Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 12.12.2013

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LSG Baden-Württemberg Urteil vom 12.12.2013, L 7 SO 402/11
Sozialhilfe - Eingliederungshilfe - Besuch einer Werkstatt für behinderte
Menschen - Erhebung eines Kostenbeitrags zum Mittagessen -
Einkommenseinsatz - erweiterte Hilfe - § 43 Abs 2 BSHG als lex specialis -
Bemessung des Kostenbeitrags - tatsächliche Kosten als Obergrenze
Leitsätze
§ 43 Abs. 2 BSHG (jetzt: § 92 Abs. 2 SGB XII) stellt eine spezialgesetzliche
Zumutbarkeitsvorschrift dar; sie verdrängt als solche die allgemeinen Regelungen
über die Anrechnung von Einkommen.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 21.
Oktober 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten darüber, in welcher Höhe der Kläger zu einem
Kostenbeitrag für die Einnahme des für ihn kostenfreien Mittagsessens in der
Werkstatt, einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen (WfBM) in W., im
Zeitraum vom 1. Mai 2004 bis 29. April 2006 herangezogen werden kann.
2
Der 1962 geborene Kläger leidet an einer chronisch paranoiden Psychose in Form
einer Schizophrenie. Seit 2002 besucht er die WfBM in W.; Kostenträger war bis
29. April 2004 (Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich) der Träger der
gesetzlichen Rentenversicherung. Der Kläger bezieht seit 1. Februar 2004 aus der
gesetzlichen Rentenversicherung eine Rente wegen voller Erwerbsminderung
(laufender Zahlbetrag ab Mai 2004 762,89 Euro, ab Juli 2004 779,82 Euro, ab 1.
April 2005 771,23 Euro, ab 1. Mai 2005 777,67 Euro, ab 1. Juli 2005 773,81 Euro).
Darüber hinaus verfügte er seit Eintritt in den Werkstattbereich (30. April 2004)
über ein monatliches Entgelt aus der Beschäftigung in der WfBM, das sich laufend
(d.h. ohne im August und November 2004 gezahlte sonstige Leistungen) ab Mai
2004 bis April 2006 auf monatlich brutto 325,00 Euro belief. Für die vom Kläger
seit Dezember 2003 in N. angemietete Unterkunft waren von ihm in der
streitbefangenen Zeit eine monatliche Kaltmiete von 284,00 Euro sowie
monatliche Betriebskostenvorauszahlungen von 40,00 Euro aufzubringen. Der
Kläger erhielt bereits seit April 1995 Eingliederungshilfe in Form ambulant
betreuten Wohnens für seelisch behinderte Menschen. Aufgrund vorhandenen
Vermögens aus zwei Lebensversicherungsverträgen (6.110,66 Euro und 2.372,46
Euro), die er sich im Dezember 2005 auszahlen ließ, war er insoweit allerdings von
Januar bis Oktober 2006 Selbstzahler.
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Im März 2004 beantragte der Kläger im Hinblick auf den anstehenden Wechsel in
den Arbeitsbereich der WfbM bei dem seinerzeit noch sachlich zuständigen
Landeswohlfahrtsverband die Kostenübernahme. Der LWV bewilligte ihm darauf
mit Bescheid vom 6. April 2004 für die Zeit vom 30. April 2004 bis zum 29. April
2006 Leistungen der Eingliederungshilfe für den Besuch des teilstationären
Arbeitsbereichs in der WfBM in W.. Mit einem weiteren Bescheid vom 6. April 2006
wurde der Kläger ferner ab 30. April 2004 zu einem Kostenbeitrag in Höhe von
3,00 Euro pro in der Werkstatt eingenommenem Mittagessen herangezogen.
Dieser Betrag wurde nachfolgend von der WfbM für jedes eingenommene
Mittagessen vom Arbeitsentgelt abgezogen. Beide Bescheide wurden
bestandskräftig.
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Mit Schreiben vom 15. Februar 2005 (Eingang am 18. Februar 2005) stellte der
Kläger bei dem ab 1. Januar 2005 für die Gewährung von Eingliederungshilfe
sachlich und örtlich zuständig gewordenen Beklagten einen Antrag auf
Rücknahme des Kostenbeitragsbescheids gemäß § 44 Abs. 2 Satz 2 des
Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) und bat um neue Bescheidung mit
Blick auf ein zwischenzeitlich ergangenes Urteil des Verwaltungsgerichts (VG)
vom 2. Dezember 2004 - 8 K 1300/04 - (juris). Mit Bescheid vom 6. April 2005
lehnte der Beklagte die Rücknahme des Bescheids vom 6. April 2004 ab; der
Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 16. Februar
2006). Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht - SG - (S 20 SO
1323/06) beschränkte der Kläger seine Angriffe gegen die Bescheide von
vornherein auf einen den Betrag von 2,30 Euro pro Mittagessen überschreitenden
Kostenbeitrag. Diesem Klagebegehren gab das SG mit Urteil vom 28. September
2007 statt.
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Auf die Berufung des Beklagten änderte der Senat mit rechtskräftig gewordenem
Urteil vom 21. Februar 2008 (L 7 SO 5562/07) dieses Urteil ab, verpflichtete den
Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 6. April 2005
(Widerspruchsbescheid vom 16. Februar 2006), den Bescheid des LWV vom 6.
April 2004 mit Wirkung ab dem 18. Februar 2005 insoweit aufzuheben, als der
darin festgelegte Kostenbeitrag für das Mittagessen 2,30 Euro überschreite, sowie
des Weiteren, über den Überprüfungsantrag des Klägers vom 18. Februar 2005
für die Zeit vom 30. April 2004 bis 17. Februar 2005 erneut zu entscheiden; im
Übrigen wurde die Berufung zurückgewiesen. In den Entscheidungsgründen
wurde ausgeführt, der Bescheid des LWV vom 6. April 2004 sei auf der Grundlage
des § 44 Abs. 2 SGB X mit Wirkung für die Zukunft, also ab Stellung des
Überprüfungsantrags vom 18. Februar 2005, zurückzunehmen, weil er bei seinem
Erlass rechtswidrig, nämlich ermessensfehlerhaft gewesen sei. Nach den
Entscheidungen des VG (Urteil vom 2. Dezember 2004 a.a.O.) und des VG (Urteil
vom 11. Januar 2006 - 1 K 137/05 - ) setze die Kostenbeteiligung des
Behinderten für das Mittagessen beim Besuch einer WfbM nach § 43 Abs. 2 Satz
1 Nr. 7 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) neben der Wahrung der
Einkommensuntergrenze des § 43 Abs. 2 Satz 3 BSHG voraus, dass der
Eigenanteil auf den tatsächlich gewährten Lebensunterhalt beschränkt sei. Bei der
Bemessung des Kostenbeitrages habe der zuständige Sozialhilfeträger daher
jedenfalls auch in den Blick zu nehmen, welcher reale Kostenaufwand in den
WfbM, die zu seinem Zuständigkeitsbereich gehörten, mit der Zubereitung und
Bereitstellung der Mahlzeit verbunden sei. Hinsichtlich der Rücknahme mit
Wirkung für die Vergangenheit bestehe ein Ermessen der Behörde; insoweit sei
der Beklagte zur Neubescheidung des Überprüfungsantrages verpflichtet.
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Der Beklagte ermittelte darauf die Kosten für das Mittagessen in den sechs in
seinem Zuständigkeitsbereich liegenden WfBM; es ergab sich im Zeitraum April
2004 bis April 2006 - ohne Aufwendungen für Getränke und ohne Personalkosten
- ein rechnerischer Durchschnitt von 3,83 Euro (April 2004), von 3,75 Euro
(Februar 2005) und 3,81 Euro (April 2006). Mit Bescheid vom 30. Juni 2008 nahm
der Beklagte anschließend den Bescheid des LWV vom 6. April 2004 für dessen
gesamten Wirkungszeitraum (30. April 2004 bis 29. April 2006) zurück, soweit der
darin festgesetzte Kostenbeitrag pro Mittagessen den Betrag von 2,30 Euro
überstieg. Gleichzeitig setzte er für den genannten Zeitraum den Kostenbeitrag auf
insgesamt 3,00 Euro pro in der Werkstatt eingenommenes Mittagessen fest. Der
Beklagte berief sich darauf, dass ihm bei der Bemessung des Kostenbeitrags ein
Ermessensspielraum eingeräumt sei. Als eine der Ermessensgrenzen erweise
sich § 92 Abs. 2 Satz 4 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII), wonach
ein Kostenbeitrag nicht zuzumuten sei, wenn das Einkommen des Klägers im
betreffenden Zeitraum das zweifache des Eckregelsatzes nicht übersteige. Dies
sei indes bei dem Kläger nicht der Fall. In die Ermessenserwägungen sei
einzustellen, dass der Eigenanteil auf den tatsächlich gewährten Lebensunterhalt
zu begrenzen sei, also auf die tatsächlichen Kosten für ein Mittagessen in der
WfBM. Der verlangte Kostenbeitrag von 3,00 Euro liege aber deutlich unter dem
günstigsten Betrag von 3,65 Euro. Die festgesetzten 3,00 Euro seien
angemessen, weil angesichts des Monatseinkommens des Klägers aus Rente
und Werkstattverdienst eine moderate Kostenbeitragserhöhung von 70 Cent pro
Mittagessen zumutbar erscheine. Das Landessozialgericht (LSG) Baden-
Württemberg habe in der erstrittenen Berufungsentscheidung ausdrücklich betont,
dass es die vom VG aufgestellten Grundsätze zur Ermessensausübung für richtig
halte. Die Heranziehung der Sozialhilferichtlinien Baden-Württemberg erscheine
sachfremd.
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Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, der Kostenbeitrag für das
Mittagessen könne sich nur entweder aus den zwischen den jeweiligen
leistungserbringenden Einrichtungen und den Kostenträgern abgeschlossenen
Vergütungsvereinbarungen oder aber aus den im Rahmen des Sozialhilferechts
nach den Sozialhilferichtlinien anteilig angesetzten Pauschalsätzen ergeben. Im
sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis sei es durchaus denkbar, dass freie
gemeinnützige Träger bzw. Werkstätten aus eigenen oder Spendenmitteln über
dem Sozialhilfesatz liegende Aufwendungen für die Verköstigung der
Maßnahmeteilnehmer bzw. auch der Mitarbeiter erbrächten. Soweit dies
gegenüber den behinderten Besuchern einer WfbM geschehe, stelle es eine
freiwillige Leistung dar, die mit den Kosten des Sozialhilfeträgers als solche nichts
zu tun habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 8. September 2008 wurde der
Widerspruch zurückgewiesen; die Auffassung des Klägers finde im
Gesetzeswortlaut keinerlei Stütze. Das LSG Stuttgart stelle im Urteil vom 21.
Februar 2008 unmissverständlich auf die tatsächlichen Kosten für das
Mittagessen ab, die in der jeweiligen Einrichtung entstünden. In der
Entgeltsystematik zwischen Sozialhilfeträger und WfBM würden einzelne
Ausgabepositionen nicht dargestellt; vereinbart werde lediglich die gesamte
pauschale Vergütung für sämtliche Leistungen, die der behinderte Mensch in der
WfBM erhalte.
8
Deswegen hat der Kläger am 16. September 2008 erneut Klage zum SG erhoben.
Eine Heranziehung des Hilfebedürftigen zu den Maßnahmekosten sei nur in der
Höhe möglich, in der der Kostenträger selbst nach Maßgabe seiner Richtlinien und
Vereinbarungen mit den Leistungserbringern gemäß §§ 75 ff. SGB XII die Kosten
der Maßnahme auch tatsächlich übernehme. Da keine Realleistung durch den
Sozialhilfeträger erfolge, könne dieser höchstens den Betrag in Rechnung stellen,
den er selbst für den Hilfesuchenden im Rahmen der Kostenerstattung aufbringe.
Nicht heranziehen könne der Kostenträger den Hilfeempfänger zu den Kosten für
Aufwendungen, die die Einrichtung ihrerseits im Verhältnis zwischen ihr und dem
Hilfeempfänger aufbringe. Von daher sei der im Urteil des LSG verfolgte Ansatz
verfehlt, den Betrag der Kosten des Mittagessens nach den Kosten der
leistungserbringenden Werkstatt berechnen zu wollen. Da offenbar in der
Leistungs- und Vergütungsvereinbarung zwischen der Einrichtung und dem
Sozialhilfeträger gesonderte Vergütungsanteile für Verpflegungskosten für
behinderte Menschen nicht ausgewiesen seien, müssten sich die insoweit
anzusetzenden Beträge nach den Regelsatzbestimmungen der Hilfe zum
Lebensunterhalt bzw. zum Teilwert eines Mittagessens nach den
Sozialhilferichtlinien Baden-Württemberg richten. Der Beklagte ist der Klage
entgegengetreten. Mit Urteil vom 21. Oktober 2010 hat das SG die Klage
abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es im Wesentlichen ausgeführt,
die Tatbestandsvoraussetzungen für die Erhebung eines Kostenbeitrags seien
erfüllt. Die im Ermessen des Beklagten stehende Entscheidung über die Höhe des
Kostenbeitrages weise keine Ermessensfehler auf. Rechtsgrundlagen für die
Erhebung des Kostenbeitrags seien § 43 BSHG und § 92 SGB XII. Die Leistungen
der Eingliederungshilfe würden durch den Sozialhilfeträger als einheitliche und
unteilbare Sachleistung erbracht und das Mittagessen in einer WfBM bilde einen
integralen Bestandteil der Eingliederungshilfe (Hinweis auf Bundessozialgericht
, Urteil vom 9. Dezember 2008 - B 8/9 B SO/10 R - BSGE 102, 126 = SozR
4-3500 § 54 Nr. 3). Zur Erhebung eines Kostenbeitrags für ein Mittagessen, das in
einer WfBM eingenommen werde, sei der Beklagte nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7,
Satz 3 BSHG sowie § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 4 SGB XII ermächtigt. Der
Beklagte habe die dort geregelten Heranziehungsgrenzen beachtet. In
Übereinstimmung mit der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (VG Stuttgart,
Urteil vom 2. Dezember 2004 a.a.O.; VG Sigmaringen, Urteil vom 11. Januar 2006
a.a.O.; zustimmend LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Februar 2008 a.a.O.)
sei davon auszugehen, dass die tatsächlichen Kosten, die in der Einrichtung für
das Mittagessen anfielen, die maßgebliche Obergrenze für den Kostenbeitrag
bildeten. Die vom Beklagten für den streitgegenständlichen Zeitraum bei den in
seinem Zuständigkeitsbereich befindlichen WfBM ermittelten Kosten lägen indes
deutlich über den geforderten 3,00 Euro pro Mittagessen. Ein in einer WfBM
eingenommenes Mittagessen stelle entgegen der Auffassung des Kläger nach der
Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO 21/06 R -
BSGE 99, 252 = SozR 4-3500 § 28 Nr. 3) kein Einkommen im Sinne des § 82
SGB XII dar, das nach § 2 Abs. 1 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB
XII i.V.m. der Sachbezugsverordnung zu bewerten wäre. Zwar müsse es der
Behinderte, der Grundsicherungsleistungen erhalte, nach dieser Rechtsprechung
hinnehmen, dass der Sozialhilfeträger den monatlichen Regelsatz nach § 28 Abs.
1 Satz 2 SGB XII abweichend festlege. Hieraus lasse sich jedoch nicht ableiten,
dass bei der Bestimmung des Kostenbeitrags der durch § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB
XII normativ festgeschriebene Bedarf für die Kosten des Mittagessens maßgeblich
sein solle. Es sei ferner nicht zu beanstanden, dass der Beklagte nicht die der
Vergütungsvereinbarung nach § 76 Abs. 2 Satz 1 SGB XII zugrunde gelegten
Kosten des Mittagessens berücksichtigt habe. Denn in den entsprechenden
Vergütungsvereinbarungen seien die Kosten für ein in einer WfBM
eingenommenes Mittagessen nicht gesondert ausgewiesen, sondern pauschal in
der Grundpauschale erfasst. Die Ermittlung der von den Anbietern kalkulierten
Kosten erscheine nicht praktikabel und sei der von dem Beklagten gewählten
Methode nicht offensichtlich vorzugswürdig.
9
Gegen dieses seinem Prozessbevollmächtigten am 7. Dezember 2010 zugestellte
Urteil hat der Kläger zunächst am 9. Dezember 2010 Antrag auf Zulassung der
Sprungrevision gestellt, dem der Beklagte am 23. Dezember 2010 zugestimmt hat.
Das SG hat mit Beschluss vom 19. Januar 2011, dem Prozessbevollmächtigten
des Klägers zugestellt am 24. Januar 2011, den Antrag auf Zulassung der
Sprungrevision gegen das Urteil vom 21. Oktober 2010 abgelehnt.
10 Am 27. Januar 2011 hat der Kläger darauf beim LSG Baden-Württemberg
Berufung eingelegt.
11 Der Senat hat am 11. Dezember 2013 von der D. R. den Rentenbescheid vom 16.
März 2004 beigezogen. Der Beklagte hat darauf in der mündlichen Verhandlung
vor dem Senat vom 12. Dezember 2013 den Bescheid vom 30. Juni 2008 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. September 2008 für den 30. April
2004 aufgehoben. Insoweit haben die Beteiligten den Rechtsstreit
übereinstimmend für erledigt erklärt.
12 Zur Begründung der noch fortgeführten Berufung hat der Kläger ausgeführt, die
Berufung sei, ungeachtet des im Verfahren seinerseits abgegebenen
Anerkenntnisses für einen Teilkostenbetrag, in jedem Fall schon deshalb
begründet, weil die Zumutbarkeitsvorschrift des § 92 Abs. 2 Satz 4 SGB XII nicht
die zugleich notwendige Beachtung der allgemeinen Vorschriften über den
Einsatz von Einkommen nach den §§ 85 ff. SGB XII erledige. Diese seien
insbesondere bei Werkstattbesuchern zu beachten, die - wie er - die WfbM als
Externe besuchten und gleichzeitig eigenständig wohnten mit dementsprechend
zusätzlich anfallenden Wohnkosten. Die Überprüfung seiner Einkünfte und
Ausgaben in der streitbefangenen Zeit führe zum Ergebnis, dass - unabhängig
von der Frage des rechtlichen Maßstabs für die Berechnung der Kosten eines
Mittagessens in der WfBM nach § 92 Abs. 2 SGB XII als solchem - eine
Heranziehung zu den Kosten überhaupt nicht hätte erfolgen dürfen. Dessen
ungeachtet seien die angefochtenen Bescheide und das Urteil des SG auch
deshalb rechtswidrig, weil bei der entsprechenden Bewertung eines Mittagessens
zu Unrecht darauf abgestellt werde, welche Kosten die jeweiligen
leistungserbringenden freien Träger der WfBM ihrerseits für das Mittagessen
aufwendeten. Der von dem Beklagten und vom SG als ausschließlich
ermessensgerecht festgelegte Maßstab sei schon deshalb fehlerhaft, weil er das
Zusammenspiel zwischen § 92 Abs. 1 und Abs. 2 SGB XII und vor allem das
System des sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses außer Acht lasse. Aus
der Konstellation der Sachleistungsverschaffung ergebe sich, dass ein öffentlicher
Träger bei der Heranziehung „zu den Kosten der erbrachten Leistungen“ nicht
bzw. jedenfalls nicht ausschließlich die Kosten der vom freien Träger vertraglich
gegenüber dem Hilfeempfänger im Rahmen des privatrechtlichen Vertrags
gewährten Leistungen, hier also das Mittagessen, zugrunde legen dürfe. Jede
andere Betrachtungsweise führe auch zu willkürlichen Ergebnissen, da die
Qualität und auch die Gestehungskosten von den einzelnen freien Trägern
durchaus unterschiedlich gestaltet werden könnten. Die Festsetzung des
sozialhilferechtlichen Werts eines Mittagessens und die Heranziehung zu den
Kosten könne deshalb immer nur auf der Grundlage von zwei Parametern
erfolgen. Entweder seien die Verträge mit den Leistungserbringern zugrunde zu
legen; dann müsse anteilsmäßig ermitteln werden, wie hoch im Rahmen der
Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen zwischen den WfbM und den
Sozialhilfeträgern jeweils bzw. durchschnittlich die Kosten für Verpflegung,
beschränkt auf das Mittagessen, seien. Betrachte man das Mittagessen, das ein
behinderter Mensch in der WfbM einnehme, dagegen als Einkommen im Sinne
des § 82 SGB XII, bedeute dies, dass die Maßstäbe der Sozialhilferichtlinien, hier
Ziff. 82.16 SHR Baden-Württemberg, anzusetzen seien. Damit liege aber der
insoweit sozialhilfebedarfsmindernde durchschnittliche Wert eines Mittagessens
bereits unter den von ihm anerkannten 2,30 Euro. Im Übrigen gelte nach wie vor,
dass im Verhältnis zwischen Sozialhilfeträger und Hilfeempfänger der Wert eines
Mittagessens nicht unterschiedlich betrachtet werden könne, je nachdem, ob es
um Grundsicherungsleistungen oder um Eingliederungshilfeleistungen gehe. Zur
eingeschränkten Überprüfung von rechtskräftigen Neubescheidungsurteilen sei
auszuführen, dass das LSG in seinem Urteil vom 21. Februar 2008 zu der Frage,
ob überhaupt ein Heranziehungstatbestand im Sinne des § 92 Abs. 1 Satz 1
letzter Halbsatz und Satz 2 SGB XII vorliege, weder im Tenor noch in den
Gründen Stellung genommen habe. Im Übrigen habe das Urteil des LSG auch
nicht positiv und schon gar nicht mit Rechtskraftbindung festgestellt, dass ein
etwaiger Kostenbeitrag im Sinne des § 43 Abs. 2 BSHG bzw. nunmehr § 92 Abs. 2
SGB XII für ein gegebenenfalls von einem Werkstattbesucher dort unentgeltlich
eingenommenes Mittagessen ausschließlich nach dem realen Kostenaufwand für
das Mittagessen in den WfBM im Zuständigkeitsbereich des Beklagten zu
bemessen sei. Der Kläger hat verschiedene Unterlagen, darunter
Gehaltsmitteilungen und Rentenbescheide, eine Mietbescheinigung sowie den
Untermietvertrag vom 11. Dezember 2003, zu den Akten gereicht.
13 Der Kläger beantragt,
14 das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 21. Oktober 2010 aufzuheben sowie
den Bescheid des Beklagten vom 30. Juni 2008 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 8. September 2008 insoweit aufzuheben, als der in
der Zeit vom 1. Mai 2004 bis 29. April 2006 festgesetzte Kostenbeitrag mehr als
2,30 Euro je Mittagessen beträgt.
15 Der Beklagte beantragt,
16 die Berufung zurückzuweisen.
17 Er hält das angefochtene Urteil und die streitbefangenen Bescheide für zutreffend.
Fragen nach den für den häuslichen Lebensunterhalt ersparten Aufwendungen
stellten sich nach dem klaren Gesetzeswortlaut nicht, da diese sich nach § 92
Abs. 2 Satz 3 SGB XII nur auf die Nrn. 1 bis 6 des Abs. 2 Satz 1 bezögen. Für die
Kostenerstattung des Mittagessens sei jedoch Nr. 7 einschlägig, dessen
Regelungsbereich das Gesetz gerade nicht nenne, wenn es um einen Ansatz für
ersparte Aufwendungen gehe. Die dortige Regelung sei abschließend; § 92 Abs. 2
SGB XII könne nicht als weitere Einkommensgrenze des § 85 SGB XII angesehen
werden. Im Übrigen habe das SG habe im angefochtenen Urteil unter
Bezugnahme auf die Entscheidungen des LSG Baden-Württemberg, des VG
Stuttgart und des VG Sigmaringen festgestellt, dass die Bestimmung der Höhe
des Beitrages im Ermessen des Sozialhilfeträgers stehe. Während der Kläger
fiktive Berechnungen und abstrakte Formeln zugrunde lege, habe er - der
Beklagte - die Kosten konkret ermittelt. Der Kläger habe auch im damaligen
Verfahren vor dem LSG bereits die Theorie der Beitragsdeckelung durch die
Sozialhilferichtlinien verfochten gehabt. Indem das LSG auf diese Theorie nicht
eingegangen sei, habe es sie konkludent verworfen. Da es vorliegend nicht um
eine Grundsicherung, sondern um Eingliederungshilfe für behinderte Menschen
gehe, sei ein Vergleich mit Empfängern von Grundsicherungsleistungen weder
gerechtfertigt noch gar notwendig. Der Beklagte hat u.a. die ab 4. März 2002
geltende Vereinbarung nach § 93a BSHG eingereicht.
18 Zur weiteren Darstellung wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten (3 Bde.),
die Klageakte des SG (S 16 SO 6233/08), die weitere Akte des SG (S 20 SO
1323/06), die Berufungsakte des Senats (L 7 SO 402/11) sowie die weitere
Senatsakte (L 7 SO 5562/07) verwiesen.
Entscheidungsgründe
19 Die jetzt noch aufrechterhaltene Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
20 Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist unter Beachtung der Fristvorschrift
des § 161 Abs. 3 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingelegt worden; das
SG hat den unter Wahrung der formellen Voraussetzungen des Abs. 1 der
Vorschrift (vgl. hierzu etwa BSG SozR 1300 § 161 Nr. 31; Leitherer in Meyer-
Ladewig u.a., SGG, 10. Auflage, § 161 Rdnr. 7b ) gestellten Antrag auf
Zulassung der Sprungrevision in dem Beschluss vom 19. Januar 2011 abgelehnt.
Die Berufung zum LSG Baden-Württemberg ist außerdem formgerecht eingelegt
worden (§ 151 Abs. 1 SGG) und statthaft (§ 143 SGG); die
Berufungsbeschränkungen des § 144 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGG greifen nicht ein.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
21 Gegenstand des Verfahrens (§ 95 SGG) ist der Bescheid des Beklagten vom 30.
Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. September 2008.
Diese Bescheide, die sich nach der vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung
vor dem Senat vom 12. Dezember 2013 erklärten Aufhebung der
Kostenbeitragsforderung für den 30. April 2004 einen Regelungsinhalt noch für
den Zeitraum vom 1. Mai 2004 bis 29. April 2006 beimessen, greift der Kläger nach
den teilweisen Erledigungserklärungen beider Beteiligten im Senatstermin vom 12.
Dezember 2013 lediglich noch insoweit an, als der Beklagte im (zweiten)
Überprüfungsverfahren nach § 44 Abs. 2 SGB X den Kostenbeitrag für das
Mittagessen in der WfbM in W. in der Zeit vom 1. Mai 2004 bis 29. April 2006 auf
mehr als 2,30 Euro, nämlich erneut auf 3,00 Euro je eingenommenem Mittagessen
festgesetzt hat. Eine Verpflichtung zur Zahlung eines Kostenbeitrags von 2,30
Euro pro Mittagessen erkennt der Kläger für die streitbefangene Zeit ausdrücklich
an. Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind in Umsetzung des
rechtskräftig gewordenen Senatsurteils vom 21. Februar 2008 (L 7 SO 5562/07)
ergangen, in dem jener unter Aufhebung des (ersten Überprüfungs-)Bescheids
vom 6. April 2005 (Widerspruchsbescheid vom 16. Februar 2006) zum Einen
verpflichtet worden war, den Bescheid des LWV vom 6. April 2004 mit Wirkung ab
dem 18. Februar 2005 insoweit zurückzunehmen, als der darin festgelegte
Kostenbeitrag für das Mittagessen 2,30 Euro überschreite, sowie zum Anderen die
Verpflichtung des Beklagten ausgesprochen worden war, über den
Überprüfungsantrag des Klägers vom 18. Februar 2005 für die Zeit vom 30. April
2004 bis 17. Februar 2005 erneut zu entscheiden.
I.)
22 Fragen des Verfahrens- und Prozessrechts stehen einer Sachentscheidung über
das vorliegende klägerische Begehren nicht entgegen. Der Senat hat im Urteil vom
21. Februar 2008 das am 18. Februar 2005 beim Beklagten eingegangene
Überprüfungsbegehren an dem Auffangtatbestand des § 44 Abs. 2 SGB X
gemessen, weil es sich bei einem Kostenbeitragsbescheid - wie hier bei dem
Bescheid des LWV vom 6. April 2004 - ähnlich wie bei der Heranziehung zum
Kostenersatz (vgl. hierzu Bundesverwaltungsgericht BVerwGE 109,
346; BVerwG Buchholz 436.0 § 92c BSHG Nr. 8) nicht um einen eine
Sozialleistung ablehnenden Verwaltungsakt handelt. Die Rücknahme des
Bescheids des LWV vom 6. April 2004 für die Zukunft, d.h. für die Zeit ab Eingang
des mit Schreiben vom 15. Februar 2005 gestellten Überprüfungsantrags, hat der
Senat dem Beklagten unter Rückgriff auf die Bestimmung des § 44 Abs. 2 Satz 1
SGB X aufgegeben. Der Senat hat im Urteil vom 21. Februar 2008 einen
Ermessensfehler darin erkannt, dass der vorgenannte Bescheid des LWV, der
selbst keine Ermessenerwägungen enthalten hatte, ersichtlich auf die vom
Verbandsausschuss des LWV in seiner Sitzung vom 11. November 2003
beschlossene Erhöhung der Kostenbeiträge für das Mittagessen in den WfbM von
2,30 Euro auf 3,00 Euro rekurriere, der LWV allerdings als die nach Landesrecht
zuständige Behörde das ihr nach § 43 Abs. 2 Satz 4 BSHG eingeräumte
Ermessen fehlerhaft ausgeübt habe. Bei der Bemessung des Kostenbeitrags sei
vom Beklagten zu Unrecht nicht in den Blick genommen worden, welcher reale
Kostenaufwand in den zu seinem Zuständigkeitsbereich gehörenden WfbM mit der
Zubereitung und Bereitstellung des Mittagessens tatsächlich verbunden sei;
dessen hätte es jedoch gerade im Interesse der kostenbeitragspflichtigen
behinderten Personen bedurft, um zumindest eine Annäherung des von diesen zu
zahlenden Kostenbeitrags an die tatsächlich anfallenden Lebenshaltungskosten
zu erreichen. Für die Zeit vom 30. April 2004 bis 17. Februar 2005 hat der Senat
den Beklagten im Urteil vom 21. Februar 2008 unter Verweis auf § 44 Abs. 2 Satz
2 SGB X zur Neubescheidung verpflichtet, weil hinsichtlich des insoweit
auszuübenden Rücknahmeermessens (vgl. etwa BSGE 69, 14, 19 = SozR 3-1300
§ 44 Nr. 3) ein Ermessenausfall vorliege. Der Senat hat dem Beklagten insoweit
aufgegeben, bei der Neubescheidung des Überprüfungsantrags von dem ihm
zustehenden Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden
Weise Gebrauch zu machen und dabei die Fehlerhaftigkeit der bei Erlass des
Bescheids vom 6. April 2004 geltenden normativen Bestimmungen, namentlich die
Nichtorientierung des Kostenbeitrags - auch - an den tatsächlich entstehenden
Kosten in den Blick zu nehmen haben.
23 1.) An diese letztgenannten Vorgaben war der Beklagte, auf den die bis zum 31.
Dezember 2004 vom LWV wahrgenommenen Aufgaben gemäß § 2 des Gesetzes
zur Auflösung der Landeswohlfahrtsverbände (in der Fassung des Art. 177 des
Verwaltungsstruktur-Reformgesetzes vom 1. Juli 2004 - VRG - )
i.V.m. Art. 187 Abs. 1 VRG mit Wirkung vom 1. Januar 2005 als sachlich und örtlich
zuständig gewordenen Sozialhilfeträger übergegangen waren, bei der ihm als dem
auch nach § 44 Abs. 3 SGB X zuständigen Träger durch auferlegten Verpflichtung
zur Neubescheidung des Überprüfungsbegehrens für den Zeitraum vom 30. April
2004 bis 17. Februar 2005 wegen der Rechtskraft des Senatsurteils vom 21.
Februar 2008 gebunden (§ 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG, § 131 Abs. 3 SGG analog; vgl.
BSG SozR 4-1500 § 141 Nr. 1; Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 10. Auflage, §
131 Rdnr.16, § 141 Rdnr. 11a). Der Beklagte war ferner aufgrund des Urteils
verpflichtet, den Bescheid des LWV vom 6. April 2004 mit Wirkung ab dem 18.
Februar 2005 zurückzunehmen, soweit bei der Festsetzung des Essensbeitrags
die Grenze von 2,30 Euro überschritten worden war. Diese Verpflichtung zur
Rücknahme, zu der wegen § 44 Abs. 3 SGB X allein die Behörde, also nicht das
Gericht, befugt ist (vgl. Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 44 SGB X Rdnr. 21
; ferner BSE 76, 156, 157 f. = SozR 3-4100 § 249e Nr. 7),
hinderte den Beklagten vorliegend indessen nicht am Erlass eines neuen
Bescheids über den Kostenbeitrag. Denn im Urteil vom 21. Februar 2008 war der
(erste) Überprüfungsbescheid vom 6. April 2005 (Widerspruchsbescheid vom 16.
Februar 2006) - wie die hier zur Klärung der Tragweite der Urteilsformel und des
Umfangs der materiellen Rechtskraft gebotene Heranziehung der Urteilsgründe
(vgl. BSGE 8, 185, 189; BSGE 43, 1, 3 = SozR 1500 § 131 Nr. 4) ergibt - nicht
aufgrund eines inhaltlichen Gesetzesverstoßes, sondern wegen unzureichender
Ermessenausübung aufgehoben worden. Wegen dieser sich nur auf die
Ermessensfehlerhaftigkeit der Bescheide beschränkenden Rechtskraftwirkung
konnte mithin eine Neubescheidung auch für die Zeit ab 18. Februar 2005 erfolgen
(vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Juni 1984 - 5 C 8/81 - ; Keller in
Meyer-Ladewig u.a., a.a.O., § 141 Rdnr. 10a).
24 2.) Durch die vorliegend angefochtenen Bescheide ist der Kläger wiederum formell
beschwert und damit klagebefugt (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Dies trifft nicht nur für
die zweite hier streitbefangene Zeit vom 18. Februar 2005 bis 29. April 2006,
sondern auch für den Zeitraum vom 30. April 2004 bis 17. Februar 2005 zu, für den
der Senat im Urteil vom 21. Februar 2008 auf Neubescheidung tenoriert hatte.
Zwar ist dieses rechtskräftige Urteil auch für den Kläger bindend geworden (§ 141
Abs. 1 Nr. 1 SGG), wobei die Bindungswirkung nicht nur die Beteiligten, sondern
auch das Gericht erfasst (vgl. BSGE 8, 185, 191; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr. 1
). Durch den den Beklagten zur (teilweisen) Rücknahme des Bescheids
vom 6. April 2005 (Widerspruchsbescheid vom 16. Februar 2006) mit Wirkung ab
18. Februar 2008 verpflichtenden Ausspruch im Urteil vom 21. Februar 2008 war
der Kläger indessen nicht beschwert; er hätte diesen Ausspruch deshalb von
vornherein nicht mit Erfolg mit einem weiteren Rechtsmittel zum BSG anfechten
können. Ihm muss deshalb zugestanden werden, im neuen, hiesigen Verfahren
eine Verletzung seiner rechtlich geschützten Interessen durch die vorliegend
streitbefangenen Bescheide umfassend geltend machen zu können. Hinsichtlich
des Bescheidungsausspruchs im Urteil vom 21. Februar 2008 sind zwar
Einschränkungen zu beachten. Denn wegen der Bindungswirkung eines
Bescheidungsurteils, die sich nicht allein auf die Gründe erstreckt, aus denen das
Gericht den angefochtenen Verwaltungsakt als rechtswidrig aufhebt, sondern auch
auf alle Rechtsauffassungen, die das Urteil der Behörde bei Erlass des neuen
Verwaltungsakts vorschreibt, ist ein Kläger gehalten, alle Einwendungen gegen
einen Bescheid schon im (ersten) Klageverfahren vollständig vorzubringen; er
muss, falls das Gericht von seinem Standpunkt abweicht oder sein Vorbringen
nicht vollumfänglich ausschöpft, Rechtsmittel einlegen, wenn er erreichen will, dass
seine weitergehenden Positionen erneut gerichtlich überprüft werden. Ist dies nicht
geschehen, kann er mit denjenigen Einwendungen, die das Gericht bei seiner für
die Neubescheidung für maßgeblich erklärten Rechtsauffassung nicht
berücksichtigt hat, aufgrund der Bindungswirkung des rechtskräftig gewordenen
Urteils nicht mehr gehört werden (BSG SozR 4-1500 § 141 Nr. 1 ).
Ungeachtet der Bindungswirkungen eines rechtskräftig gewordenen Urteil sind die
Gerichte jedoch verpflichtet, in einem neuen Klageverfahren die Rechtmäßigkeit
des in Ausführung der Bescheidungsverpflichtung ergangenen Bescheids
hinsichtlich aller noch nicht bestandskräftig entschiedenen Fragen zu überprüfen
(BSG a.a.O. ).
25 Vorliegend hat der Senat dem Beklagten im Urteil vom 21. Februar 2008 allerdings
lediglich aufgegeben, bei Ausübung des Rücknahmeermessens die bei Erlass des
Bescheids des LWV vom 6. April 2004 geltenden normativen Bestimmungen und
namentlich auch - also nicht nur - die tatsächlich entstehenden Essenskosten in
den Blick zu nehmen. Damit war der Kläger mit weitergehenden Einwendungen
nur insoweit ausgeschlossen, als der Senat aufgrund der Anwendung des § 44
Abs. 2 Satz 2 SGB X den Beklagten überhaupt zu einer Ermessensentscheidung
bei Rücknahme des vorgenannten Bescheids verpflichtet hat und dieser hierbei
„auch“ die tatsächlichen Kosten für das Mittagessen zu berücksichtigen hatte. Der
Kläger ist nach allem durch den vorliegend angefochtenen Bescheid vom 30. Juni
2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. September 2008 mit
weiteren, über die vorstehenden Vorgaben hinausgehenden Einwendungen nicht
ausgeschossen und damit erneut beschwert. Zulässigerweise verfolgt er sein
Begehren im vorliegenden Verfahren mit der isolierten Anfechtungsklage (§ 54
Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGG); denn der Beklagte hat mit den streitgegenständlichen
Bescheiden den Bescheid des LWV vom 6. April 2004 für dessen gesamten
Wirkungszeitraum (30. April 2004 bis 29. April 2006) zurückgenommen, sodass für
eine erneute kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage kein Raum
geblieben ist (vgl. ansonsten zur Korrektur bestandskräftig gewordener Bescheide
etwa BSG SozR 3-1300 § 44 Nr. 8; BSGE 99, 137 = SozR 4-1300 § 44 Nr. 11
).
II.)
26 Der Bescheid des Beklagten vom 30. Juni 2008 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 8. September 2008 ist indessen rechtlich nicht zu
beanstanden; die angefochtenen Verwaltungsakte sind rechtmäßig. Im Rahmen
der Sachprüfung ist hierbei jedoch wiederum zwischen dem Zeitraum vom 1. Mai
2004 bis 17. Februar 2005 und dem Zeitraum vom 18. Februar 2005 bis 29. April
2006 zu unterscheiden.
27 1.) Der Beklagte hat für den Zeitraum vom 1. Mai 2004 bis 17. Februar 2005 den
Bescheid des LWV vom 6. April 2004 teilweise, nämlich soweit es den einen
Betrag von 2,30 Euro übersteigenden Kostenbeitrag betrifft, zurückgenommen,
indes für diesen Zeitraum erneut einen Essenbeitrag von 3,00 Euro pro in der
Werkstatt eingenommenem Mittagessen festgesetzt. Unter Beachtung des
rechtskräftig gewordenen Senatsurteils vom 21. Februar 2008 wäre der Beklagte
freilich befugt gewesen, bereits im Rahmen des nach § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X
auszuübenden Rücknahmeermessens von einer Teilaufhebung des Bescheids
vom 6. April 2004 für dem genannten Zeitraum überhaupt abzusehen, sofern die
ihm vom Senat aufgegebene Ermessensprüfung unter Einbezug der tatsächlichen
Kosten für das Mittagessen ein schutzwürdiges Interesse am Fortbestand des
Verwaltungsakts für die Vergangenheit ergeben hätte. Diesen Schritt ist der
Beklagte allerdings nicht gegangen; er hat stattdessen zugleich mit der teilweisen
Rücknahme des Bescheids des LWV über den Kostenbeitrag im Zeitraum vom 30.
April 2004 bis 17. Februar 2005 erneut entschieden. Diese Abweichung vom
Bescheidungstenor im Urteil vom 21. Februar 2008 beschwert den Kläger
vorliegend indes nicht zusätzlich, sodass er allein hierauf seine auf Aufhebung der
streitgegenständlichen Bescheide gerichtete Anfechtungsklage nicht stützen kann
(vgl. hierzu auch BSG SozR 4-1500 § 141 Nr. 1 ). Zur Begründung der
Rücknahme des Verwaltungsakts hat der Beklagte im Bescheid vom 30. Juni 2008
ausgeführt, der „Ermittlungs- und Ermessensfehler“ im Bescheid des LWV, der
seinerzeit den realen Kostenaufwand, der mit der Zubereitung und Bereitstellung
der Mahlzeit verbunden gewesen sei, nicht ermittelt habe, habe ihn bewogen, den
Bescheid vom 6. April 2004 auch für die Vergangenheit (teilweise) aufzuheben.
Folge dieser (Teil-)Rücknahme sei, dass erneut über einen Kostenbeitrag für den
vorgenannten Zeitraum zu entscheiden sei. Im Rahmen der sodann
vorgenommenen Ermessenentscheidung sei berücksichtigt worden, dass die
Kosten für ein Mittagessen im Zeitraum von April 2004 und Februar 2005 in seinem
Zuständigkeitsbereich zwischen 3,65 Euro und 5,00 Euro gelegen hätten. Selbst
wenn der günstigste Betrag von 3,65 Euro als Obergrenze der Heranziehung
berücksichtigt werde, liege der mit dem Bescheid vom 30. Juni 2008 verlangte
Kostenbeitrag von 3,00 Euro deutlich darunter. Der festgesetzte Betrag erscheine
auch deshalb angemessen, weil angesichts des Monatseinkommens des Klägers
aus Rente und Werkstattverdienst eine moderate Kostenbeitragserhöhung von 70
Cent pro Mittagessen zumutbar erscheine. Die monatliche Mehrbelastung betrage
grob gerechnet nur 14,00 Euro (4 Wochen mal 5 Mittagessen à 70 Cent).
28 a) Rechtsgrundlage für die Erhebung eines Kostenbeitrags war zum Zeitpunkt des
Erlasses des Bescheids vom 6. April 2004 (vgl. zum maßgeblichen Zeitpunkt bei
Entscheidungen nach § 44 SGB X BSGE 88, 75, 81 = SozR 3-2200 § 1265 Nr. 20;
BSG SozR 4-3250 § 69 Nr. 14 ) die Bestimmung des § 43 BSHG (in der
Fassung des Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen und zur
Änderung anderer Gesetze vom 27. April Juni 2002 ); die dort
geregelte „erweiterte Hilfe“ modifiziert den Nachranggrundsatz des § 2 Abs. 1
BSHG (vgl. Kunz in Oestreicher/Schelter/Kunz, BSHG, § 43 Rdnr. 2
2003>; Schmeller in Mergler/Zink, BSHG, § 43 Rdnr. 3 ; ferner
Behrend, in jurisPK-SGB XII, § 92 Rdnr. 4 ). Nach § 43 Abs. 1
Satz 1 BSHG ist die Hilfe u.a. in einer Tageseinrichtung für behinderte Menschen,
zu der auch eine WfbM gehört (vgl. Behrend in jurisPK-SGB XII, a.a.O., Rdnr. 15),
auch dann in vollem Umfang zu gewähren, wenn den in § 28 BSHG (Hilfe in
besonderen Lebenslagen) genannten Personen die Aufbringung der Mittel zu
einem Teil zuzumuten ist. In Höhe dieses Teils haben sie zu den Kosten der Hilfe
beizutragen (§ 43 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BSHG). Den in § 28 BSHG genannten
Personen - so auch dem Kläger - ist nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 BSHG bei
Leistungen in einer WfbM nach § 41 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB
IX) die Aufbringung der Mittel nur für die Kosten des Lebensunterhalts zuzumuten.
Die Aufbringung der Mittel nach Satz 1 Nr. 7 a.a.O. ist gemäß § 43 Abs. 2 Satz 3
BSHG nicht zumutbar, wenn das Einkommen des behinderten Menschen
insgesamt einen Betrag in Höhe des zweifachen Regelsatzes eines
Haushaltsvorstandes nicht übersteigt.
29 Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich bei der beschränkten
Heranziehung zu einem Kostenbeitrag für das Mittagessen in einer WfbM nach §
43 Abs. 2 BSHG um eine spezielle abschließende Regelung, die die allgemeinen
Regelungen über die Anrechnung von Einkommen verdrängt (so auch VG Halle
(Saale), Urteil vom 6. Oktober 2004 - 4 A 177/02 - ; Kunz in
Oestreicher/Schelter/Kunz, a.a.O., Rdnr. 10; Conradis in LPK-BSHG, 6. Auflage, §
81 Rdnr. 4; Schmeller in Mergler/Zink, a.a.O., Rdnr. 15; Schellhorn/H. Schellhorn,
BSHG, 16. Auflage, § 43 Rdnr. 47). Die Vorschrift konkretisiert für die dort
geregelten Fälle den Begriff der Zumutbarkeit (vgl. zu der im Wesentlichen
inhaltsgleichen Vorschrift des § 92 SGB XII Lippert in Mergler/Zink, Handbuch der
Grundsicherung und Sozialhilfe, § 92 SGB XII Rdnr. 18 ); der
Zumutbarkeitsmaßstab der §§ 79 Abs. 1, 84 Abs. 1 und 85 BSHG, der für die
sonstigen, allein von § 43 Abs. 1 BSHG umfassten
Eingliederungshilfemaßnahmen im Rahmen der Einkommensprüfung regelmäßig
zu beachten sein wird, ist mithin nicht heranziehbar. Das ergibt sich aus dem
Wortlaut, dem systematischen Zusammenhang, dem Sinn und Zweck sowie der
Entstehungsgeschichte der Norm.
30 § 43 Abs. 2 Satz 1 BSHG beschränkt - anders als § 43 Abs. 1 BSHG - die
kostenbeitragspflichtigen Sozialhilfeaufwendungen für bestimmte, in den dortigen
Nrn. 1 bis 8 aufgeführte Maßnahmen im Sinne einer Obergrenze auf die Kosten
des Lebensunterhalts (vgl. Behrend, a.a.O., Rdnr. 20); eine Beteiligung an den
Kosten der Eingliederungshilfemaßnahme selbst ist für diese enumerativ
aufgeführten Fälle ausgeschlossen. Dabei können die Maßnahmen nach § 43
Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 6 BSHG unabhängig von jeglicher Einkommensgrenze
beansprucht werden (vgl. schon BVerwG Buchholz 436.0 § 40 BSHG Nr. 7); die
Kostenbeteiligung ist dort auf die häusliche Ersparnis beschränkt. Zweck dieser
erstmals durch das 2. BSHG-Änderungsgesetz vom 14. August 1969 (BGBl. I S.
1153) eingefügten Regelung war und ist es, die Eltern behinderter Kinder in ihrer
aktiven Mitwirkung an der Eingliederung ihrer Kinder zu unterstützen; dieses
Allgemeininteresse an der Eingliederung soll nicht durch wirtschaftliche
Überlegungen der Eltern gefährdet werden (vgl. BVerwGE 48, 228, 234). Weitere
Sonderregelungen wurden durch Art. 15 des mit Wirkung vom 1. Juli 2001 in Kraft
getretenen SGB IX vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1046) eingeführt. Der Katalog der
durch § 43 Abs. 2 BSHG erfassten Leistungen und Personengruppen wurde
erheblich erweitert; eingefügt wurden mit den Nrn. 7 und 8 in § 43 Abs. 2 Satz 1
BSHG Regelungen für die in einer WfbM beschäftigten sowie für
schwerstbehinderte nicht werkstattfähige Menschen in teilstationären
Einrichtungen; diese Personenkreise konnten bis dahin nur über § 43 Abs. 1
BSHG erfasst werden (vgl. hierzu etwa BVerwG Buchholz 436.0 § 85 BSHG Nr.
10; BVerwGE 92, 254). Diese behinderten Menschen haben sich nunmehr
ebenfalls nur an den Kosten für den Lebensunterhalt zu beteiligen; hierbei
verdeutlicht die gleichzeitig in § 43 Abs. 2 Satz 2 BSHG eingefügte Einschränkung
der ersparten häuslichen Aufwendungen auf die Nrn. 1 bis 6 der Vorschrift, dass
der Lebensunterhalt in einer WfbM lediglich in der Zurverfügungstellung eines
Mittagessens besteht (vgl. Bundestags-Drucksache 14/5074 S. 124 f.). Nach den
gesetzgeberischen Motiven sollten Auseinandersetzungen über die tatsächliche
Ersparnis in diesen Fällen vermieden werden, zugleich sollte aber mit dieser
besonderen Regelung auch erreicht werden, dass mit dem Verzicht auf die
Bedürftigkeitsprüfung die vollen Leistungen allen in einer WfbM Beschäftigten in
vollem Umfang zur Verfügung gestellt werden und nur die einen Kostenbeitrag
zum Essen zu leisten haben, die über entsprechende Eigenmittel, z.B.
Rentenleistungen, verfügen (vgl. a.a.O. S. 125). Als Ergebnis der
Ausschussberatungen wurde in § 43 Abs. 2 BSHG ferner der Gesetz gewordene
Satz 3 (damals noch in geringfügig anderer, hier nicht streiterheblicher Fassung)
angefügt; die Änderung diente der Klarstellung, dass eine Beteiligung der im
Arbeitsbereich einer WfbM beschäftigten Menschen nicht - auch nicht in Höhe des
Kostenbeitrages für das Mittagessen - in Betracht kommt, wenn diese nur
Einkommen bis zum doppelten Regelsatz eines Haushaltsvorstandes erzielen
(Bundestags-Drucksache 14/5800 S. 35). Bis zu dieser in § 43 Abs. 2 Satz 3
BSHG spezialgesetzlich geregelten Einkommensgrenze kann und darf mithin eine
Kostenbeteiligung nicht gefordert werden; erst wenn mit dem Einkommen diese
Grenze überschritten ist, sind die Werkstattbesucher zu einem Kostenbeitrag für
das Mittagessen heranzuziehen. Für die Berücksichtigung von Vermögen hielt im
Übrigen § 88 Abs. 3 Satz 3 BSHG (in der bis 31. Dezember 2004 geltenden
Fassung des Agrarsozialreformgesetzes 1995 vom 29. Juli 1994
1890>) eine besondere Härteregelung für die in einer WfbM beschäftigten
Menschen bereit (vgl. jetzt aber den generellen Ausschluss des
Vermögenseinsatzes in § 92 Abs. 2 Satz 2 SGB XII; hierzu Bundestags-
Drucksache 15/1514 S. 66).
31 Aus den vorstehenden Erörterungen ergibt sich, dass die Zumutbarkeit des
Einkommenseinsatzes bei der Heranziehung zu einem Kostenbeitrag für das
Mittagessen von Beschäftigten im Arbeitsbereich einer WfbM - wie dem Kläger -
allein an § 43 Abs. 2 Sätze 1 und 3 BSHG zu messen ist. Eine weitere
Bedürftigkeitsprüfung nach § 43 Abs. 1 i.V.m. §§ 79, 84 und 85 BSHG findet nicht
statt. Der Senat folgt deshalb nicht der in Teilen der instanzgerichtlichen
Rechtsprechung sowie der Literatur vertretenen Auffassung, die - ausgehend vom
Zumutbarkeitsbegriff in § 92 Abs. 1 SGB XII (§ 43 Abs. 1 BSHG) - für die Fälle des
§ 92 Abs. 2 SGB XII (§ 43 Abs. 2 BSHG) eine ergänzende Heranziehung der
Regelungen zum Einsatz von Einkommen und Vermögen (§§ 85 ff. SGB XII, §§ 79
ff. BSHG) verlangt (so aber LSG Niedersachsen-Bremen, Urteile vom 24.
September 2009 - L 8 SO 154/07 - FEVS 61, 321 und vom 25. Februar 2010 - L 8
SO 5/08 - ; Behrend, a.a.O., Rdnr. 6; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB
XII, 4. Auflage, § 92 Rdnr. 15).
32 Bereits der vom Kläger ab Mai 2004 bezogene Zahlbetrag der Rente wegen voller
Erwerbsminderung (762,89 Euro) hat indessen den doppelten Regelsatz eines
Haushaltungsvorstandes (seit 1. Juli 2003 297,00 Euro) bei Weitem überschritten,
und zwar selbst wenn von dem Einkommen noch der Arbeitsmittelpauschbetrag
von 5,20 Euro (§ 76 Abs. 2 Nr. 4 BSHG i.V.m. § 3 Abs. 5 der Verordnung zur
Durchführung des § 76 BSHG ) in Abzug gebracht werden
würde (so VG Halle, Urteil vom 6. Oktober 2004 a.a.O.). Der Kläger war sonach
schon aufgrund des den zweifachen Regelsatz weit übersteigenden
Renteneinkommens zu einem Kostenbeitrag für das Mittagessen heranzuziehen.
Auf das zusätzlich bezogene Werkstattentgelt kommt es deshalb nicht mehr an;
ebenso wenig bedurfte es einer Vermögensprüfung.
33 b) Damit ist jedoch über die Höhe des Kostenbeitrags noch nichts gesagt. Hierzu
bestimmt § 43 Abs. 2 Satz 4 BSHG, dass die zuständigen Landesbehörden
Näheres über die Bemessung des Kostenbeitrages bestimmen können; mit dieser
Vorschrift sollen länderspezifische Regelungen über den Essensbeitrag ermöglicht
werden (vgl. Bundestags-Drucksache 14/5800 S. 35). Die in der Sitzung des
Verbandsausschusses des LWV vom 11. November 2003 getroffene Regelung
hatte der Senat indessen bereits im Urteil vom 21. Februar 2008 unter dem
Gesichtspunkt fehlerhafter Ermessensausübung verworfen. Es oblag deshalb und
wurde dem Beklagten im Senatsurteil auch aufgegeben, die Höhe des
Kostenbeitrags selbst zu ermitteln (vgl. Schoch in LPK-BSHG, a.a.O., § 43 Rdnr.
15; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, a.a.O., Rdnr. 31). Dabei hatte der Beklagte
zu beachten, dass die Heranziehung zu den Kosten für den Lebensunterhalt der
Höhe nach - im Sinne einer Obergrenze - grundsätzlich auf den tatsächlichen
Aufwand für den in der Einrichtung gewährten Lebensunterhalt begrenzt ist (vgl.
Senatsurteil vom 21. Februar 2008 a.a.O.; VG Stuttgart, Urteil vom 2. Dezember
2004 a.a.O.; VG Sigmaringen, Urteil vom 11. Januar 2006 a.a.O.). Der im Rahmen
der Kostenbeteiligung geforderte Betrag bedarf der Plausibilität; in dieser Hinsicht
hatte der Senat dem Beklagten im Urteil vom 21. Februar 2008 einen
Ermessensspielraum eingeräumt.
34 Die streitgegenständlichen Bescheide lassen indessen Ermessensfehler nicht
erkennen. Auf die zutreffenden eingehenden Ausführungen im angefochtenen
Urteil des SG vom 21. Oktober 2010 wird Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Lediglich ergänzend wird nochmals darauf hingewiesen, dass eine Begrenzung
des Kostenbeitrags auf die Werte der in § 2 DVO zu § 76 BSHG in Bezug
genommenen Sachbezugsverordnung (ab 1. Januar 2007
Sozialversicherungsentgeltverordnung) nicht in Betracht kommt (anders zu
Unrecht die Arbeitshilfe der Stadt Hamburg zu § 92 SGB XII unter Punkt 2.3.2.).
Insoweit ist zu beachten, dass das kostenfreie Mittagessen in einer WfbM im
Rahmen der Eingliederungshilfe als Sachleistung anzubieten ist (vgl. BSGE 102,
126 = SozR 4-3500 § 54 Nr. 6 (jeweils Rdnr. 22>). Das Mittagessen kann schon
deswegen nicht als Einkommen behandelt werden, weil nach § 76 Abs. 1 BSHG
(vgl. jetzt § 82 Abs. 1 SGB XII) Leistungen nach diesem Gesetz vom
Einkommensbegriff ausdrücklich ausgenommen sind (vgl. BSGE 99, 252 = SozR
4-3500 § 28 Nr. 3 ; BSGE 106, 62 = SozR 4-3500 § 82 Nr. 6
). Aus diesem Grunde können ferner die vom
Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 12.
Dezember 2013 in Bezug genommenen Bestimmungen der §§ 78 BSHG und 84
SGB XII von vornherein nicht greifen. Dies gilt auch für die von ihm
herangezogenen Ziffern 76.16 (zum BSHG) und 82.16 (zum SGB XII) der
Sozialhilferichtlinien Baden-Württemberg, welche als allgemeine
Verwaltungsvorschriften und Anhaltspunkte für die Sozialhilfeträger ohnehin die
Gerichte nicht unmittelbar zu binden vermögen; auch diese Ziffern nehmen
nämlich eine Bewertung der Verköstigung nach der Sachbezugsverordnung
(Sachversicherungsentgeltverordnung), freilich mit dem im Regelsatz für die
betreffende Leistung enthaltenen Anteil als Obergrenze, vor. Der Kläger war in der
streitbefangenen Zeit auch kein Empfänger von Grundsicherungsleistungen nach
dem Grundsicherungsgesetz oder (ab 1. Januar 2005) nach dem Vierten Kapitel
des SGB XII, sodass eine Vergleichbarkeit mit diesem Personenkreis, bei dem
wegen des kostenlos zur Verfügung gestellten Mittagessens eine abweichende
Festlegung des Regelsatzes zulässig ist (vgl. hierzu BSGE 99, 252 = SozR 4-3500
§ 28 Nr. 3; BSGE 102, 126 = SozR 4-3500 § 54 Nr. 3 ; Bayer.
LSG, Urteil vom 23. September 2010 - L 8 SO 1/08 - ), nicht besteht. Einer
Begrenzung der Höhe des Kostenbeitrags auf den in § 41 Abs. 3 Satz 3 SGB IX (in
den jeweiligen Fassungen) in Bezug genommenen § 93a Abs. 2 BSHG (jetzt § 76
Abs. 2 SGB XII) und dort die Grundpauschale (vgl. hierzu Behrend, a.a.O., Rdnr.
38; Lippert in Mergler/Zink, a.a.O., Rdnr. 31) mangelt es vorliegend an der
Praktikabilität, weil in Baden-Württemberg die Sozialhilfeträger und die WfbM nur
eine Gesamtvergütung für die Leistungen, die der behinderte Mensch in der WfbM
erhält, vereinbaren, mithin in der Vereinbarung die einzelnen Ausgabepositionen
und damit auch die Verpflegungskosten für die behinderten Menschen nicht
dargestellt werden. Eine realistische Möglichkeit, die Vergütungsanteile des
Mittagessens in einer WfbM an der Grundpauschale zu ermitteln, besteht damit
nicht. Ohnehin war in der hier maßgeblichen, ab 4. März 2002 geltenden
Vereinbarung nach § 93a BSHG des LWV mit der Samariterstiftung für die WfbM in
W. für die Grundpauschale ein Betrag von 6,55 Euro für den Leistungstyp 1.4.4
(Tagesstrukturierendes Angebot für Menschen mit Behinderungen, Arbeitsbereich
einer Werkstatt für Behinderte) vereinbart, d.h. ein Betrag, der weitaus höher ist als
der vom Beklagten geforderte Kostenbeitrag von 3,00 Euro je eingenommenem
Mittagessen. Höher als dieser Kostenbeitrag waren im Übrigen auch die von der
WfbM in W. für das Mittagessen angesetzten Gestehungskosten in der gesamten
streitbefangenen Zeit (ab April 2004 3,65 Euro, ab Februar 2005 3,65 Euro, ab
April 2006 3,75 Euro). Das gilt auch für den Verrechnungspreis des von dieser
WfbM aus der Zentralküche in Geislingen bezogenen und von dort in Rechnung
gestellten Mittagessens, der mit 3,20 Euro pro Essen, wie die vom Senat im
Verfahren L 7 SO 5562/07 erhobene Auskunft vom 7. Februar 2008 belegt,
ebenfalls den in den streitbefangenen Heranziehungsbescheiden festgesetzten
Kostenbeitrag überschritten hat. Ferner hat eine Durchschnittsberechnung der vom
Beklagten bei den sechs in seinem Zuständigkeitsbereich liegenden WfbM
gleichfalls höhere Beträge ergeben, nämlich 3,83 Euro (ab April 2004), 3,75 Euro
(ab Februar 2005) und 3,81 Euro (ab April 2006).
35 c) Am gefundenen Ergebnis änderte sich auch nichts, sofern im
Überprüfungsantrag des Klägers zugleich eine Antragstellung nach § 48 SGB X
wegen nachträglicher wesentlicher Veränderung der Verhältnisse gesehen werden
könnte (vgl. hierzu Schütze in von Wulffen u.a., SGB X, 7. Auflage, § 44 Rdnr. 9
). Zwar ist zum 1. Januar 2005 das SGB XII (eingeführt durch Art. 1 des
Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.
Dezember 2003 ) in Kraft getreten. Die nunmehr in § 92 SGB XII
verortete Bestimmung über die erweiterte Hilfe bei Maßnahmen der
Eingliederungshilfe hat insoweit jedoch keine rechtlich wesentlichen Änderungen
gebracht, sondern die Vorschrift des § 43 BSHG nach dem Willen des
Gesetzgebers im Wesentlichen inhaltsgleich übertragen (vgl. Bundestags-
Drucksache 15/1514 S. 66). Erfordert die Behinderung Leistungen für eine
stationäre Einrichtung, für eine Tageseinrichtung für behinderte Menschen oder für
ärztlich oder ärztlich verordnete Maßnahmen, sind die Leistungen hierfür gemäß §
92 Abs. 1 Satz 1 SGB XII auch dann in vollem Umfang zu erbringen, wenn den in §
19 Abs. 3 SGB XII genannten Personen die Aufbringung der Mittel zu einem Teil
zuzumuten ist; in Höhe dieses Teils haben sie zu den Kosten der erbrachten
Leistungen beizutragen (Satz 2 1. Halbs. a.a.O.). Den in § 19 Abs. 3 SGB XII
genannten Personen ist die Aufbringung der Mittel bei Leistungen in anerkannten
Werkstätten für behinderte Menschen nach § 41 SGB IX nur für die Kosten des
Lebensunterhalts zuzumuten (§ 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB XII). Die in Satz 1
a.a.O. genannten Leistungen sind ohne Berücksichtigung von vorhandenem
Vermögen zu erbringen (§ 92 Abs. 2 Satz 1 SGB XII). Gemäß § 92 Abs. 2 Satz 4
SGB XII ist die Aufbringung der Mittel nach Satz 1 Nr. 7 a.a.O. aus dem
Einkommen nicht zumutbar, wenn das Einkommen des behinderten Menschen
insgesamt einen Betrag in Höhe des zweifachen Eckregelsatzes nicht übersteigt.
36 Aus dieser Rechtsänderung vermag der Kläger ebenfalls nichts zu seinen Gunsten
herzuleiten. Denn das Mittagessen in der WfbM ist, obwohl die in § 27 Abs. 3
BSHG ausdrücklich geregelte Verklammerung der Hilfe in besonderen
Lebenslagen mit den Hilfen zum Lebensunterhalt nunmehr weggefallen ist, auch
weiterhin als integraler Bestandteil der Eingliederungshilfe in der WfbM zu
betrachten (vgl. BSGE 102, 126 = SozR 4-3500 § 54 Nr. 3); es kann von den
Eingliederungshilfeleistungen nicht ausgenommen werden. Freilich lag der
Eckregelsatz ab 1. Januar 2005 mit 345,00 Euro (vgl. § 1 der Verordnung der
Landesregierung vom 14. Dezember 2004
Regelsatz eines Haushaltsvorstandes nach dem BSHG. Auch darauf vermag der
Kläger sein Aufhebungsbegehren jedoch nicht stützen, weil bereits sein
Renteneinkommen (ab Juli 2004 779,82 Euro) selbst unter Abzug des
Arbeitsmittelpauschbetrags von 5,20 Euro den zweifachen Eckregelsatz immer
noch deutlich überschritten hat.
37 2.) Die vorstehenden unter 1. Buchst. a bis c) dargestellten Erwägungen gelten
auch für die Zeit ab 18. Februar 2005, sodass zur Vermeidung von
Wiederholungen hierauf verwiesen werden kann. Auch im Zeitraum vom 18.
Februar 2005 bis 29. April 2006 hat schon das Renteneinkommen des Klägers
den zweifachen Eckregelsatz durchgehend überstiegen (seit Juli 2004 779,82
Euro, ab 1. April 2005 771,23 Euro, ab 1. Mai 2005 777,67 Euro, ab 1. Juli 2005
773,81 Euro).
38 Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG; hierbei hat der Senat mit Blick auf
das nur ganz geringfügige Obsiegen des Klägers von einer Kostenquotelung
abgesehen.
39 Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2
SGG) liegen nicht vor.