Urteil des LSG Bayern vom 29.07.2004

LSG Bayern: mangelnde sorgfalt, rechtsschutz, hauptsache, gesetzgebungsverfahren, klagerücknahme, drucksache, entlastung, widerspruchsverfahren, vollziehung, zeugeneinvernahme

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 29.07.2004 (rechtskräftig)
Sozialgericht Regensburg S 10 KR 51/03 ER
Bayerisches Landessozialgericht L 5 B 239/04 KR
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 15. März 2004 wird als
unzulässig verworfen.
Gründe:
Die Antragsteller, die eine Anwaltspraxis betreiben, begehrten im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vor dem
Sozialgericht Regensburg die Aussetzung der Vollziehung des Lohnsummenbescheides vom 28.06.2000, der nach
erfolglosem Widerspruchsverfahren Gegenstand des seit 17. Februar 2003 gleichzeitig anhängig gewordenen
Klageverfahrens S 10 KR 53/03 war. Im Hauptsacheverfahren erklärte sich die Antragsgegnerin nach
Zeugeneinvernahme am 26.06.2003 bereit, die angefochtenen Bescheide im strittigen Umfang aufzuheben und
vergleichsweise neun Zehntel der Kosten des Verfahrens zu übernehmen. Anschließend zogen die Antragsteller den
Antrag vom 13.02.2003 auf einstweiligen Rechtsschutz zurück.
Mit Beschluss vom 15.03.2004 hat das Sozialgericht Regensburg den Antragstellern aufgegeben, die Kosten des
Antragsverfahrens zu tragen. Die strittigen Bescheide seien nicht offensichtlich unrichtig gewesen, sie basierten auf
von den Antragstellern zu vertretenden Widersprüchen, die erst im Klageverfahren ausgeräumt werden konnten.
Gegen den mit einer Beschwerdebelehrung im Sinn der §§ 172 Abs.1, 173 SGG versehenen Beschluss haben die
Antragsteller am 08.04.2004 Beschwerde eingelegt und auf den Widerspruch zur Einigung im Hauptsacheverfahren
hingewiesen.
Demgegenüber hat die Antragsgegnerin geltend gemacht, mangels Begründung hätte der Antrag auf einstweiligen
Rechtsschutz zurückgewiesen werden müssen.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
Die Beschwerde der Antragsteller ist unzulässig. Der Beschluss des Sozialgerichts, der nach § 197a Abs.1 SGG
ergangen ist, kann entgegen seiner Rechtsmittelbelehrung nicht mit der Beschwerde angefochten werden, da diese
gemäß § 158 Abs.2 VwGO ausgeschlossen ist (ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.04.2003 - L 11
B 8/03 KA; Hessisches LSG, Beschluss vom 29.03.2004 - L 14 B 55/03 P).
Gemäß § 197a SGG - eingefügt durch das 6. SGG-Änderungsgesetz vom 17. August 2001 mit Wirkung ab dem 2.
Januar 2002 - sind, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten
Personen gehören, Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes zu erheben; die §§ 184 bis 195 SGG
finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 VwGO sind entsprechend anzuwenden. Mit dieser Verweisung wird auch
§ 158 Abs.2 VwGO in Bezug genommen. Danach ist in den Fällen, in denen in der Hauptsache eine Entscheidung
nicht ergangen ist, die Entscheidung über die Kosten nicht anfechtbar. Dies ist im vorliegenden Fall gegeben. Die
Beteiligten gehören nicht zu dem in § 183 SGG genannten, kostenmäßig privilegierten Personenkreis und die
Kostenentscheidung ist in einem Verfahren ergangen, das wegen der Rücknahme des Antrags keine Entscheidung in
der Hauptsache forderte.
Zwar weicht diese in § 158 Abs.2 VwGO enthaltene Regelung von der zu § 193 SGG ab, wonach Beschwerde gegen
einen Kostenbeschluss des Sozialgerichts gegeben ist. Es mag sein, dass die Anwendung von § 158 Abs.2 SGG zu
einer schwer verständlichen und sachlich kaum begründbaren unterschiedlichen Verfahrensweise im Vergleich zu den
von den §§ 183, 193 SGG erfassten gerichtskostenfreien Verfahren führt, wie dies Knittl darstellt (Hennig, SGG, §
197a Rdnr.17 f.). Derartige systematische Unstimmigkeiten, die möglicherweise ein Zeichen für mangelnde Sorgfalt
im Gesetzgebungsverfahren sind (so Hessisches Landessozialgericht a.a.O.), können nicht dazu führen, den
eindeutigen Gesetzeswortlaut zu missachten, sofern sich nicht feststellen lässt, dass es sich lediglich um ein
redaktionelles Versehen des Gesetzgebers handelt. Dafür gibt es hingegen keine Anhaltspunkte, zumal der
Gesetzgeber in § 197a Abs.1 Satz 2 SGG mittels Sonderregelung eine einzelne Vorschrift der VwGO von der
entsprechenden Anwendung ausgenommen hat.
Wenn der 5. Senat des LSG Nordrhein-Westfalen dagegen einwendet, die in § 197a Abs.1 Satz 2 und Abs.2 SGG
getroffenen Sonderregelungen beträfen nur die Kostentragungspflicht und ließen nicht den Schluss zu, dass der
Gesetzgeber hinsichtlich des Verfahrens die Abweichung von den §§ 183, 193 SGG gesehen und gewollt habe
(Beschluss vom 25.08.2003 in Breithaupt 2003, S.878) so vermag dies nicht zu überzeugen. Zutreffend weist das
Hessische LSG darauf hin, dass die Frage der Rechtsmittelfähigkeit derartiger Entscheidungen in der
Gesetzesbegründung keine Erwähnung findet. Wenn es darin heißt, "bestimmte Vorschriften der VwGO" fänden
Anwendung, weil sie sich dazu "insbesondere" eignen, weil sie auch Bestimmungen über die Kosten des
Vorverfahrens und über die Kostentragungspflicht der Beigeladenen enthalten, so wird damit das komplette
Kostensystem der VwGO in das SGG eingefügt. Die damit verbundenen inhaltlichen Änderungen - etwa die
Kostentragung bei Klagerücknahme im Sinn des § 155 abs.2 VwGO - wurde in der Gesetzesbegründung ebenso
wenig begründet, wie die abweichende Verfahrensregelung des § 158 Abs.2 VwGO Erwähnung fand. § 158 Abs.2
VwGO dient der Entlastung der Gerichte von Nebenentscheidungen, die nach dem Wortlaut der Begründung des
Gesetzentwurfes der Bundesregierung (Drucksache 14/5943 S.1) mit der Zielsetzung des 6. SGG-Änderungsgesetzes
einhergeht, die Straffung und Beschleunigung des gerichtlichen Verfahrens zu erzielen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).