlung

1
2
3
4
5
6
7
8
9
Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg
21. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 21 R 1974/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 55 Abs 3 SGB 11, § 60 Abs 1
SGB 11, § 255 Abs 1 SGB 5, Art
3 Abs 1 GG, Art 6 Abs 1 GG
Beitragszuschlag für kinderlose Versicherte in der sozialen
Pflegeversicherung
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt war, einen Beitragszuschlag
für kinderlose Versicherte für die soziale Pflegeversicherung zu erheben.
Die Klägerin ist die Witwe des 1946 geborenen und 2006 verstorbenen Versicherten D K.
Dem kinderlosen Versicherten wurde mit Bescheid vom 26. Januar 1994 eine Rente
wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer ab 01. Januar 1992 gewährt.
Ab 01. Juli 1996 wurden von dem festgestellten Rentenhöchstwert Beiträge für die
gesetzliche Krankenversicherung in Höhe von 13,40 % (92,79 DM) und für die
Pflegeversicherung in Höhe von 1,7 v. H. (11,77 DM) abgezogen.
Mit Schreiben vom 03. Januar 2005 teilte die Beklagte dem Versicherten mit, dass sich
der Beitragssatz zur Pflegeversicherung um 0,25 Beitragssatzpunkte (Beitragszuschlag
für Kinderlose) erhöhe. Dieser Beitragszuschlag sei ab 01. Januar 2005 zu erheben und
werde aus der Rente für den Monat April 2005 für die rückwirkenden Rentenbezugszeiten
erhoben werden. Es wurde angekündigt, dass der Kläger voraussichtlich im März 2005
einen neuen Rentenbescheid erhalten werde.
Der Versicherte machte über seinen Verfahrensbevollmächtigten mit Schreiben vom 04.
Februar 2005 geltend, dass die erhöhte Beitragsbelastung zur Pflegeversicherung für
Kinderlose verfassungswidrig sei.
Mit Bescheid vom 08. Februar 2005 berechnete die Beklagte die Rente des Klägers
beginnend ab 01. April 2005 neu. Sie machte für die Zeit ab 01. Januar 2005 einen
erhöhten Beitragssatz zur Pflegeversicherung in Höhe von 1,95 % (16,16 €) aus 828,84
€ geltend. Die Beklagte gewährte für die Zeit ab 01. Januar 2005 eine entsprechend
geringere (Netto-)Rente.
Mit seinem Widerspruch vom 12. März 2005 machte der Versicherte geltend, die
Neuregelung der Beitragspflicht zur gesetzlichen Pflegeversicherung verstoße gegen
höherrangiges Recht. Der Gesetzgeber habe die Beiträge zur sozialen
Pflegeversicherung nicht unabhängig davon erhöhen dürfen, ob die Kinder ihrerseits
Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung gezahlt hätten.
Die Beklagte wies mit Bescheid vom 08. Juni 2005 den Widerspruch zurück und führte zur
Begründung aus, die Einführung des Beitragszuschlages für Kinderlose ergebe sich aus
dem Gesetz zur Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten im Beitragsrecht der
sozialen Pflegeversicherung vom 15. Dezember 2004. Von der Zahlung des
Beitragszuschlages seien Rentner nur dann befreit, wenn sie entweder vor dem 01.
Januar 1940 geboren seien oder wenn sie gegenüber dem Rentenversicherungsträger
das Vorliegen von Elterneigenschaft nachweisen könnten. Ein solcher Nachweis sei nicht
erbracht worden.
Mit der daraufhin am 01. Juli 2005 vor dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat der
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
Mit der daraufhin am 01. Juli 2005 vor dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat der
Versicherte sein Begehren weiterverfolgt und geltend gemacht, der Nachweis der
Elterneigenschaft könne deshalb nicht erbracht werden, weil er ungewollt kinderlos
geblieben sei. Es liege ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3
Grundgesetz - GG - vor, weil sich eine willkürliche Ungleichbehandlung zu Versicherten
ergebe, die leibliche Kinder hätten, die jedoch entweder vorverstorben, krank oder
ausgewandert seien. Das Bundesverfassungsgericht - BVerfG - habe nicht entschieden,
dass kinderlose Versicherte grundsätzlich schlechter zu stellen seien als Eltern. Eine
geeignete Regelung könne nur anerkannt werden, wenn nicht auf die Elterneigenschaft
schlechthin abgestellt werde. Die Regelung diskriminiere die Gruppe der ungewollt
kinderlos gebliebenen Versicherten.
Die Beklagte ist erstinstanzlich bei der mit dem Widerspruchsbescheid vertretenen
Rechtsauffassung verblieben.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 25. Oktober 2005 die Klage abgewiesen und zur
Begründung ausgeführt, die Beklagte habe die Rente zutreffend unter Berücksichtigung
eines Beitragszuschlages zur Pflegeversicherung gemäß § 55 Abs. 3 Sozialgesetzbuch
Elftes Buch (SGB XI) berechnet. Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Versicherten
gegen die Regelung des § 55 Abs. 3 SGB XI hat das Sozialgericht nicht geteilt.
Gegen das am 09. Februar 2006 zugestellte Urteil hatte der Versicherte bereits am 19.
Dezember 2005 Berufung eingelegt. Nachdem der Versicherte verstorben ist, führt die
Klägerin das Verfahren weiter. Sie macht geltend, dass der Versicherte ungewollt
kinderlos geblieben sei. Durch die Regelungen des § 55 Abs. 3 SGB XI würden kinderlos
gebliebene Versicherte diskriminiert. Es erscheine weiter willkürlich, Personen von der
Beitragspflicht auszunehmen, deren Kinder im Zeitraum unmittelbar nach der Geburt bis
zur Vollendung des 16. Lebensjahres verstorben seien; diese Kinder würden auch keine
Beiträge zur Versichertengemeinschaft leisten. Das ausschließliche Abstellen auf die
Elterneigenschaft sei daher unsachgemäß und führe zu willkürlichen Ergebnissen. Auch
wenn dem Gesetzgeber ein gewisser Handlungsspielraum zuzugestehen sei, dürfe er
sonstige der Lebenswirklichkeit entsprechende typische Fallkonstellationen nicht außer
Acht lassen. Ein unerfüllt gebliebener Kinderwunsch aus medizinischen Gründen sei
regelmäßig nachweisbar.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. Oktober 2005 aufzuheben sowie den
Bescheid der Beklagten vom 08. Februar 2005 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 08. Juni 2005 insoweit aufzuheben, als mit ihm für die Zeit
ab 01. Januar 2005 ein Beitragszuschlag für Kinderlose bei der Berechnung der Beiträge
zur gesetzlichen Pflegeversicherung erhoben und einbehalten worden ist und die
Beklagte zu verurteilen, die ab 01. April 2005 monatlich einbehaltenen
Beitragszuschläge zur sozialen Pflegeversicherung auszuzahlen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche
Verhandlung einverstanden erklärt (Schriftsätze vom 15. März 2007 und 21. Dezember
2007).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten
(Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung und
Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die
Beteiligten für ihr Einverständnis erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG
-).
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Die Klägerin verfolgt in zulässiger Weise als Rechtsnachfolgerin des verstorbenen Klägers
die geltend gemachten Ansprüche weiter (§ 202 SGG i. V. m. § 239, 250
Zivilprozessordnung - ZPO -).
Die Berufung ist auch innerhalb der Berufungsfrist eingelegt worden, denn sie ist bereits
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
Die Berufung ist auch innerhalb der Berufungsfrist eingelegt worden, denn sie ist bereits
vor Zustellung des schriftlich abgefassten und am 25. Oktober 2005 verkündeten Urteils
beim Landessozialgericht eingegangen (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl., § 151 Rn. 9).
Die Berufung ist auch unabhängig von der Höhe des Wertes des
Beschwerdegegenstandes nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG zulässig, da der Kläger
ursprünglich (höhere) laufende Leistungen für mehr als ein Jahr begehrt hat. Der
streitige Zuschlag zu den Beiträgen zur Pflegeversicherung sollte dauerhaft erhoben
werden. Dass mit Ableben des Versicherten die Erhebung des Beitragszuschlages
begrenzt war und die Rechtsnachfolgerin des Versicherten die Auszahlung zuviel
gezahlter Beiträge begehrt, ändert an der Zulässigkeit der Berufung zum Zeitpunkt der
Einlegung des Rechtsmittels, auf den abzustellen ist (Leitherer, a. a. O., § 144 Rn. 19),
nichts.
Die Berufung ist unbegründet.
Die Beklagte hat mit dem angefochtenen Bescheid in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides zu Recht für die Zeit ab 01. Januar 2005 von dem Versicherten
die Leistung eines Beitragszuschlages für Kinderlose zur Pflegeversicherung in Höhe von
1 v. H. für den Monat April 2005 und in Höhe von 0,25 v. H. für die folgenden Monate
verlangt. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Abänderung des angefochtenen
Bescheides und auf Auszahlung der einbehaltenen Beitragszuschläge.
Die Beklagte war zunächst berechtigt, die Beiträge zur Pflegeversicherung mit dem
angefochtenen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides gegenüber dem
Versicherten festzustellen und die Beiträge einzubehalten. Nach § 255 Abs. 1 Satz 1
Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V - i. V. m. § 60 Abs. 1 Satz 2 SGB XI sind Beiträge
zur Pflegeversicherung, die der Versicherungspflichtige aus seiner Rente zu tragen hat,
vom Träger der Rentenversicherung, der Beklagten, bei der Zahlung der Rente
einzubehalten und abzuführen (Bundessozialgericht - BSG - vom 29. November 2006, B
12 RJ 4/05 R, SozR 4-3300 § 59 Nr. 1; BSGE 97, 292 - 306).
Zutreffend hat die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides auch die Höhe der Beiträge zur Pflegeversicherung berechnet.
Der Versicherte war auch verpflichtet, die Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung
allein zu tragen. Als pflichtversichertes Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung
war er nach § 20 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 11 SGB XI auch versichertes Mitglied in der
sozialen Pflegeversicherung. Nach § 59 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB XI in der Fassung
des Art. 6 Nr. 1 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches
Sozialgesetzbuch u. a. Gesetze (2. SGB VI-Änderungsgesetz) vom 27. Dezember 2003
(BGBl. I 3013, §§ 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI n. F.) haben Bezieher einer Rente der
gesetzlichen Rentenversicherung ab 01. April 2004 die aus der Beitragspflicht zur
Pflegeversicherung resultierende Beitragslast allein zu tragen. Verfassungsrechtlichen
Bedenken begegnet diese Regelung nicht (vgl. hierzu: BSG v. 29.11.2006, B 12 RJ 4/05 R,
SozR 4-3300 § 59 Nr. 1, BSGE 97, 292-306).
Zutreffend hat die Beklagte auch für die Zeit ab 01. April 2005 den hier allein streitigen
Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten zu den zur sozialen
Pflegeversicherung zu leistenden Beiträgen in Höhe von 1,7 v. H. (§ 55 Abs. 1 Satz 1
SGB XI in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung) in Abzug gebracht und für die
Zeit von Januar bis März 2005 den Beitragszuschlag in Höhe von 1 v.H. für den Monat
April 2005 von der Rentenleistung abgezogen.
Nach § 55 Abs. 3 Satz 1 SGB XI erhöht sich der Beitragssatz, der zur Pflegeversicherung
zu leisten ist, für Mitglieder nach Ablauf des Monats der Vollendung des 23.
Lebensjahres um einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 v. H., wenn sie nicht Eltern im
Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 und 3 Sozialgesetzbuch Erstes Buch
- SGB I - sind bzw. vor dem 01. Januar 1940 geboren oder Wehr- und Zivildienstleistende
bzw. Bezieher von Arbeitslosengeld II sind (§ 55 Abs. 3 Satz 2, Satz 7 SGB XI). Nach § 55
Abs. 4 Satz 1 SGB XI war der Beitragszuschlag für die Monate Januar bis März 2005
einmalig in Höhe von 1 v.H. der Bruttorente im Monat April 2005 von der Beklagten zu
berücksichtigen.
Der Versicherte war kinderlos, er war nicht vor dem 01. Januar 1940 geboren, die
weiteren Ausnahmen des § 55 Abs. 3 Satz 7 SGB XI erfüllte der Versicherte nicht, so
dass der Beitragszuschlag nach § 55 Abs. 3 Satz 1 SGB XI zu erheben war.
Nach allem hat die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides die bestehende gesetzliche Regelung zutreffend angewandt.
32
33
34
35
36
37
38
39
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung des § 55 Abs. 3 SGB XI bestehen
nicht, so dass der Rechtsstreit nicht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG zur Einholung einer
Entscheidung des BVerfG auszusetzen war.
Allein in Betracht kommt ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3
Abs. 1 GG, der verlangt, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich
zu behandeln. Daran gemessen ist die Regelung des § 55 Abs. 3 SGB XI, die die
Erhebung eines Beitragszuschlages für Kinderlose vorschreibt, nicht zu beanstanden.
Der Gesetzgeber hat mit § 55 Abs. 3 SGB XI das Urteil des BVerfG vom 03. April 2001 (1
BvR 1629/94, BVerfGE 103, 242) umgesetzt. Mit dieser Entscheidung hatte das BVerfG
die beitragsrechtlichen Vorschriften des SGB XI für unvereinbar mit Art. 3 GG erklärt
soweit Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung mit Kindern mit einem gleich hohen
Beitrag belastet worden waren wie Mitglieder ohne Kinder. Entschieden worden war, dass
der Vorteil kinderloser Versicherter in der sozialen Pflegeversicherung systemspezifisch
beitragsrechtlich zu kompensieren war. Dieser Verpflichtung ist der Gesetzgeber mit
dem Beitragszuschlag nach § 55 Abs. 3 SGB XI für Kinderlose nachgekommen. Diese
Umsetzung verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, soweit auch ungewollt kinderlose
Versicherte zur Zahlung des Beitragszuschlages verpflichtet sind.
Das BSG führt mit der Entscheidung vom 27. Februar 2008 (B 12 P 2/07 R, juris) wie folgt
aus (juris Rn. 14 ff.):
„ (…) § 55 Abs 3 SGB XI führt zu unterschiedlichen Beitragsbelastungen von
Versicherten. Während durch die Neuregelung für Versicherte mit Kindern sowie für
weitere Gruppen von Versicherten die Beitragsbelastung bei ansonsten unveränderten
Umständen ab 1.1.2005 gleich bleibt, erhöht sich bei den übrigen Versicherten - wie
auch dem Kläger - ab Vollendung des 23. Lebensjahres der Beitragssatz von 1,7 % um
0,25 % auf 1,95 % der beitragspflichtigen Einnahmen. Der Gesetzgeber hat damit allein
an das Vorhandensein von Kindern angeknüpft, nicht dagegen an den jeweils
entstehenden Aufwand für Kinder oder die Gründe für die Kinderlosigkeit. Diese
Differenzierung ist nicht zu beanstanden.
a) Nicht zu beanstanden ist die Entscheidung des Gesetzgebers, zur Umsetzung des
Urteils des BVerfG Kinderlose wie den Kläger mit einem erhöhten Beitrag zu belasten,
während Versicherte mit Kindern weiter Beiträge nach dem bisherigen Beitragssatz
zahlen. (…) Es ist nicht ersichtlich, dass der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers
dahin eingeschränkt war, dass nur eine Beitragsreduktion verfassungsrechtlich zulässig
gewesen wäre. Eine solche Regelung hätte zu Beitragsausfällen geführt, die mit
Beitragssatzerhöhungen hätten kompensiert werden müssen. Der Ausgleich einer
relativen Beitragsentlastung im Beitragssystem der sozialen Pflegeversicherung setzte
bei angestrebter Beibehaltung des Beitragsaufkommens voraus, dass Kinderlose höhere
Beiträge als bisher zu zahlen haben.
b) Soweit der Kläger die Gleichbehandlung von ungewollt kinderlosen Versicherten
mit Versicherten mit Kindern begehrt, findet eine solche Forderung im Verfassungsrecht
keine Stütze. Das BVerfG hat gerade im Vergleich mit kinderlosen Versicherten eine
Entlastung der Gruppe der Versicherten mit Kindern gefordert, mit der der Kläger die
Gleichbehandlung begehrt (…), ohne dabei auf die Gründe der Kinderlosigkeit
abzustellen. Sollte im übrigen auch die unfreiwillige Kinderlosigkeit aus medizinischen
Gründen zu einem niedrigeren Beitragssatz führen, wie vom Kläger gefordert, wäre nicht
zu erkennen, weshalb nicht auch aus anderen Gründen kinderlose Versicherte, zB
Versicherte ohne Partner, von der Beitragsbelastung ausgenommen werden müssten.
c) Die Ungleichbehandlung ist auch dann gerechtfertigt, wenn Versicherte allein
aufgrund der Elterneigenschaft dauerhaft keinen Beitragszuschlag tragen müssen,
selbst wenn sie keine Aufwendungen für Kinder haben oder von ihnen keine Erziehungs-
und Betreuungsleistungen erbracht werden. Der Gesetzgeber durfte in Ausübung seines
ihm eingeräumten Spielraums bei der Ausgestaltung eines Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1
GG entsprechenden Beitragsrechts in der sozialen Pflegeversicherung vom Regelfall
ausgehen und die vom BVerfG geforderte Entlastung an das (bloße) Vorhandensein
eines Kindes knüpfen sowie ab dessen Geburt eine dauerhafte Beitragsentlastung
vorsehen. Das GG verpflichtet den Gesetzgeber entsprechend dem Urteil des BVerfG
lediglich dazu, bei der gebotenen Differenzierung der Beitragshöhe den sog generativen
Beitrag zu berücksichtigen und die beitragspflichtigen Mitglieder mit einem oder
mehreren Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sozialen Pflegeversicherung
bei der Bemessung der Beiträge relativ zu entlasten. Dies kann durch die
Berücksichtigung allein der Tatsache, dass ein Kind vorhanden ist, bei der
40
41
42
43
44
Berücksichtigung allein der Tatsache, dass ein Kind vorhanden ist, bei der
Beitragsbemessung geschehen. Die geforderte Berücksichtigung des sog generativen
Beitrags rechtfertigt es, an die Stellung als Eltern anzuknüpfen, ohne danach zu
differenzieren, ob und inwieweit Eltern in der Erziehungsphase tatsächlich im Einzelfall
Nachteile entstehen und inwieweit Kinder tatsächlich später zur sozialen
Pflegeversicherung Beiträge leisten. Die Feststellung tatsächlicher Nachteile durch die
Pflegekassen wäre darüber hinaus mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Schon im
Hinblick auf die relativ geringe Differenz von 0,25 % Beitragssatzpunkten zwischen
kinderlosen Versicherten und solchen mit Kindern steht die Beitragsentlastung letzterer
über das Ende der Betreuungsphase und auch der Erwerbsphase der Versicherten
hinaus nicht außer Verhältnis. Nach Umfang oder der Dauer der Kindererziehung und -
betreuung musste deshalb nicht differenziert werden.
d) Der Senat lässt offen, ob sich der Kläger darauf berufen kann, dass weitere
Gruppen von Versicherten den zusätzlichen Beitragszuschlag ebenfalls nicht zu zahlen
haben, obwohl deren Begünstigung gerade nicht auf den Grund der Kinderlosigkeit
abstellt, sondern jeweils an andere Sachverhalte anknüpft. Der Kläger macht insoweit
auch allein geltend, für deren Begünstigung fehle eine Rechtfertigung, ohne auch zu
fordern, er müsse gemessen an Art 3 Abs 1 GG mit diesen Gruppen gleich behandelt
werden. Eine Verletzung von Art 3 Abs 1 GG käme insoweit allein in Betracht, wenn ein
Versicherter wie der Kläger geltend machte, die bloße ungerechtfertigte Besserstellung
anderer Versicherter führe wegen des Ausfalls der an sich sachgerechten
Zahlungsverpflichtung dieser Versicherten zu messbaren Auswirkungen auf das
Beitragsaufkommen und signifikant höheren Beiträgen für die benachteiligten
Versicherten.
Soweit der Kläger die fehlende Beitragsbelastung der vor dem 1.1.1940 geborenen
kinderlosen Versicherten geltend macht, könnten wegen der Größe dieser Gruppe solche
Auswirkungen auf das Beitragsaufkommen bestehen. Der Senat konnte sich aber nicht
davon überzeugen, dass die Begünstigung dieser Gruppe im Verhältnis zum 1968
geborenen Kläger den allgemeinen Gleichheitssatz verletzt und deshalb
verfassungswidrig ist. Das BVerfG hat in seiner oben genannten Entscheidung die
Berücksichtigung von Erziehungsleistungen im Beitragsrecht dann für
verfassungsrechtlich geboten erachtet, wenn nicht mehr die Mehrheit der Versicherten
Kinder erzieht. Es ist daher im Hinblick auf Art 3 Abs 1 GG nicht zu beanstanden, wenn
der Gesetzgeber bei der Regelung des § 55 Abs 3 SGB XI berücksichtigt hat, dass von
den vor dem 1.1.1940 geborenen Versicherten noch überwiegend Kinder geboren (und
erzogen) wurden und deshalb auch die kinderlosen Versicherten dieser Jahrgänge nicht
zu einem finanziellen Beitrag zur Entlastung der Versicherten mit Kindern herangezogen
werden.
Auf die fehlende Zahlungspflicht der Bezieher von Arbeitslosengeld II kann sich der
Kläger nicht mit Erfolg berufen. Ob allerdings wie in den Gesetzesmaterialien die
Ungleichbehandlung damit begründet werden kann, dass das Existenzminimum zu
schonen ist, erscheint fraglich. Auch ist zweifelhaft, ob das prognostizierte Verhältnis des
zusätzlichen Verwaltungsaufwandes zur lediglich geringen Höhe der durch die Erhebung
des Beitragszuschlags zu erwartenden zusätzlichen Beitragseinnahmen diese
Ungleichbehandlung rechtfertigen kann. Es kann offenbleiben, ob es andere, die
Begünstigung dieser Gruppe rechtfertigende Gründe gibt. Ein Verstoß gegen den
Gleichheitssatz könnte jedoch nur zu einer Belastung auch dieses Personenkreises mit
dem Beitragszuschlag führen. Eine Benachteiligung des Klägers durch die
Beitragsentlastung dieser Gruppe, die zumindest eine deutliche Auswirkung der
Beitragsentlastung auf das gesamte Beitragsaufkommen aus dem Beitragszuschlag zur
Voraussetzung hätte, ist jedoch auszuschließen. Dies folgt aus der relativ geringen
Größe der begünstigten Gruppe und dem geringen Beitragsaufkommen je Versicherten
aus den zugrunde liegenden beitragspflichtigen Einnahmen.
Gleiches gilt für die Gruppe der Wehr- und Zivildienstleistenden. Es handelt sich um
eine relativ kleine Gruppe von Versicherten, da nur diejenigen betroffen sind, die den
Dienst nach Vollendung des 23. Lebensjahres abzuleisten haben und deshalb
andernfalls einen Beitragszuschlag zu zahlen hätten. Die Beitragsentlastung ist hier aber
gemessen an Art 3 Abs 1 GG auch sachlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat in
Wahrnehmung des ihm eingeräumten Gestaltungsspielraums aus sozialen Gründen von
der Erhebung des Beitragszuschlags bei dieser Gruppe abgesehen. Der Charakter
dieses Dienstes als verpflichtender, zeitlich nicht frei wählbarer Dienst für die
Allgemeinheit rechtfertigt die fehlende Pflicht zur Zahlung des Beitragszuschlags“.
Der Senat schließt sich den Gründen des BSG an und macht sie sich nach eigener
Prüfung zu Eigen (i.E. ebenso: LSG Niedersachsen-Bremen v. 22.11.2006, L 2 R 386/06,
45
46
47
Prüfung zu Eigen (i.E. ebenso: LSG Niedersachsen-Bremen v. 22.11.2006, L 2 R 386/06,
juris).
Nach allem war die Erhebung des Beitragszuschlages zur sozialen Pflegeversicherung
aus der Rente des Versicherten auf der Grundlage des § 55 Abs. 3 SGB XI nicht zu
beanstanden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des
Rechtsstreits.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der in § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG
genannten Gründe vorliegt.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum