Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 08.07.2015

treu und glauben, pflege, wohnung, nachforderung

LSG Baden-Württemberg Urteil vom 8.7.2015, L 2 AS 4682/13
Arbeitslosengeld II - Mehrbedarf bei Alleinerziehung - alleinige Sorge für Pflege
und Erziehung - Unterstützung durch einen neuen Partner - nachhaltige
Entlastung
Leitsätze
Kein Anspruch auf Mehrbedarf für Alleinerziehende, wenn die Erziehungsanteile des
anderen Elternteils den Elternteil, der den Mehrbedarf geltend macht, nachhaltig
entlastet haben.
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 5. September
2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
1 Die Beteiligten streiten im Leistungszeitraum vom 1.6.2010 bis 30.11.2010 um
höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch
Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Klägerin Ziff. 2 unter Berücksichtigung eines
Mehrbedarfs für Alleinerziehende sowie für den Kläger Ziff. 3 dem Grunde nach
(Sozialgeld und Kosten der Unterkunft - KdU). Des Weiteren begehren sie die
vollständige Erstattung der im Juli 2010 fällig gewordenen Nachforderung aus der
Nebenkostenabrechnung 2009 die vorherige Wohnung betreffend.
2 Der Kläger Ziff. 1 bezog seit langem allein und - nach ihrem Zuzug im Mai 2009 -
zusammen mit seiner am 12.07.1981 geborenen und aus M. stammenden
Ehefrau, der Klägerin Ziff. 2, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach
dem SGB II zunächst von der ARGE-Jobcenter Stadt P.. Die Stadt P. gewährte
den Klägern in den Monaten Januar 2009 bis November 2009 monatlich für
Heizkosten 28 EUR sowie für die Neben- und Betriebskosten weitere 167 EUR.
Einen Abzug der Warmwasserpauschalen nahm die Stadt P. hierbei nicht vor.
3 Zum 1.12.2009 zogen die Kläger Ziff. 1 und Ziff. 2 in den Zuständigkeitsbereich
des Beklagten (vormals Arbeitsgemeinschaft zur Beschäftigungsförderung im O.)
nach B. in das im Eigentum der Schwester des Klägers Ziff. 1, J., stehende Haus in
der um. Diese ist durch die Erbausschlagung des Klägers Ziff. 1 Alleineigentümerin
des Hauses geworden (Bl. 82 LSG-Akte bei L 2 AS 4527/13). Bis zum 12.04.2010
bewohnten die Kläger dort eine 58 qm große 2-Zimmer-Wohnung zur Miete
(Gesamtkosten: 516 EUR; Bl. 6, 13, 27 VA). Am 13.4.2010 zogen sie im gleichen
Haus in die 88 qm große Wohnung um. Ausweislich des Mietvertrages vom
05.04.2010 beliefen sich die monatlichen Kosten auf: kalte Grundmiete 441 EUR,
Zentralheizung 88 EUR, Kosten der Warmwasserbereitung16 EUR,
Betriebskostenpauschale 169 EUR sowie Pauschale für Schönheitsreparaturen 60
EUR (Gesamtkosten: 774 EUR).
4 Ebenfalls am 13.4.2010 zog der aus der ersten Ehe mit einem Marokkaner
stammende Sohn der Klägerin Ziff. 2, der am 18.7.2000 geborene Kläger Ziff. 3
(ebenfalls marokkanischer Staatsangehöriger) zu den Klägern Ziff. 1 und Ziff. 2.
Den Zuzug hatten die Kläger Ziff. 1 und Ziff. 2 gemeinsam organisiert. In der
Verpflichtungserklärung vom 18.3.2010 hatte sich zuvor der in S. lebende Onkel
des Klägers Ziff. 3, A. O., verpflichtet, für die Dauer des Aufenthalts nach § 68
Aufenthaltsgesetz (AufenthG) die Kosten für dessen Lebensunterhalt zu tragen.
Hiervon erlangte der Beklagte durch das Schreiben der Ausländerbehörde des
Landratsamts O. vom 20.04.2010 Kenntnis (Bl. 81 VA) und lehnte (den
Leistungszeitraum vom 1.12.2009 bis 31.5.2010 betreffend) mit
Änderungsbescheid vom 27.4.2010 Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts für den Kläger Ziff. 3 ab, berücksichtigte ihn als Mitglied der
Haushaltsgemeinschaft und reduzierte die Unterkunftsleistungen für die Kläger Ziff.
1 und Ziff. 2 nach dem Kopfteilsprinzip. Der Kläger Ziff. 3 könne wegen der
Verpflichtungserklärung seines Onkels keine Alg II-Leistungen erhalten (u.a
hiergegen ist beim Senat der Rechtsstreit L 2 AS 4686/13 anhängig).
5 Am 10.5.2010 beantragte der Kläger Ziff. 1 für sich und die Klägerin Ziff. 2 die
Fortzahlung der Leistungen. Im Formantrag führte er den Kläger Ziff. 3 unter der
Rubrik „2h Haushaltsgemeinschaft“ (Ein- oder Auszug) auf. Für die Klägerin Ziff. 2
wurde ein Mehrbedarf wegen Alleinerziehung beantragt. Auf Einkommen der
Klägerin Ziff. 2 nach dem vorliegenden Arbeitsvertrag wurde hingewiesen. Die
Klägerin Ziff. 2 war in der Zeit vom 15.3.2010 bis 31.10.2010 befristet geringfügig
mit wechselndem Einkommen abhängig von den geleisteten Arbeitsstunden bei
der Fa. N. in B. beschäftigt (vgl. Bl 164, 262 VA). Das Gehalt wurde am Ende des
Folgemonats überwiesen.
6 Mit Bescheid vom 27.05.2010 bewilligte der Beklagte für die Zeit vom 1.6.2010 bis
30.11.2010 vorläufig Leistungen nach dem SGB II für die Kläger Ziff. 1 und Ziff. 2 in
Höhe von 951,22 EUR monatlich. Die Bewilligung erfolgte unter Berücksichtigung
eines vorläufigen Einkommens der Klägerin Ziff. 2 aus nichtselbstständiger
Tätigkeit in Höhe von 300,00 EUR monatlich abzüglich eines Freibetrags von 140
EUR aber ohne Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für die Klägerin Ziff. 2. Von
den tatsächlichen KdU zog der Beklagte die Warmwasserpauschalen, die
Pauschale für Schönheitsreparaturen sowie den Anteil für den Kläger Ziff. 3 ab. Die
monatlichen Leistungen für die Kläger Ziff. 1 und Ziff. 2 teilten sich danach auf in je
243,00 EUR Regelleistung und 232,61 EUR anteilige Kosten der Unterkunft und
Heizung (Bl. 153 VA).
7 Dagegen legte der Kläger Ziff. 1 Widerspruch ein (29.05.2010, Bl. 157 VA) und
begehrte die Berücksichtigung der anteiligen Schönheitsreparaturpauschale sowie
den Mehrbedarf für Alleinerziehende für die Klägerin Ziff. 2. Die Klägerin Ziff. 2
erziehe den Kläger Ziff. 3 allein. Der leibliche Vater lebe in M.. Der Kläger Ziff. 1 sei
als Stiefvater dem leiblichen Vater nicht gleichzusetzen. Darüber hinaus sei die
Erziehung des Klägers Ziff. 3 islamisch geprägt und werde nur von der Klägerin
Ziff. 2 vorgenommen.
8 Nach Vorlage der Lohnabrechnungen der Klägerin Ziff. 2 setzte der Beklagte die
Leistungen der Kläger Ziff. 1 und Ziff. 2 in den Zuflussmonaten Juni und Juli 2010
mit Änderungsbescheid vom 16.08.2010 endgültig fest und gewährte für Juni 2010
Leistungen in Höhe von. 954,26 EUR (je 244,52 EUR Regelleistung und 232,61
EUR anteilige KdU) und für Juli 2010 in Höhe von 969,55 EUR (je 252,17 EUR
bzw. 252,16 EUR Regelleistung und 232,61 EUR anteilige KdU; Bl 189 VA). 20
EUR für den Tausch des Müllbehälters wurden zur Zahlung angewiesen. Den
Bescheid hielt der Kläger Ziff. 1 unter Hinweis auf den bisher geführten
Schriftverkehr ebenfalls für falsch (Widerspruch vom 20.8.2010, Bl. 213 VA).
9 Am 13.07.2010 beantragte der Kläger Ziff. 1 bei dem Beklagten die Übernahme
der Nachforderung aus der Nebenkostenabrechnung 2009 (vom 01.07.2010) in
Höhe von 546,73 EUR die vorherige Wohnung in P. betreffend. Die Nachforderung
ergab sich nach der vorgelegten Abrechnung aus einem Fehlbetrag der
Nebenkosten in Höhe von 784,54 EUR zuzüglich rückständiger Miete von
1.454,00 EUR abzüglich der verrechneten Kaution in Höhe von 1.691,81 EUR (Bl.
196 VA). Mit Bescheid vom 17.08.2010 gewährte der Beklagte den Klägern hierauf
131,70 EUR und lehnte den Antrag im Übrigen ab. Den Betrag errechnete er als
Differenz unter Zugrundelegung des Heizungsverbrauchs abzüglich der jeweils
geltenden Warmwasserpauschale und abhängig von der Anzahl der Personen
zuzüglich der Grundsteuer und abzüglich der von der ARGE Jobcenter Stadt P.
erhaltenen Vorauszahlungen (vgl. Bl. 197, 199 VA). Dagegen legte der Kläger
Widerspruch ein, den er später damit begründete, die Vorauszahlungen der ARGE
nicht zweckentsprechend verwendet zu haben. In dem Zusammenhang verwies er
auf diesbezügliche weitere Rechtsstreitigkeiten (20.8.2010, Bl. 210, 276/1 VA).
10 Durch einen Datenabgleich erhielt der Beklagte Kenntnis von der weiteren
geringfügigen Tätigkeit der Klägerin Ziff. 2 in der Zeit vom 01.05.2010 bis
30.06.2010 im Ristorante (Bl. 219 VA). Das hieraus im Juni 2010 zugeflossene
Einkommen rechnete der Beklagte anspruchsmindernd im Juni 2010 an und hob
die Bewilligung entsprechend teilweise auf und forderte Erstattung in Höhe von je
28 EUR durch Aufrechnung (Änderungsbescheid sowie Aufhebungs- und
Erstattungsbescheide vom 22.09.2010, Bl. 236, 243, 246 VA). Die Bescheide hielt
der Kläger ebenfalls für falsch hinsichtlich der Schönheitsreparaturpauschale
sowie des Mehrbedarfs für Alleinerziehung und widersprach der Aufrechnung
(Widerspruch vom 3.10.2010, Bl. 266 ff VA).
11 Mit Änderungsbescheid vom 21.10.2010 gewährte der Beklagte dem Kläger Ziff. 1
für August 2010 40,00 EUR als Fahrtkostenerstattung für die Ausübung des
Umgangsrechts mit seinen Kindern aus erster Ehe sowie den Klägern im Oktober
2010 Müllgebühren in Höhe von 90,97 EUR. Zugleich gewährte der Beklagte nach
Vorlage der entsprechenden Lohnnachweise die Leistungen für September 2010
in Höhe von 977,19 EUR endgültig (Bl. 285 VA).
12 Mit Änderungsbescheid vom 08.11.2010 gewährte der Beklagte dem Kläger Ziff. 1
für November 2010 weitere 20 EUR als Fahrtkostenersatz und setzte die
Leistungen für Oktober 2010 nach Vorlage der Lohnnachweise endgültig in Höhe
von 1053,63 EUR fest.
13 Schließlich setzte der Beklagte die Leistungen der Kläger Ziff. 1 und Ziff. 2 nach
Vorlage der entsprechenden Lohnnachweise mit Änderungsbescheid vom
01.12.2010 für November 2010 endgültig in Höhe von 976,80 EUR fest.
14 Mit dem weiteren Änderungsbescheid vom 12.01.2011 erkannte der Beklagte die
bislang nicht berücksichtigte Pauschale für Schönheitsreparaturen in Höhe von 60
EUR monatlich anteilig für 2 Personen als Kosten der Unterkunft ab dem
13.04.2010 an, wodurch sich die Leistungen im Zeitraum 1.6. bis 30.11.2010 um
jeweils 40 EUR monatlich erhöhten. Zudem gewährte er dem Kläger Ziff. 1 weitere
Fahrtkosten zur Ausübung des Umgangsrechts für Juni 2010 in Höhe von 20,00
EUR. (Bl. 388 VA).
15 Mit Widerspruchsbescheid vom 28.01.2011 wies der Beklagte den Widerspruch
gegen den Bescheid vom 27.05.2010 in der Fassung des Änderungsbescheids
vom 12.1.2011 „wegen Übernahme der Kosten für Schönheitsreparaturen ... nach
§ 22 SGB II, Gewährung eines Alleinerziehungszugschlages ... und Anerkennung
eines Sonderbedarfs für die Wahrnehmung des Umgangsrechts für den
Leistungszeitraum vom 1.6.2010 bis 30.11.2010“ im Übrigen als unbegründet
zurück. Mit Änderungsbescheid vom 12.01.2011 seien die Pauschale wegen
Schönheitsreparaturen und die Kosten des Umgangsrechts anerkannt worden. Ein
Anspruch auf Mehrbedarf für Alleinerziehende bestehe nicht. Eine Alleinerziehung
liege nicht vor, auch wenn der Kläger Ziff. 1 nicht der leibliche Vater des Kindes sei.
Dies ergebe sich bereits daraus, dass die Kindergeldgewährung für den Kläger
Ziff. 3 nur wegen der deutschen Staatsangehörigkeit des Klägers Ziff. 1 möglich
gewesen sei. Mit Schreiben vom 28.1.2011 teilte der Beklagte dem Kläger zu dem
Widerspruch bezüglich der nur teilweisen Übernahme der
Nebenkostenabrechnung der ehemaligen Wohnung in P. die
Bearbeitungsnummer W 109/11 mit. Der Kläger werde unaufgefordert weitere
Nachricht erhalten. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.10.2011 hat der Beklagte
den Widerspruch hinsichtlich der Nebenkostennachforderung für 2009
zurückgewiesen (Bl. 567 VA).
16 Am 18.02.2011 haben der Kläger Ziff. 1 und die Klägerin Ziff. 2 Klage gegen den
Bescheid vom 27.5.2010 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 12.1.2011
sowie den Widerspruchsbescheid vom 28.1.2011 - W 93/11 - „wegen Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (Gewährung eines
Alleinerziehendenzuschlags für den Leistungszeitraum 1.6.2010 bis 30.11.2010)“
zunächst fristwahrend zum Sozialgericht Ulm erhoben (SG, Az.: S 6 AS 559/11).
Erst mit Fax vom 31.08.2011 haben sie ihren Vortrag wegen Alleinerziehung
ergänzt und erstmals - nachdem der Beklagte zwischenzeitlich seit 1.5.2011 ihn in
die Bedarfsgemeinschaft aufgenommen hatte (Bl. 456 VA) - dem Grunde nach
auch für den Kläger Ziff. 3 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach
dem SGB II rückwirkend im Zeitraum vom 1.6.2010 bis 30.11.2010 geltend
gemacht. Der Kläger Ziff. 3 habe weder von dem Onkel noch von anderen
Drittpersonen Unterhaltszahlungen erhalten, sondern vom Kindergeld und dem
Einkommen seiner Mutter gelebt. Die Rechtsauffassung des Jobcenters sei falsch
gewesen. Das SG hat später - im Rahmen der mündlichen Verhandlung am
05.09.2013 - das Rubrum um den Kläger Ziff. 3 ergänzt.
17 Mit Beschluss vom 18.04.2012 hat das SG im Hinblick auf das bei dem
Bundessozialgericht (BSG) anhängige Verfahren B 4 AS 167/11 R den
Rechtsstreit zum Ruhen gebracht und nach Anrufung mit Schriftsatz vom
09.11.2012 das Verfahren unter dem Az. S 6 AS 3553/12 fortgeführt.
18 Die Kläger hielten das vom BSG positiv im Sinne eines Mehrbedarfs für
Alleinerziehende entschiedene Verfahren B 4 AS 167/11 R auf den vorliegenden
Fall für übertragbar und auf Grund der tatsächlichen Verhältnisse bei der geringen
Unterstützungsleistung durch den Kläger Ziff. 1 einen Mehrbedarf für die Klägerin
Ziff. 2 für gerechtfertigt.
19 Der Beklagte hat den Fall auf die in einer Ehe lebenden Kläger nicht für
übertragbar gehalten. Des Weiteren hat er darauf hingewiesen, dass der Kläger
Ziff. 1 am 23.12.2009 selbst ebenfalls eine Verpflichtungserklärung gemäß § 68
Aufenthaltsgesetz für den Kläger Ziff. 3 abgegeben habe und im
Fortzahlungsantrag für den Zeitraum ab 1.6.2011 darauf verwiesen habe, dass der
Kläger Ziff. 3 zukünftig keine Drittmittel mehr erhalten werde, was auf Unterstützung
in der Vergangenheit schließen lasse (Bl. 30 ff SG).
20 Hinsichtlich der begehrten Leistungen für den Kläger Ziff. 3 haben die Kläger die
Auffassung vertreten, dass der Beklagte sie im Änderungsbescheid vom
27.4.2010 falsch belehrt habe. Es bleibe dem Beklagten vorbehalten, sich nach
der Leistungsgewährung an den Verpflichteten, also den Onkel zu wenden.
21 Ohne, dass dies vorher von den Klägern thematisiert worden wäre, hat das SG bei
der Stadt P. hinsichtlich der Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2009 um
Auskunft gebeten. Diese teilte unter dem 7.6.2013 den Sachstand hinsichtlich
anhängiger Rechtsstreitigkeiten mit dem Kläger Ziff. 1 die KdU betreffend mit und
erklärte, dem Kläger im Zeitraum von Januar bis November 2009 die tatsächlichen
Heizkosten in Höhe von 28 EUR und die tatsächlichen Neben/Betriebskosten in
Höhe von 167 EUR ohne Abzug der Warmwasserpauschale gewährt zu haben (Bl.
27 SG-Akte).
22 Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 5.9.2013 haben die Kläger erstmals
nun auch Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unterer weiterer
Berücksichtigung von 415,03 EUR aus der Nebenkostenabrechnung 2009
begehrt.
23 Das SG hat die Klage mit Urteil vom 5.9.2013 abgewiesen. Zur Begründung hat es
ausgeführt, dass für die Zeit vom 1.6.2010 bis 30.11.2010 Streitgegenstand zum
einen die höhere Gewährung der Leistungen als solche unter Berücksichtigung
eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende - der kein abtrennbarer Streitgegenstand
sei - sei. Zum anderen stehe die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts für den Kläger Ziff. 3 dem Grunde nach im Streit.
24 Die Kläger Ziff. 1 und Ziff. 2 erfüllten in der streitigen Zeit die Voraussetzungen für
den Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 7 Abs. 1
Satz 1 Nr.1 bis 4 SGB II. Insbesondere die Klägerin Ziff. 2 sei auch nicht von
Leistungen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II ausgeschlossen und beide seien
hilfebedürftig gewesen. Der Beklagte habe das zu berücksichtigende Einkommen
der Klägerin Ziff. 2 ebenso zutreffend bestimmt wie die anzusetzenden Regelsätze.
Entsprechendes gelte für die Höhe der zu berücksichtigenden Kosten der
Unterkunft und Heizung, nachdem der Beklagte mit Bescheid vom 12.1.2011 auch
die Schönheitsreparaturenpauschale in Ansatz gebracht habe.
25 Der monatliche Bedarf sei nicht um einen Mehrbedarf für Alleinerziehende nach §
21 Abs. 3 SGB II (a.F.) - als Individualanspruch nur der Klägerin Ziff. 2 in Höhe von
monatlich 38,76 EUR (12 % von 323,00 EUR) - zu erhöhen. Das Gesetz nenne
keine Definition dafür, wann die Sorge für die Pflege und Erziehung „allein“ im
Sinne des § 21 Abs. 3 SGB II getragen werde. Es herrsche in der Rechtsprechung
jedoch Einigkeit, dass bezüglich der alleinigen Sorge ausschließlich auf die
tatsächlichen Umstände abzustellen sei und nicht auf rechtliche Verhältnisse wie
zum Beispiel ein geteiltes Sorgerecht (Hinweis auf Bundessozialgericht - BSG-,
Urteil vom 23.08.2012 – B 4 AS 167/11 R). Die Begriffe „Pflege“ und „Erziehung“
umschrieben die umfassende Verantwortung für die Lebens- und
Entwicklungsbedingungen des Kindes. Pflege konkretisiere die Sorge für das
körperliche Wohl, Erziehung die Sorge für die seelische und geistige Entwicklung,
die Bildung und Ausbildung der minderjährigen Kinder. Es gehe um die gesamte
Sorge für das Kind, mithin die Ernährung, Bekleidung, Gestaltung des
Tagesablaufs und die emotionale Zuwendung (vgl. BSG, Urteil vom 03.03.2009 - B
4 AS 50/07 R). Entscheidend sei daher, ob der hilfebedürftige Elternteil von einer
anderen Person (beispielsweise seinem Partner) in einem Umfang unterstützt
werde, der es rechtfertige, von einer nachhaltigen Entlastung auszugehen. Diese
Entlastungen könnten auch finanzieller Art sein, müssten dann aber in einem
Umfang bestehen, dass die Zuerkennung eines Mehrbedarfs nicht gerechtfertigt
wäre.
26 Eine solche nachhaltige Entlastung der Klägerin Ziff. 2 durch den Kläger Ziff. 1 hat
das SG darin gesehen, dass sich beide gemeinsam um den Zuzug des Kläger Ziff.
3 aus Marokko sowie um die hierdurch notwendig gewordene Beschaffung einer
größeren Wohnung gekümmert haben. Kläger Ziff. 1 habe zudem finanzielle
Verantwortung für Kläger Ziff. 3 übernommen, indem er zu dessen Gunsten eine
Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG abgegeben habe. Ferner habe sich
der Kläger Ziff. 1 nach seinem eigenen Vortrag um den Einkauf für die gesamte
Familie sowie die Finanzen gekümmert, an der schulischen Entwicklung des
Kläger Ziff. 3 teilgenommen, indem er sich Schulnoten habe zeigen lassen, mit ihm
gemeinsam Mahlzeiten eingenommen habe, mit ihm ins Kino gegangen sei und
die Klägerin Ziff. 2 bei Elternsprechstunden in der Schule sowie bei Arztbesuchen
des Kläger Ziff. 3 begleitet habe. Der Umstand, dass der Kläger Ziff. 1 diese Dinge
möglicherweise nur deshalb gemacht habe, weil die Klägerin Ziff. 2 die deutsche
Sprache - nach dem klägerischen Vortrag - nur unzulänglich beherrscht habe,
rechtfertige keine andere Wertung, weil es allein auf die tatsächlichen Umstände
ankomme und nicht auf die Motive hierfür. Keine andere Bewertung ergebe sich
aus der islamischen Prägung der Erziehung des Klägers Ziff. 3, da die Erziehung
und Pflege auch bei anderen Ehepaaren in unterschiedlichster Weise aufgeteilt
sei. Hierdurch sei von einer erheblichen Entlastung der Klägerin Ziff. 2
auszugehen, was sich auch durch das vielfache Prozessieren mit Nachdruck
zugunsten der Klägerin Ziff. 2 und des Klägers Ziff. 3 zeige. Auch die geltend
gemachte gesundheitliche Beeinträchtigung des Klägers Ziff. 1 - nur noch unter
drei Stunden täglich leistungsfähig - stehe nicht entgegen, da ihn dies nicht daran
gehindert habe, die Klägerin Ziff. 2 in dem genannten Umfang zu unterstützen,
sodass die tatsächlichen Umstände seinen Vortrag widerlegten.
27 Die Kläger Ziff. 1 und Ziff. 2 hätten auch keinen Anspruch auf weitergehende
Übernahme der Kosten aus der Nebenkostenabrechnung 2009. Der Beklagte
habe den gewährten Differenzbetrag von 131,70 EUR zutreffend errechnet. Ein
weitergehender Anspruch auf die noch nicht erstatteten 415,03 EUR ergebe sich
nicht, da die rückständige Miete nicht Teil der Nebenkosten sei.
28 In der nachträglichen Erhebung der Klage für den Kläger Ziff. 3 hat das SG eine
sachdienliche Klageänderung im Sinne des § 99 Abs. 1 SGG gesehen, da die
Ansprüche mehrerer Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft für denselben Zeitraum
im Streit stünden und der Sachverhalt umfassend ermittelt sei.
29 Für die geänderte Klage müssten sämtliche Sachurteilsvoraussetzungen
vorliegen. Die Klage des Klägers Ziff. 3 gegen den angegriffenen Bescheid sei
jedoch unzulässig, da mit dem angegriffenen Bescheid über Ansprüche des
Klägers Ziff. 3 (monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Form
von Sozialgeld in Höhe von 251,00 EUR und anteilige Kosten der Unterkunft und
Heizung in Höhe von 258,00 EUR) schon mangels Antrags nach § 37 SGB II nicht
entschieden worden sei. Die grundsätzlich mögliche Fingierung des Antrags im
Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs sei nach den Grundsätzen von
Treu und Glauben vorliegend nicht geboten. Der Kläger Ziff. 1, der trotz
langjährigem Leistungsbezugs nach dem SGB II in der Verpflichtungserklärung
nach § 68 AufenthG zugunsten des Klägers Ziff. 3 angegeben habe, dass seine
Einkommensverhältnisse gesichert seien und er für alle im Zusammenhang mit
dem dauerhaften Aufenthalt des Klägers Ziff. 3 im Bundesgebiet entstehenden
Kosten aufkommen werde, verhalte sich treuwidrig, wenn er nun Leistungen nach
dem SGB II für den Kläger Ziff. 3 ab dem ersten Tag seiner Einreise ins
Bundesgebiet rückwirkend einklage. Das treuwidrige Verhalten des Klägers Ziff. 1
müssten sich die Kläger Ziff. 2 und Ziff. 3 zurechnen lassen.
30 Gegen das dem damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen
Empfangsbekenntnis am 30.9.2013 zugestellte Urteil hat der neue
Prozessbevollmächtigte am 29.10.2013 schriftlich beim Landessozialgericht
Baden-Württemberg Berufung für die Kläger Ziff. 1 bis 3 eingelegt.
31 Der Kläger Ziff. 1 hat hinsichtlich der für den Kläger Ziff. 3 begehrten Leistungen
(Bl. 29 LSG) zur Sicherung des Lebensunterhalts vorgetragen, der Beklagte habe
falsch belehrt, indem er mitgeteilt habe, dass der Kläger Ziff. 3 durch die
Verpflichtungserklärung seines Onkels keine Alg II-Leistungen erhalten könne und
so die Antragstellung verhindert. Der Onkel habe tatsächlich keine
Unterhaltszahlungen erbracht. Nachdem der Beklagte seit 1.5.2011 nun dem
Kläger Ziff. 3 Leistungen nach dem SGB II gewähre, habe er seine ursprüngliche
falsche Rechtsauffassung korrigiert. Unverständlich sei, dass dies nicht auch für
den streitigen Zeitraum erfolge. Es bleibe dem Beklagten unbenommen, sich
anschließend bezüglich der Verpflichtungserklärung an den Onkel zu wenden. Der
Kläger Ziff. 3 habe vom Kindergeld und vom Einkommen seiner Mutter gelebt,
einmalig habe ihm seine Tante gebrauchte Kleidung zugesandt.
Dementsprechend sei auch die Formulierung im Fortzahlungsantrag zu verstehen.
Die Hilfe des Klägers Ziff. 3 wäre nur dann entfallen, wenn er die Leistungen auch
tatsächlich erhalten hätte bzw. Ansprüche realisierbar seien. Das SG habe sich zu
Unrecht auf die von ihm, dem Kläger Ziff. 1 abgegebene Verpflichtungserklärung
berufen, da diese mangels Leistungsfähigkeit unwirksam gewesen sei.
Ausschließlich aufgrund der anschließend vom Onkel abgegebenen
Verpflichtungserklärung habe der Kläger Ziffer 3 sein Visum erhalten, das im
Übrigen rechtswidrig davon abhängig gemacht worden sei. Auf Treu und Glauben
komme es nicht an, sondern nur auf den tatsächlichen Sachverhalt. Fakt sei, dass
beide Verpflichtungserklärenden nicht geleistet hätten und dem Beklagten die
Leistungsunfähigkeit des Klägers Ziff. 1 bekannt gewesen sei. Im Übrigen seien
Leistungen für den Kläger Ziff. 3 nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz
mitbeantragt gewesen. Es sei offensichtlich rechtswidrig, wenn der Beklagte
schuldhaft eine Falschberatung vornehme, somit die Antragstellung verhindere
und sich dann im Nachhinein darauf berufen möchte, dass der Kläger Ziff. 3 keinen
Antrag gestellt habe.
32 Sofern dem Kläger Ziff. 3 keine Leistungen zugesprochen würden, hätten der
Kläger Ziff. 1 und die Klägerin Ziff. 2 nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil
vom 23.5.2013 - B4 AS 67/12 R) Anspruch auf die tatsächlichen KdU in Höhe von
774 EUR. (Bl. 36 LSG).
33 Hinsichtlich des Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung (Bl. 39 LSG) hat der Kläger
Ziff. 1 den Vortrag wiederholt und vertieft. Gemäß Art. 6 Abs. 2 GG sei die Pflege
und Erziehung eines Kindes das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst
ihnen obliegende Pflicht. Ein Stiefvater, der in keiner Weise die Funktion eines
Elternteils übernehme, sei damit nicht gemeint. Er habe während des Bestehens
der Bedarfsgemeinschaft vom 13.4.2010 bis 14.11.2012 (Trennung der Eheleute)
keine erheblichen Betreuungsleistungen erbracht und sei nur unwesentlich an der
islamisch geprägten Erziehung und Pflege des Klägers Ziff. 3 mit maximal 3 - 5 %
beteiligt gewesen. Das SG habe für seine Argumentation nur völlig belanglose
Punkte aus dem Fragenkatalog herausgezogen. Entscheidend sei die Summe.
Der Gesetzgeber gehe hinsichtlich der alleinverantwortlichen Erziehung von einem
"weit überwiegendem Anteil" aus. Im Übrigen lasse auch sein Gesundheitszustand
einen beachtlichen Erziehungsanteil nicht zu.
34 Die Kläger beantragen,
35 das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 5. September 2013 sowie den Bescheid
vom 27. Mai 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16. August
2010, des Bescheides vom 17. August 2010 (NK 09), der Änderungs-,
Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 22. September 2010, der
Änderungsbescheide vom 21. Oktober 2010, 8. November 2010, 1. Dezember
2010 und des Teil-Abhilfe und Änderungsbescheids vom 12. Januar 2011 in der
Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 28. Januar 2011 und vom 12. Oktober
2011 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, für die Zeit vom 01.6.2010
bis 30.11.2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II
der Klägerin Ziff. 2 unter Berücksichtigung eine Mehrbedarfs wegen
Alleinerziehung um 38,76 EUR erhöht und dem Kläger Ziff. 3 dem Grunde nach
(Sozialgeld in Höhe von 251,00 EUR, Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe
von 258,00 EUR monatlich) sowie den Klägern im Monat Juli 2010 Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhaltes unter Berücksichtigung weiterer 415,03 EUR
aus der Nebenkostenabrechnung 2009 zu gewähren.
36 Der Beklagte beantragt,
37 die Berufung zurückzuweisen.
38 Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
39 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der
Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (6 Bände)
sowie die Prozessakten beider Rechtszüge und die beigezogenen Akten in den
Rechtsstreitigkeiten des Senats L 2 AS 4446/13 NZB, L 2 AS 4447/13 NZB, L 2 AS
4448/13 NZB, L 2 AS 4468/13 NZB, L 2 AS 4469/13 NZB, L 2 AS 4527/13, L 2 AS
4686/13 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
40 Die Berufung der Kläger hat keinen Erfolg.
41 Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter
Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG)
eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage im
Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Kläger haben im streitigen Zeitraum vom
1.6.2010 bis 30.11.2010 keinen Anspruch auf höhere bzw. - den Kläger Ziff. 3
betreffend - überhaupt auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach
dem SGB II.
42 Im maßgeblichen Bewilligungszeitraum vom 1.6.2010 bis 30.11.2010 sind
streitgegenständlich der Bewilligungsbescheid vom 27.5.2010 in der nach § 86
SGG zum Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gewordenen und die
Leistungshöhe beeinflussenden Änderungsbescheide vom 16.8.2010, vom
22.9.2010 - die diese Änderung umsetzenden Aufhebungs- und
Erstattungsbescheide vom 22.9.2010 - , die weiteren Änderungsbescheide vom
21.10.2010, 8.11.2010 und 1.12.2010 sowie der Änderungsbescheid vom
12.1.2010, mit dem dem Widerspruch hinsichtlich der Berücksichtigung der
Pauschale für Schönheitsreparaturen in vollem Umfang Rechnung getragen
wurde, diese in der Form des Widerspruchsbescheids vom 28.1.2011, mit dem der
Widerspruch hinsichtlich des begehrten Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung
zurückgewiesen wurde.
43 Ebenso zum Gegenstand des Verfahrens geworden ist der Bescheid vom
17.8.2010, mit dem der Beklagte während des Bewilligungszeitraums vom
1.6.2010 bis 30.11.2010 über die Kostenübernahme aus der Nachforderung für
Nebenkosten 2009 in dem Sinne entschieden hat, dass nur der Teilbetrag von
131,70 EUR zu übernehmen ist. Die Nebenkosten 2009 sind gegenüber dem
Kläger Ziff. 1 mit Rechnung vom 1.7.2010 geltend gemacht worden und stellen
damit, auch wenn sie die vorherige Wohnung betreffen aber auf Zeiten der
Hilfebedürftigkeit zurückgehen, im Bewilligungszeitraum vom 1.6.2010 bis
30.11.2010 einen aktuellen Bedarf bezüglich der KdU dar (BSG, Urteil vom
22.3.2010 – B 4 AS 62/09 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr 38, Rn. 13). Da der Bescheid
ebenfalls die Leistungshöhe ändert, ist er auch nach § 86 SGG Gegenstand des
Widerspruchsverfahrens geworden. Der Beklagte hat gegen den dagegen
erhobenen Widerspruch mit dem Widerspruchsbescheid vom 12.10.2011
entschieden.
44 Dagegen gehen die Kläger mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage
vor (§ 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 SGG in Verbindung mit § 54 Abs. 4 SGG).
45 1. Leistungen für den Kläger Ziff. 3
46 Die Berufung des Klägers Ziff. 3 ist zulässig. Zwar ist mit der Erhebung der Klage
durch die Kläger Ziff. 1 und Ziff. 2 und dem geltend gemachten Begehren auf
Gewährung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende zunächst keine Klage für den
Kläger Ziff. 3 erhoben worden. Die Kläger Ziff. 1 und Ziff. 2 haben jedoch mit dem
Fax vom 31.8.2011 die Klage nachträglich auf Sozialgeld und KdU für den Kläger
Ziff. 3 erweitert. Dies stellt eine Klageänderung nach § 99 SGG dar (Hk-
SGG/Roller, 3. Aufl. § 99 Rn. 18). Das SG hat die Klageänderung als sachdienlich
erachtet, zudem hat sich der Beklagte ohne der Änderung zu widersprechen in
einem Schriftsatz und in der mündlichen Verhandlung auf die für den Kläger Ziff. 3
geltend gemachten Ansprüche eingelassen, so dass die Voraussetzungen für die
Zulässigkeit der Klageänderung (vgl. § 99 Abs. 1 und Abs. 2 SGG) gegeben sind.
Die Zulassung der Klageänderung ist für den Senat verbindlich (Leitherer in Meyer-
Ladewig/Keller/Leitherer SGG, 11. Aufl. § 99 Rn. 15).
47 Die Berufung ist jedoch unbegründet. Zu Recht ist das SG davon ausgegangen,
dass bei der Klageänderung die allgemeinen Prozessvoraussetzungen erfüllt sein
müssen (Hk-SGG/Roller, 3. Aufl. § 99 Rn. 16; Leitherer in Meyer-
Ladewig/Keller/Leitherer SGG, 11. Aufl. § 99 Rn. 13a mwNw.). Abzustellen ist auf
den Zeitpunkt der Klageänderung. Die durch die Klageänderung am 31.8.2011
erhobene Klage des Klägers Ziff. 3 war unzulässig, weil nicht nur kein Vorverfahren
durchgeführt worden war, sondern es überhaupt an einem Verwaltungsverfahren
bezüglich von Ansprüchen des Klägers Ziff. 3 mangelte. Mit dem konstitutiven Akt
der Antragstellung wird das Verwaltungsverfahren in Gang gesetzt - ab diesem
Zeitpunkt hat der Leistungsträger die Verpflichtung, das Bestehen des
Leistungsanspruchs zu prüfen und zu bescheiden (BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4
AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr. 15; s. auch BSG Urteil vom
22.3.2010 - B 4 AS 62/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 38). In dem angefochtenen
Bewilligungsbescheid vom 27.5.2010 mit seinen Änderungen ist nur über die
Individualansprüche der Kläger Ziff. 1 und Ziff. 2 den Bewilligungszeitraum vom
1.6. bis 30.11.2010 betreffend entschieden worden. Der Kläger Ziff. 3 findet in dem
Bescheid keine Erwähnung. Hierüber zu entscheiden bestand für den Beklagten
auch kein Anlass, nachdem durch den Änderungsbescheid vom 27.4.2010 im
vorangegangenen Bewilligungszeitraum bindend Leistungen für den Kläger Ziff. 3
abgelehnt worden waren und festgestellt worden war, dass er nicht mit den
Klägern Ziff. 1 und Ziff. 2 eine Bedarfsgemeinschaft bildet, sondern zur
Haushaltsgemeinschaft gehört. Im Fortzahlungsantrag für den vorliegenden
Bewilligungszeitraum wurde der Kläger Ziff. 3 folgerichtig auch nur als Mitglied der
Haushaltsgemeinschaft angegeben und somit für ihn keine Leistungen beantragt.
Von daher fehlt es bereits an einer Verwaltungsentscheidung über Leistungen für
den Kläger Ziff. 3. Ein Fall des § 54 Abs. 5 SGG (echte Leistungsklage) liegt
offensichtlich nicht vor. Mangels dessen war die am 31.8.2011 erhobene Klage
des Klägers Ziff. 3 unzulässig. Darüber, ob der fehlende Antrag (Antragserfordernis
§ 37 SGB II) im Nachhinein über einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch
fingiert werden kann, was grundsätzlich ob seiner Qualität als nur konstitutiver Akt
und nicht als materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung möglich ist (vgl. (BSG,
Urteil vom 2.4.2014 – B 4 AS 29/13 R –, BSGE 115, 225-235, SozR 4-4200 § 37
Nr. 6, SozR 4-1300 § 28 Nr. 2, Rn. 12), brauchte der Senat daher nicht zu
entscheiden. Dies ist eine Frage der Begründetheit der Klage, die sich ob der
Unzulässigkeit der Klage nicht stellt.
48 Im Übrigen werden die für den Kläger geltend gemachten KdU nicht geschuldet. Im
Zeitraum vom 1.6.2010 bis 30.11.2010 ist nicht von höheren als von den Klägern
Ziff. 1 und Ziff. 2 gezahlten und vom Beklagten übernommenen KdU in Höhe von
476 EUR bzw. mit anteiliger Schönheitsreparaturpauschale von 516 EUR
auszugehen, mithin für den Kläger Ziff. 3 kein weiterer Mietanteil geschuldet. Bei
der Anwendung des § 22 Abs. 1 Halbsatz eins SGB II sind als Mietzinsen die
tatsächlichen Aufwendungen des Hilfebedürftigen berücksichtigungsfähig, soweit
sie auf der Grundlage einer mit dem Vermieter getroffenen Vereinbarung beruhen
und vom erwerbsfähigen Hilfebedürftigen tatsächlich gezahlt werden. Ausreichend
ist also, dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige einer ernsthaften Mietzinsforderung
ausgesetzt ist. Abzustellen ist auf die tatsächlichen Zahlungen (BSGE Urteil vom
22.9.2009 - B 4 AS 8/09 R -, juris Rn. 16 f). Nachdem die Schwester des Klägers
als Vermieterin den auf den Kläger Ziff. 3 entfallenden Anteil von 1/3 an den
Mietkosten, den die Kläger Ziff. 1 und Ziff. 2 bis zur Übernahme der Kosten durch
den Beklagten ab 1.5.2011 nicht gezahlt haben, nie schriftlich eingefordert oder
sonst nachhaltig geltend gemacht hat, ist bei von über einen längeren Zeitraum
gestundeten Mietforderungen davon auszugehen, dass sie nicht ernstlich
geschuldet wurden, solange der Beklagte nicht zahlte.
49 Die Kläger Ziff. 1 und Ziff. 2 haben sowohl im Bewilligungszeitraum wie auch im
nachfolgenden Zeitraum ausweislich der Kontoauszüge vom 21.7.2010, 30.3.2011
und 1.4.2011 (Bl. 322, 4 106. 30,450 VA) nur den auf sie entfallenden Mietanteil in
Höhe von 476 EUR bzw. mit anteiliger Schönheitsreparaturpauschale von 516
EUR an die Vermieterin überwiesen. Weitere Überweisungen an die Vermieterin
wurden am selben Tag dem Konto des Klägers Ziff. 1 wieder gutgeschrieben. Im
Verfahren S 6 AS 11/13 hat J. schriftlich als Zeugin befragt mit Fax vom 11.7.2013
bestätigt, dass die Mietzahlungen bis Juni 2011 durch Überweisung der Kläger
erfolgt seien. Anhaltspunkte dafür, dass die Schwester des Klägers die
Außenstände durch den Mietanteil des Klägers Ziff. 3 jemals ernsthaft eingefordert
hat, ergeben sich aus den 6 Band Verwaltungsakten sowie den übrigen
beigezogenen Akten nicht. Im Übrigen hat J. in der Mietbescheinigung am
23.4.2011 bestätigt, dass zwar Mietschulden jedoch in Form der Mietkaution
bestehen. Die entsprechende Rubrik für Zeiträume wurde nicht ausgefüllt.
50 2. Leistungen für die Klägerin Ziff. 2
51 Auch wenn der geltend gemachte Anspruch für die Klägerin Ziff. 2 im streitigen 6-
Monats-Zeitraum für sich den Beschwerdewert von 750 EUR nicht übersteigt, ist
die Berufung dennoch statthaft, da zusammen mit dem geltend gemachten
Anspruch des Klägers Ziff. 3 die Beschwerdesumme überschritten wird. Mehrere
gemeinsam geltend gemachte Ansprüche sind nach § 202 SGG iVm § 5 ZPO
zusammenzurechnen (Breitkreuz-Fichte SGG § 144 Rn. 20).
52 Die Klägerin Ziff. 2 hat jedoch keinen Anspruch auf höhere Leistungen. Der
Beklagte hat den Anspruch der Klägerin Ziff. 2, die die Voraussetzungen für eine
Leistungsgewährung nach § 19 S. 1 SGB II in Verbindung mit § 7 Abs. 1 S. 1 SGB
II (Alter zwischen 15 und 65 Jahre, erwerbsfähig, hilfebedürftig, gewöhnlicher
Aufenthalt in der Bundesrepublik) erfüllt - im Zeitraum vom 1.6.2010 bis 30.11.2010
zutreffend berechnet. Auch hat der Beklagte das Erwerbseinkommen der Klägerin
durch Minijobs entsprechend seinem Zufluss - Eingang auf dem Konto - im
jeweiligen Monat zutreffend angerechnet (Änderungsbescheid vom 16.8.2010:
Anrechnung von 296,20 EUR netto im Juni 2010, 277,09 EUR netto im Juli 2010;
Änderungsbescheid vom 22.9.2010: Anrechnung von 366,20 EUR netto im Juni
2010; Änderungsbescheid vom 21.10.2010: Anrechnung von 267,54 EUR netto im
September 2010; Änderungsbescheid vom 8.11.2010: Anrechnung von 171,99
EUR netto im Oktober 2010; Änderungsbescheid vom 1.12.2010: Anrechnung von
232,61 EUR netto im November 2010). Einwände sind hiergegen auch nicht
erhoben worden. Auf die Ausführungen des SG hierzu wird ergänzend Bezug
genommen.
53 Auch ein Mehrbedarf für Alleinerziehende gemäß § 21 Abs. 3 SGB II steht der
Klägerin Ziff. 2 nicht zu. Zutreffend ist das SG davon ausgegangen, dass
Leistungen für einen Mehrbedarf Bestandteil der Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts sind. Der Streit um einen Anspruch auf eine Leistung nach § 21
SGB II stellt keinen eigenständigen und von der Höhe der Regelleistung
abtrennbaren Streitgegenstand dar (vgl. BSG, Urteil vom 11.2.2015 - B 4 AS 26/14
R, juris Rn. 10). Es handelt sich dabei um einen Bestandteil des Alg II, der
unabhängig von der konkreten Höhe des Bedarfs gewährt wird, wenn bei einem
Leistungsberechtigten die besondere Bedarfssituation der Alleinerziehung vorliegt.
Das Gesetz geht insofern von besonderen Lebensumständen aus, bei denen
typischerweise ein zusätzlicher Bedarf zu bejahen ist (BSG, Urteil vom 11.2.2015 -
B 4 AS 26/14 R -, juris Rn. 11). Diese liegen jedoch nicht vor.
54 Nach § 21 Abs. 3 Nr. 2 SGB II (in der im Bewilligungszeitraum geltenden Fassung)
ist für Personen, die mit einem oder mehreren Kindern zusammenleben und allein
für deren Pflege und Erziehung sorgen, gemäß § 21 Abs. 3 SGB II ein Mehrbedarf
in Höhe von 36 v.H. der nach § 20 Abs. 2 SGB II maßgebenden Regelleistung
anzuerkennen, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder
drei Kindern unter sechzehn Jahren zusammenleben (Nr. 1), oder in Höhe von 12
v.H. der nach § 20 Abs. 2 SGB II maßgebenden Regelleistung für jedes Kind,
wenn sich dadurch ein höherer Vomhundertsatz als nach der Nr. 1 ergibt,
höchstens jedoch in Höhe von 60 v.H. der nach § 20 Abs. 2 SGB II maßgebenden
Regelleistung (Nr. 2) anerkannt. Ein „Zusammenleben" erfordert nicht das
Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft mit dem minderjährigen Kind. Ausreichend ist
das Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft (BSG, Urteil vom 27.1.2009 - B 14/7B
AS 8/07 R; S. Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II 3. Aufl. § 21 Rn. 29; Krauß in
Hauck/Noftz, SGB, 05/11, § 21 SGB II Rn. 40). Demnach hat die Klägerin Ziff. 2 mit
dem zehn Jahre alten Kläger Ziff. 3 in der streitigen Zeit zusammen gelebt, sodass
sich vorliegend ein Mehrbedarf von monatlich 38,76 EUR (12 % von 323,00 EUR)
errechnen würde. Die Klägerin Ziff. 2 hat jedoch nicht allein für dessen Pflege und
Erziehung gesorgt.
55 Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 3.3.2009 – B 4 AS 50/07 R -, juris
Rn. 19; Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R -, juris Rn. 15; Urteil vom 23.8.2012
– B 4 AS 167/11 R -; juris Rn. 14; Urteil vom 11.2.2015 - B 4 AS 26/14 R - juris Rn.
12) liegt Alleinerziehung i.S. der "alleinigen Sorge für deren Pflege und Erziehung"
nach § 21 Abs. 3 SGB II vor, wenn der hilfebedürftige Elternteil während der
Betreuungszeit von dem anderen Elternteil, Partner oder einer anderen Person
nicht in einem Umfang unterstützt wird, der es rechtfertigt, von einer nachhaltigen
Entlastung auszugehen. Entscheidend ist, ob eine andere Person in erheblichem
Umfang bei der Pflege und Erziehung mitwirkt. Abzustellen ist dabei allein auf die
tatsächlichen Verhältnisse. Geprägt wird die Auslegung des Begriffs der "alleinigen
Sorge für deren Pflege und Erziehung" durch die besondere Bedarfssituation der
Alleinerziehenden, die dadurch geprägt ist, dass bei diesem Personenkreis - in
gleicher Weise wie bei den weiteren von § 21 SGB II erfassten Hilfebedürftigen
(werdende Mütter, erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte) - besondere
Lebensumstände vorliegen, bei denen typischerweise ein zusätzlicher Bedarf zu
bejahen ist. Solche besonderen Lebensumstände hat das BSG exemplarisch darin
gesehen, dass Alleinerziehende wegen der Sorge für ihre Kinder typischerweise
weniger Zeit hätten, preisbewusst einzukaufen sowie zugleich höhere
Aufwendungen zur Kontaktpflege und zur Unterrichtung in Erziehungsfragen
tragen müssten bzw. externen Rat in Betreuungs-, Gesundheits- und
Erziehungsfragen benötigten. Auch der Zweck des in § 21 Abs. 3 SGB II
geregelten Mehrbedarfs liege darin, den höheren Aufwand von Alleinerziehenden
für die Versorgung und Pflege bzw. Erziehung der Kinder etwa wegen geringerer
Beweglichkeit und zusätzlicher Aufwendungen für die Kontaktpflege oder
Inanspruchnahme von Dienstleistungen Dritter in pauschalierter Form
auszugleichen (BSG, Urteil vom 23.8.2012 – B 4 AS 167/11 R –, juris, Rn. 14
m.w.N.). Der Gesetzgeber habe den Anspruch auf einen Mehrbedarf für
Alleinerziehende bereits nach dem Wortlaut der Norm mit einer besonderen
Familienkonstellation ("allein für deren Pflege und Erziehung sorgen") verknüpft
und damit zugleich regelhaft die Annahme verbunden, dass das Schwergewicht
der Betreuung und Erziehung nur bei einem Elternteil liege (BSG, Urteil vom
11.2.2015 – B 4 AS 26/14 R –, juris Rn. 14)
56 Ausgehend von diesen Grundsätzen stellt der Senat fest, dass die Klägerin Ziff. 2
durch den Kläger Ziff. 1 so nachhaltig in der Erziehung und Pflege des Klägers Ziff.
3 entlastet wurde, dass auf Grund der tatsächlichen Umstände die Zubilligung
eines Mehrbedarfs nicht gerechtfertigt wäre.
57 Die Klägerin Ziff. 2 war im streitigen Zeitraum mit dem Kläger Ziff. 1 verheiratet und
hat mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft zusammen gelebt. Leben Partner in einer
Bedarfsgemeinschaft, kann Alleinerziehung nur ausnahmsweise vorliegen (Krauß
in Hauck/Noftz, SGB, 05/11, § 21 SGB II Rn. 44). Wird vorgebracht, ein im
Haushalt lebender Partner beteilige sich nicht an Erziehung und Pflege der nicht
leiblichen Kinder, so ist dieses zwar auch heute noch denkbar, es bedarf dann
jedoch einer Verifizierung der Behauptung. Die Äußerlichkeiten sprechen in einem
solchen Fall zunächst einmal für eine Wahrscheinlichkeit der Beteiligung (S.
Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl. § 21 Rn. 32).
58 Zur Beurteilung der hier anstehenden Frage geht der Kläger Ziff. 1 mit seiner
Argumentation von einem falschen Blickwinkel aus, indem er isoliert seinen
Erziehungsanteil betrachtet. Entgegen der Ansicht des Klägers des Ziff. 1 kommt
es jedoch nicht auf die Summe der in einem Fragenkatalog abgefragten einzelnen
Handlungen hinsichtlich der Beteiligung an der Erziehung an. Ausgehend vom
Blickwinkel der Person, für die der Mehrbedarf geltend gemacht wird - hier die
Klägerin Ziff. 2 - ist vielmehr zu beurteilen, ob die Erziehungsanteile des Klägers
Ziff. 1 diese nachhaltig entlastet haben, was vorliegend zu bejahen ist. Das SG hat
dies zutreffend und ausführlich in seinem Urteil dargestellt. Zur Vermeidung von
Wiederholungen nimmt der Senat zunächst hierauf Bezug.
59 Auch wenn die vom SG angeführte Verpflichtungserklärung des Klägers Ziff. 1
wegen mangelnder Leistungsfähigkeit zur Sicherstellung des Lebensunterhalts
während des Aufenthalts (vgl. § 5 AufenthG) nicht ausreichend war, so ist die
Abgabe der Erklärung dennoch nicht bedeutungslos. Durch sie hat der Kläger Ziff.
1 jedenfalls zum Ausdruck gebracht, dass er grundsätzlich bereit ist, für den Kläger
Ziff. 3 finanziell einzustehen.
60 Bei der gegebenen Konstellation lagen die einen Mehrbedarf rechtfertigenden
Gründe, nämlich weniger Zeit preisbewusst einzukaufen, höhere Aufwendungen
zur Kontaktpflege und zur Unterrichtung in Erziehungsfragen bzw. für externen Rat
in Betreuungs-, Gesundheits- und Erziehungsfragen nicht vor. Gerade hierin hat
der nicht erwerbstätige und damit zur Verfügung stehende, mit den hiesigen
Verhältnissen vertraute, deutsche Ehemann die marokkanische, mit den hiesigen
Verhältnissen nicht vertraute und ungenügend deutsch sprechende und
berufstätige Klägerin Ziff. 2 bei der Erziehung des Klägers Ziff. 3 unterstützt.
61 3. höhere KdU
62 Höhere KdU für den streitigen Zeitraum sind letztlich nur noch hinsichtlich der
Nebenkostennachforderung für 2009 für die P.er Wohnung geltend gemacht
worden. Der Beklagte hat die Nebenkostennachforderung der P.er Bau und Grund
GmbH vom 1.7.2010 zutreffend im Bescheid vom 17.8.2010 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 12.10.2011 berücksichtigt. Die Kläger haben über die
bewilligten 131,70 EUR hinaus keinen Anspruch auf weitere Übernahme der
Nachforderung von insgesamt 546,73 EUR. Auf die zutreffenden Ausführungen
des SG hierzu wird zunächst Bezug genommen. Der Gesamtbetrag der
Nachforderung beruht auf der Vermischung von Nachforderung aus der
verbrauchsabhängigen Einzelabrechnung für kalte und warme Nebenkosten sowie
von rückständiger Miete der ehemals in P. bewohnten Wohnung und beinhaltet
zudem noch die Aufrechnung mit dem Rückzahlungsanspruch des Klägers Ziff. 1
auf die Mietkaution nach dem Auszug. Die zwei verschiedenen Posten der
Nachforderung sind jedoch sozialrechtlich getrennt zu betrachten. Eine
Übernahme von Mietschulden käme nur nach § 22 Abs. 5 SGB II (a.F., jetzt § 22
Abs. 8 SGB II) in Betracht. Danach können auch Mietschulden übernommen
werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer
vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Nachdem die Wohnung jedoch nicht
mehr von den Klägern bewohnt wird, liegen die Voraussetzungen für die
Übernahme rückständiger Miete nicht vor. Bei der gegebenen Konstellation von
Addition der Schulden und Aufrechnung der Kaution hat der Beklagte in nicht zu
beanstandender Weise die tatsächlichen Verbrauchswerte abzüglich der
Warmwasserpauschalen und zuzüglich der Grundsteuer der Berechnung zu
Grunde gelegt sowie unabhängig von der tatsächlichen Abführung durch den
Kläger Ziff. 1 den von der ARGE-Jobcenter Stadt P. für die Nebenkosten
bewilligten Betrag abgezogen und die Differenz von 131,70 EUR gewährt.
63 Darüber hinausgehende höhere Leistungen für KdU haben die Kläger schließlich
nicht mehr geltend gemacht.
64 Die Berufungen waren daher insgesamt zurückzuweisen.
65 Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
66 Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen
nicht vor.