Urteil des LSG Bayern vom 01.10.1997

LSG Bayern: vorzeitige pensionierung, beamter, wahrscheinlichkeit, beförderung, anfang, regierung, widerspruchsverfahren, bfa, akte, gemeindeverwaltung

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 01.10.1997 (rechtskräftig)
Sozialgericht Bayreuth S 3 V 10/93
Bayerisches Landessozialgericht L 18 V 144/93
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 10.12.1993 und der Bescheid des
Beklagten vom 24.03.1992 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.03.1993 aufgehoben. Der Beklagte
wird verurteilt, dem Kläger unter Abänderung des Bescheides vom 30.01.1968 ab 01.01.1987
Berufsschadensausgleich unter Zugrundelegung des Vergleichseinkommens des gehobenen Dienstes zu gewähren.
II. Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten. III. Die Revision wird
nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob dem Kläger Berufsschadensausgleich (BSA) unter Zugrundelegung des Vergleichseinkommens des
gehobenen Dienstes zu gewähren ist.
Der am ...1928 geborene Kläger bezieht mit Bescheid vom 30.01.1968 seit 01.11.1964 BSA nach § 30 Abs. 3
Bundesversorgungsgesetz (BVG). Der Beklagte ist bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, daß der Kläger
wegen der bei ihm anerkannten Schädigungsfolge "Verlust des linken Oberarmes" erst 1964 wieder in den öffentlichen
Dienst eingestellt und mit entsprechender zeitlicher Verzögerung befördert worden ist. Dem Vergleichseinkommen des
Hätte-Berufs, "Beamter des mittleren Dienstes", ist bei der Berechnung des BSA das Einkommen des Klägers aus
seiner tatsächlichen Tätigkeit als Beamter des mittleren Dienstes gegenübergestellt worden. Der Beklagte erachtete
es als nicht wahrscheinlich, daß der Kläger ohne Schädigungsfolgen Beamter des gehobenen Dienstes geworden
wäre.
Der berufliche Werdegang des Klägers stellt sich wie folgt dar: Nach dem Besuch der Volks- und Hauptschule war er
vom 01.09.1942 bis 31.01.1945 Lehrling in einer Gemeindeverwaltung. Vor Abschluß dieser Ausbildung wurde er zum
Volkssturm eingezogen und erlitt im Mai 1945 eine Granatsplitterverletzung, in deren Folge er den linken Oberarm
verlor. 1946 wurde er aus dem Sudetenland vertrieben. Von 1948 bis 1951 war er als Wächter in einem
Dachziegelwerk, von 1952 bis 1964 als technischer Sachbearbeiter in einer Maschinenfabrik beschäftigt. Im
November 1964 wurde er als Regierungsassistentenanwärter bei der Bezirksfinanzdirektion Ansbach eingestellt. Die
Regierungsassistentenprüfung legte er 1966 mit der Note "befriedigend" als fünfter von 41 Prüflingen ab.
Anschließend war er bei der Staatsoberkasse Bayreuth und den Landwirtschaftsämtern Höchstadt/Aisch und
Forchheim tätig. Im November 1966 wurde er zum Regierungsassistenten z.A. ernannt und im April 1968 zum
Regierungssekretär befördert. In der ersten periodischen Beurteilung vom 24.03.1972 wurden seine Leistungen mit
"übertrifft erheblich die Anforderungen" bewertet. Am 01.11.1972 wechselte er als Regierungssekretär zur Gemeinde
Langensendelbach, wo er am 01.02.1973 zum Obersekretär befördert wurde. Eine vorgesehene Beförderung zum
Amtsinspektor ließ sich mangels Zustimmung des Landespersonalausschusses nicht realisieren. Ab 01.05.1976
wurde der Kläger auf eigenen Antrag wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt und bezog das
Mindestruhegehalt. Ab 01.12.1975 erhielt er von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) Rente wegen
Erwerbsunfähigkeit, nachdem Dr. W. Neugebauer (Erlangen) im Gutachten vom 23.03.1976 beim Kläger eine
Cerebralsklerose diagnostiziert hatte.
Der Kläger erhob am 23.07.1991 Widerspruch gegen einen Neufeststellungsbescheid vom 01.07.1991 und begehrte,
den BSA unter Zugrundelegung des Durchschnittseinkommens des gehobenen Dienstes zu berechnen. Er berief sich
auf das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 05.12.1962 (Az: S-V 1071/61), ergangen in einem Rechtsstreit wegen
Wegfall der besonderen beruflichen Betroffenheit, wonach er bei rechtzeitiger Einstellung in den öffentlichen Dienst
bereits im Dezember 1962 Obersekretär gewesen wäre. Durch die erst am 02.11.1964 erfolgte Einstellung sei ihm der
Aufstieg "verbaut" worden.
Der Beklagte wertete das Vorbringen des Klägers als Antrag gem. § 44 Sozialgesetzbuch (SGB) X und lehnte es mit
Bescheid vom 24.03.1992 ab, der Berechnung des BSA ein höheres Vergleichseinkommen als das des mittleren
Dienstes zugrunde zu legen, da es nicht wahrscheinlich sei, daß der Kläger ohne die Schädigungsfolgen Beamter des
gehobenen Dienstes geworden wäre.
Im anschließenden Widerspruchsverfahren verwies der Kläger darauf, daß er bei der Einstellungsprüfung für den
mittleren Dienst den fünften Prüfungsplatz von 41 Prüflingen erreicht habe. Bei rechtzeitiger Einstellung in den
öffentlichen Dienst wäre er mit 36 Jahren bereits Obersekretär gewesen. Seinen besonderen Ausbildungswillen habe
er schon in den Jahren 1961 bis 1963 durch den Erwerb des REFA-Scheines erster und zweiter Stufe bewiesen. Als
Beamter des mittleren Dienstes habe er von Anfang an erheblich über dem Durchschnitt liegende Leistungen erbracht.
Zum Beweis hierfür legte er einen Antrag des Landwirtschaftsamtes Höchstadt/Aisch vom 26.03.1970 an die
Regierung von Oberfranken vor, mit dem die vorzeitige Beförderung zum Regierungssekretär vorgeschlagen worden
war.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 03.03.1993 zurück. Zur Begründung führte er an, der Kläger
habe das Beiziehen weiterer Unterlagen, wie Personalakten und ärztliche Gutachten, die evtl. zur Klärung der Frage
der Einstufung hätten dienen können, verweigert. Aus dem vorgelegten Schreiben des Landwirtschaftsamtes
Höchstadt/Aisch vom 26.03.1970 ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Bayreuth (SG) hat der Kläger auf seine Begründung im
Widerspruchsverfahren Bezug genommen und mitgeteilt, daß er weitere Personalunterlagen nicht vorlegen werde. Er
hat dem SG eine Eingabe an den Regierungspräsidenten von Oberfranken vom 08.05.1972 vorgelegt, worin er
gebeten hat, die Möglichkeit der Zulassung zur Aufstiegsprüfung trotz derzeit fehlender Beurteilungsvoraussetzung
wohlwollend zu prüfen. Das SG hat auf Antrag des Klägers den ehemaligen Personalratsvorsitzenden am
Landwirtschaftsamt Höchstadt/Aisch, ..., als Zeugen einvernommen und Anfragen an die Gemeindeverwaltung
Langensendelbach, die Regierung von Oberfranken, die Bezirksfinanzdirektion Ansbach, das Bayer.
Staatsministerium der Finanzen und das Bayer. Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
gerichtet. Nach Ansicht des Zeugen ... hätte der Kläger die Aufstiegsprüfung in den gehobenen Dienst fachlich leisten
können. Nach den Auskünften der beiden Staatsministerien vom 16.09.1993 und 22.11.1993 wäre ein möglicher
Aufstieg des Klägers in den Jahren 1960 bis 1972 allein an seinem Alter nicht gescheitert. Der Kläger hat weiter
erklärt, daß er am 01.11.1972 zur Gemeinde Langensendelbach gewechselt sei, weil man ihm die Beförderung zum
Amtsinspektor und die Möglichkeit zum Aufstieg mündlich zugesagt habe.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 10.12.1993 abgewiesen. In den Gründen hat es im wesentlichen ausgeführt, daß
zwar nach dem Krieg eine Beurteilung mit "überdurchschnittlich" für einen Aufstieg ausreichend gewesen sei. Aus der
späteren Beurteilung des Klägers als Regierungssekretär mit dem Prädikat "erheblich über den Anforderungen" könne
jedoch nicht zwangsläufig der Schluß gezogen werden, daß diese Beurteilung auch früher so erfolgt wäre. Daß die
Einstellung des Klägers in den Staatsdienst zunächst wegen der Schädigungsfolgen unterblieben sei, sei nicht sehr
wahrscheinlich. Es könne jedoch dahingestellt bleiben, ob sich hier ein ursächlicher Zusammenhang ergebe, denn die
Nichtzulassung zum Aufstieg beruhe nicht auf der verspäteten Einstellung in den Staatsdienst und sei damit auch
nicht auf die Schädigungsfolgen zurückzuführen. Der Kläger habe von 1966 bis 1972 vier verschiedene Stellen
innegehabt und seine gesamte Dienstzeit sei nur sehr kurz gewesen. Aus dem Gutachten der BfA zusammen mit
dem Hinweis in der periodischen Beurteilung vom 24.03.1972, daß der Kläger manchmal stimmungsbetont sei, könne
geschlossen werden, daß der Kläger Probleme mit seinem Dienstherrn gehabt habe. Näheres könne man mangels
vorliegender Personalakten nicht ermitteln. Die Zulassung zum Aufstieg 1972 sei wegen der Beurteilung nicht erfolgt.
Auch nach 1968 hätten dem Aufstieg Gründe entgegengestanden, die sich nicht aus der Kriegsbeschädigung ergeben
hätten (Wechsel zur Gemeinde Langensendelbach, vorzeitige Pensionierung aus schädigungsfremden Gründen). Es
seien auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß der Kläger die Aufstiegsprüfung geschafft hätte.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und im wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 10.12.1993 sowie den Bescheid des
Versorgungsamtes Bayreuth vom 24.03.1992 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.03.1993
aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm im Wege der Zugunstenentscheidung Berufsschadensausgleich
unter Zugrundelegung des Vergleichseinkommens des gehobenen Dienstes zu gewähren und die Verfahrenskosten
dem Beklagten aufzuerlegen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 10.12.1993
zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten, die Akte des Bayer.
Oberversicherungsamts Nürnberg IV 14570/54, die Akten des Sozialgerichts Bayreuth S-V 1071/61, S 10 V 210/71, S
3 V 11/93, die Schwerbehinderten-Akte 320436 sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet.
Der Kläger hat Anspruch auf Gewährung von BSA nach einem Vergleichseinkommen des gehobenen Dienstes im
Wege einer Zugunstenentscheidung gem. § 44 SGB X. Der Bescheid vom 30.01.1968 und die Folgebescheide sind
rechtswidrig, soweit bei der Berechnung des BSA von einem Vergleichseinkommen des mittleren Dienstes
ausgegangen worden ist.
Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung
für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, daß bei seinem Erlaß das Recht unrichtig
angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb
Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.
Nach § 30 Abs. 3 BVG erhalten rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer
Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist (Einkommensverlust) einen BSA in Höhe von 42,5 v.H., des auf
volle deutsche Mark nach oben abgerundeten Verlustes. Einkommensverlust ist nach § 30 Abs. 4 Satz 1 BVG der
Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit und dem
höheren Vergleichseinkommen. Das Vergleichseinkommen bemißt sich dabei aus dem monatlichen
Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der der Beschädigte ohne die Schädigung nach seinen
Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen w a h r s
c h e i n l i c h angehört hätte (§ 30 Abs. 5 Satz 1 BVG).
Das Durchschnittseinkommen nach § 30 Abs. 5 BVG wird nach § 4 Berufsschadensausgleichsverordnung (BSchAV)
ermittelt, wenn der Beschädigte im öffentlichen Dienst tätig wäre (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 BSchAV). § 2 Abs. 1 BSchAV gilt
auch, wenn der Beschädigte die nach dieser Vorschrift in Betracht kommende Tätigkeit ausübt. Ein durch die
Schädigung verhinderter Aufstieg im Beruf ist zu berücksichtigen (§ 2 Abs. 3 BSchAV).
Der Kläger wäre ohne Schädigungsfolgen wahrscheinlich in den gehobenen Dienst aufgestiegen. In dem Rechtsgebiet
der Kriegsopferversorgung genügt zur Ausfüllung des Tatbestandsmerkmals "wahrscheinlich", daß die zur
Begründung des Anspruchs wesentlichen Tatsachen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sind. Das ist
eine Wahrscheinlichkeit, bei der unter Berücksichtigung aller Gegebenheiten die für den Erfolg sprechenden Umstände
so stark überwiegen, daß die Entscheidung darauf gegründet werden kann. Absolute Gewißheit oder eine an
Gewißheit grenzende Wahrscheinlichkeit ist nicht erforderlich. Die bloße Möglichkeit des Eintritts eines Erfolgs genügt
aber nicht (Meyer-Ladewig, SGG, 5. Auflage, § 128 RdNr. 3 mit weiteren Nachweisen; Wilke/Fehl, Soziales
Entschädigungsrecht, 7. Auflage, § 1 RdNr. 65).
Bei Berücksichtigung aller Umstände ist es hinreichend wahrscheinlich, d.h. es spricht mehr dafür als dagegen, daß
der Kläger ohne die Schädigungsfolgen den Aufstieg in den gehobenen Dienst erreicht hätte.
Der Beklagte hat dem Kläger mit Bescheid vom 30.01.1968 seit 01.11.1964 deshalb BSA gewährt, weil er nach dem
Krieg wegen der Schädigungsfolgen verspätet wieder in den öffentlichen Dienst eingestellt worden ist. Durch diese
verspätete Einstellung ist er in seinen Aufstiegschancen in der Laufbahn des mittleren Dienstes behindert worden. Der
Beklagte hat sich insoweit auf das Urteil des SG Bayreuth vom 05.12.1962 (Az: S-V 1071/61) gestützt, wonach der
Kläger ohne Schädigungsfolgen bereits 1962 Obersekretär gewesen wäre.
Auch der erkennende Senat geht davon aus, daß der Kläger erst 1964 wegen der Schädigungsfolgen in den
öffentlichen Dienst übernommen worden ist. Darüber hinaus ist der Senat aber der Überzeugung, daß der Kläger
wegen der verspäteten Einstellung auch den Aufstieg in den gehobenen Dienst nicht erreicht hat. Hätte der Kläger
bereits nach dem Krieg oder Anfang der 50-er Jahre einen seiner Ausbildung als Kommunalverwaltungslehrling
entsprechenden Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst gefunden, wäre es nach den vorliegenden Gesamtumständen
hinreichend wahrscheinlich gewesen, daß er zum Aufstieg für den gehobenen Dienst zugelassen worden wäre und
auch die entsprechende Aufstiegsprüfung bestanden hätte. Denn die vom Kläger in der Laufbahn des mittleren
Dienstes ab 1964 gezeigten Fähigkeiten sprechen mehr dafür als dagegen, daß er bei einer früheren Einstellung in
den öffentlichen Dienst den Aufstieg in den gehobenen Dienst erreicht hätte. Dabei ist zur Ermittlung seiner
wahrscheinlich erreichten beruflichen Stellung r ü c k s c h a u- e n d zu fragen, welche Stellung der Kläger im
Berufsleben ohne Schädigungsfolgen mit den von ihm als Beamter des mittleren Dienstes ab 1964 gezeigten
Kenntnissen und Fähigkeiten unter Berücksichtigung seines Arbeits- und Ausbildungswillens erreicht hätte. Hiervon
ausgehend ist der Senat davon überzeugt, daß der Kläger wahrscheinlich eine Stellung im gehobenen Dienst erreicht
hätte.
So hat der Kläger bei der Einstellungsprüfung für den mittleren Dienst den 5. Platz von 41 Teilnehmern belegt und
bereits in der ersten periodischen Beurteilung 1972 das Gesamturteil "übertrifft erheblich die Anforderungen" erzielt.
Dies stellt eine besondere Leistung des Klägers dar, weil erfahrungsgemäß dieses Gesamturteil in der ersten
periodischen Beurteilung in der Regel nicht erteilt wird. Daß der Kläger über gute Fähigkeiten als Beamter des
mittleren Dienstes verfügt hat, zeigt sich daran, daß seine damalige Dienststelle der Regierung von Oberfranken eine
vorzeitige Beförderung zum Regierungssekretär vorgeschlagen hat. Der Auffassung des SG, aus der späteren
Beurteilung des Klägers als Regierungssekretär mit dem Gesamturteil "übertrifft erheblich die Anforderungen" könne
nicht z w a n g s l ä u f i g der Schluß gezogen werden, daß diese Beurteilung auch früher so erfolgt wäre, vermag
sich der Senat nicht anzuschließen. Denn dies käme der Annahme einer absoluten Gewißheit oder einer an Gewißheit
grenzenden Wahrscheinlichkeit gleich, die das Gesetz nicht verlangt. Für die Annahme, daß der Kläger in jüngeren
Jahren wahrscheinlich schlechter beurteilt worden wäre, ergibt sich aber kein Anhalt.
Die Prognose eines Aufstiegs in den gehobenen Dienst ist auch nicht deswegen unwahrscheinlich, weil der Kläger in
der ersten Beurteilung das Gesamturteil "sehr tüchtig" nicht erhalten hat. Ein solches Prädikat ist für die Zulassung
zum Aufstieg nämlich erst ab 01.01.1971 vorausgesetzt worden (für die Zeit ab 01.11.1962 war das dem späteren
Gesamturteil "sehr tüchtig" entsprechende Gesamturteil "gut" für die Zulassung erforderlich). Bei der gebotenen
rückschauenden Betrachtungsweise ist aber auf die Zulassungsvoraussetzungen früherer Zeiträume abzustellen.
Nach § 34 der bis 1962 gültigen Laufbahnverordnung vom 23. Juni 1952 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt
1952 Nr. 19 S. 199) genügten für die Zulassung zum Aufstieg bereits überdurchschnittliche Leistungen. Diese
Anforderungen hätte der Kläger nach seinen von ihm gezeigten Fähigkeiten aber ohne weiteres erfüllt. Darüber hinaus
zweifelt der Senat in Würdigung der vom Kläger bereits am Anfang seiner Laufbahn erbrachten Leistungen nicht
daran, daß dieser - wiederum bei rückschauender Betrachtungsweise - in Folgebeurteilungen das Gesamturteil "gut"
bzw. "sehr tüchtig" erzielt hätte.
Nach dem vom Kläger durchgängig gezeigten Ausbildungswillen ist es auch wahrscheinlich, daß er zu einer
Aufstiegsprüfung zugelassen worden wäre. Während seiner (aus schädigungsbedingten Gründen aufgenommenen)
Tätigkeiten in der freien Wirtschaft hat der Kläger seinen gesteigerten Ausbildungswillen durch den Erwerb der REFA-
Scheine 1 und 2 unter Beweis gestellt. Er hat auch in einer für den Senat nachvollziehbaren Weise die feste Absicht
gehabt, die Zulassung für den Aufstieg zu erreichen. Bereits nach Erhalt seiner periodischen Beurteilung im März
1972 hat er beantragt, zum Aufstieg zugelassen zu werden und ist dann - wegen der zu diesem Zeitpunkt nicht
erfüllten Beurteilungskriterien - im November 1972 zur Gemeinde Langensendelbach gewechselt, weil ihm dort die
Möglichkeit zum Aufstieg in Aussicht gestellt worden war.
Den Senat hat - anders als das SG - die Tatsache, daß der Kläger als Beamter des mittleren Dienstes von 1964 bis
1972 in vier verschiedenen Dienststellen gearbeitet hat, zusätzlich in seiner Auffassung bestärkt, daß dieser
wahrscheinlich für den Aufstieg in den gehobenen Dienst befähigt war. Er hat damit nämlich Flexibilität bewiesen und
die Fähigkeit gezeigt, sich schnell in neue Aufgabengebiete einzuarbeiten. Schließlich ergibt sich nach dem vom
Kläger gezeigten Leistungsvermögen kein Anhalt dafür, daß er die Aufstiegsprüfung wahrscheinlich nicht bestanden
hätte. Die beim Kläger 1976 diagnostizierte Cerebralsklerose und die vorzeitige Pensionierung können für die Frage
eines wahrscheinlichen Aufstiegs zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt nicht zu seinen Lasten herangezogen
werden.
Einer Einsichtnahme in die Personalakten des Klägers bedurfte es zur Beurteilung eines wahrscheinlichen Aufstiegs
nicht. Die geforderte Wahrscheinlichkeit ergibt sich zur Überzeugung des Senats hinreichend aus den vom Kläger
vorgelegten Unterlagen und dem sonstigen Akteninhalt.
Der erhöhte BSA ist gem. § 44 Abs. 4 SGB X ab 01.01.1987 zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.