Urteil des LSG Bayern vom 25.05.2009

LSG Bayern: falsche rechtsmittelbelehrung, rechtshängigkeit, rente, rücknahme, beratung, behörde, erlass, erwerbsfähigkeit, minderung, berechnungsgrundlagen

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 25.05.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Regensburg S 5 U 273/04
Bayerisches Landessozialgericht L 2 B 733/07 U
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 18. Mai 2007 wird zurückgewiesen.
Gründe:
Der Beschwerdeführer begehrte im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Regensburg die Aufhebung des Bescheides
vom 24.03.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.08.2004, soweit ein Anspruch auf Rente wegen des
Unfalls vom 03.02.2000 ab 04.02.2002 abgelehnt wurde. Wegen des Unfalls vom 03.02.2000 hatte der Kläger ein
Verfahren vor dem Sozialgericht Regensburg mit dem Az.: S 4 U 355/01 durchgeführt. Dieses Verfahren endete am
26.02.2004 mit einem Teilvergleich des Inhalts, dass die Beklagte sich verpflichtete, unter Abänderung der
angefochtenen Bescheide dem Kläger Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. vom
07.04.2001 bis 03.02.2002 zu gewähren. Im Übrigen wies das Gericht mit Urteil gleichen Datums die Klage insoweit
ab, als das Begehren über den Teilvergleich hinausging und Rente auf unbestimmte Zeit ab 04.02.2002 zum
Gegenstand hatte. Dem Kläger wurden 1/5 der notwendigen außergerichtlichen Kosten zugesprochen. Mit Bescheid
vom 24.03.2004 führte die Beklagte den Teilvergleich aus. Sie gewährte dem Kläger Verletztenrente nach einer MdE
von 20 v.H. für den Zeitraum 07.04.2001 bis 03.02.2002. Darüber hinaus habe der Kläger keinen Anspruch auf Rente.
Hiergegen erhob der Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 26.04.2004 Widerspruch. Die Beklagte wies mit
Schriftsatz vom 29.04.2004 den Kläger darauf hin, dass sie lediglich den Teilvergleich ausgeführt habe. Was eine
darüber hinausgehende Rentenleistung anbetreffe, sei dies durch das inzwischen rechtskräftig gewordene Urteil des
Gerichts abgewiesen worden. Die Berufung ging am 05.04.2004 beim Bayer. Landessozialgericht - LSG - ein (L 3 U
121/04). Der Kläger beantragte, ihm über den 03.02.2002 hinaus Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20
v.H. zu gewähren. Mit Schreiben vom 04.05.2004 wies der Bevollmächtigte des Klägers die Beklagte darauf hin, dass
er Berufung eingelegt habe. Der Bescheid vom 24.03.2004, mit dem auch für die Zeit ab 04.02.2002 entschieden
wurde, sei daher rechtsfehlerhaft. Er habe Widerspruch einlegen müssen. Dieser könne für gegenstandlos erklärt
werden, wenn die Beklagte erkläre, dass der Bescheid vom 24.03.2004 den Zeitraum ab 04.02.2002 nicht erfasse und
gleichzeitig die Kosten übernehme. Mit Schreiben vom 06.05.2004 teilte die Beklagte dem Klägerbevollmächtigten
mit, bei der Ausfertigung des Ausführungsbescheides sei von der eingelegten Berufung noch nichts bekannt gewesen.
Trotzdem werde der eingelegte Widerspruch für unzulässig gehalten. Zwar sei ein Widerspruch gegen die für den
Teilvergleich maßgeblichen Berechnungsgrundlagen, nicht aber gegen den dem Teilvergleich entsprechenden
Leistungszeitraum möglich. Dies finde insbesondere auch in dem Urteil des Sozialgerichts Regensburg seine
Bestätigung, worin die Klage hinsichtlich des Leistungsanspruchs ab dem 04.02.2002 abgewiesen wurde. Es wurde
anheim gestellt, den Widerspruch zurückzunehmen und den Ausgang des Berufungsverfahrens abzuwarten. Da der
Widerspruch aufrecht erhalten wurde, wies die Beklagte diesen mit Widerspruchsbescheid vom 18.08.2004 zurück.
Hiergegen erhob der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 20.09.2004 Klage zum Sozialgericht Regensburg. Er
wiederholte hierbei im Wesentlichen sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren. Mit Schriftsatz vom 19.05.2005 wies
das Bayer. Landessozialgericht im dort anhängigen Berufungsverfahren (L 3 U 121/04) die Beteiligten darauf hin, dass
der nach Erlass des Urteils und vor Einlegung der Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom
26.02.2004 ergangene Bescheid vom 24.03.2004 Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden sei nach §§ 153, 96
Sozialgerichtsgesetz (SGG), ebenso der Widerspruchsbescheid vom 18.08.2004. Dem Kläger werde deshalb anheim
gestellt, das Verfahren vor dem Sozialgericht wegen dieser Bescheide abzuschließen. Mit Schriftsatz vom 13.09.2005
nahm hierauf der Kläger die Klage zurück und beantragte gleichzeitig, der Beklagten die Verfahrenskosten
aufzuerlegen. Die Urheberschaft für das Verfahren liege eindeutig bei der Beklagten. Diese habe trotz mehrfacher
Hinweise an ihrem unsinnigen Bescheid vom 24.03.2004 festgehalten. Mit Beschluss vom 18.05.2007 lehnte das
Sozialgericht den Antrag auf Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Klägers ab. Maßgeblich für die
Entscheidung sei die Sach- und Rechtslage im Zeitraum der Erledigung. Die genannten Bescheide seien Gegenstand
des Berufungsverfahrens geworden. Deshalb sei die Klage zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits wegen
anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig gewesen. Wegen der Unzulässigkeit der Klage sei aber bereits zum
Zeitpunkt der Erhebung keinerlei Erfolgsaussicht vorhanden gewesen. Durch die Rücknahme der Berufung am
17.01.2006 sei die Kostenentscheidung aus dem Urteil des Sozialgerichts vom 26.02.2004 rechtskräftig geworden.
Gegen diesen Beschluss legte der Kläger am 21.08.2007 Beschwerde ein. Zur Begründung verwies er auf die
Ausführungen im Verfahren vor dem Soziagericht. Das Sozialgericht half der Beschwerde nicht ab und legte sie dem
Bayer. Landessozialgericht zur Entscheidung vor. II. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Sozialgericht
hat den Antrag auf Erstattung der Kosten zu Recht abgelehnt, weil die Klage wegen doppelter Rechtshängigkeit
unzulässig war. Gemäß § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG entscheidet das Gericht auf Antrag durch Beschluss, ob und in
welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, wenn das Verfahren anders als durch Urteil
endet. Bei der Entscheidung über die Kosten ist es in der Regel billig, dass der die Kosten trägt, der unterliegt (vgl.
Meyer-Ladewig, SGG, § 193, Rn. 12a). Es darf aber nicht nur auf das Ergebnis des Rechtsstreits abgestellt werden.
Das Gericht muss alle Umstände des Einzelfalles berücksichtigen. So kann das Gericht auch den Anlass für die
Klageerhebung berücksichtigen, z.B. wenn die Behörde durch unrichtige Beratung oder falsche Rechtsmittelbelehrung
oder sonstige falsche Sachbehandlung Anlass für eine unzulässige oder unbegründete Klage gegeben hat (vgl. Meyer-
Ladewig, SGG, § 193 Rn. 12b m.w.N.). Das Sozialgericht hat bei seiner Entscheidung diese Grundsätze beachtet und
deshalb zu Recht eine Kostenerstattung abgelehnt. Die Klage blieb im Ergebnis erfolglos, da sie bereits wegen
Rechtshängigkeit des Berufungsverfahrens unzulässig war. Auf den entsprechenden Hinweis des LSG wurde die
Klage letztlich zurückgenommen. Entgegen den Ausführungen des Klägerbevollmächtigten hat die Beklagte auch
nicht die Klage veranlasst. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 24.03.2004 hat sie zum einen den Teilvergleich
vom 26.02.2004 ausgeführt. Sie hat darüber hinaus einen Anspruch abgelehnt. Dieser darüber hinausgehende
Anspruch war aber bereits Gegenstand des Berufungsverfahrens. Die Beklagte konnte hierüber keine
rechtsverbindliche Regelung treffen, da der Anspruch noch nicht rechtskräftig verbeschieden war. Der Widerspruch
hätte deshalb ohne Rechtsnachteil für den Kläger zurückgenommen werden können. Erst Recht war zur
Rechtswahrung des Klägers keine Klageerhebung notwendig. Das Problem der doppelten Rechtshängigkeit wurde
vom Klägerbevollmächtigten selbst bei seiner Klageerhebung am 20.09.2004 angesprochen. Es ist deshalb nicht
nachvollziehbar, weshalb der Bevollmächtigte des Klägers im laufenden Berufungsverfahren L 3 U 121/04 keine
entsprechende Anfrage an das Gericht gerichtet hat mit der Bitte um Klärung, ob die Bescheide der Beklagten
Gegenstand des Berufungsverfahrens werden. Dies wäre nach Ansicht des Senats vor Klageerhebung naheliegend
gewesen. Das Klageverfahren wurde deshalb nicht durch die Beklagte veranlasst, sondern durch den Kläger. In der
Gesamtabwägung hat deshalb das Sozialgericht zu Recht eine Kostenerstattung abgelehnt. Die Entscheidung ist
unanfechtbar (§ 177 SGG).