Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 13.09.2016

vergütung, eingliederung, freiwillige versicherung, verfügung

LSG Baden-Württemberg Urteil vom 13.9.2016, L 4 R 2120/15 ZVW
Leitsätze
Zur selbständigen Tätigkeit einer Bilanzbuchhalterin/Lohnbuchhalterin.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14. April 2011 wird
zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in allen Rechtszügen.
Tatbestand
1 Die Beteiligten streiten um den sozialversicherungsrechtlichen Status der Tätigkeit der Klägerin als
Buchhalterin für die Beigeladene zu 1 zwischen dem 1. Januar 2005 und dem 30. April 2013 und das
Bestehen von Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung aufgrund
dieser Tätigkeit.
2 Die Klägerin ist gelernte Wirtschaftsassistentin, Industriekauffrau und Bilanzbuchhalterin. Sie hat vier in den
Jahren 1990, 2000, 2004 und 2006 geborene Kinder. Seit 1. Dezember 1993 hat sie ein Gewerbe
„Büroservice“ angemeldet, das sie nach dem Urteil des Senats vom 19. April 2013 (dazu noch unten) zum
30. April 2013 abmeldete; anschließend war sie von der Beigeladenen zu 1 als geringfügig Beschäftigte
gemeldet. Die Beigeladene zu 1 ist ein mittelständisches Unternehmen mit im streitgegenständlichen
Zeitraum ca. 15 Mitarbeitern.
3 Bis Ende März 2001 war die Klägerin bei der Beigeladenen zu 1 als Bilanzbuchhalterin/Lohnbuchhalterin in
Teilzeit (20 Stunden wöchentlich) tätig und als abhängig Beschäftigte zur Sozialversicherung gemeldet. Sie
hatte feste Arbeitszeiten in den Räumlichkeiten der Beigeladenen zu 1 von täglich 8.00 bis 12.00 Uhr. Ab
dem 1. April 2001 war sie – bis zum 30. April 2013 – aufgrund mündlich geschlossenen Vertrages weiter als
Buchhalterin/Lohnbuchhalterin für die Beigeladene zu 1 tätig, wobei die Klägerin und die Beigeladene zu 1
nunmehr davon ausgingen, dass es sich um eine selbständige Tätigkeit handele. Die Klägerin verrichtete ihre
Tätigkeit nunmehr überwiegend von zu Hause aus. Am 15. Dezember 2001 mietete sie einen neun
Quadratmeter großen Büroraum unter ihrer Wohnanschrift von ihrem Ehemann zu einer monatlichen Miete
von EUR 87,64 einschließlich Nebenkosten ab 1. Januar 2002 an. Außerdem ist sie Autorin des Buches
„Zeitfalle Kind“, das sie selbst vermarktet. Sie ist bei der Beigeladenen zu 2 freiwillig krankenversichert.
4 Neben ihrer Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1 hatte die Klägerin zunächst bis 2004 mehrere andere
Auftraggeber. Aufgrund familiärer Verpflichtungen beendete sie die übrigen Auftragsverhältnisse 2004 und
schränkte auch ihre Tätigkeit für die Beigeladene zu 1 von zuvor 20 auf nunmehr noch 15 bis 16 Stunden
wöchentlich ein. Die von ihr abgegebenen Aufgaben, z.B. Zahlungserinnerungen, Mahnungen, erledigte
seitdem ein bei der Beigeladenen zu 1 abhängig beschäftigter Bürokaufmann, der ihr insoweit zuarbeitete.
Teilweise arbeitete die Klägerin in den Geschäftsräumen der Beigeladenen zu 1, wobei der Umfang und der
Zeitpunkt der Tätigkeit in den Geschäftsräumen in der freien Entscheidung der Klägerin lag; sie teilte ihre
Anwesenheitszeiten der Beigeladenen zu 1 jeweils in der Vorwoche mit. Zur Anwesenheit verpflichtet war
sie lediglich dann, wenn Prüfungen seitens der Sozialversicherungsträger, des Finanzamtes et cetera vor Ort
stattfanden. Wenn die Klägerin in den Räumlichkeiten der Beigeladenen zu 1 tätig wurde, tauschte sie dort
Belege und Unterlagen aus, besprach Änderungen und Sonderfälle, besonders im Personalbereich, und
erledigte besonders dringende Angelegenheiten. Sie nutzt dort das auf den Betrieb abgestimmte Lexware-
Buchhaltungsprogramm in der jeweils aktuellen Version, über das sie selbst nicht verfügte. Die Klägerin
verfügte nicht über einen eigenen Schreibtisch bei der Beigeladenen zu 1, sondern nutzte jeweils einen
gerade freien Schreibtisch.
5 Die Klägerin war verpflichtet, alle anfallenden Lohnbuchhaltungsaufgaben zu erfüllen. Die Klägerin und die
Beigeladene zu 1 gingen dabei davon aus, dass hierfür im streitgegenständlichen Zeitraum 15 bis 16
Wochenstunden ausreichten. Für eine Tätigkeit in diesem Umfang war die Klägerin berechtigt, der
Beigeladenen zu 1 einen Betrag von monatlich EUR 1.500,00 zuzüglich Mehrwertsteuer in Rechnung zu
stellen. Soweit die anfallende Arbeit einen wesentlich größeren Zeitaufwand (etwa bei Prüfungen durch das
Finanzamt) oder einen geringeren Aufwand verursachte, war die Klägerin berechtigt bzw. verpflichtet, für
die betroffenen Monate abweichend von dem Pauschalbetrag eine höhere oder niedrigere Vergütung zu
beanspruchen. Die Rechnungen stellte die Klägerin meist zu Anfang des jeweiligen Monats, jedenfalls weit
überwiegend in der ersten Hälfte des Monats. Die Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1 machte bis 2004 ca.
88 Prozent des Gesamtumsatzes der selbständigen Tätigkeit der Klägerin aus, 2005 97,5 Prozent, 2006 100
Prozent, 2007 bis 2008 99 Prozent. 2009 akquirierte sie einen neuen Auftraggeber und erledigt seitdem
zusätzlich die Buchhaltung ihres Ehemannes, der neben einer abhängigen Beschäftigung in Vollzeit
nebenberuflich eine Landwirtschaft betreibt.
6 Die Klägerin beschäftigte vom 13. Februar bis 31. März 2006 D. K. (im Folgenden: K) versicherungspflichtig,
die sie bei den Jahresabschlussarbeiten für die Beigeladene zu 1 unterstützte. K wurde ausschließlich im
Büro der Klägerin, nicht in den Räumen der Beigeladenen zu 1 tätig. Die Klägerin beschäftigte vom 1. Januar
bis 31. Oktober 2005 C. S. (im Folgenden: S) geringfügig und vom 1. Juli 2007 bis 31. Oktober 2008 im
Haushaltsscheckverfahren, im ersten Zeitraum mit Bürotätigkeiten (ebenfalls ausschließlich im Büro der
Klägerin, nicht in den Räumen der Beigeladenen zu 1), im zweiten Zeitraum mit Haushaltstätigkeiten. Im 2.
und 3. Quartal 2008 beauftragte sie den HK Buchhaltungs- und Büroservice von Frau H. (im Folgenden H)
mit Buchhaltungsarbeiten für die Beigeladene zu 1, wofür ihr am 24. September 2008 für 7,5 Stunden EUR
225,00 zzgl. MWSt. und am 3. Oktober 2008 für sechs Stunden EUR 240,00 zzgl. Mehrwertsteuer in
Rechnung gestellt wurden. H wurde ausschließlich in eigenen Räumlichkeiten tätig. Die Klägerin beauftragte
K, S und H ausschließlich auf eigene Rechnung; sie stellte diese Kosten der Beigeladene zu 1 nicht in
Rechnung. Die Kläger fragte die Beigeladene zu 1 wegen der Einschaltung der K, S und H nicht um
Erlaubnis.
7 Die Beklagte führte bei der Beigeladenen zu 1 am 3. und 4. März 2005 eine Betriebsprüfung für den
Zeitraum vom 1. Januar 2001 bis zum 31. Dezember 2004 durch. Mit Bescheid vom 27. April 2005 forderte
die Beklagte von der Beigeladenen zu 1 Beiträge aufgrund von Beanstandungen bezüglich Beschäftigten in
der Gleitzone und bei Kurzarbeit nach und erstattete zu viel entrichtete Beiträge für vermögenswirksame
Leistungen während Krankengeldbezuges. Der sozialversicherungsrechtliche Status der Klägerin ist nicht
Gegenstand des Betriebsprüfungsbescheides.
8 Am 12. Februar und 30. April 2009 führte die Beklagte eine Betriebsprüfung bei der Beigeladenen zu 1 für
den Prüfzeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Dezember 2008 durch. Diese führte – nach Anhörung –
zu einer Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen sowie der Umlagen U1 und U2 mit
Bescheid vom 22. Dezember 2009 gegenüber der Beigeladenen zu 1 in Höhe von EUR 31.846,36, die zu
einem geringem Teil aus der Nichtberücksichtigung einer Beitragsänderung zur Krankenkasse für einen
anderen Arbeitnehmer, weit überwiegend aber aus der Feststellung folgte, dass die Tätigkeit der Klägerin für
die Beigeladene zu 1 eine abhängige Beschäftigung sei und der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-,
Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie der Umlagepflicht zu den Umlagen U1 und U2 unterliege. Der
Widerspruch der Beigeladenen zu 1 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 2010 zurückgewiesen,
auf ihren Antrag wurde die Vollziehung der Beitragsforderung ausgesetzt. Das von der Beigeladenen zu 1
angestrengte Klageverfahren vor dem Sozialgericht Stuttgart (S 25 R 4174/10) ruht im Hinblick auf den
Ausgang des hiesigen Verfahrens.
9 Mit Bescheid vom 23. Dezember 2009 stellte die Beklagte – nach Anhörung – gegenüber der Klägerin fest,
dass diese seit dem 1. Januar 2005 als Buchhalterin versicherungspflichtig zur Kranken-, Pflege-, Renten-
und Arbeitslosenversicherung sei. Die Beurteilung der Frage, ob eine abhängige Beschäftigung vorliege,
richte sich in erster Linie nach dem Recht der Sozialversicherung und erst nachrangig nach dem Parteiwillen.
Maßgebend seien die tatsächlichen Verhältnisse, hinter denen die vertragliche Ausgestaltung bei deren
Abweichen zurücktrete. Dabei sei eine Gesamtwürdigung anhand der Merkmale Weisungsgebundenheit,
Eingliederung in den Betrieb oder unternehmerisches Auftreten am Markt vorzunehmen. Es werde nicht
bezweifelt, dass die Klägerin – wie von ihr angegeben – weisungsfrei arbeite. Gleichwohl könne dem Grunde
nach ein Weisungsrecht bestehen. Dieses sei nach der Rechtsprechung bei Diensten höherer Art zur
funktionsgerecht dienenden Teilhabe verfeinert. Die Klägerin unterliege zwar keinen direkten zeitlichen
Weisungen. Weitgehende Freiheit bei der Zeiteinteilung gebe es jedoch auch bei Arbeitnehmern. Gerade bei
Teilzeitkräften könne der Arbeitgeber nicht davon ausgehen, dass sie im selben Maß wie Vollzeitkräfte zur
Verfügung stünden, so dass es sinnvoll sei, sie entscheiden zu lassen, wann sie arbeiten wollten. Eine
Eingliederung in die Betriebsorganisation des Arbeitgebers liege vor, wenn der Beschäftigte die
Arbeitsleistung in einer fremdbestimmten Arbeitsorganisation erbringe, in die Hierarchie mit Vorgesetzten
und/oder Arbeitnehmern eingeordnet sei und/oder betriebliche Arbeitsmittel oder Einrichtungen der
Fremdfirma nutze. Nach Angaben der Klägerin arbeite diese zumindest teilweise in den Räumen der
Beigeladenen zu 1 und nutze dort technische Geräte und auf Wunsch der Beigeladenen zu 1 das
Lohnbuchhaltungsprogramm Lexware. Sie sei Ansprechpartner für Dritte, z.B. bei Betriebsprüfungen. Ein
selbständiger Unternehmer arbeite mit eigenen Hilfsmitteln. Die Klägerin bekomme bei der Beigeladenen zu
1 einen Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt und arbeite mit Arbeitnehmern der Beigeladenen zu 1
zusammen. Weiteres Indiz für die Eingliederung sei, dass die Klägerin dieselbe Tätigkeit für die Beigeladene
zu 1 bis Ende März 2001 als abhängig Beschäftigte verrichtet habe. Auch trage die Klägerin kein
Unternehmerrisiko, woran weder die Stellung von Rechnungen noch die von der Klägerin vorgetragene
Kalkulation ihres Aufwandes etwas ändere. Das Risiko, bei Entzug des Auftrages nicht arbeitslosenversichert
zu sein, und keine weitere Entlohnung zu erhalten, ebenso wie das Fehlen von Urlaubsanspruch und
Anspruch auf Lohnfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit, sei kein Unternehmerrisiko, sondern nur Folge der
gewählten Gestaltung. Letztere Ansprüche entstünden vielmehr kraft Gesetzes, wenn die Kriterien
abhängiger Beschäftigung vorlägen. Selbst finanzierte Weiterbildungen seien auch bei Arbeitnehmern nicht
unüblich. Da jedes Beschäftigungsverhältnis getrennt zu beurteilen sei, begründe das Vorhandensein
mehrerer Auftraggeber nicht zwangsläufig eine selbständige Tätigkeit, ebenso wenig wie die
Gewerbeanmeldung.
10 Die Klägerin erhob mit Schreiben vom 20. Januar 2010 Widerspruch. Sie sei lediglich nebenberuflich
selbständig tätig, im Hauptberuf sei sie Mutter von vier Kindern. Sie könne nicht genauso eingestuft werden
wie Männer, deren Ehefrauen die Kinder erzögen oder Frauen ohne Kinder oder mit wenigen Kindern. Die
Höhe des Kindergeldes und der Unterhalt von ihrem Ehemann seien wesentliches Einkommen aus anderer
Quelle. Sie bekomme wegen der Kindererziehung Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung gutgeschrieben.
Das diesen zugrunde gelegte Einkommen übersteige ihr nebenberufliches Einkommen mehrfach. Auch bei
der Beigeladenen zu 2 sei sie als nebenberuflich Selbständige (bis 16 Stunden) gewinnabhängig freiwillig
krankenversichert. Sie sei als Bilanzbuchhalterin, nicht als einfache Buchhalterin tätig und müsse daher
behandelt werden wie ein Steuerberater, dessen Selbständigkeit nicht bezweifelt werde. Steuerberater und
Wirtschaftsprüfer würden sich ebenfalls zeitweilig in den Räumen ihrer Auftraggeber aufhalten, z.B. bei
Betriebsprüfungen. Da das Gesetz über die Scheinselbständigkeit bereits 2003 wieder abgeschafft worden
sei, dürfe die Beklagte keine anderen Sozialversicherungspflichten als die zur Rentenversicherung prüfen.
Die Beklagte habe nicht die Beigeladene zu 2 für sie als Krankenkasse wählen dürfen, nur weil sie bei dieser
zuletzt versichert gewesen sei. Da sie freiwillig versichert sei, könne nicht korrekt sein, dass sie zusätzliche,
also im Ergebnis doppelte Krankenversicherungsbeiträge abführen müsse. Im Rahmen eines
Angestelltenverhältnisses hätte sie mit vier Kindern nicht arbeiten können. Die Beigeladene zu 1 hätte ihr
keine Sonderrechte gegenüber anderen Arbeitnehmern einräumen dürfen. Sie könne sich bei Arbeiten
vertreten lassen, habe ein eigenes Büro, trage geschäftliche Unkosten selbst, zahle ihre Hilfskräfte selbst,
sie arbeite länger an ihrem eigenen Arbeitsplatz als an dem bei der Beigeladenen zu 1. Natürlich müsse auch
sie als Selbständige Termine mit dem Kunden für Besprechungen und Übernahme von Unterlagen
vereinbaren. Bezüglich der Nutzung des Lexware-Programmes erfülle sie nur den Wunsch der Beklagten,
das Programm koste nicht viel. Sie habe betriebliche Kosten, wie aus ihren Steuerbescheiden ersichtlich sei.
Sehr viele andere Kunden könne sie nicht bedienen. Unternehmerisches Risiko sei der Verlust der
Beigeladenen zu 1 durch dieses Verfahren als Kunden, Unklarheiten bezüglich der Sozialversicherung,
unbezahlter Zeitaufwand für das Anwerben von Neukunden sowie Beauftragung von Aushilfen und einer
Fremdfirma. Auf den eigenen „heimatnahen“ Büroraum sei sie angewiesen, ihre Fortbildung zur
Bilanzbuchhalterin sei im Verhältnis zu ihren Einkünften kostspielig gewesen, sie habe einen Kredit
aufnehmen müssen. Sie verwies auch auf ihre vorangegangene Stellungnahme vom 24. Juni 2009 zur
Anhörung, in welcher sie u.a. ausführte, sie sei ausreichend abgesichert, habe einen Anspruch auf einen
Anteil der Rentenversicherung ihres Ehemannes im Falle der Trennung und auf Witwenrente bei dessen
Ableben. Die Arbeitslosenversicherung sei angesichts der heutzutage eingeschränkten Leistungen für sie
nicht von Vorteil, zumal sie mit vier Kindern nicht jede angebotene Arbeit annehmen könne und ihr
Ehemann zu viel verdiene, als dass sie Arbeitslosengeld II erhalten könne. Sie habe den Wunsch gehabt,
auch für andere Kunden tätig zu sein. Vorübergehend ließen ihr aber ihre Kinder nicht die Zeit für endlos
viele Auftraggeber und eine Vollzeitselbständigkeit. Wenn im September (2009) alle Kinder im Kindergarten
seien und sie nicht mehr auf deren Beaufsichtigung durch ihre Eltern angewiesen sei, werde sich ihre
Anwesenheit in den Räumen der Beigeladenen zu 1 deutlich reduzieren. Sie trete mit der Vermarktung
ihres Buches am Markt auf, dies beanspruche in den letzten Jahren einen erheblichen Teil ihrer Arbeitszeit.
11 Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 2010 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsauschuss
den Widerspruch der Klägerin zurück. Die Beigeladene zu 1 habe der Klägerin Art und Umfang der zu
leistenden Arbeiten im Rahmen einer mündlichen Vereinbarung vorgegeben. Die Klägerin habe alle in diesem
Zusammenhang anfallenden Arbeiten erledigt, offensichtlich auch nach konkreter Einzelweisung. Nach
Angaben der Klägerin seien immer wieder Rücksprachen zu bestimmten Sachverhalten notwendig gewesen.
Bei fachlich qualifizierten Tätigkeiten würden generell Weisungen nur in geringem Umfang erteilt. Dies
bedeute keine fachlichen Freiheiten, die über die abhängig Beschäftigten gleicher Qualifikation eingeräumten
hinausgingen. Es bestehe auch keine unbeschränkte Weisungsfreiheit in zeitlicher Hinsicht. Die in den
Räumen der Beigeladenen zu 1 ausgeübten Tätigkeiten machten es notwendig, zumindest teilweise zu den
betriebsüblichen Zeiten zu arbeiten. Soweit die Klägerin zu Hause arbeite, habe sie zwar zeitliche
Gestaltungsspielräume. Jedoch gebe es auch bei Arbeitnehmern – insbesondere im Bürobereich – verbreitet
flexible Arbeitszeitmodelle. Freie Zeiteinteilung gebe es bei Heimarbeitern und Telearbeit. Weitgehend freie
Zeiteinteilung sei daher kein schwerwiegendes Indiz für selbständige Tätigkeit. Hinsichtlich der örtlichen
Weisungsgebundenheit sei jedenfalls ein Teil der Tätigkeit in den Räumen der Beigeladenen zu 1 verrichtet
worden. Es liege auch betriebliche Integration vor, denn zumindest teilweise habe die Klägerin die
Betriebseinrichtung der Beigeladenen zu 1 genutzt. Zwar sei die Klägerin nicht zu persönlicher
Arbeitsleistung verpflichtet gewesen, doch habe sie die Arbeiten fast ausschließlich selbst erbracht. Er (der
Widerspruchsausschuss) gehe davon aus, dass angesichts der Umstände, die zur Änderung der
Ausgestaltung der Tätigkeit im Jahr 2001 geführt hätten, die Beigeladene zu 1 Wert darauf gelegt habe,
dass die Arbeit im Wesentlichen von der Klägerin verrichtet werde. Der Einsatz eigener Mitarbeiter sei
schwach ausgeprägt gewesen. K sei nur sechs Wochen beschäftigt worden, S wenige Monate geringfügig im
Jahr 2005 und 2007/2008 unter der Betriebsnummer des Privathaushalts. Die Beauftragung des HK
Buchhaltungs- und Büroservices sei ebenfalls in äußerst geringem Umfang erfolgt. Die Anmietung des
Büroraumes beinhalte angesichts der geringen Kosten und der Tatsache, dass der Raum im eigenen Haus
ohnehin vorhanden gewesen sei, nur ein geringes Risiko. PC und Faxgerät seien auch in Privathaushalten
üblich und bedeuteten nur geringen Aufwand. Die geringen Kosten seien mithin überwiegend dem
Privatbereich zuzuordnen ohne tatsächliches Verlustrisiko. Die Gewerbeanmeldung habe angesichts der
Tatsache, dass die Gewerbeämter das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit nicht prüfen dürften, allenfalls
deklaratorische Bedeutung. Auch die Veranlagung beim Finanzamt als Selbständiger erfolge zunächst
aufgrund der Angaben des Betroffenen und werde nur in Ausnahmefällen nachgeprüft. Zwischen der
Klägerin und der Beigeladenen zu 1 liege kein Werkvertrag vor, denn die Klägerin sei nicht zur Lieferung
eines abgegrenzten Werkes verpflichtet, sondern zur Erledigung verschiedener Arbeiten, die offensichtlich
mit dem Inhalt der bis Ende März 2001 ausgeübten abhängigen Beschäftigung weitgehend
übereinstimmten. Der genaue Umfang und Inhalt der Arbeiten habe sich aus den betrieblichen Abläufen und
Anweisungen der Beigeladenen zu 1 ergeben. Die Aufgabenzuweisung entspreche den Regelungen in einem
Arbeitsvertrag. Der Erfolg des Arbeitseinsatzes sei nicht ungewiss gewesen. Die Bezahlung sei nicht nach
Erfolg, sondern pauschal nach vorher festgelegtem Satz, orientiert am Arbeitsumfang, erfolgt. Ohne
Bedeutung sei, ob die Beschäftigung haupt- oder nebenberuflich ausgeübt werde und die Klägerin aufgrund
der Kindererziehung nicht zu einem größeren Arbeitsumfang für andere Auftraggeber imstande gewesen sei.
Eine Gleichbehandlung mit Steuerberatern, die im Übrigen auch nicht grundsätzlich als Selbständige
anzusehen seien, sei nicht gerechtfertigt. Gegenstand sei hier nicht die umgangssprachliche
Scheinselbständigkeit, sondern die sozialversicherungsrechtliche Statusfeststellung. Trotz des Vorliegens von
Anhaltspunkten für eine Selbständigkeit überwögen in der Gesamtschau die Kriterien für eine abhängige
Beschäftigung. Bei Vorliegen der Voraussetzungen trete Versicherungspflicht in der Krankenversicherung
ein, auch wenn eine freiwillige Versicherung bestehe. Sei das freiwillige Versicherungsverhältnis zu Unrecht
durchgeführt worden, sei es rückwirkend aufzuheben.
12 Die Klägerin erhob am 5. Juli 2010 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG). Zur Begründung wiederholte sie
ihren Vortrag im Verwaltungsverfahren und ergänzte, sie sei im Prüfzeitraum nur aus privaten Gründen
nicht am Markt aufgetreten. Bei einer Betriebsprüfung 2005 habe die Beklagte ihre Selbständigkeit für den
Zeitraum 2001 bis 2004 nicht beanstandet. Sie (die Klägerin) könne Personal beschäftigen und Aufträge
ablehnen. Die einzigen Vorgaben seien, dass Monatsabschluss und Gehaltsabrechnungen den gesetzlichen
Vorschriften entsprechen müssten. Termine würden nur vom Finanzamt gesetzt. Das Lexware-Programm sei
von ihr konfiguriert worden. Der Wert des von ihr eingebrachten geistigen Eigentums übersteige den
Anschaffungswert um ein Vielfaches. Im Vergleich zum anerkanntermaßen selbständigen
Versicherungsmakler sei sie weitaus selbständiger.
13 Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf den Bescheid vom 23. Dezember 2009 und
Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 2010 entgegen.
14 Das SG hörte die Klägerin und den Geschäftsführer der mit Beschluss vom 4. November 2010 Beigeladenen
zu 1 an. Die mit Beschluss des SG vom 14. April 2011 Beigeladene zu 2 äußerte sich nicht.
15 Mit Urteil vom 14. April 2011 hob das SG den Bescheid vom 23. Dezember 2009 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2010 auf und stellte fest, dass die Klägerin seit dem 1. Januar 2005
bei der Beigeladenen zu 1 nicht gesamtsozialversicherungspflichtig beschäftigt sei. Die Klägerin sei bei ihrer
Tätigkeit nicht in den Betrieb der Beigeladenen zu 1 eingegliedert. Sie führe ihre Tätigkeit
eigenverantwortlich ohne inhaltliche Vorgaben aus. Von der Tätigkeit einer Arbeitnehmerin unterscheide
sich die Tätigkeit der Klägerin zum einen in der freien Gestaltung der Arbeitszeit. Sie arbeite nur deswegen
zweimal wöchentlich am Betriebssitz der Beigeladenen zu 1, weil sie dort ihrer Mutter das
betreuungsbedürftige Kind anvertrauen könne. Die Fristengebundenheit der zu erledigenden Vorgänge
resultiere nicht aus zeitlichen Vorgaben der Beigeladenen zu 1, sondern ergebe sich aufgrund steuer- und
sozialversicherungsrechtlich einzuhaltender Fristen. Weisungsgebundenheit lasse sich nicht damit
begründen, dass die Klägerin z.B. zur Erfassung der Buchhaltung und des Personalabrufs gezwungen sei,
teilweise in den Räumen der Beigeladenen zu 1 zu arbeiten. Von besonderer Bedeutung für die Abwägung
der für und gegen eine abhängige Beschäftigung sprechenden Umstände sei, dass erhebliche Gründe, die
Erziehung der vier Kinder und Mithilfe in der Landwirtschaft des Ehemannes, die Klägerin veranlasst hätten,
für die Beigeladene zu 1 die nicht zeitgebundene und im Übrigen weisungsfreie Tätigkeit der
Bilanzbuchhalterin zu verrichten. Demgegenüber träten der geringe Kapitaleinsatz, das Fehlen einer
sonstigen eigenen Betriebsstätte und die Vereinbarung einer pauschalen Vergütung zurück. § 7 Abs. 1 Satz
2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) nenne ausdrücklich die Eingliederung und Tätigkeit nach
Weisungen. Diese Gesichtspunkte, die vorliegend für die selbständige Tätigkeit sprächen, seien für den
Gesetzgeber damit offensichtlich von besonderer Bedeutung.
16 Gegen das ihr am 9. Mai 2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19. Mai 2011 Berufung eingelegt. Zur
Begründung bezieht sie sich auf ihren Widerspruchsbescheid und trägt ergänzend vor, die für eine
abhängige Beschäftigung sprechenden Gesichtspunkte überwögen. Die Klägerin sei seit 1993 selbständig
tätig, auch neben der Teilzeitbeschäftigung für die Beigeladene zu 1 bis Ende März 2001. Den Büroraum
habe sie erst zum 1. Januar 2002 angemietet. Fraglich sei auch, ob ihr Ehemann den Büroraum für den
Geschäftsverkehr im Rahmen seines landwirtschaftlichen Betriebes ebenfalls nutze, was das ohnehin
geringe Unternehmerrisiko weiter relativieren würde. Da die Tätigkeit der Klägerin für die Beigeladene zu 1
mit einer Pauschale vergütet werde, werde sie für die Dauer des Arbeitseinsatzes und nicht für einen
bestimmten Erfolg bezahlt. Die Klägerin stelle der Beigeladenen zu 1 ihre Arbeitskraft genauso wie zuvor im
Rahmen der Teilzeitbeschäftigung zur Verfügung, ein unternehmerischer Gestaltungsspielraum mit dem
Risiko der Fehlkalkulation sei nicht erkennbar. Die Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1 begründe ihre
wesentliche Einkommensquelle, von einem Ablehnungsrecht habe sie nie Gebrauch gemacht, so dass es sich
dabei um eine nur theoretische Möglichkeit handele. Die vorgelegten Rechnungen ergäben das Bild einer
regelmäßigen und auch auf Dauer angelegten Dienstleistung. Die Rechnungsstellung zu Beginn des Monats
oder zur Monatsmitte – also vor der Leistungserbringung – deute darauf hin, dass die Parteien von einem
gleichmäßigen Arbeitspensum ausgingen und widerspreche dem Vorbringen der Klägerin, den Arbeitsumfang
den familiären Erfordernissen anzupassen, weil diese, z.B. Krankheiten der Kinder, sich gerade nicht im
Voraus planen ließen. Ein wirtschaftlich denkender Auftraggeber würde den Vergütungsanspruch erst
erfüllen, wenn der Auftrag zur Zufriedenheit erfüllt sei. Der Einsatz von Hilfskräften sei nur sporadisch und
in geringem Umfang erfolgt, so dass dies der Annahme einer abhängigen Beschäftigung nicht zwingend
entgegen stehe. Die Klägerin sei auch in den Betrieb der Beigeladenen zu 1 eingegliedert, da sie zweimal
wöchentlich vormittags an einem ihr dort zur Verfügung gestellten Schreibtisch und PC wie alle anderen
Arbeitnehmer arbeite, das firmeneigene Buchhaltungsprogramm nutze und als Ansprechpartnerin zur
Verfügung stehe. Der einzige Unterschied zur Teilzeittätigkeit bis Ende März 2001 bestehe in der
Flexibilisierung der Arbeitszeit und darin, dass bestimmte Arbeiten zu Hause erledigt werden könnten. Die
Haftung für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit gelte auch bei Arbeitnehmern. Die Klägerin trete nicht nach
außen als Unternehmerin auf. Der Telefonbucheintrag weise nicht auf ihre Dienste hin, bei der Suche nach
ihrem Namen finde man sie nur als Buchautorin. Ihre Angaben, im Internet und mit Google-Anzeigen für
ihre berufliche Tätigkeit zu werben, seien daher nicht nachzuvollziehen. Die Nutzung eines eigenen
Buchhaltungsprogrammes erscheine unabdingbar für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit, und –
entgegen dem Vorbringen der Klägerin – angesichts der Notwendigkeit der Pflege und ständigen
Aktualisierung mit nicht unerheblichem betrieblichen Aufwand verbunden.
17 Die Klägerin ist der Berufung entgegentreten. Das angefochtene Urteil sei zutreffend. Wegen ihrer
persönlichen Lebensumstände sei für sie nur die Selbständigkeit oder keine weitere Berufstätigkeit in
Betracht gekommen. Sie habe drei Kinder und zwei pflegebedürftige Angehörige zu versorgen und arbeite in
der Landwirtschaft mit. Für eine angestellte Tätigkeit bleibe da kein Raum. Bevor sie den Büroraum gemietet
habe, habe sie an einem Arbeitsbereich in der Wohnung gearbeitet. Ihr Ehemann habe einen eigenen
Büroraum und es existiere ein weiterer, privat genutzter PC. Der landwirtschaftliche Betrieb mit den
zugehörigen Geschäftsunterlagen habe eine andere Anschrift. Sie habe insoweit von ihrem Ablehnungsrecht
Gebrauch gemacht, als sie ihre Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1 von 20 auf 16 Stunden eingeschränkt
habe. Sie habe selbstverständlich auch sonst Aufträge abgelehnt, die nicht in ihr Zeitfenster gepasst hätten.
Sie sei in Google-Anzeigen nicht zu finden, weil sie Direktakquise betreibe, denn sie suche nur nach ihrem
eigenen Bedarf neue Auftraggeber. Sie verzichte auf Werbung, weil sie keine weiteren Kapazitäten habe.
18 Mit Beschluss vom 9. April 2013 hat der Senat die Bundesagentur für Arbeit (im Folgenden: Beigeladene zu
3) zum Verfahren notwendig beigeladen. Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
19 Die frühere Berichterstatterin hat die Klägerin und den Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1 im
Erörterungstermin am 30. November 2011 angehört.
20 Der Senat hat mit Urteil vom 19. April 2013 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die
Klägerin sei abhängig beschäftigt (gewesen). Sie sei in den Betrieb der Beigeladenen zu 1 eingegliedert,
verrichte dieselbe Tätigkeiten wie bis März 2001, arbeite mit Angestellten der Beigeladenen zu 1
zusammen, arbeite teilweise in den Räumlichkeiten der Beigeladenen zu 1, nutze dort einen Arbeitsplatz
und die Buchhaltungssoftware und trage kein nennenswertes Unternehmerrisiko. Das zeitweilige
Delegieren der Tätigkeit an eigene Beschäftigte oder beauftragte Selbständige führe zu keiner anderen
Beurteilung, da die Klägerin nur in geringem Umfang Tätigkeiten nicht selbst ausgeführt habe.
21 Auf die vom Senat zugelassene und von der Klägerin eingelegte Revision hat das Bundessozialgericht (BSG)
das Urteil des Senats durch Urteil vom 17. Dezember 2014 (B 12 R 13/13 R – juris) aufgehoben und die
Sache an den Senat zurückverwiesen. Die Anwesenheit der Klägerin im Betrieb der Beigeladenen zu 1
rechtfertige als bloßer (äußerer) Umstand für sich genommen weder die Annahme einer
arbeitnehmertypischen Eingebundenheit der Klägerin in die betriebliche Organisation der Beigeladenen zu 1
noch die Annahme einer Weisungsunterworfenheit der Klägerin. Insofern komme es auf den rechtlichen
Hintergrund an. Das Recht des Dienstverpflichteten, seine Leistung durch Dritte zu erbringen, spreche
zudem gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses.
22 Die Beklagte hat im wiedereröffneten Berufungsverfahren vorgetragen, es komme im vorliegenden Fall nicht
maßgeblich darauf an, was von den Vertragsparteien vereinbart worden sei, sondern wie die Tätigkeit
tatsächlich ausgeübt werde. Es komme nicht auf eine der Klägerin eingeräumte Rechtsmacht an, sondern
allein darauf, wie sie ihre tatsächliche Tätigkeit tatsächlich ausgeübt habe. Hierfür reichten die
Feststellungen im Urteil des Senats vom 19. April 2013. Die Klägerin sei für die praktische Umsetzung des
Finanz- und Rechnungswesens zuständig gewesen und habe hierfür einen Pauschalbetrag von der
Beigeladenen zu 1 erhalten. Der Beigeladenen zu 1 sei es entsprechend ihres Vortrages darauf
angekommen, dass die an die Klägerin übertragene Arbeit für das Finanzamt rechtzeitig erledigt werde.
Dass in Monaten, in denen die Klägerin im Urlaub o.ä. gewesen sei, ein geringerer Betrag und in Monaten
mit mehr Arbeitsaufwand ein höherer Betrag „in Rechnung gestellt“ worden sei, zeige, dass eine sich an
Stunden orientierende Vergütung vorgelegen habe, auch wenn diese nicht ausdrücklich vereinbart worden
sei. Wenn es der Beigeladenen zu 1 tatsächlich nur darauf angekommen wäre, dass die Arbeit erledigt
worden wäre, unabhängig davon, wie lange die Klägerin dafür benötige, dann hätte es insbesondere bei
Mehraufwand keine höhere und bei Zeiten von Urlaub etc. keine geringere Vergütung gegeben. Dem
widerspreche auch nicht, dass die Rechnung im Voraus gestellt worden seien, denn die von der Klägerin in
Abzug gebrachten Stunden in Form von Urlaub usw. seien zumindest für den nächsten Monat vorhersehbar
und mithin berechenbar gewesen, ebenso wie die über Jahre hinweg stets anfallende Mehrarbeit aufgrund
vorgegebener – in der Regel gesetzlicher – und somit ebenfalls planbarer Fristen. Gerade aus der
jahrelangen Zusammenarbeit der Klägerin und der Beigeladenen zu 1 und der darauf gewonnen
Erfahrungswerte sei es ihnen sicher möglich gewesen, eine auf Stundenansätzen pauschalierte Bezahlung
zu vereinbaren. Die Weisungsgebundenheit und die Eingliederung in den Betrieb stütze sich auf mehrere
Gesichtspunkte. Zwar lägen keine Einzelanweisungen vor. Die Klägerin habe ihre Tätigkeit an mindestens
zwei Vormittagen pro Woche in der Regel von 9.00/9.30 Uhr bis 12.00 Uhr in den Räumen der Beigeladenen
zu 1 ausgeübt, denn nur dort habe sie bestimmte Aufgaben verrichten können. Es sei für die Klägerin
unumgänglich, die von der Beigeladenen zu 1 zur Verfügung gestellten Mittel, wie etwa die Software
Lexware, zu nutzen. Zudem habe der Klägerin ein Mitarbeiter der Beigeladenen zu 1 zugearbeitet. Die
Zusammenarbeit habe Besprechungen und Absprachen erfordert. Die Klägerin habe auch anderen
Mitarbeitern der Beigeladenen zu 1 bei Problemen oder Rückfragen zur Verfügung gestanden. Die Tätigkeit
der Klägerin außerhalb der Geschäftsräume der Beigeladenen zu 1 stehe dem nicht entgegen, denn es sei
gerade bei Büroarbeiten nicht unüblich, Tele- oder Heimarbeitszeiten zu vereinbaren. Schließlich könne die
von der Klägerin geltend gemachte zeitweilige Delegation nicht als prägend für die Tätigkeit angesehen
werden. Auch bei abhängiger Beschäftigung sei es zudem durchaus möglich, sich kurzweilig anderer
Personen zur Unterstützung zu bedienen, solange das Verhältnis nicht davon geprägt sei. Die Klägerin habe
selbst erklärt, dass die Zusammenarbeit mit den Aushilfskräften aufgrund deren mangelnder Sachkenntnis
nicht funktioniert habe. Die Behauptung der Klägerin, sich zu manchen Zeiten lediglich zehn Minuten im
Betrieb der Beigeladenen zu 1 aufgehalten zu haben, sei fragwürdig. Für eine so kurze Anwesenheit sei der
Aufwand für die notwendigen organisatorischen Maßnahmen (wie z.B. Sicherstellung der Kinderbetreuung
und Fahrstrecke von einfach ca. 25 Kilometern) ziemlich hoch. Unstreitig sei, dass keine
Stundenaufzeichnungen erfolgt seien, sondern eine Entlohnung nach Pauschalen erfolgt sei. Es
widerspreche auch jeglicher marktüblicher Gebräuche und dem unternehmerischen Interesse an der
Gewinnmaximierung, dass die Beigeladene zu 1 die – jeweils vorab gestellten – Rechnungen ohne jegliche
Kontrolle akzeptiert haben solle. Im Übrigen habe die Klägerin früher selbst vorgetragen, Kontakt mit
anderen Mitarbeitern gepflegt zu haben, gerade auch um die eigene Unternehmenskultur zu pflegen, und an
Besprechungen teilgenommen zu haben. Die Klägerin sei gegenüber der Rentenversicherung als
Ansprechpartnerin der Beigeladenen zu 1 aufgetreten. Die Klägerin sei auf die Betriebsmittel und
hinsichtlich der Nutzung der Software auf zeitliche Freiräume bei der Beigeladenen zu 1 angewiesen
gewesen.
23 Die Beklagte beantragt,
24 das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14. April 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
25 Die Klägerin beantragt,
26 die Berufung zurückzuweisen.
27 Die Klägerin verweist darauf, dass ein schriftlicher Vertrag nicht geschlossen worden sei. Entgegen der
üblichen Handhabung bei der Beigeladenen zu 1 habe sie auch nicht der Zeiterfassung durch eine
Stempelkarte oder Ähnliches unterlegen. Sie sei hinsichtlich der Arbeitszeit stets von einem monatlichen
Schätzwert ausgegangen. Die Beigeladene zu 1 habe ihre Arbeit oder ihre Arbeitszeit nicht kontrollieren
können. Sie habe ihre Stunden zu keinem Zeitpunkt aufgeschrieben. Ab und zu habe es ihrerseits eine
Mehrberechnung gegeben, wenn der Zeitaufwand nach ihrem Dafürhalten doch ungewöhnlich hoch
gewesen sei. Bei eigener Krankheit oder Krankheit ihrer Kinder oder weniger Arbeitsanfall habe sie den
Rechnungsbetrag nach unten korrigiert. Die sei ohne Kontrolle durch die Beigeladene zu 1 geschehen. Eine
feste Arbeitszeit sei von Anfang an nicht vorgeschrieben gewesen und wäre auch angesichts der
Belastungen durch die Kindererziehung und der eigenen landwirtschaftlichen Tätigkeit schlicht unmöglich
gewesen. Es habe Zeiten gegeben, in denen sie lediglich zehn Minuten bei der Beigeladenen zu 1 gewesen
sei oder wochenlang gar nicht. Dies habe in ihrer alleinigen Entscheidungskompetenz gelegen. Die
Beigeladene zu 1 sei auch nicht davon ausgegangen, ein Direktionsrecht zu besitzen. Auch die Anwesenheit
im Betrieb der Beigeladenen zu 1 habe sie ausschließlich selbst bestimmt. An einem Anwesenheitstag habe
sie dann natürlich nach Problemen oder Vorkommnissen gefragt, und der Geschäftsführer der Beigeladenen
zu 1 habe sich mit Anliegen an sie gewandt. Sie habe dann frei entschieden, ob sie dies sofort oder von zu
Hause bearbeite. Einen direkten Kontakt mit Mitarbeitern der Beigeladenen zu 1, der in irgendeiner Form
planvoll gewesen wäre, habe es nicht gegeben. Einen eigenen Schreibtisch oder ein eigenes Zimmer habe
sie bei der Beigeladenen zu 1 nicht gehabt. An „Meetings“ oder Besprechungen habe sie nie teilgenommen,
es sei denn, es hätten Prüfungen stattgefunden. Bei Lexware habe sie auch keinen eigenen Zugang gehabt;
vielmehr hätte immer ein Mitarbeiter für sie „aus dem Programm gehen“ müssen.
28 Die Beigeladenen haben sich – abgesehen vom Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1 in den
Gerichtsterminen – nicht geäußert und keine Anträge gestellt.
29 Der Berichterstatter hat den Sachverhalt mit den Beteiligten am 20. Mai 2016 erörtert.
30 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen,
insbesondere die Niederschriften der mündlichen Verhandlung vor dem SG vom 14. April 2011 und der
Erörterungstermine vom 30. November 2011 und vom 20. Mai 2016 und auf die beigezogenen Akten der
Beklagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
31 1. Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 form- und fristgerecht
eingelegte Berufung ist auch im Übrigen zulässig. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung nach § 144
Abs. 1 Satz 1 SGG; denn die Klage betrifft weder eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung noch einen hierauf
gerichteten Verwaltungsakt.
32 2. Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat zu Recht den Bescheid der Beklagten vom 23. Dezember 2009
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2010 aufgehoben. Diese Bescheide sind
rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Denn die Beklagte hat zu Unrecht festgestellt,
dass die Klägerin in ihrer Tätigkeit als Buchhalterin bei der Beigeladenen zu 1 als abhängig Beschäftigte ab
1. Januar 2005 der Versicherungspflicht in der Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung
unterlag. Für die Zeit ab dem 1. Mai 2013 haben sich die Bescheide durch die Beendigung der Tätigkeit der
Klägerin für die Beigeladene zu 1 in der bisherigen Form – die Klägerin ist seitdem als geringfügig
Beschäftigte gemeldet – auf sonstige Weise erledigt (§ 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch).
33 a) Rechtsgrundlage ist § 28p Abs. 1 SGB IV in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. November 2009
(BGBl. I S. 3710). Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre
Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag
ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen
alle vier Jahre (Satz 1). Die Prüfung umfasst auch die Lohnunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge
nicht gezahlt wurden (Satz 4). Gemäß § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV erlassen die Träger der
Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in
der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der
Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern.
34 Diese Befugnis der Beklagten schließt die Rechtsmacht ein, einen Verwaltungsakt mit Drittwirkung zu
erlassen und damit rechtsgestaltend im Sinne von § 12 Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB
X) in die Rechtssphäre des Arbeitnehmers (hier der Klägerin) als Drittbetroffener einzugreifen. Die Beklagte
kann somit entweder den an den Arbeitgeber gerichteten Bescheid gegenüber dem Drittbetroffenen mit
dem Hinweis, dass dieser berechtigt sei, Rechtsbehelfe einzulegen, bekanntgeben. Sie kann aber ebenso
unter Bezugnahme auf die Betriebsprüfung einen zwar formell, aber nicht materiell eigenständigen Bescheid
gegenüber dem Drittbetroffenen, hier der Klägerin, erlassen.
35 b) Versicherungspflichtig sind in der Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes
Buch (SGB V), in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), in
der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) und in der
Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) gegen
Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die nichtselbständige
Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für
eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des
Weisungsgebers.
36 Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom
Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn
der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung
umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich
bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“
verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene
Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die
eigene Arbeitskraft sowie die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob
jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zum
Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R – juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 30. April
2013 – B 12 KR 19/11 R – juris, Rn. 13; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 KR 17/11 R – juris, Rn. 23;
BSG, Urteil vom 31. März 2015 – B 12 KR 17/13 R – juris, Rn. 15, jeweils m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit
der anhand dieser Kriterien häufig schwierigen Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und
selbständiger Tätigkeit: Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Nichtannahmebeschluss der 2. Kammer des
Ersten Senats vom 20. Mai 1996 – 1 BvR 21/96 – juris, Rn. 6 ff.). Maßgebend ist das Gesamtbild der
Arbeitsleistung (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 – B 12 KR 31/06 R – juris, Rn. 15; BSG,
Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R – juris, Rn. 15 f.; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12
KR 17/11 R – juris, Rn. 23 ff. – jeweils m.w.N.).
37 Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem
Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der
abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem
Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen
worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den
von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine
im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich
hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur
formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass
die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen
ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch
die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urteil vom 8. Dezember 1994 – 11 RAr 49/94 – juris,
Rn. 20). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von den
Vereinbarungen abweichen (BSG, Urteil vom 1. Dezember 1977 – 12/3/12 RK 39/74 – juris, Rn. 16; BSG,
Urteil vom 4. Juni 1998 – B 12 KR 5/97 R – juris, Rn. 16; BSG, Urteil vom 10. August 2000 – B 12 KR 21/98
R – juris, Rn. 17 – jeweils m.w.N.). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die
praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu insgesamt BSG, Urteil vom 24. Januar
2007 – B 12 KR 31/06 R – juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R – juris, Rn. 16).
38 d) Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbständigkeit ist vom Inhalt der zwischen den Beteiligten
getroffenen Vereinbarungen auszugehen (BSG, Urteil vom 29. Juli 2015 – B 12 KR 23/13 – juris, Rn. 17 –
auch zum Folgenden). Dazu ist zunächst deren Inhalt konkret festzustellen (dazu unter aa). Liegen
schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob
mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind (dazu unter bb). Diese sind ebenfalls nur maßgeblich,
soweit sie rechtlich zulässig sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen
zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen „Etikettenschwindel“ handelt, der unter
Umständen als Scheingeschäft im Sinne des § 117 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zur Nichtigkeit dieser
Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf. den Inhalt eines hierdurch verdeckten
Rechtsgeschäfts festzustellen (dazu unter cc). Erst auf Grundlage der so getroffenen Feststellungen über
den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus
der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit vorzunehmen (hierzu unter dd).
39 aa) Aufgrund des schriftlichen und mündlichen Vorbringens der Klägerin und der Beigeladenen zu 1 im
gesamten Verwaltungs- und Gerichtsverfahren steht zur Überzeugung des Senats Folgendes fest:
40 Die Klägerin war aufgrund mündlich und konkludent geschlossenen Vertrages verpflichtet, zwischen dem 1.
April 2001 und dem 30. April 2013 die bei der Beigeladenen zu 1 anfallenden Buchhaltungs- und
Lohnbuchhaltungsaufgaben zu erledigen. Sie konnte den Zeitpunkt und den Ort ihres Tätigwerdens selbst
bestimmen. Sie war lediglich verpflichtet, bei behördlichen Prüfungen in den Räumlichkeiten der
Beigeladenen zu 1 anwesend zu sein. Die Klägerin war berechtigt, ihre Aufgaben auf eigene Kosten an
Dritte zu delegieren. Die Klägerin war berechtigt, ihre Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 monatlich
grundsätzlich mit EUR 1.500,00 in Rechnung zu stellen. Sie war berechtigt bzw. verpflichtet, bei
niedrigerem oder höherem Arbeitsaufwand als – im streitgegenständlichen Zeitraum – 16 Stunden eine
niedrigere oder höhere Vergütung zu fordern. Die Beigeladene zu 1 war verpflichtet, die entsprechenden
Rechnungen zu begleichen.
41 bb) Die festgestellten mündlichen und konkludenten Vereinbarungen der Klägerin und der Beigeladenen zu
1 sind zulässig, das heißt mit zwingendem Recht vereinbar. Grenzen für die privatrechtlichen
Vereinbarungen, die Ausgangspunkt der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilungen sind, können sich
sowohl aus zwingendem Privatrecht als auch aus dem öffentlichen Recht ergeben (Beschluss des Senats
vom 14. Oktober 2015 – L 4 R 3874/14 – juris, Rn. 59). Im vorliegenden Fall bestehen derartige Konflikte
zwischen dem Vereinbarten und den gesetzlichen Vorgaben nicht.
42 cc) Anlass zu Zweifeln an der Wirksamkeit der mündlich und konkludent getroffenen vertraglichen
Vereinbarungen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1 bestehen auch mit Blick auf § 117 BGB nicht. Ein
Scheingeschäft liegt nicht vor.
43 dd) Vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen ist der Senat unter Berücksichtigung der
vorliegenden Umstände des Einzelfalles zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin zwischen dem 1.
Januar 2005 und dem 30. April 2013 bei der Beigeladenen zu 1 nicht abhängig beschäftigt gewesen ist.
44 Insbesondere bestand kein Weisungsrecht der Beigeladenen zu 1 (dazu unter (1)). Dabei ist darauf
abzustellen, ob die Beigeladene zu 1 im Verhältnis zur Klägerin über diesbezügliche Rechtsmacht verfügte
(vgl. Urteil des Senats vom 15. April 2016 – L 4 KR 1612/15 – juris, Rn. 84). Dies entspricht insbesondere
der jüngeren Rechtsprechung des BSG, in der die Maßgeblichkeit von Rechtsmacht gegenüber bloß rein
faktischen, nicht rechtlich gebundenen und daher jederzeit änderbaren Verhalten der Beteiligten betont
wird (BSG, Urteil vom 29. Juli 2015 – B 12 KR 23/13 R – juris, Rn. 30; BSG, Urteil vom 29. Juli 2015 – B 12 R
1/15 R – juris, Rn. 25). Andererseits war die Klägerin jedoch teilweise in die Arbeitsorganisation der
Beigeladenen zu 1 eingegliedert (dazu unter (2)). Entscheidende Bedeutung kommt daher dem Umstand zu,
dass die Klägerin über ein Unternehmerrisiko verfügte (dazu unter (3)) und auch weitere Gesichtspunkte für
eine selbständige Tätigkeit sprechen (dazu unter (4)).
45 (1) Ein (arbeitsrechtliches) Weisungsrecht bestand nicht. Die Beklagte hat in ihrem Bescheid vom 23.
Dezember 2009 übrigens ausdrücklich zugestanden, dass die Klägerin weisungsfrei arbeite.
46 Dies gilt zum einen in zeitlicher Hinsicht. Weisungsgebundenheit in zeitlicher Hinsicht liegt nur vor, wenn
der Betroffene grundsätzlich ständiger Dienstbereitschaft unterliegt und der Auftraggeber die Lage der
Arbeitszeit einseitig bestimmen kann (vgl. Urteil des Senats vom 15. April 2016 – L 4 KR 1612/15 – juris, Rn.
86; Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Mai 2015 – L 11 R 4586/12 – juris, Rn.
58; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Oktober 2014 – L 11 R 4761/13 – juris, Rn. 32). Dies ist hier
nicht der Fall, denn die Klägerin war hinsichtlich der Lage ihrer Arbeitszeit frei. Die Beigeladene zu 1 war
nicht befugt, der Klägerin insoweit Vorgaben zu machen; solche Vorgaben erfolgten auch tatsächlich nicht.
Die Klägerin war lediglich verpflichtet, bei behördlichen Prüfungen in den Räumlichkeiten der Beigeladenen
zu 1 anwesend zu sein. Dies beruht aber nicht auf der Ausübung eines Direktionsrechts der Beigeladenen
zu 1, sondern auf dem mündlich geschlossenen Vertrag.
47 Ein Weisungsrecht in örtlicher Hinsicht bestand ebenfalls nicht. Die Klägerin oblag die freie Entscheidung, ob
sie ihre Tätigkeit von zu Hause oder in den Räumlichkeiten der Beigeladenen zu 1 ausübte. Selbst wenn
eine Tätigkeit überwiegend in den Räumlichkeiten des Auftraggebers verrichtet wird, sagt dies nichts über
ein Weisungsrecht aus (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2014 – B 12 R 13/13 R – juris, Rn. 31). Es ist ein rein
äußerer Umstand, der für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung unergiebig ist.
48 Auch in fachlicher Hinsicht bestand kein Weisungsrecht. Weder bietet der mündliche Vertrag für ein
fachliches Weisungsrecht eine Grundlage noch lässt sich aus der tatsächlichen Tätigkeit der Klägerin auf das
Bestehen eines solchen Weisungsrechts schließen. Die Klägerin verfügte auf dem Gebiet der Buchhaltung
über die alleinige Fachkompetenz, die sich die Beigeladene zu 1 gerade zu Nutzen machen wollte.
49 (2) Allerdings weist die Tätigkeit der Klägerin für die Beigeladene zu 1 Elemente der Eingliederung in deren
Arbeitsorganisation auf. Dabei ist – wie schon mit Blick auf das Weisungsrecht – nicht entscheidend, in
welchem Umfang die Klägerin in den Geschäftsräumen der Beigeladenen zu 1 tätig wurde. Das BSG hat in
dem zurückverweisenden Urteil entschieden – was der Senat bei der erneuten Entscheidung im
vorliegenden Fall zugrunde zu legen hat (§ 170 Abs. 5 SGG) -, dass die bloße Anwesenheit eines
Auftragnehmers in den Räumlichkeiten des Auftraggebers bei der Durchführung des Auftrages als lediglich
äußerer Umstand für sich genommen nicht schon die Annahme einer arbeitnehmertypischen
Eingebundenheit des Auftragnehmers in die betriebliche Organisation des Auftraggebers rechtfertigt (BSG,
Urteil vom 17. Dezember 2014 – B 12 R 13/13 R – juris, Rn. 33). Gleiches gilt für die Nutzung von beim
Auftraggeber vorhandener Software (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2014 – B 12 R 13/13 R – juris, Rn. 33;
BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 KR 17/11 R – juris, Rn. 37; u.a. auch Urteile des Senats vom 27.
Februar 2015 – L 4 R 3943/13 –, vom 24. April 2015 – L 4 R 1787/14 – und vom 19. Juni 2015 – L 4 R
2821/14 – alle nicht veröffentlicht). Die Verwendung von Mitteln oder Materialien, die im Eigentum und/oder
Besitz des Auftraggebers stehen oder die dieser zur Verfügung stellt, ist bei der Durchführung eines
Auftrags im Übrigen ohnehin nicht unüblich, sondern wird etwa im Werkvertragsrecht als möglicher
Umstand ausdrücklich vorausgesetzt (vgl. § 645 Abs. 1 BGB).
50 Eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Klägerin bestand jedoch insofern als sie mit einem bei der
Beigeladenen zu 1 beschäftigten Bürokaufmann zusammenarbeitete sowie Ansprechpartnerin für andere
Mitarbeiter und Kunden der Beigeladenen zu 1 war.
51 (3) Ergeben die in § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV genannten Anhaltspunkte damit zwar kein einheitliches, aber
doch überwiegend für eine selbständige Tätigkeit sprechendes Bild, wird dies durch andere
Abgrenzungskriterien bestätigt. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die Frage, ob die Klägerin ein
Unternehmerrisiko, das im Rahmen der Würdigung des Gesamtbildes zu beachten ist (BSG, Beschluss vom
16. August 2010 – B 12 KR 100/09 B – juris, Rn. 10 m.w.N.; zuletzt etwa Beschluss des Senats vom 20.
August 2015 – L 4 R 861/13 – juris, Rn. 65 m.w.N.), getragen hat, auch wenn das Vorliegen eines
Unternehmerrisikos nicht schlechthin entscheidend ist (BSG, Beschluss vom 16. August 2010 – B 12 KR
100/09 B – juris, Rn. 10 m.w.N.; Urteil des Senats vom 16. April 2016 – L 4 KR 1612/15 – juris, Rn. 93;
Beschluss des Senats vom 14. Oktober 2015 – L 4 R 3874/14 – juris, Rn. 61).
52 Die Klägerin verfügte über ein Unternehmerrisiko insofern als sie verpflichtet war, alle anfallenden
Lohnbuchhaltungsarbeiten der Beigeladenen zu 1 zu erfüllen, auch wenn dies ihre eigenen zeitlichen
Kapazitäten überforderte. Dieses Risiko realisierte sich mehrmals, so dass die Klägerin Dritte beauftragte, sie
bei den Lohnbuchhaltungsarbeiten für die Beigeladene zu 1 zu unterstützen bzw. diese Arbeiten teilweise
zu übernehmen. So beschäftigte die Klägerin vom 13. Februar bis 31. März 2006 K versicherungspflichtig,
die sie bei den Jahresabschlussarbeiten unterstützte. Die Klägerin beschäftigte vom 1. Januar bis 31.
Oktober 2005 S geringfügig für Bürotätigkeiten. Im 2. und 3. Quartal 2008 beauftragte sie den HK
Buchhaltungs- und Büroservice von H. Dies geschah stets auf Rechnung der Klägerin, so dass ihr Einkommen
aus der Tätigkeit für die Beigeladene zu 1 dadurch unmittelbar geschmälert wurde. Es wäre im Falle von
Arbeitnehmern nahezu undenkbar, dass diese ihre Aufgaben auf eigene Kosten auf Dritte delegieren.
53 Dass die Klägerin berechtigt war, Dritte mit ihren Aufgaben zu betrauen, spricht im Übrigen auch als solches
schon für eine selbständige Tätigkeit (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2014 – B 12 R 13/13 R – juris, Rn. 35),
was der Senat bei der erneuten Entscheidung im vorliegenden Fall zugrunde zu legen hat (§ 170 Abs. 5
SGG).
54 Selbständige tragen ein Unternehmerrisiko zudem unter anderem dann, wenn der Erfolg des Einsatzes ihrer
Arbeitskraft ungewiss ist; das gilt namentlich, wenn ihnen kein Mindesteinkommen garantiert ist (BSG,
Urteil vom 27. März 1980 – 12 RK 26/79 – juris, Rn. 23; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Februar
2015 – L 11 R 5165/13 – juris, Rn. 72). Ein Mindesteinkommen war der Klägerin nicht garantiert, denn ihre
Vergütung hing davon ab, dass sie tatsächlich tätig wurde. Die Vergütung nur tatsächlich geleisteter
Stunden spricht gegen das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung (BSG, Urteil vom 27. März 1980 – 12
RK 26/79 – juris, Rn. 23; BSG, Urteil vom 12. Februar 2004 – B 12 KR 26/02 R – juris, Rn. 24; Urteil des
Senats vom 16. April 2016 – L 4 KR 1612/15 – juris, Rn. 94; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.
Oktober 2014 – L 11 R 4761/13 – juris, Rn. 34). Zwar war als Richtwert eine monatliche Vergütung von
EUR 1.500,00 vereinbart. Der Anspruch auf diese Vergütung bestand aber nur dann, wenn die Klägerin auch
tatsächlich Arbeiten für die Beigeladene zu 1 im Umfang von – im streitgegenständlichen Zeitraum – etwa
16 Wochenstunden erledigte.
55 Der Einsatz eigenen Kapitals bzw. eigener Betriebsmittel ist hingegen keine notwendige Voraussetzung für
eine selbständige Tätigkeit (BSG, Urteil vom 27. März 1980 – 12 RK 26/79 – juris, Rn. 23). Dies gilt schon
deshalb, weil anderenfalls geistige oder andere betriebsmittelarme Tätigkeiten nie selbständig ausgeübt
werden könnten (vgl. BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 R 3/12 R – juris, Rn. 25; Urteil des Senats
vom 16. April 2016 – L 4 KR 1612/15 – juris, Rn. 95; Urteil des Senats vom 27. Februar 2015 – L 4 R
3943/13 – nicht veröffentlicht; Urteil des Senats vom 24. April 2015 – L 4 R 1787/14 – nicht veröffentlicht).
56 (4) Für eine selbständige Tätigkeit spricht auch, dass die Klägerin neben der Beigeladenen zu 1 zumindest
zeitweise noch weitere Auftraggeber hatte, für die sie gleichgelagerte Tätigkeiten erbrachte. Zwar ist für
jedes Vertragsverhältnis die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung gesondert vorzunehmen, jedoch
spricht der Umstand, für mehrere Auftraggeber tätig zu sein, für eine selbständige Tätigkeit, nicht zuletzt
weil sie die wirtschaftliche Abhängigkeit von einem Auftraggeber bzw. Arbeitgeber reduziert oder gar
aufhebt. Hiervon sind übrigens auch die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung in ihrem
gemeinsamen Rundschreiben zum Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit vom 20. Dezember 1999
(abgedruckt in NZA 2000, 190 ff.) ausgegangen, wo ein Tätigwerden für mehrere Auftraggeber als ein
Merkmal klassifiziert wird, dass bei der Abwägung „ein sehr starkes Gewicht“ für die Annahme einer
selbständigen Tätigkeit hat (Anlage 2, Ziffer 3.2., NZA 2000, 190 [197]). Es ist im Übrigen auch keineswegs
üblich, dass Arbeitnehmer mehrere Auftraggeber haben. Vielmehr entspricht es der Regel, dass
Arbeitnehmer jeweils nur einen Arbeitgeber haben (Urteil des Senats vom 22. Januar 2016 – L 4 R 2796/15
– juris, Rn. 81). So gingen etwa im Jahr 2008 im Jahresschnitt lediglich 3,7 Prozent aller Erwerbstätigen in
der Bundesrepublik Deutschland einer zweiten Erwerbstätigkeit nach (Mikrozensus 2008, zitiert nach
Wochenbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Nr. 35/2009, S. 599).
57 Gegen das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung spricht auch, dass die Klägerin keinen bezahlten
Urlaub erhalten hat (vgl. BSG, Urteil vom 12. Februar 2004 – B 12 KR 26/02 R – juris, Rn. 25 – auch zum
Folgenden; Urteil des Senats vom 15. April 2016 – L 4 KR 1612/15 – juris, Rn. 96). Beim Anspruch auf
bezahlten Urlaub handelt es sich um ein Recht, das im Regelfall Arbeitnehmern vorbehalten ist.
Selbständigen räumt das Gesetz vergleichbare Ansprüche gegenüber ihrem Vertragspartner nur im
Ausnahmefall der arbeitnehmerähnlichen Personen ein (vgl. § 2 Satz 2 Bundesurlaubsgesetz), so dass die
tatsächliche Gewährung von bezahltem Erholungsurlaub ein Indiz für das Vorliegen eines
Beschäftigungsverhältnisses ist. Der Klägerin wurde hingegen kein bezahlter Erholungsurlaub gewährt.
58 Auch das Fehlen eines Anspruchs auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist nach der Rechtsprechung des
BSG als Indiz für selbständige Tätigkeit anzusehen (BSG, Urteil vom 12. Februar 2004 – B 12 KR 26/02 R –
juris, Rn. 26 – auch zum Folgenden; Urteil des Senats vom 15. April 2016 – L 4 KR 1612/15 – juris, Rn. 97).
Bei der Entgeltfortzahlung handelt es sich ebenfalls um ein typischerweise Arbeitnehmern vorbehaltenes
Recht. Selbständigen räumt das Gesetz vergleichbare Ansprüche gegenüber ihren Vertragspartnern nicht
ein. Fiel die Klägerin krankheitsbedingt aus und unterblieb deshalb die versprochene Arbeitsleistung, hatte
sie keinen Anspruch auf eine Vergütung und erhielt sie auch tatsächlich nicht. Solche Vertragsgestaltungen
sind konsequent, wenn beide Seiten eine selbständige freie Mitarbeit wollen (etwa Beschluss des Senats
vom 20. August 2015 – L 4 R 861/13 – juris, Rn. 67 m.w.N. – auch zum Folgenden). Insofern gilt zwar, dass
dem keine entscheidende Bedeutung zukommen kann, wenn die für die sozialversicherungsrechtliche
Beurteilung maßgeblichen Kriterien – Weisungsabhängigkeit und Eingliederung in die Arbeitsorganisation
des Auftraggebers – bereits zur Annahme einer abhängigen Beschäftigung führen. In einem solchen Fall
werden vertragliche Absprachen oder deren Unterlassen durch die gesetzlichen Vorschriften über die
Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und über Urlaubsansprüche verdrängt bzw. ersetzt. Entscheidend ist hier
aber die tatsächliche Handhabung durch die Beteiligten (vgl. Urteil des Senats vom 15. April 2016 – L 4 KR
1612/15 – juris, Rn. 97; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Oktober 2014 – L 11 R 4761/13 – juris,
Rn. 35), die belegt, dass der Ausschluss eines Lohnfortzahlungsanspruchs im Krankheitsfall nicht nur zum
Schein vereinbart, sondern tatsächlich auch so praktiziert worden ist; keiner der Beteiligten hat behauptet,
die Klägerin habe solche oder andere Arbeitnehmerrechte gegenüber der Beigeladenen zu 1 geltend
gemacht.
59 Dass die Klägerin vor und nach dem streitgegenständlichen Zeitraum die gleichen Tätigkeiten für die
Beigeladene zu 1 verrichtet hat und dabei als (zeitweise als geringfügig) Beschäftigte gemeldet war, gibt für
die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung im streitgegenständlichen Zeitraum nichts her. Viele
Tätigkeiten sind sowohl in abhängiger Beschäftigung als auch in Gestalt selbständiger Tätigkeit möglich. Es
kommt dann jeweils auf die konkreten Vereinbarungen und die tatsächliche Durchführung an, ohne dass
Rückschlüsse von einem Zeitraum auf einen anderen Zeitraum gezogen werden können.
60 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG. Die außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen zu 1 der Beklagten aufzuerlegen, wäre unbillig, da der Beigeladene zu 1 keinen Antrag
gestellt hat.
61 4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Insbesondere hat die Sache nach Erlass des Urteils des BSG vom 17. Dezember 2014 (B 12 R 13/13 R –
juris) keine grundsätzliche Bedeutung mehr.