Urteil des LSG Bayern vom 14.12.2005

LSG Bayern: berufliche tätigkeit, unternehmer, firma, berufskrankheit, vorsorgeuntersuchung, gesundheit, eingriffsverwaltung, unternehmen, leistungsverwaltung, anerkennung

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 14.12.2005 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 9 U 353/99
Bayerisches Landessozialgericht L 3 U 430/05
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid vom 13.08.2003 wird zurückgewiesen insoweit, als das
Sozialgericht die Klage gegen den Bescheid vom 28.03.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom
24.05.2000 abgewiesen hat.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte zu Recht den Antrag des Klägers auf Veranlassung der Durchführung weiterer
Vorsorgeuntersuchungen abgelehnt hat.
Der 1959 geborene Kläger beantragte am 02.01.1998 bei der Beklagten die Anerkennung einer Berufskrankheit.
Ärztliche Anzeigen über eine Berufskrankheit erfolgten am 14.01.1999 durch den Lungenfacharzt Dr. B. , am
23.09.1999 durch den Allergologen Dr. F. , am 13.09.1999 durch den praktischen Arzt Dr. T. und am 13.10.1999 durch
den praktischen Arzt Dr. C ... Der Kläger führte eine Anzahl von Erkrankungen wie u.a. Müdigkeit, Schmerzen, innere
Unruhe, geschwächtes Immunsystem, Konzentrationsstörungen, Schwindel, Atemprobleme, depressive
Verstimmung, Schlafstörung und eine Beckenthrombose auf die berufliche Tätigkeit bei der Firma K. im Zeitraum von
1985 bis 1992 zurück. Dort sei er in der Gießerei, Härterei, Formerei, Putzerei, Kernmacherei, Dreherei und
Schweißerei ungeschützt toxischen Stoffen sowie Lärm und Staub ausgesetzt gewesen. Zur Aufklärung des
Sachverhalts holte die Beklagte die Berichte des Technischen Aufsichtsdienstes vom 11.09.1998 und 22.09.1998
sowie das gewerbeärztliche Gutachten der Dr. S. vom 29.10.1998 ein, die ausführte, der Kläger habe zwar Kontakt zu
allen in der Gießerei eingesetzten Schadstoffen gehabt, eine lang andauernde Exposition gegen einzelne Stoffe sei
jedoch nicht gegeben, eine berufsbedingte Ursache der vielgestaltigen Beschwerden des Versicherten daher nicht
wahrscheinlich. Mit Bescheid vom 26.11.1998 und Widerspruchsbescheid vom 05.05.1999 lehnte die Beklagte es ab,
dem Kläger Leistungen wegen einer Berufskrankheit und aufgrund der Berufskrankheitenverordnung (BKV) zu
gewähren. Ein Zusammenhang zwischen den Erkrankungen des Klägers und der beruflichen Tätigkeit bestehe nicht.
Es sei zu Kontakt zu allen in der Gießerei der Firma K. vorkommenden Schadstoffen gekommen und eine
gelegentlich Überschreitung einzelner Schadstoffgrenzwerte im Hinblick auf Quarzsand, Formaldehyd, Nickel,
Benzo(a)pyren, Stickoxide, Fluoride, Eisenoxid und Isopropanol sei nicht gänzlich auszuschließen. Aufgrund der
Tätigkeit sei jedoch eine langandauernde Exposition mit Sicherheit nicht gegeben. Aufgrund der Tätigkeit als
Instandhalter mit wechselnden Einsatzorten seien einzelne Messwerte für bestimmte Tätigkeiten nicht repräsentativ,
da hierbei stets von achtstündiger Arbeitsschicht an einem Arbeitsplatz ausgegangen werde. Als Anhaltspunkt könne
der BIA-Report 2/98 "Gefahrstoffe an Gießereiarbeitsplätzen" herangezogen werden. Für eine Eisen- und Stahlgießerei
wie bei der Firma K. würden hier Grenzüberschreitungen für Feinstaub, quarzhaltigen Feinstaub und Quarzfeinstaub
angegeben. Die Beklagte nimmt Bezug auf Ausführungen in den Berichten des Dr. B. vom 11.01.1999, des Dr. J. vom
13.10.1998, des Dr. T. vom 03.03.1998, des Dr. W. vom 10.04.1998 sowie in dem von der
Landesversicherungsanstalt Oberbayern eingeholten ärztlichen Gutachten vom 18.04.1992. Ein ursächlicher
Zusammenhang der Erkrankung des Klägers mit dessen beruflicher Tätigkeit ärztlicherseits könne nicht festgestellt
werden.
Am 02.12.1999 und am 07.12.1999 beantragte der Kläger nachgehende Untersuchungen im Rahmen der
berufsgenossenschaftlichen Vorschriften für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (BGV A 4 -
Berufsgenossenschaftliche Vorschrift für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit, bisher VBG 100). Mit Bescheid
vom 20.12.1999 gewährte die Beklagte eine nachgehende Untersuchung nach dem Grundsatz G 40(krebserzeugende
Stoffe - allgemein). Diese werde gemäß § 15 Abs.2 VBG 100 im Rahmen des eingeräumten Ermessens gewährt. Die
Untersuchung durch den "Organisationsdienst nachgehende Untersuchungen" (ODIN) sei für das erste Halbjahr 2000
vorgesehen.
Am 22.12.1999 und 28.02.2000 beantragte der Kläger die Durchführung weiterer Vorsorgeuntersuchungen, nämlich
nach den Grundsätzen G 7 (Kohlenmonoxid), G 8 (Benzol), G 11 (Schwefelwasserstoff), G 15 (Chrom-VI-
Verbindungen), G 16 (Arsen oder seine Verbindungen), G 27 (Isozyanate), G 29 (Benzolhomologe-Toluol, Xylole), G
30 (Hitzearbeiten), G 32 (Cadmium oder seine Verbindungen), G 33 (aromatische Nitro- oder Aminoverbindungen), G
34 (Flour oder seine anorganischen Verbindungen), G 38 (Nickel oder seine Verbindungen), G 39 (Schweißrauche)
sowie erneut nach dem Grundsatz G 40, wobei aber die Untersuchung auf alle exponierten Krebsstoffe hin zu erfolgen
habe. Anhand der Gefährdungsanalyse des Technischen Aufsichtsdienstes vom 11.09.1999 sowie des BIA-Reports
2/89 sei erwiesen, dass er als Betriebselektriker vielen Schadstoffen ausgesetzt gewesen sei, die u.a. auch als
krebserzeugend eingestuft worden seien. Er sei auch gegenüber Aerosolen von Kühlschmiermitteln sowie dem
Gefahrstoff Dimethylformanid exponiert gewesen, weiterhin gegenüber den krebserregenden Stoffen Formaldehyd
sowie PCTF und PCDD. Laborergebnisse des Chemischen Instituts der Landeshauptstadt S. vom 27.01.2000 hätten
ergeben, dass bei ihm im Urin die Grenzwerte für Banadium, Mangan, Rubidium und Nickel überschritten gewesen
seien. Es hätten sich also Grenzwertüberschreitungen für etliche jener Metalle ergeben, denen er in der Stahlgießerei
ausgesetzt gewesen sei.
Mit Bescheid vom 28.03.2000 lehnte die Beklagte weitere nachgehende Untersuchungen ab. Nach der Stellungnahme
des Technischen Aufsichtsdienstes vom 22.11.1999 sei bei keinem der im Oktober 1984, im Januar 1985 und April
1985 gemessenen Schadstoffen, die als krebserzeugend eingestuft seien, Überschreitungen der Auslöseschwelle
festgestellt worden. Kurzzeitige Überschreitungen von Grenzwerten, wie sie bereits in der Stellungnahme des
Technischen Aufsichtsdienstes vom 11.09.1998 eingeräumt worden seien, seien nicht mit einer Überschreitung der
Auslöseschwelle gleichzusetzen. Im Übrigen seien nachgehende Untersuchungen nach den Grundsätzen G 7, 11, 27,
29, 30 und 34 überhaupt nicht vorgesehen. Von dem im Rahmen des § 15 Abs.2 der Unfallverhütungsvorschrift VBG
100 eingeräumten Ermessen habe die Beklagte bereits mit Bescheid vom 20.12.1999 Gebrauch gemacht. Im Rahmen
des auszuübenden Ermessens werde berücksichtigt, dass der Grundsatz G 40 eine Vielzahl der bei den anderen
Grundsätzen zu erbringenden Untersuchungen abdecke und das vom Kläger selbst veranlasste Metallscreening beim
Chemischen Institut der Landeshauptstadt S. unauffällig gewesen sei. Dr. A. , kommisarischer Institutsleiter, habe
ausdrücklich darauf hingewiesen, dass aufgrund der großen Analysetoleranzen der Screeningmethode die
festgestellten Überschreitungen, inbesondere bei Nickel nicht als tatsächliche Überschreitung gewertet werden
könnten.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 18.04.2000 Widerspruch mit der Begründung, vor Beginn der
gefährlichen Berufstätigkeit/Exposition in der Gießerei der Firma K. hätten mehrere Vorsorgeuntersuchungen
durchgeführt werden müssen. Da bei ihm aber weder die notwendigen Erstuntersuchungen vor Arbeitsbeginn noch die
notwendigen G-Untersuchungen während seiner Tätigkeit durchgeführt worden seien, sei die Ermessensentscheidung
der Beklagten falsch und zu revidieren, um die Unterlassungen zu heilen. Die Expositionszeiten und die einschlägigen
Grenzwerte seien in der Gießerei der Firma K. ständig überschritten worden. Die Untersuchung nach dem Grundsatz
G 39 sei vor allem auch deshalb zu gewähren, weil in der Zwischenzeit Nierenschäden diagnostiziert worden seien.
Außerdem sei die von der Beklagten vertretene Rechtsauffassung unzutreffend, durch die gewährte Untersuchung
nach dem Grundsatz G 40 seien alle von ihm geforderten G-Untersuchungen umfänglich und inhaltlich abgedeckt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.05.2000 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 28.03.2000
zurück. Die Tätigkeit des Klägers als Instandhalter sei durch örtlich und zeitlich wechselnde Einsatzbereiche
gekennzeichnet gewesen, so dass ohnehin von einer teilweise geringen Schadstoffbelastung auszugehen sei. Für die
Gewährung weiterer nachgehender Untersuchungen bestünde aufgrund der bei den Ermittlungen festgestellten
Gefahrstoffkonzentrationen keine Veranlassung. Mit der angeordneten nachgehenden Untersuchung G 40 werde eine
Vielzahl der beantragten Untersuchungen abgedeckt.
Gegen die Bescheide vom 28.03.2000 und 24.05.2000 hat der Klä- ger am 05.06.2000 Klage zum Sozialgericht
München erhoben und beantragt, alle von ihm geforderten notwendigen nachgehenden G- Untersuchungen zu
gewähren. Der Kläger wiederholt im Wesentli- chen den Vortrag im Widerspruchsverfahren und führt weiter aus, die
Beklagte habe es bis heute unterlassen, die Messprotokolle über zumindest eine einzige, personenbezogene,
schichtlang dauernde Messung aus der Zeitspanne von 1985 bis 1992 vorzulegen bzw. zu benennen, aus der
ersichtlich wäre, dass bei den gesetzlich vorgesehenen Luftgrenzwerten für Chrom-VI-Verbindungen in der Gießerei
Überschreitungen der maximalen Konzentrationen bzw. Auslöseschwellen eingehalten worden wären. Die Begründung
für die beantragte G 15-Vorsorgeuntersuchung nenne er nur beispielhaft und stellvertretend für alle anderen
beantragten G-Untersuchungen.
Mit Gerichtsbescheid vom 13.08.2003 hat das Sozialgericht die Klage gegen den Bescheid vom 28.03.2000 in der
Fassung des Widerspruchsbescheids vom 24.05.2000 mit der Begründung abgewie- sen, die Beklagte habe dem
Kläger bereits eine umfassende Untersuchung nach dem Grundsatz G 40 gewährt, wonach insbesondere nach
Anhaltspunkten für Krebserkrankungen gesucht werde. Das Sozialgericht hat gleichzeitig die Klage gegen den
Bescheid vom 26.11.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 05.05.1999 abgewiesen (Anerkennung
und Entschädigung einer Berufskrankheit; Ansprüche aufgrund der BKV).
Gegen den Gerichtsbescheid vom 13.08.2003 hat der Kläger Berufung eingelegt. Im Zeitraum 01.08.1985 bis
31.12.1992 sei von der Beklagten keine arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung für Tätigkeiten im Krebsmedium
vorgenommen worden, obwohl er als Betriebselektriker/Energieanlagenelektroniker im gesamten Bereich der
Stahlgießerei und Härterei der Firma K. tätig gewesen sei und etliche der Gießereianlagen der Stahlgießerei an sich im
Sinne des Bundesemissionsschutzgesetzes nicht genehmigt betrieben worden seien.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheids vom 13.08.2003 und des
Bescheids vom 28.03.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 24.05.2000 zu verpflichten, für ihn
weitere nachgehende Untersuchungen im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge zu veranlassen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf den
Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten und des Sozialgerichts München, der Akten des Bayer.
Landessozialgerichts sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet, weil die
Beklagte gegenüber dem Kläger nicht verpflichtet ist, im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge weitere
nachgehende Untersuchungen anzuordnen.
Die Unfallversicherungsträger erlassen als autonomes Recht Un- fallverhütungsvorschriften über vom Unternehmer zu
veranlassende arbeitsmedizinische Untersuchungen und sonstige arbeitsmedizinische Maßnahmen vor, während und
nach der Verrichtung von Arbeiten, die für Versicherte oder für Dritte mit arbeitsbedingten Gefahren für Leben und
Gesund verbunden sind. In der Unfallverhütungsvorschrift kann bestimmt werden, dass arbeitsmedizinische
Vorsorgeuntersuchungen auch durch den Unfallversicherungsträger veranlasst werden können (§ 15 Abs.1 Satz 1
Nr.3, Satz 2 SGB VII). Die Beklagte hat entsprechend dieser gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage die
Unfallverhütungsvorschrift BGV A 4 (bisher VBG 100) erlassen und darin die spezielle arbeitsmedizinische Vorsorge
beim Umgang mit Gefahrstoffen und bei gefährdenden Tätigkeiten geregelt. Danach sind Versicherte gemäß § 15
Abs.1 BGV A 4 durch nachgehende Untersuchungen zu überwachen, wenn sie (Nr.1) nach dem 01.10.1984 eine
Tätigkeit beendet haben, bei der die Auslöseschwelle für krebserzeugende Gefahrstoffe überschritten war, und (Nr.2)
diese Tätigkeit so lange ausgeübt haben, dass mindestens eine Nachuntersuchung zu veranlassen war oder bei
Umgang mit Asbest, diese Tätigkeit mindestens drei Monate ausgeübt haben. Die Berufsgenossenschaft kann
abweichend von § 15 Abs.1 BGV A 4 nachgehende Untersuchungen anordnen. Der Unternehmer hat in diesen Fällen
der Berufsgenossenschaft die zur Veranlassung der nachgehenden Untersuchungen erforderlichen Daten auf
Verlangen zur Verfügung zu stellen (§ 15 Abs.2 BGV A 4). Nachgehende Untersuchungen hat bei bestehendem
Beschäftigungsverhältnis der Unternehmer zu veranlassen. Ist der Versicherte aus dem Unternehmen ausgeschieden,
in dem diese Tätigkeit ausgeübt wurde, veranlasst die Berufsgenossenschaft die nachgehenden Untersuchungen (§
15 Abs.3 BGV A 4). Nachgehende Untersuchungen sind nach den gesicherten arbeitsmedizinisch-toxikologischen
Erkenntnissen über die Wirkungsweise des jeweiligen Gefahrstoffs innerhalb einer Zeitspanne von längstens fünf
Jahren durchzuführen, wobei die Frist mit dem Zeitpunkt der letzten Nachuntersuchung beginnt (§ 15 Abs.4 BGV A 4).
Die Regelungen in § 15 BGV A 4 begründen keinen Anspruch des Klägers auf Durchführung weiterer nachgehender
Untersuchungen. Der Kläger hat danach aber auch keinen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung. § 15 BGV A
4 enthält keine Anspruchsgrundlage, auf die sich der Kläger stützen könnte, um die von ihm begehrten
Untersuchungen durchzusetzen.
Die Unfallversicherungsträger werden beim Vollzug der Unfallverhütungsvorschriften als Eingriffsverwaltung tätig. Als
Eingriffsverwaltung bezeichnet man den Teil des Verwaltungshandelns, der mit hoheitlichen Anordnungen in die
Rechts- und Freiheitssphäre natürlicher und juristischer Personen eingreift. Diese Eingriffe sind auf gesetzlicher
Grundlage, also eines formellen Gesetzes, einer Rechtsverordnung oder einer Satzung zulässig. Anordnungen der
Eingriffsverwaltung können auch mit Zwangsmitteln wie Geldbuße durchgesetzt werden (vgl. § 17 BGV A 4 i.V.m. §
209 Abs.1 Satz 1 SGB VII). Davon abzugrenzen ist die Leistungsverwaltung, die unter anderem sozialpolitischen
Zwecken dient. Die Unfallversicherungsträger werden dementsprechend durch die Gewährung von
Entschädigungsleistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten als Leistungsverwaltung tätig. Grundsätzlich
begründen Unfallverhütungsvorschriften dagegen zunächst keine subjektiven Rechte.
§ 15 SGB VII beinhaltet für die Berufsgenossenschaften das Recht und die Pflicht, autonomes Recht als
Unfallverhütungsvorschriften zu setzen, aufgrund dessen die Unternehmer und die Versicherten zu Maßnahmen der
Prävention verpflichtet werden (Lauterbach-Eiermann, UV-SGB VII, § 15 Rndr.8 m.w.N.). Die Beklagte hat unter
Beachtung dieser Ermächtigungsgrundlage die BGV A 4 erlassen und sich selbst verpflichtet, nach dem Ausscheiden
der Beschäftigten aus dem Unternehmen, anstelle des vorher dafür zuständigen Unternehmens, nachgehende
Untersuchungen zu veranlassen (§ 15 Abs.3 Satz 2 BGV).
Der Kläger kann sein Begehren auch nicht auf § 15 Abs.2 Satz 1 BGV A 4 stützen, wonach die
Berufsgenossenschaft abweichend von den § 15 Abs.1 BGV A 4 nachgehende Untersuchungen anordnen kann. Diese
betreffen im Grunde von der BGV A 4 nicht vorgeschriebene Untersuchungen aus besonderen Gründen, wie z.B. zu
Forschungszwecken oder wegen einer von der Unfallverhütungsvorschrift nicht erfassten Gefährdung besonderer Art
im Einzelfall (KassKomm-Ricke § 15 SGB VII Rdnr.8c). Diese Bestimmung begründet aber keinen Anspruch des
Klägers auf eine fehlerfreie Ermessensausübung. § 15 Abs.2 Satz 1 BGV A 4 beruht auf der Regelung in § 15 Abs.1
Satz 2 SGB VII, wonach bestimmt werden kann, dass auch die Unfallversicherungsträger arbeitsmedizinische
Vorsorgeuntersuchungen veranlassen können. Der Gesetzgeber wollte mit der Einführung dieser Vorschrift die bereits
bestehende Ermächtigungsgrundlage erweitern, so dass die Berufsgenossenschaft neben den vorgeschriebenen
Untersuchungen weitere Vorsorgeuntersuchungen veranlassen kann (BT-Drs. 13/4853 S.17).
Die Unfallverhütungsvorschriften hat der Unternehmer im Rahmen seiner Fürsorgepflicht für die Arbeitnehmer auf dem
Gebiet der Arbeitssicherheit einzuhalten. So ist der Arbeitnehmer nicht verpflichtet, seinen arbeitsvertraglichen
Pflichten nachzukommen, wenn ihm dies nur unter Außerachtlassung von Unfallverhütungsvorschriften möglich ist.
(vgl. Lauterbach-Eiermann a.a.O., Rdnr.23). Für Beschäftigte besteht auch gemäß § 17 Abs.2 Arbeitsschutzgesetz
(ArbSchG) die Möglichkeit, sich an die zuständige Behörde zu wenden, wenn die Sicherheit und Gesundheit bei der
Arbeit nicht gewährleistet ist. Nach § 11 ArbSchG hat ein Beschäftigter das Recht, sich arbeitsmedizinisch
untersuchen zu lassen. Auch aufgrund § 7 Abs.1 BGV A 4 besteht grundsätzlich ein Anspruch des Versicherten auf
Durchführung einer Vorsorgeuntersuchung. § 7 Abs.1 BGV A 4 nimmt insofern, abweichend von der oben
beschriebenen Rechtsnatur der Unfallverhütungsvorschriften, eine Sonderstellung ein.
Auch aus diesen Bestimmungen kann der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Durchführung der
begehrten Untersuchungen ableiten, zum einen, weil diese Vorschriften allein die Unternehmer verpflichten, zum
anderen, weil der Kläger nicht mehr Beschäftigter eines Mitgliedsunternehmens der Beklagten ist. Eine Regelung, die
es erlaubt, eine Erstuntersuchung nach dem Ausscheiden aus dem Unternehmen nachzuholen, ist dem § 15 SGB VII
und der Unfallverhütungsvorschrift BGV A 4 nicht zu entnehmen. Eine entsprechende Anordnung eines
Unfallversicherungsträgers würde ohne eine gesetzliche Grundlage erfolgen.
Der Senat hatte nicht zu entscheiden, ob eine weitere nachgehende Vorsorgeuntersuchung zweckmäßig ist. Diese
Beurteilung - die Beklagte spricht juristisch unscharf von einem Ermessen - obliegt ausschließlich der Beklagten als
Körperschaft des öffentlichen Rechts, die unter Berücksichtigung der vorliegenden Unterlagen eine Untersuchung
nach dem Grundsatz G 40 als ausreichend ansah. Im Übrigen weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass die
Unfallverhütungsvorschrift BGV A 4 nachgehende Untersuchungen jedenfalls nach den Grundsätzen G 7, 11, 27, 29,
30 und 34 gar nicht beinhaltet.
Die Klage gegen den Bescheid vom 28.03.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 24.05.2000 war
somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.