Urteil des LG Stuttgart vom 28.05.2010

LG Stuttgart (vorstand, vergütung, geschäftsjahr, aufsichtsrat, entlastung, antwort, protokoll, corporate governance, bezug, auskunft)

LG Stuttgart Urteil vom 28.5.2010, 31 O 56/09 KfH
Anfechtung der Entlastung
Leitsätze
1. Ein Entlastungsbeschluss kann wegen eines eindeutigen und schwerwiegenden Verstoßes des Organmitglieds gegen Gesetz oder Satzung
angefochten werden, wenn seine tatsächlichen Umstände den Teilnehmern der Hauptversammlung bekannt oder aufgrund der ihnen zugänglichen
Informationen zumindest erkennbar war.
2. Zur Reichweite der Ausnahmeregelung in § 292 Abs. 2 AktG.
Tenor
1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits und der Streithilfe auf Beklagtenseite tragen 21 % die Klägerin zu 1, 71 % die Klägerin zu 2 und 8 % der
Streithelfer auf Klägerseite.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, gegen die Klägerin zu 2 nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vorläufig vollstreckbaren
Betrags. Die Klägerin zu 1 und der Streithelfer der Klägerinnen können jeweils die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
vollstreckbaren Betrags abwenden, falls der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung keine Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrags leistet.
Streitwert: Je Antrag 35.000 EUR, insgesamt 140.000 EUR
Tatbestand
1
Die Klägerinnen wenden sich mit der Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage gegen die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom
30.01.2009 über die Entlastung des Vorstands (TOP 3) und des Aufsichtsrats (TOP 4) für das Geschäftsjahr 2007/2008, das vom 01.08.2007 bis
31.07.2008 andauerte. Die Klägerin zu 2 richtet ihre Klage außerdem gegen die weiteren Hauptversammlungsbeschlüsse über die Wahl von
Aufsichtsratsmitgliedern der Beklagten (TOP 5) und über die Vergütung des ersten Aufsichtsrats der Beklagten (TOP 6).
2
A. (unstreitiger Sachverhalt)
3
1. Klägerinnen
4
Die Klägerinnen sind Aktionäre der Beklagten und waren es auch bei Einberufung der Hauptversammlung durch Bekanntmachung der
Einladung im elektronischen Bundesanzeiger (Anl. I/II K 1) am 11.12.2008. Sie haben an der Hauptversammlung vom 30.01.2009
teilgenommen und dort Widerspruch gegen die streitgegenständlichen Beschlussfassungen eingelegt.
5
2. Beklagte - Umwandlung
6
a) Die börsennotierte Beklagte ist eine europäische Aktiengesellschaft (SE). Sie ist durch Umwandlung aus der P. AG hervorgegangen, die ein
Unternehmen zur Herstellung von Sportwagen betrieben hat (nachfolgend einheitlich als Beklagte bezeichnet). Die Umwandlung ist am
13.11.2007 im Handelsregister eingetragen worden. Im Zuge der Umwandlung wurde der operative Geschäftsbetrieb auf die P.
Vermögensverwaltungs AG ausgegliedert, die zugleich in P. AG umfirmierte und eine hundertprozentige Tochter der Beklagten ist. Die Beklagte
hält außerdem mittlerweile knapp 51 % der Aktien der V. AG (dazu i.E. unten).
7
Zum Gegenstand des Unternehmens bestimmt § 2 der Satzung der Beklagten (Bl. III 478 ff):
8
(1) Gegenstand des Unternehmens ist die Leitung von Unternehmen und die Verwaltung von Beteiligungen an Unternehmen, die
insbesondere in folgenden Geschäftsfeldern tätig sind:
9
- Entwicklung, Konstruktion, Herstellung und Vertrieb von Fahrzeugen, Motoren aller Art und anderen technischen Erzeugnissen sowie von Teilen und
Baugruppen für die genannten Produkte;
- Beratung auf dem Gebiet der Entwicklung und Fertigung, insbesondere im Bereich des Fahrzeug- und Motorenbaus;
- Beratung und Entwicklung der Datenverarbeitung sowie die Erstellung und der Vertrieb von Erzeugnissen der Datenverarbeitung;
- Vermarktung von Waren unter Nutzung von Markenrechten;
- Erbringen von Finanzdienstleistungen.
10
Die Tätigkeit des Unternehmens umfasst insbesondere den Erwerb, das Halten und Verwalten sowie die Veräußerung von
Beteiligungen an solchen Unternehmen, deren Zusammenfassung unter einheitlicher Leitung sowie deren Unterstützung und
Beratung einschließlich der Übernahme von Dienstleistungen für diese Unternehmen.
11
(2) Die Gesellschaft kann in den genannten Geschäftsfeldern auch selbst tätig werden. Dies gilt nicht für genehmigungsbedürftige
Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen.
12
(3) Die Gesellschaft ist berechtigt, alle Geschäfte vorzunehmen und alle Maßnahmen zu ergreifen, die mit dem Zweck des
Unternehmens zusammenhängen oder ihm unmittelbar oder mittelbar förderlich erscheinen. Sie kann dazu auch im In- und Ausland
Zweigniederlassungen errichten, andere Unternehmen gründen, erwerben oder sich an solchen Unternehmen beteiligen.
13
b) Das Grundkapital der Beklagten beträgt EUR 175.000.000. Es ist in 87.500.000 Stammaktien, ursprünglich gehalten von Mitgliedern der
Familien P. und Pi., sowie 87.500.000 börsennotierte Vorzugsaktien eingeteilt.
14
c) Anlässlich der Umwandlung wurden die Vorstandsmitglieder der AG Herr Dr. W. und Herr H. zu Vorständen der SE und zugleich der operativ
tätigen Tochtergesellschaft P. AG bestellt. Die übrigen Vorstandsmitglieder wechselten vollständig zum Vorstand dieser Tochter, wobei keine
Neuregelungen bezüglich ihrer Anstellungsverträge erfolgten.
15
Vor der Umwandlung der Beklagten in eine SE hatte der Aufsichtsrat zuletzt am 15.11.2006 über eine weitere Bestellung von Herrn Dr. W. zum
Vorstand bis 30.09.2012 beschlossen und es wurde am 19.12.2006 ein entsprechender Anstellungsvertrag mit Festlegung der
Vergütungsregelung bis zu diesem Zeitpunkt geschlossen. Im Hinblick auf die beabsichtigte Umwandlung beschloss der zuständige
Präsidialausschuss des Aufsichtsrats der Beklagten am 24.07.2007, dass die Vergütung künftig zwischen der Beklagten und der AG aufgeteilt
werden solle; entsprechende Anstellungsverträge mit beiden Gesellschaften, die gegenüber der Vereinbarung vom 19.12.2006 keine
inhaltliche Änderung zur Vergütungshöhe mit sich brachten, wurden um den 05.09.2007 geschlossen.
3.
16
a) Herr Dr. W. war seit 1991 Vorstandsmitglied der Beklagten. Im Jahr 1993 wurde er erstmals zum Vorstandsvorsitzenden der Beklagten
bestellt. Die Beklagte befand sich damals in einer existenzbedrohenden Krise, in den vorausgegangenen Geschäftsjahren hatte sie lediglich
Verluste geschrieben. Herr Dr. W. übernahm die persönliche Haftung für Verbindlichkeiten der Beklagten; Näheres dazu ist nicht vorgetragen.
Im Gegenzug wurde ihm durch die Vereinbarung einer Gewinnbeteiligung die Chance gewährt, an künftigen Erfolgen zu partizipieren,
nachdem eine angedachte Übertragung von Stammaktien auf Herrn Dr. W. nicht von allen Inhabern der Stammaktien unterstützt wurde.
17
Dem Vorstand gelang in den folgenden Jahren mit einer umfangreichen Restrukturierung des Unternehmens und erheblicher
Produktivitätssteigerung durch Konzentration der Produktpalette, Änderung der Hierarchien, Auslagerung von Arbeitsvorgängen ein Turn-
Around. Dazu trugen auch Maßnahmen des 1996 als Finanzvorstand in den Vorstand eingetretenen Herrn H. bei, u.a. zur Sicherung vor
Währungsrisiken. Die Beklagte wurde bis 2005 zum weltweit profitabelsten Fahrzeughersteller.
18
Das Konzernergebnis der Beklagten erreichte im Geschäftsjahr 1995/1996 einen Betrag von EUR 28 Mio. und stieg in den Folgejahren weiter
an. Im Geschäftsjahr 2003/2004 betrug es erstmals mehr als EUR 1 Mrd., erreichte 2004/2005 EUR 1,24 Mrd., 2005/2006 EUR 2,11 Mrd. und
2006/2007 EUR 5,86 Mrd. (vgl. Übersicht „P.-Konzern in Zahlen“ im Geschäftsbericht 2007/2008, Anl. I B 3).
19
Auch der Börsenkurs der Beklagten entwickelte sich in diesem Zeitraum positiv. Der Wert von Vorzugsaktien lag in den Jahren 1992/1993 bei
ca. EUR 20 bis EUR 30 und hätte ohne Berücksichtigung zwischenzeitlicher Aktiensplits zum Zeitpunkt der Hauptversammlung vom 30.01.2009
ca. EUR 4.000 betragen.
20
Seit Verlassen der Verlustzone hat die Beklagte bis einschließlich des Geschäftsjahrs 2007/2008 Dividenden von insgesamt EUR 1,657 Mrd.
ausgeschüttet, für dieses Geschäftsjahr hat die Hauptversammlung vom 30.01.2009 die Ausschüttung von ca. EUR 473 Mio. beschlossen (s.u.
5.).
21
b) Im Geschäftsjahr 2007/2008 belief sich das Vorsteuerergebnis des Konzerns der Beklagten nach dem gemäß den IFRS-Standards erstellten
Konzernabschluss der Beklagten im Geschäftsjahr 2007/2008 auf EUR 8.569 Mrd., der Konzern-Jahresüberschuss nach Steuern erreichte EUR
6,932 Mrd. (Geschäftsbericht S. 17 und 122, Anl. I B 3).
22
Dazu trugen Erträge aus Kurssicherungsgeschäften im Hinblick auf V.-Aktien mit EUR 6,834 Mrd. bei, das operative Ergebnis vor Steuern lag
bei EUR 1 Mrd. (Geschäftsbericht a.a.O. S. 17). Der auf die V.-Beteiligung entfallende Ergebnisanteil betrug ebenfalls ca. EUR 1 Mrd
(Geschäftsbericht a.a.O. S. 17, 148). Das Eigenkapital nach der Konzernbilanz belief sich auf EUR 16.846.286.000 (Geschäftsbericht a.a.O. S.
123).
23
Im Einzelabschluss nach HGB wurde ein Jahresüberschuss der Beklagten von EUR 4.380.000.000, nach Einstellung der Hälfte in die
Gewinnrücklagen ein Bilanzgewinn von EUR 2.190.000.000 ausgewiesen (Geschäftsbericht 2007/2008, Anl. II B 1, S. 200 ff), über dessen die
Verwendung die Hauptversammlung unter TOP 2 zu entscheiden hatte. Die Gewinnrücklagen betrugen danach EUR 6.974.003.000, das
Eigenkapital belief sich auf EUR 9.460.972.000 (Geschäftsbericht a.a.O.).
24
c) Die Steigerung des Konzernergebnisses im Geschäftsjahr 2007/2008 gegenüber dem Vorjahr um 46 % (vor Steuern) bzw. 51 % (nach
Steuern) beruht unstreitig vor allem auf Sondereinflüssen im Zusammenhang mit dem Aufbau der Beteiligung an der V. AG (nachfolgend kurz
V.). Schon der Ergebnisanstieg seit dem Geschäftsjahr 2005/2006 ist auch darauf zurückzuführen, dass die Beklagte ab 2005 begann, eine
Beteiligung an V. aufzubauen und dort schließlich die Mehrheit des stimmberechtigten Kapitals zu erlangen. Bereits seit 1998 kooperierten die
Beklagte und V. in den Bereichen Entwicklung und Herstellung verschiedener Fahrzeugmodelle. Diese Zusammenarbeit wurde seit Beginn der
Beteiligung der Beklagten an V. intensiviert.
25
Die Beklagte erwarb im September 2005 eine Beteiligung in Höhe von ca. 10,26 % der V.-Stammaktien und erhöhte die Beteiligung in der
Folgezeit Schritt für Schritt. Die Entscheidung der Beklagten, die Mehrheit der stimmberechtigten Aktien von V. zu erwerben, fiel am 03.03.2008.
In den ersten vier Monaten des Geschäftsjahrs 2008/2009 stieg die Beteiligung von 30,3 % auf 42,6 % an (Zwischenmitteilung vom 30.11.2008,
Anl. II K 6) und sie wurde in der Folgezeit weiter ausgebaut.
26
Ab 2005 begann die Beklagte auch mit dem Aufbau einer (von der Beklagten) sog. synthetischen Optionsstrategie, wozu auf Barausgleich
(„cash settlement“) gerichtete Call- und Put-Optionen auf V.-Aktien abgeschlossen wurden.
27
Im Laufe des Jahres 2008 stieg der Börsenkurs der V.-Stammaktie stark an. Mitte Oktober 2007 sprang der Kurs kurzfristig von 200 EUR auf
über 400 EUR, um dann wieder auf unter 200 EUR zu fallen. Der Schlusskurs vom Freitag, dem 24.10.2008 betrug EUR 210,85 (Chart, Anl. II B
8). Die Beklagte gab daraufhin in einer Pressemitteilung vom Sonntag, 26.10.2008, bekannt (Anl. II K 4 = Anl. II B 6):
28
Aufgrund der dramatischen Verwerfungen auf den Finanzmärkten hat sich die P. Automobil Holding SE, S., am Wochenende
entschlossen, ihre Aktien und Kurssicherungspositionen im Zusammenhang mit der Übernahme der V. AG, W., offen zu legen.
Demnach hält die P. SE am Ende der vergangenen Woche 42,6 Prozent der V. Stammaktien sowie zusätzlich 31,5 Prozent cash
gesettelte Optionen auf V. Stammaktien zur Kurssicherung, was in der Summe einen Betrag von 74,1 Prozent ergibt. Bei Auflösung
dieser cash gesettelten Optionen erhält P.die Differenz zwischen dem dann aktuellen V. Kurs und dem darunter liegenden
Absicherungskurs (dem sogenannten "Strike") ausbezahlt. Die V. Papiere werden zum jeweils aktuellen Kurs gekauft.
29
Zielsetzung ist, sofern die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen, im Jahr 2009 auf 75 Prozent aufzustocken und damit den
Weg für einen Beherrschungsvertrag frei zu machen. An dem Fahrplan, noch im November/Dezember 2008 die 50 Prozent Hürde bei
V. zu nehmen, wird unverändert festgehalten.
30
P. hat sich zu dieser Bekanntgabe entschlossen, nachdem offenkundig geworden ist, dass deutlich mehr Shortpositionen im Markt sind
als erwartet. Die Offenlegung soll deshalb den sogenannten Shortsellern - also Finanzinstituten, die auf einen fallenden V. Kurs
gewettet haben oder noch wetten - Gelegenheit geben, ihre Positionen in Ruhe und ohne größeres Risiko aufzulösen.
31
Hinzu kommt, dass nach Presseberichten vom Wochenende die EU Kommission schon in überschaubarer Zukunft die von der
Bundesregierung geplante Neuauflage des V. Gesetzes als europarechtswidrig einstufen wird. Es ist zu erwarten, dass in der Folge
eine erneute Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingereicht wird.
32
Auch die Tatsache, dass sich die P. Eigentümerfamilien P. und Pi. geschlossen und uneingeschränkt hinter das Vorgehen der P. SE
Vorstände Dr. W. und H. stellen, bestärkte den jetzt erfolgten Schritt zur Offenlegung. Wie berichtet, haben sich vergangene Woche die
Familien eindeutig für eine Beherrschung des V. Konzerns durch P. ausgesprochen.
33
Die Mitteilung führte dazu, dass der Kurs der V.-Stammaktie weiter stark anstieg bis auf EUR 1.005,01 am 28.10.2008 (Chart, Anl. II B 8). Dies
wird vor allem darauf zurückgeführt, dass Shortseller sich wegen erheblicher Leerverkäufe mit V.-Aktien eindecken mussten.
34
In der Pressemitteilung vom 29.10.2008 erklärte die Beklagte daraufhin u.a. (Anl. II K 5 = II B 10):
35
Um weitere Kursturbulenzen und daraus resultierende Folgen für die beteiligten Akteure zu vermeiden, beabsichtigt die P. SE - je nach
Marktlage - Kurssicherungsgeschäfte in Höhe von bis zu fünf Prozent der V.-Stammaktien aufzulösen. Das kann dazu führen, dass sich
die Liquidität der V.-Stammaktie erhöht.
36
Eine Verantwortung für das Kursgeschehen wies sie in dieser Pressemitteilung, auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen
wird, zurück.
37
Am 05.01.2009 erwarb die Beklagte weitere V.-Stammaktien, sie hielt nunmehr 50,76 % des stimmberechtigten Kapitals von V.
(Pressemitteilung vom 05.01.2009, Anl. II B 7).
38
d) Vorstandsvergütung
39
Die Vorstandsbezüge betrugen im Geschäftsjahr 2007/2008 unstreitig EUR 143,5 Mio., davon erfolgsabhängig EUR 139,5 Mio.
40
Dazu ist im Geschäftsbericht auf S. 19 ausgeführt (Anl. I B 3):
41
Vergütungsbericht
42
Die Vergütung des Vorstands enthält als Elemente feste und variable Bezüge. Ferner bestehen Zusagen für den Fall der
Mandatsbeendigung in Form von Ruhegeldzusagen. Nähere Einzelheiten sind im Konzernanhang unter Anmerkung [38] „Bezüge des
Aufsichtsrats und des Vorstands“ angegeben.
43
Diese Anmerkung [38] im Konzernhang, Seite 194 (a.a.O. = Anl. I K 2), lautet:
44
[38] Bezüge des Aufsichtsrats und des Vorstands
45
Die Bezüge des Vorstandes bestehen aus einer Grundvergütung und einem vom Ergebnis abhängigen variablen Teil. Die Bezüge des
Vorstandes sind ausschließlich kurzfristig fällig und betrugen für das Geschäftsjahr 2007/08 143,5 Mio. EUR (Vorjahr: 112,7 Mio. EUR).
Hierin enthalten sind erfolgsbezogene Komponenten in Höhe von 139,5 Mio. EUR (Vorjahr: 107,3 Mio. EUR). Dabei sind jeweils
zeitanteilig auch die Vergütungen der vier Vorstände berücksichtigt, deren Anstellungsverträge am 13. November 2007 auf die P.
Aktiengesellschaft übergegangen sind. Darüber hinaus wurden den Pensionsrückstellungen für aktive Mitglieder des Vorstands TEUR
3.298 (Vorjahr: TEUR 2.824) zugeführt. (…)
46
In der Entsprechenserklärung gem. § 161 Satz 1 AktG (Geschäftsbericht S. 28 ff, a.a.O. = Anl. I K 6) wird ausgeführt, dass den Empfehlungen der
Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex in den maßgeblichen Fassungen grundsätzlich mit im Einzelnen erwähnten
Ausnahmen entsprochen werde. So werde u.a. von einer Umsetzung der neuen Empfehlungen in Ziffer 4.2.3 Absatz 4 und der darauf
aufbauenden Empfehlung in Absatz 5 des Deutschen Corporate Governance Kodex zur Offenlegung der Gesamtvergütung jedes einzelnen
Vorstandsmitglieds abgesehen (wegen der Einzelheiten wird auf die genannte Erklärung Bezug genommen). Entsprechende Beschlüsse hat
die Hauptversammlung der P. AG am 27.01.2006 und am 26.06.2007 gefasst.
47
Das Handelsblatt meldete am 27.11.2008, dass Herr Dr. W. dem Vernehmen nach als erfolgsabhängige Vergütung im fraglichen Geschäftsjahr
rund 0,9 % des Vorsteuerergebnisses, mithin ca. 77,4 Mio. EUR erhalten habe (Anl. I K 4). Die Klägerin zu 1 macht sich dies mit ihrem Vortrag
zu eigen. Die Beklagte nimmt ausdrücklich auch im Rechtsstreit nicht zur individuellen Höhe seiner Vergütung Stellung.
48
Herr Dr. W. erklärte zu seiner Vergütung auf der Hauptversammlung vom 30.01.2009:
49
Es ist in der Tat richtig, ich werde gut bezahlt. Das liegt ganz einfach an der Tatsache, dass mein Gehalt ebenso wie das meiner
Vorstandskollegen an das Ergebnis gekoppelt ist. Diese Vergütungsregel hat der Aufsichtsrat getroffen, weil ich persönlich 1994 bei
der damals anstehenden Kapitalerhöhung mit meinem Privatvermögen gehaftet habe. Das war kein leichter Schritt, da es dem
Unternehmen damals, wer sich daran erinnert, wirklich nicht gut ging. Aber ich habe als Unternehmer gehandelt und nicht als
Manager. (…)
50
Der Aufsichtsratsvorsitzende teilte auf der Hauptversammlung vom 30.01.2009 zur Zusammensetzung und Berechnung der
Vorstandsvergütungen mit:
51
Bei der Gesamtvergütung des SE-Vorstands ist die variable Komponente an das Ergebnis der Geschäftstätigkeit auf Konzernebene
geknüpft, ist also eine betriebswirtschaftliche Ergebnisgröße. Umsatz oder Anzahl verkaufter Automobile sind nicht entscheidend. Eine
Deckelung der Vergütung ist nicht vorgesehen. Sie hatten ja bereits selbst auf die Historie der Vergütung hingewiesen. Die aktuelle
Vorstandsvergütung kann nicht losgelöst von der Vergütungssituation der Vergangenheit betrachtet werden.
52
Und:
53
Rechtliche Grundlage für die Vergütungsregelung sind die Vorstandsverträge. Die variablen Vergütungsbestandteile knüpfen an
Ergebnisgrößen, nicht aber an Umsatz oder Anzahl der verkauften Automobile an.
54
4. Hauptversammlung 30.01.2009
55
a) Die Einberufung der Hauptversammlung vom 30.01.2009 mit Tagesordnung und Beschlussvorschlägen wurde am 11.12.2008 im
elektronischen Bundesanzeiger bekannt gemacht (Anl. I/II K 1). Der Geschäftsbericht zum Geschäftsjahr 2007/2008 (teilweise Anl. I B 3;
vollständig Anl. II B 1) konnte von den Aktionären kostenlos angefordert oder von der Homepage der Beklagten heruntergeladen werden, er lag
vor der Hauptversammlung zur Einsicht aus.
56
b) Neben der notariellen Niederschrift (auszugsweise in Anl. I B 1, vollständig in Anl. II B 2) hat die Beklagte auch ein stenographisches
Wortprotokoll der Hauptversammlung vom 30.01.2009 anfertigen lassen (auszugsweise in Anl. I B 2, vollständig in Anl. II B 3, hier abgekürzt
„WP“).
57
c) Zu Beginn der Hauptversammlung vom 30.01.2009 legte der Versammlungsleiter fest, dass Bild- und Tonaufzeichnungen im
Versammlungsraum nicht gestattet sind (Notarielle Niederschrift S. 7, Anl. II B 2). Der Vorstandsvorsitzende Herr Dr. W. erstattete seinen Bericht
zum abgelaufenen Geschäftsjahr und den anstehenden Gegenständen der Tagesordnung, wobei er auch auf die Beteiligung an V. und die in
dem Zusammenhang abgeschlossenen Optionsgeschäfte einging (Stenografisches Wortprotokoll, S. 31 f, Anl. II B 3).
58
Die anschließende Generaldebatte dauerte über sieben Stunden, Aktionäre stellten über 500 Fragen, davon eine Vielzahl mit Bezug auf den
Beteiligungserwerb bei V. und die von der Beklagten in dem Zusammenhang getätigten Kurssicherungsgeschäfte. Der Vertreter der
Klägerinnen, Rechtsanwalt Dr. We. stellte dabei nach Zählung der Beklagten 58 Fragen einschließlich Unterfragen zu über 80 verschiedenen
Einzelaspekten. Er machte sich darüberhinaus „alle Fragen aller anderen Aktionäre, die heute gestellt worden sind,“ zu eigen (Stenografisches
Wortprotokoll, S. 166, Anl. II B 3; Notarielles Protokoll, S. 11, Anl. II B 2). Er kündigte ferner im Rahmen seines ersten Redebeitrags an,
Widerspruch gegen sämtliche Beschlussfassungen einlegen zu wollen (Stenografisches Wortprotokoll, S. 175, Anl. II B 3; notarielles Protokoll,
S. 11, Anl. II B 2).
59
Antworten auf die Aktionärsfragen wurden von Vorstands- oder Aufsichtsratsmitgliedern blockweise gegeben (Notarielles Protokoll, S. 11 ff, Anl.
II B 2).
60
Gegen Ende der Generaldebatte gab der Versammlungsleiter bekannt (Notarielles Protokoll, S. 12, Anl. II B 2),
61
dass die Aktionäre und Aktionärsvertreter Gelegenheit haben, die gestellten und ihrer Meinung nach nicht beantworteten Fragen zur
Niederschrift des Notars zu erklären.
62
Auf seine entsprechende Frage wurden keine weiteren Wortbeiträge gewünscht, er schloss die Generaldebatte um 19.05 Uhr. Anschließend
übergaben der Redner Herr B., zugleich in Vertretung des Redners Herr L., sowie Herr Dr. We., dieser auch für den Redner Herr Dr. Wa., dem
Notar zum Protokoll schriftliche Kataloge von Fragen, die ihrer Ansicht nach nicht oder nicht ordnungsgemäß beantwortet waren (Anl. 2 zum
notariellen Protokoll, Anl. II B 2). Hierbei erklärte Herr Dr. We. nochmals, er mache sich für die von ihm vertretenen Aktionäre die Fragen aller
anderen Aktionäre zu eigen, insbesondere die Fragen, die von Herrn B. und Herrn L. als nicht im erforderlichen Umfang beantwortet zur
Protokollierung gegeben wurden (Anl. 2 zum notariellen Protokoll, S. 2, Anl. II B 2).
63
d) Auf der Hauptversammlung vom 30.01.2009 wurden die streitgegenständlichen wie auch alle übrigen Beschlüsse mit den Stimmen der
jeweils stimmberechtigten Stammaktionäre einstimmig gefasst. Das gilt auch für den Gewinnverwendungsbeschluss unter Tagesordnungspunkt
2; vom Bilanzgewinn in Höhe von EUR 2.190.000.000 wurden danach Dividenden in Höhe von EUR 2,694 je Stammaktie und von EUR 2,70 je
Vorzugsaktie, insgesamt EUR 472.975.000 ausgeschüttet, der Rest in die Gewinnrücklagen eingestellt (Notarielle Niederschrift, Anl. I B 1, S. 14
f; vgl. auch Geschäftsbericht 2007/2008, S. 39, Anl. I B 3).
64
Über die Entlastung von Vorstand (TOP 3) und Aufsichtsrat (TOP 4) wurde jeweils en bloc abgestimmt, wobei sich die Beschlüsse sowohl auf
die bis zum Wirksamwerden der Umwandlung in eine SE am 13.11.2007 amtierenden Organmitglieder der Dr.Ing.h.c. F. P. AG als auch auf die
Organmitglieder der Beklagten als SE bezogen (Notarielle Niederschrift, Anl. I B 1, S. 15 ff). Unter TOP 5 wurden einzeln die
Anteilseignervertreter des Aufsichtsrats neu gewählt, deren Amtszeit mit der Ablauf der Hauptversammlung endete (a.a.O. S. 17 ff). Mit dem
Beschluss nach TOP 6 wurde die Vergütung des ersten Aufsichtsrats der SE entsprechend dem Vorschlag in der Tagesordnung festgesetzt
(a.a.O. S. 21).
65
Die Kläger, beide auf der Hauptversammlung vertreten durch Herrn Dr. We., den Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu 2, haben bereits vor
der Abstimmung gegen die Beschlussfassungen zu allen Tagesordnungspunkten Widerspruch zur Niederschrift eingelegt (notarielles Protokoll,
S. 24 und Anl. 2, S 2; Anl. II B 2).
66
B - Anfechtungsgründe Komplex 1: Rechtsverstöße bei Vorstandsvergütung
67
I. Vorbringen der Klägerin zu 1
68
Die Klägerin zu 1 ist der Auffassung, die unter den Tagesordnungspunkten 3 und 4 gefassten Entlastungsbeschlüsse seien anfechtbar, weil die
Organe bei der Regelung der Vorstandsvergütung schwerwiegend gegen aktienrechtliche Vorschriften verstoßen hätten.
1.
69
Die Vergütungsregelung zumindest für den Vorstandsvorsitzenden Herrn Dr. W. verstoße gegen § 292 AktG, weil sie als
Teilgewinnabführungsvertrag der Zustimmung der Hauptversammlung bedürfe, an der es fehle. Die Ausnahmeregelung nach § 292 Abs. 2 AktG
sei nicht anwendbar. Sie erfasse nur übliche Tantiemevereinbarungen. Nach den Äußerungen von Herrn Dr. W. auf der Hauptversammlung zu
den Vorgängen in 1994 sei die ihm von den Familien P. und Pi. garantierte Gewinnbeteiligung nicht als übliche Tantiemeregelung, sondern als
Gegenleistung für die Übernahme der persönlichen Haftung als Unternehmer im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung anzusehen. Eine
solche Gegenleistung betreffe nicht die Tätigkeit als Vorstand und sei deshalb nicht im Rahmen einer Vorstandsvergütung abzugelten, sondern
als Teilgewinnabführungsvereinbarung wie unter Dritten zustimmungspflichtig. Es habe sich auch deshalb nicht um eine übliche
Vorstandsvergütung handeln können, weil deren Festlegung in die Zuständigkeit des Aufsichtsrats falle und die Familien eine
Gewinnbeteiligung nicht hätten zusagen können. Dies sei ohne Zustimmung der Hauptversammlung nichtig. Daran ändere es auch nichts,
wenn der Aufsichtsrat alle fünf Jahre die „Garantie“ der Familie im Dienstvertrag verlängert hätte, denn darin liege eine Umgehung der
Hauptversammlungszuständigkeit, ein Missbrauch der Ausnahmeregelung des 292 Abs. 2 AktG und eine nach § 84 Abs. 5 AktG unzulässige
Vorabbindung des Aufsichtsrats. Wenn der Aufsichtsrat von einer solchen faktischen Bindung ausgegangen sei, liege ein
Ermessensnichtgebrauch und damit eine schwere Pflichtwidrigkeit des Aufsichtsrats vor.
70
Es handele sich auch um einen schweren Gesetzesverstoß, denn den handelnden Personen sei der Hintergrund und Zweck der 1994
getroffenen Abrede und damit die Tatsache bekannt gewesen, dass keine übliche Tantiemezusage als Gegenleistung für bloße
Vorstandstätigkeit bestehe.
71
Wegen dieses Eingriffs in die Organisationsverfassung der Beklagten seien die Regelungen zur Vorstandsvergütung mit dem Wesen der
Aktiengesellschaft nicht zu vereinbaren und die streitgegenständlichen Entlastungsbeschlüsse bereits nach § 241 Nr. 3 AktG nichtig.
2.
72
In der Klageschrift hat die Klägerin zu 1 ausgeführt, die Vorstandsvergütung zumindest für Herrn Dr. W. dürfte bereits sittenwidrig sein; erst recht
sei die vorgelagerte Ermessensgrenze der Angemessenheit überschritten (Bl. 6).
73
In ihrer Replik vom 19.08.2009 führt die Klägerin zu 1 zur Frage der Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB weiter aus, die von Herrn Dr. W. bezogene
Vergütung sei auch unter dem Gesichtspunkt der Äquivalenzstörung sittenwidrig, die sich als auffälliges Leistungsmissverhältnis darstelle.
Dieses sei anhand der üblichen Vergütung zu messen; die Klägerin führt dazu die von deutschen und europäischen Konzernvorständen
verdienten Vergütungen an. Die Vergütung verstoße gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden. Sie verweist auf
entsprechende Äußerungen von Politikern anlässlich der im Sommer 2009 für das Ausscheiden von Dr. W. gewährten Abfindung. Diese
Äußerungen würden das Meinungsbild der Bevölkerung sehr gut widerspiegeln.
3.
74
Erst recht sei die vorgelagerte Ermessensgrenze der Angemessenheit nach § 87 AktG überschritten. Vergleichsmaßstab sei die Marktüblichkeit.
Die maßlosen Vergütungen der Vorstände der Beklagten in den letzten Geschäftsjahren seien im Vergleich zu internationalen und nationalen
Wettbewerbern und zu sonstigen börsennotierten Großunternehmen in Deutschland nicht marktüblich. Auch die von Herrn Dr. W. auf der
Hauptversammlung angeführte Begründung, u.a. die seinerzeitige Haftungsübernahme, für die Vergütungshöhe begründe nicht die
Angemessenheit. Soweit die Gewinnbeteiligung damals mit Wirkung für die Zukunft vereinbart worden sein sollte, widerspreche dies auch dem
Verbot der Vorabbindung über 5 Jahre hinaus nach § 84 AktG. Der Aufsichtsrat habe auch nicht erläutert, ob und inwieweit er ein Ermessen
überhaupt ausgeübt habe. Unüblich und unangemessen sei die Vergütung, weil sie alleine auf das Ergebnis und nicht auf das operative
Geschäft abstelle, ferner weil aktienrechtswidrig eine Höchstgrenze fehle. Damit würden ohne jeden Bezug zum operativen Geschäft
Fehlanreize gesetzt, über den eigentlichen Unternehmensgegenstand hinaus durch Spekulationen Buchgewinne zu kreieren und damit im
Verhältnis zum satzungsmäßigen Geschäftszweck unvertretbare Risiken einzugehen. Die Zahlung einer Vergütung von EUR 80 Mio. EUR an
Herrn Dr. W. bezogen auf einen bloßen Buchgewinn aus Spekulationsgewinnen ohne Mittelzufluss sei evident unangemessen. Den
erfolgsabhängigen Vergütungen der Vorstände im Geschäftsjahr 2007/2008 lägen überwiegend lediglich und keine nachhaltig
eingenommenen und verdienten Gewinne zugrunde. Es habe sich mittlerweile erwiesen, dass die Gewinne nicht nachhaltig gewesen seien
und nur auf der Bewertung dubioser Finanzinstrumente beruht hätten. Durch die Optionsgeschäfte habe sich die Beklagte nicht lediglich die
Möglichkeit zum künftigen Erwerb weiterer Aktien zu gesicherten Kursen erworben. Heute stehe fest, dass durch die Put-Optionen faktische
Kaufverpflichtungen und verdeckte Verbindlichkeiten in Milliardenhöhe begründet worden seien, die in der Bilanz nicht aufgetaucht seien.
Diese verdeckten Verbindlichkeiten hätten über Optionsprämien ernorme Kosten verursacht. Der Vorstand der Beklagten habe sich verzockt,
die Beklagte habe nicht nur die Übernahmepläne aufgeben müssen, sondern sei Ende März Medienberichten zufolge kurz vor der Insolvenz
gestanden, die nur durch einen Notkredit von V. übergangsweise habe abgewendet werden können. Auch jetzt sei die Beklagte ohne fremde
Hilfe nicht überlebensfähig – ein vollständiger Verkauf an V., eine Kapitalerhöhung mit Verwässerung der Vorzugsaktionäre, ein Engagement
von Katar und eine anschließende Rettungsfusion mit V. seien erforderlich geworden. Werte seien vernichtet worden. Der Buchgewinn falle
deshalb bei realistischen Zahlen in sich zusammen; die Klägerin zu 1 verweist auf eine Gewinnwarnung der Beklagten vom 29.07.2009 (Anl. I K
13).
75
Dass die Vergütung wegen des hohen Marktwerts der Vorstände und ihrer starken Verhandlungsmacht habe gewährt werden müssen, sei von
der Beklagten nur abstrakt behauptet und mit Nichtwissen zu bestreiten. Dies erscheine auch ausgeschlossen, nachdem die Vergütungen bei
allen anderen europäischen Großkonzernen nur einen Bruchteil der von der Beklagten gewährten Vergütung ausmachten.
76
Die frühere Übernahme von Risiken im Jahr 1992, nicht aber in der laufenden Amtsperiode, rechtfertige die hohe Vergütung in dieser Periode
nicht. Spätestens im Zeitpunkt der Neubestellung 2007 hätte die Vergütungsstruktur angesichts der dem Aufsichtsrat bekannten und von ihm
gebilligten Derivatestruktur modifiziert werden müssen.
4.
77
Im Zusammenhang mit der Vorstandsvergütung sei auch gegen § 161 AktG verstoßen worden. Gegen die folgenden Regelungen in den
Empfehlungen der DCGK sei verstoßen worden, ohne diese Abweichung in der Erklärung nach § 161 AktG offenzulegen.
78
Ziff. 4.2.3. Abs. 2 Satz 2 DCGK sehe vor, dass variable Vergütungsbestandteile neben einmaligen und jährlich wiederkehrenden
erfolgsgebundenen Komponenten auch solche mit langfristiger Anreizwirkung und Risikocharakter enthalten solle. Daran fehle es bei der
Vergütungsregelung, die nach den Angaben des Aufsichtsratsvorsitzenden auf der Hauptversammlung alleine auf das Konzernergebnis
abstelle.
79
Die Vergütung von Dr. W. sei insgesamt unangemessen und verstoße deshalb gegen Ziff. 4.2.3. Abs. 2 Satz 3 DCGK. Dies müsse auch offen
gelegt werden, wenn bereits ein anderweitiger Gesetzesverstoß vorliege, der nicht zur Privilegierung bei der Offenlegungspflicht führen könne.
80
Das Fehlen einer Begrenzungsmöglichkeit verstoße gegen Ziff. 4.2.3 Abs. 3 Satz 4 DCGK, wonach für außerordentliche, nicht vorhersehbare
Entwicklungen der Aufsichtsrat eine Begrenzungsmöglichkeit (Cap) vereinbaren soll. Eine Anwendung dieser Vorschrift nur auf Vergütungen
mit langfristigen Anreizwirkungen ergebe sich weder aus dem Wortlaut noch dem Zweck der Vorschrift.
5.
81
Die Klägerin zu 1 führt schließlich in der Replik aus, Vorstand und Aufsichtsrat hätten zugelassen, dass ein Teilgewinnabführungsvertrag mit
Herrn Dr. W. ohne die erforderliche Einbindung der Hauptversammlung umgesetzt worden sei. Sie hätten keine Maßnahmen zur Herstellung
eines rechtmäßigen Zustands, mindestens nach § 87 Abs. 2 AktG ergriffen und keine Schadensersatzansprüche wegen Pflichtverletzungen
geltend gemacht. Entsprechendes gelte wegen der unangemessenen und sittenwidrigen Vorstandsvergütung. Der Aufsichtsrat wäre verpflichtet
gewesen, Auszahlungen auf Grundlage nichtiger Vergütungszusagen zu unterlassen und in den Vorjahren auf rechtswidriger Grundlage
gezahlte Leistungen zurück zu fordern. Der Vorstand habe gegen seine Pflicht verstoßen, Schadensersatzansprüche gegen die
verantwortlichen Aufsichtsratsmitglieder wegen deren Pflichtverletzungen durchzusetzen.
82
II. Vorbringen der Beklagten
83
Die Beklagte ist der Ansicht, die Entlastungsbeschlüsse seien weder anfechtbar noch nichtig. Eindeutige und schwerwiegende
Pflichtenverstöße der Organe, die alleine zur Anfechtbarkeit führten, seien nicht gegeben.
1.
84
Es fehle in Bezug auf die Vergütungsregelungen schon an einem Handeln von Aufsichtsrat und Vorstand im Geschäftsjahr 2007/2008, auf das
sich die Entlastung beziehe.
85
Die letzte materielle Regelung für die Vorstandsvergütung von Herrn Dr. W. sei im Jahr 2006 getroffen worden, mit den Vereinbarungen vom
September 2007 sei keine neue Festlegung der Vergütung geregelt worden.
86
Dass es an einem Aufsichtsratshandeln im Geschäftsjahr 2007/2008 fehle, gelte auch für die Vorstandsmitglieder, die in Folge der
Ausgliederung des operativen Geschäfts ab 13.11.2007 bei der P. AG angestellt gewesen seien.
2.
87
Unabhängig davon liege ein Verstoß gegen §§ 292 Abs. 1 Nr. 2, 293 Abs. 1 Satz 1 AktG nicht vor. Die Vergütungsregelungen seien nach § 292
Abs. 2 AktG keine Teilgewinnabführungsverträge und deshalb nicht der Zustimmung der Hauptversammlung bedürftig. Diese
Ausnahmeregelung sei rein personenbezogen, nicht auf „übliche“ Vergütungsvereinbarungen beschränkt und auch nicht quantitativ begrenzt.
Die mit Herrn Dr. W. getroffene Vereinbarung über eine Gewinnbeteiligung sei auch nichts Unübliches, sondern der Normalfall. Die Motivation
des ausschließlich zuständigen Aufsichtsrats für die Vergütungsregelung sei alleine an § 87 AktG zu messen, sie spiele für die Qualifikation
nach § 292 Abs. 2 AktG ebenso wenig eine Rolle wie die Höhe der vereinbarten Gewinnbeteiligung. Die erfolgsabhängige Vergütung des
Gesamtvorstands im Geschäftsjahr 2007/2008 betrage nur ca. 1,6 % des Vorsteuerergebnisses auf Konzernebene und erfasse also keinen
erheblichen Teil des Gewinns.
88
Selbst wenn die Rechtslage anders beurteilt würde, handele es sich angesichts der klaren Zuständigkeitsregelung in § 87 AktG und des
völligen Fehlens von Rechtsprechung und Literatur hierzu an einem eindeutigen und schwerwiegenden Pflichtenverstoß, der Voraussetzung für
die Anfechtbarkeit sei.
89
Auch ein Nichtigkeitsgrund ergebe sich hier nicht. Die Entlastungsbeschlüsse seien im Hinblick auf § 120 AktG mit dem Wesen der
Aktiengesellschaft vereinbar, ebenso die Vereinbarung einer nach § 292 Abs. 2 AktG privilegierten Gewinnbeteiligung.
3.
90
Selbst wenn man unterstelle, dass der Aufsichtsrat im für die Entlastung maßgeblichen Geschäftsjahr 2007/2008 eine relevante Entscheidung
getroffen habe, fehle es an einem eindeutigen und schwerwiegenden Pflichtenverstoß im Hinblick auf § 87 Abs. 1 AktG.
91
Das Angemessenheitsgebot beziehe sich auf den Zeitpunkt der Festsetzung. In die Abwägung seien die anvertrauten Aufgaben einzustellen.
Besonders schwierige Aufgaben, die Übernahme von Risiken und besondere Leistungen könnten eine höhere, auch überdurchschnittliche
Vergütung rechtfertigen. Angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung der Beklagten seit Mitte der 90er-Jahre sei deutlich, dass sich die
Leistungen des Managements der Beklagten, insbesondere der Herren Dr. W. und H., von den Leistungen der Wettbewerber abhebe. Diese
Entwicklung sei nicht nur Ausdruck der besonderen Qualifikation der Vorstandsmitglieder, sondern begründe auch ihren sehr hohen Marktwert
und damit ihre starke Verhandlungsposition, was bei der Festlegung der Höhe der Vergütung zu berücksichtigen sei. Eine Obergrenze sei dafür
in § 87 Abs. 1 AktG nicht vorgesehen und auch nach dem DCGK nur bei variablen Vergütungskomponenten mit langfristiger Anreizwirkung und
Risikocharakter wie Aktienoptionsplänen vorgesehen, über die die Beklagte nicht verfüge. Das Fehlen einer Kappungsgrenze im
Anstellungsvertrag sei nicht begründungsbedürftig. Es könne nicht per se unzulässig sein, dass sich bei einer außerordentlichen
Ergebnissteigerung und damit Erhöhung des Vermögens der Aktionäre auch die Gewinnbeteiligung außerordentlich erhöhe.
92
Der dem Aufsichtsrat unter Berücksichtigung von § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG zustehende breite Ermessensspielraum bei der Festsetzung der
Vergütung - soweit eine solche im Geschäftsjahr 2007/2008 überhaupt erfolgt sei – sei nicht überschritten. Eine Gewinnbeteiligung als
Bestandteil der Vorstandsvergütung sei grundsätzlich zulässig. Eine Differenzierung danach, ob sie an das operative Ergebnis oder an das
Gesamtergebnis anknüpfe, werde nirgends gefordert und eine Beschränkung auf Ersteres sei insbesondere bei einer Holdingsgesellschaft wie
der Beklagten nicht gerechtfertigt.
93
Aus der Höhe der variablen Gesamtvergütung von EUR 143,5 Mio. im Geschäftsjahr 2007/2008 ergebe sich kein Verstoß gegen § 87 AktG. Die
gestiegene Gewinnbeteiligung spiegele die ganz ungewöhnlich erfolgreiche Ertrags- und Unternehmensentwicklung der Beklagten unter
Leitung ihrer Vorstandmitglieder Dr. W. und H. wieder.
94
Die Erträge aus Kurssicherungsgeschäften durch Optionen beruhten auch ganz überwiegend auf realisierten Erträgen aus
Ausgleichszahlungen und nicht wie von der Klägerin zu 1 unterstellt auf Buchgewinnen. Zweck der Kurssicherungsgeschäfte sei auch nicht
Spekulation und Gewinnerzielung gewesen, sondern der Beklagten habe die Möglichkeit erhalten werden sollen, die V.-Beteiligung zu
wirtschaftlich abgesicherten Konditionen erhöhen zu können.
95
Zur Erhaltung und Stärkung der Werthaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit der Beklagten durch Aufbau der V.-Beteiligung ohne Kapitalzufuhr
durch die Aktionäre kämen als zu berücksichtigender Umstand hinzu die hohen Dividendenausschüttungen der Beklagten in den letzten Jahren
mit entsprechender Wertschöpfung bei den Aktionären.
96
Das Prinzip der Partizipation an Chancen und Risiken sei insbesondere bei Herrn Dr. W. über die Jahre unverändert geblieben und so sei
seine Vergütung in den schlechteren Jahren verhältnismäßig gering ausgefallen, was in die Ermessensentscheidung des Aufsichtsrats über die
Höhe und das Weglassen einer Kappungsgrenze mit einfließen könne.
97
Nicht ermessensfehlerhaft sei die Aufsichtsratsentscheidung auch unter dem Aspekt der finanziellen Leistungsfähigkeit der Beklagten, nachdem
der Bestand oder die dauerhafte Rentabilität der Gesellschaft durch die Zahlung der Vorstandsvergütung nicht gefährdet gewesen seien.
98
Selbst wenn die Unvereinbarkeit der Vergütungsregelung mit § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG unterstellt würde, liege darin kein eindeutiger und
schwerer Gesetzesverstoß, weil dafür keine Ansätze in der Rechtsprechung erkennbar gewesen seien, das Vergütungssystem nicht zu einer
Verschlechterung der Lage der Beklagten geführt habe und sich in der Literatur maßgebliche Stimmen für die Zulässigkeit variabler
Gewinnbeteiligungen ohne Deckelung ausgesprochen hätten.
99
Im Hinblick auf die ins Einzelne gehende Darlegung dieser Umstände und der Gründe für die Vergütungsregelung in der Hauptversammlung
vom 30.01.2009 habe diese mit der Beschlussfassung über die Entlastungen nicht bewusst eine eindeutige und schwerwiegende
Rechtsverletzung gebilligt.
100 Eine andere Beurteilung ergebe sich nicht aus dem Vorbringen der Klägerin zu 1 in der Replik, das die die zwischenzeitliche Abstandnahme
der Beklagten von der V.-Übernahme und die hohen Abschreibungen auf die zur Kurssicherung erworbenen Optionen sowie entsprechende
Presseberichte zum Gegenstand habe, weil es hier um Vorgänge lange nach dem Geschäftsjahr 2007/2008 gehe, für das Entlastung erteilt
worden sei.
101 Somit habe die Vergütung für Herrn Dr. W. bei Abschluss der Vereinbarung und auch im Zeitpunkt der Entlastungsentscheidung den
Anforderungen des § 87 Abs. 1 AktG entsprochen. Die Vergütung von Herrn H. und den übrigen Vorstandsmitgliedern habe diesen
Voraussetzungen ebenfalls entsprochen, sie habe weder im Geschäftsjahr 2007/2008 noch in früheren Geschäftsjahren Anlass zur
Beanstandung gegeben.
4.
102 Für die Anfechtung der Entlastung des Vorstands sei schon deshalb kein Raum, weil das Verhalten der Vorstandsmitglieder nicht an § 87 Abs. 1
Satz 1 AktG zu messen sei, der alleine für den Aufsichtsrat Rechtspflichten begründe. Die Vorstandsmitglieder handelten bei der Vereinbarung
ihrer Vergütung nicht als Gesellschaftsorgane, sondern als Dritte.
5.
103 Aufsichtsrat und Vorstand hätten bei Abgabe der Entsprechenserklärung nicht gegen § 161 AktG verstoßen.
104 Dass die variable Vorstandsvergütung auch Komponenten mit langfristiger Anreizwirkung und Risikocharakter enthalten sollte, sei nach Ziff.
4.2.3 Abs. 2 Satz 2 DCGK (von der Klägerin zu 1 irrtümlich als Abs. 1 Satz 4 bezeichnet) lediglich eine Anregung und keine Empfehlung, so
dass die Entsprechenserklärung keine Abweichung offenlegen müsse.
105 Auch Ziff. 4.2.3 Abs. 2 Satz 3 DCGK (von der Klägerin als Abs. 1 Satz 5 bezeichnet) enthalte keine Empfehlung mit der Verpflichtung zur
Offenlegung von Abweichungen, sondern sie gebe nur die gesetzliche Regelung von § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG wieder. Die Vergütungsregelung
sei im Übrigen angemessen.
106 Die Empfehlung einer Begrenzungsmöglichkeit in Ziff. 4.2.3 Abs. 3 Satz 3 DCGK beziehe sich nur auf die Komponenten mit langfristiger
Anreizwirkung und Risikocharakter, wie sie die Vergütungsregelungen für die Vorstände der Beklagten nicht enthielten.
6.
107 Der von der Klägerin nicht näher begründete Vorwurf in der Klageschrift, der Vorstand habe mit den Kurssicherungsgeschäften gegen den
Unternehmensgegenstand verstoßen, gehe ins Leere. Zweck dieser Geschäfte sei es ausschließlich gewesen, der Beklagten den Aufbau der
V.-Beteiligung zu ermöglichen, was als Hilfsgeschäft für den Beteiligungserwerb vom Unternehmensgegenstand nach § 2 Abs. 1 der Satzung
der Beklagte gedeckt sei.
7.
108 Soweit die Klägerin zu 1 in ihrer Replik erstmals und pauschal geltend mache, dass Aufsichtsrat und Vorstand pflichtwidrig Regress- oder
Bereicherungsansprüche nicht geltend gemacht hätten, seien diese neu vorgebrachten Anfechtungsgründe verfristet. Solche Ansprüche seien
auch nicht schlüssig dargetan.
109 Die Auszahlung der Vergütung am Ende des Jahres 2008 sei kein Rechtsverstoß, weil Herr Dr. W. nach seinem Anstellungsvertrag einen
Anspruch darauf gehabt habe. Das gelte selbst dann, wenn die dort geregelte Vergütung die Grenze des § 87 Abs. 1 AktG überschritten haben
sollte, weil dies die Wirksamkeit der Vergütungsvereinbarung nicht berühre. Eine Unwirksamkeit könne sich nur nach § 138 BGB bei
Sittenwidrigkeit des Anstellungsvertrags ergeben, was die Klägerin zu 1 ebenfalls erstmals mit der Replik und damit verfristet, außerdem zu
Unrecht geltend mache.
110 Ebenso wenig habe es der Aufsichtsrat im Geschäftsjahr 2007/2008 pflichtwidrig unterlassen, die Vergütung nach § 87 Abs. 2 AktG
herabzusetzen, dessen Voraussetzungen – eine wesentliche Verschlechterung der Lage der Gesellschaft – nicht vorgelegen hätten; die
Vorschrift erlaube auch keine Rückforderung gezahlter Vergütungen, sondern nur eine Herabsetzung für die Zukunft.
111 Die Klägerin zu 1 habe schließlich auch nicht dargetan, warum der Aufsichtsrat zur Verfolgung angeblicher Regressansprüche verpflichtet
gewesen sei, eine ausnahmslose Verfolgungspflicht gebe es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht. Für die
Entlastungsentscheidung sei das Unterlassen der Geltendmachung solcher Ansprüche ohnehin nur als schwerwiegender Gesetzesverstoß
relevant, wenn dadurch die Verfolgung solcher Ansprüche infolge Verjährung vereitelt werde. Das trage die Klägerin zu 1 nicht vor.
8.
112 Die Klägerin zu 1 scheine mit ihrer Argumentation zu übersehen, dass Gegenstand der Klage die Beschlüsse der Hauptversammlung seien und
sie sich deshalb gegen das Stimmverhalten der stimmberechtigten Aktionäre richte. Es genüge dafür nicht, angeblich rechtswidrige Zustände zu
beschreiben oder Vorstand und Aufsichtsrat Verfehlungen vorzuwerfen. Es komme auf den Kenntnisstand der Hauptversammlung an.
113 Unter den genannten Umständen fehle es an für die Hauptversammlungsteilnehmer eindeutig erkennbaren Gesetzes- oder Satzungsverstößen
der zu entlastenden Organe. Vielmehr hätten die Aktionäre im Zeitpunkt der Abstimmung am 30.01.2009 gute Gründe für eine Entlastung
gehabt. Für die V.-Übernahme habe, wie die Klägerin zu 1 selbst einräume, eine industrielle Logik gesprochen. Die Beteiligung sei kurz vor der
Hauptversammlung auf mehr als 50 % der V.-Stammaktien aufgestockt worden, wodurch erstmals die Voraussetzungen für eine
Vollkonsolidierung geschaffen worden seien. Das abgelaufene Geschäftsjahr sei das erfolgreichste in der Geschichte der Beklagten gewesen.
Angesichts dessen und nachdem trotz lebhafter gesellschaftspolitischer Diskussion Gerichte und Gesetzgeber es bisher für unmöglich gehalten
hätten, Obergrenzen für Vorstandsvergütungen festzusetzen, könne der Hauptversammlung nicht der Vorwurf gemacht werden, sie habe ihre
Ermessensentscheidung nur in einer einzigen Weise geltend machen dürfen.
114 Die Klägerin zu 1 stütze ihre Einschätzung in der Replik, die Hauptversammlung habe die Entlastung verweigern müssen, letztlich nur auf nach
der Hauptversammlung eingetretene und bekannt gewordene Umstände der Entwicklung der Beklagten ab März 2009 und der Ablösung von
Herrn Dr. W. im Juli 2009. Das sei für die Entlastungsentscheidung am 30.01.2009 ohne Bedeutung.
115
C – Anfechtungsgründe Komplex 2: Informationspflichtverletzungen.
116 Die Klägerin zu 2 macht mit ihrer Klage geltend, dass die Beklagte die Informationspflicht nach § 131 AktG verletzt habe, weil Fragen von
Aktionären auf der Hauptversammlung vom 30.01.2009 nicht oder nicht ausreichend beantwortet worden seien. Die von der Klägerin dazu
angeführten Fragen betreffen im Wesentlichen das Verhalten der Organe im Hinblick auf die Kursschwankungen der V.-Aktie im Oktober 2008
und Zusammenhänge zu der Beteiligungsstrategie der Beklagten (Komplex I mit Fragen 1 und 3), Einzelheiten zu den Kurssicherungs- bzw.
Optionsgeschäften der Beklagten in Bezug auf V.-Stammaktien (Komplex II mit Fragen 2, 4 bis 10 und 12) und in Bezug auf den US-Dollar
(Komplex III mit Fragen 9 und 11). Wegen des Wortlauts dieser Fragen und der darauf gegebenen Antworten sowie des weiteren, auch
streitigen Vortrags wird auf die Darstellung in den Entscheidungsgründen unter B.II. bei den Ausführungen zu den einzelnen Fragen 1 bis 12
jeweils unter a) verwiesen. Nachfolgend ist das Parteivorbringen zu allgemeinen Aspekten des Informationsrechts dargestellt, die nicht lediglich
einzelne Frage betreffen.
117
I. Vorbringen der Klägerin zu 2
1.
118 Die Klägerin zu 2 bringt vor, ihr Frage- und Anfechtungsrecht sei nicht wegen heimlicher Tonbandaufnahmen verwirkt. Sie habe sich bei ihren
Ausführungen in der Klageschrift auf ein aus dem Aktionariat von professionellen Stenographen erstelltes Wortprotokoll gestützt, wie es nach
der Rechtsprechung zulässig und bei kritischen Hauptversammlungen verbreitet und üblich sei.
2.
119 Das Anfechtungs- und Auskunftsrecht sei auch nicht deshalb verwirkt, weil begehrte Auskünfte und Fragen „nachgeschoben“ seien. Es gehe um
unzureichend beantwortete Aktionärsfragen, wie schon auf der Hauptversammlung mehrfach gerügt. Die Erhebung der Anfechtungsklage setze
nicht voraus, dass nicht oder unzureichend beantwortete Fragen zu Protokoll gegeben würden. Eine Verwirkung, wie sie die Beklagte unter
Verweis auf ein Urteil des LG Mainz behaupte, liege nicht vor, denn anders als in dem entschiedenen Fall habe der Versammlungsleiter hier
gerade nicht dazu aufgefordert, unbeantwortete Fragen zu Protokoll zu geben, sondern er habe dazu nur Gelegenheit gegeben. Das begründe
kein besonderes Vertrauen darin, dass ein Aktionär, der nichts zu Protokoll gebe, auf eine Antwort verzichte. Vorstand und Versammlungsleiter
hätten insoweit auch nicht mehr nachgefragt.
3.
120 Die im Verlauf der Hauptversammlung verlangten, aber nicht ausreichend erteilten Auskünfte seien erforderlich gewesen zur sachgemäßen
Beurteilung der zur Beschlussfassung anstehenden folgenden Tagesordnungspunkte.
121 Über die Gewinnverwendung könne nur auf der Grundlage von Informationen über die genaue Struktur und Funktionsweise der
Optionsgeschäfte der Beklagten und die sich daraus ergebenden Risiken entschieden werden. Der Geschäftsbericht habe darüber nicht
ausreichend informiert. Insbesondere müssten die Aktionäre erfahren, ob es bei ungünstigem Kursverlauf der V.-Stammaktie zu massiven
Verlusten kommen könne und die Gewinne deshalb besser zur Stärkung der Eigenkapitalbasis verwendet werden sollten.
122 In Bezug auf die Entlastung der Vorstände sei zu berücksichtigen, dass die Vorstände über die variable Vergütung in besonderem Maße von
den Gewinnen aus den Derivatkonstruktionen profitiert hätten. Die Vorstände seien mit massiven Marktmanipulationsvorwürfen konfrontiert und
geschädigte V.-Investoren hätten bereits Schadensersatzklagen in Milliardenhöhe gegen die Beklagten angekündigt. Die Vorwürfe gingen
dahin, mit der Mitteilung vom 26.10.2008 absichtlich und im Hinblick auf die Bonuszahlungen auch eigennützig einen Short-Squeeze ausgelöst
zu haben, um infolge der hohen Nachfrage nach V.-Aktien einen Kursanstieg herbeizuführen und damit einem Kursverfall entgegenzusteuern,
der infolge der von der Beklagten begebenen Put-Optionen hätte existenzbedrohend werden können. Die Bafin habe ihre Ermittlungen
deswegen wieder aufgenommen. Es sei unerheblich, dass es dabei um Vorgänge nach Beendigung des Geschäftsjahrs 2007/2008 gehe, weil
auch solche Vorgänge nach h.M. für die Frage der Entlastung stets beurteilungsrelevant seien, da mit der Entlastung auch das Vertrauen
zukunftsbezogen ausgesprochen werde. Zudem seien die Put- und Call-Optionen im Geschäftsjahr 2007/2008 aufgebaut worden, ihre Risiken
also bereits in diesem Geschäftsjahr angelegt und Ursache für weitere Optionsgeschäfte im laufenden Geschäftsjahr sowie die Ereignisse um
die Pressemitteilung vom 26.10.2008 gewesen. Die Aufklärung, ob der Vorstand risikoavers gehandelt oder nur wild oder gar aus privatem
Profitstreben spekuliert habe, spiele für die Entlastung eine entscheidende Rolle, zumal die Vorstandsmitglieder möglicherweise gegen die
Vorgaben der Satzung zum Unternehmensgegenstand gehandelt hätten.
123 In der Replik führt die Klägerin zu 2 aus, die verlangten Informationen würden auch zur Beurteilung benötigt, ob der Aufsichtsrat seiner
Überwachungspflicht nachgekommen sei.
124 Zur Relevanz für die Beschlussfassung über die Neuwahl von Aufsichtsratsmitgliedern und die erste Vergütung des Aufsichtsrats führt die
Klägerin zu 2 in der Klageschrift an, dass zu den vorgeschlagenen Aufsichtsratsmitgliedern auch Herr Dr. P. und Herr Dr. Pi. gehörten, beide
auch Aufsichtsratsmitglieder von V.. Die personelle Verflechtung werde damit fortgesetzt. Die Vergütung des Aufsichtsrats enthalte eine
erfolgsbezogene Komponente, so dass auch die Aufsichtsräte von den Buchgewinnen aus dem V.-Beteiligungsaufbau mittels
Kurssicherungsgeschäften profitierten. Deshalb seien für die Beschlussfassung zu diesen Tagesordnungspunkten Informationen über Strategie,
Risiken und Geschäftsentwicklung der Beklagten und insbesondere zur Ausgestaltung und zu den Risiken der intransparenten
Derivatkonstruktionen erforderlich, nachdem die vorgeschlagenen Kandidaten nicht eingeschritten seien, als sich abgezeichnet habe, dass das
Konzernergebnis durch künstliche Buchgewinne aus dubiosen Derivatkonstruktionen aufgebläht werde, und nachdem sie für die Gewährung
der variablen, bezüglich ihrer Wirksamkeit zweifelhaften Vorstandsvergütung bei Gründung der SE verantwortlich seien.
4.
125 Der Beklagten stehe kein Auskunftsverweigerungsrecht zu.
126 Es erwachse nicht daraus, dass der intransparente Aufbau der Derivat- und Optionskonstruktion ein Wettbewerbsvorteil sei, denn alle Geschäfte
mit V.-Aktien oder sich darauf beziehenden Finanzinstrumenten seien nach § 15 a Abs. 3 Satz 2 WpHG offenlegungspflichtig, selbst wenn man
der entgegen Europarecht und internationalen Standards einschränkenden Auslegung der BaFin folge. Denn die Herren Dr. W. und H. hätten
sich mit ihrer variablen Vergütung in beträchtlicher Höhe aufgrund der Buchgewinne aus diesen Geschäften einen nennenswerten Vorteil
sichern können. Entsprechendes gelte für die beiden maßgeblichen Stammaktionäre, die Herren Dr. P. und Dr. Pi., infolge der erheblichen
Sonderdividenden in den letzten Jahren.
127 Außerdem sei es dem Vorstand verwehrt, sich auf ein Auskunftsverweigerungsrecht zu berufen, wenn damit ein pflichtwidriges Fehlverhalten
verdeckt werden solle. Der Vorstand habe durch die V.-Übernahme und die Derivatgeschäfte Risiken begründet, die Ende März 2009 zu einer
akuten Insolvenzgefahr und bedrohlichen Liquiditätslage geführt hätten, so dass das weitere Überleben der Beklagten offenbar von einer
Kapitalerhöhung, dem Eingreifen eines Staatsfonds aus Katar, dem vollständigen Verkauf der P. AG an V. und der anschließenden
Rettungsfusion mit V. abhängig sei. Auch habe die BaFin ihre Ermittlungen wegen Marktmanipulation wieder aufgenommen.
128
II. Vorbringen der Beklagten.
129 Die Beklagte ist der Ansicht, dass Informationsrechte der Klägerin zu 2 nicht verletzt seien, sie könne die streitgegenständlichen Beschlüsse
nicht deshalb anfechten.
1.
130 Die Klägerin zu 2 habe das Auskunftsrecht und das Anfechtungsrecht wegen unzulässiger Tonaufzeichnungen in der Hauptversammlung
verwirkt. Die in der Klageschrift im Wortlaut vorgetragenen Fragen und Antworten seien wortgetreu wiedergegeben, wie der Vergleich mit dem
stenografischen Wortprotokoll zeige. Dies deute darauf hin, dass die Klägerin durch ihren Vorstand Herrn Dr. We. eine Tonaufzeichnung
vorgenommen habe; anders lasse sich die wortgetreue Wiedergabe in der Klageschrift kaum erklären. Darin liege ein gravierender Verstoß
gegen die Anordnung des Versammlungsleiters zu Beginn der Hauptversammlung, dass solche Aufzeichnungen nicht gestattet seien. Das
allgemeine Persönlichkeitsrecht der anderen Hauptversammlungsleiter sei dadurch verletzt. Damit sei auch eine Treueverstoß begangen, der
zur Verwirkung führen müsse. Die Behauptung der Klägerin zu 2 in ihrer Replik, auf der Hauptversammlung habe eine Person aus dem
Aktionariat stenographiert, sie für die Beklagte nicht verifizierbar und auch nicht plausibel, weil es sich angesichts der Länge der
Hauptversammlung um mehrere Stenographen gehandelt haben müsse.
2.
131 Das Auskunfts- und Anfechtungsrecht sei in Bezug auf alle Fragen mit Ausnahme der Fragen 2, 12.2, 12.3 und 12.4 auch deshalb verwirkt, weil
sie nicht von der Klägerin zu 1 in der Hauptversammlung als unbeantwortet zu Protokoll gegeben worden und im Rechtsstreit folglich
nachgeschoben seien. Die von Herrn Dr. We. auf die entsprechende Aufforderung des Versammlungsleiters zum Protokoll gegebene Liste von
angeblich nicht oder nicht ordnungsgemäß beantworteten Fragen umfasse nur die Fragen 2., 12.2 bis 12.4. Er habe sich zwar auch die als nicht
beantwortet gerügten Fragen des Herrn B. zu eigen gemacht, die den mit der Klage gerügten Fragen teils ähnelten oder entsprächen. Ein
Auskunftsrecht hinsichtlich dieser Fragen stehe der Klägerin aber nicht zu, weil es nicht möglich sei, sich ins Blaue hinein die von anderen
Aktionären als unbeantwortet zu Protokoll gegebenen Fragen zu eigen zu machen. Zweck der Protokollierung sei es, dass der Aktionär die
Fragen, zu denen er noch Informationsbedarf habe, konkret nenne, was jeder Aktionär für sich entscheiden müsse. Mit Übergabe einer Liste
solcher Fragen müsse die Gesellschaft davon ausgehen, dass der Aktionär dort nicht enthaltene Fragen für irrelevant halte und auf ihre
Beantwortung verzichte.
132 Wer sich diese Entscheidung anderer Aktionäre über ihren verbleibenden Informationsbedarf zu eigen mache, überlasse die Entscheidung
diesen und gebe damit zu erkennen, dass es ihm selbst nicht wirklich auf Beantwortung ankomme. Herr Dr. We. habe vielmehr nach der
Hauptversammlung entscheiden wollen, auf welche Fragen er sich in den unabhängig vom Ausgang der Hauptversammlung geplanten
Auskunftserzwingungs- und Anfechtungsverfahren berufen wolle. Ein Auskunftsrecht und auf der Behauptung seiner Verletzung gestütztes
Anfechtungsrecht könne deshalb nur in Bezug auf die vom Vertreter der Klägerin selbst konkret bezeichneten Fragen bestehen. Im Übrigen
seien diese Rechte verwirkt. Ein Nachschieben sei treuwidrig.
3.
133 Informationsrechte seien nicht verletzt, weil die Beklagte die Struktur und Risiken der Kurssicherungsgeschäfte, soweit für die sachgemäße
Beurteilung der Tagesordnungspunkte erforderlich, verständlich, umfassend und abschließend erläutert habe. Darüber hinaus gehende
Detailinformationen seien zur Beurteilung der Tagesordnungspunkte nicht relevant oder hätten jedenfalls wegen eines
Auskunftsverweigerungsrechts unterbleiben können.
134 a) Bereits im Geschäftsbericht zum Geschäftsjahr 2007/2008 (Anl. II B 1) seien die Aktionäre umfassend über die Kurssicherungsgeschäfte der
Beklagten informiert worden. Die Beklagte verweist auf den Abschnitt „Finanzen“ (S. 34 ff), auf die Erläuterungen zur Konzern- Gewinn- und
Verlustrechnung mit Angaben zu Aufwendungen und Erträgen aus den Kurssicherungsgeschäften (S. 146 f) und zum Finanzrisikomanagement
und zu den Finanzinstrumenten mit Darstellung der Risiken aus den Kurssicherungsgeschäften, der Methoden zur Überwachung der Effektivität
der Sicherungsbeziehungen einschließlich der Nominalvolumina sowie der Wertangaben zu den Finanzinstrumenten (S. 172 bis 180). Schon
wegen dieser umfassenden Informationen relativiere sich der Vorwurf der Auskunftspflichtverletzung.
135 Die Optionsgeschäfte seien nicht zum Zweck der Spekulation oder Gewinnerzielung getätigt worden, sondern um den Aufbau der V.-
Beteiligung zu bezahlbaren Kursen zu sichern.
136 b) Die Aktionäre seien ausreichend informiert worden, um die Tagesordnungspunkte sachgerecht beurteilen zu können. Darüber
hinausgehende Informationen seien dafür nicht relevant.
137 Aufgrund der Informationen im Geschäftsbericht und der weiteren Auskünfte auf der Hauptversammlung zu Details der
Kurssicherungsgeschäften und dem Beteiligungsaufbau bei V. sowie im Hinblick auf die Pflicht zur ad-hoc-Publizität nach § 15 WpHG seien die
Aktionäre in der Lage gewesen, über die Gewinnverwendung zu entscheiden.
138 Dasselbe gelte für die Entscheidung über die Entlastung des Vorstands für das Geschäftsjahr 2007/2008. Die von der Klägerin zu 2 angeführten
Fragen zu den Vorgängen im Oktober 2008 fielen in einen Zeitraum nach Beendigung dieses Geschäftsjahrs und seien damit für die
Entlastungsentscheidung irrelevant. Außerdem sei der Ausgangspunkt der Klägerin zu 2, die Beklagte habe gegen Mitteilungspflichten
verstoßen und den Kurs der V.-Stammaktien rechtswidrig manipuliert, unrichtig. Der Vorstand habe in der Hauptversammlung deutlich gemacht,
dass es in Bezug auf die Mitteilungen über die Kurssicherungsstrategie und die Höhe der auf Barausgleich gerichteten
Kurssicherungsgeschäfte keine Pflichtverletzungen gegeben habe und dass daraus keine Schadenersatzansprüche resultierten. Der massive
Anstieg des V.-Börsenkurses im Oktober 2008 beruhe nicht auf pflichtwidrigen Handlungen des Vorstands. Durch die Pressemitteilungen vom
26. und 29.10.2008 sei der Markt nicht manipuliert worden. Die BaFin sei seinerzeit vorab informiert worden und habe keine Einwände
erhoben. Sie habe auch später keine Anhaltspunkte für eine Kursmanipulation oder einen Verstoß gegen § 20 a WpHG gefunden und ihre
Ermittlungen eingestellt. Zuvor habe die Bundesregierung auf eine kleine Anfrage im Bundestag bestätigt, dass für Kurssicherungsgeschäfte,
die auf Barausgleich gerichtet seien, keine Meldepflicht bestehe. Der zulässige strategische Aufbau einer Beteiligung an einem
Industrieunternehmen führe im Übrigen notwendigerweise zu einer Marktverengung.
139 Es sei im Oktober 2008 auch nicht unrealistisch gewesen, einen Beherrschungsvertrag mit V. anzustreben. In der fraglichen Pressemitteilung
sei klargestellt worden, dass dieses Ziel nur verfolgt werde, wenn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen. Die Sperrminorität des
Landes Niedersachsen habe das Vorhaben nicht unrealistisch erscheinen lassen. Die Beklagte sei weiterhin der Meinung, dass V.-Gesetz und
–Satzung insoweit gegen EU-Recht verstießen. Sie sei auch im Hinblick auf entsprechende Äußerungen der EU-Kommission über das
geänderte V.-Gesetz überzeugt gewesen, dass die Sonderregelungen früher oder später fallen werden. Es treffe auch nicht zu, dass die Absicht
eines Beherrschungsvertrags bereits im Februar 2008 bestanden habe und gegenüber Vertretern des Landes Niedersachsen geäußert worden
sei.
140 Der Verdachts der Verletzung von Publizitätspflichten und der Marktmanipulation, der Grund für Ermittlungen der Staatsanwaltschaft S. vom
20.08.2009 sei, sei von der Beklagten geprüft und zurückgewiesen worden. Er beziehe sich außerdem nicht auf das Geschäftsjahr 2007/2008,
sondern auf das Jahr 2009.
141 Die Behauptung existenzgefährdender Risiken aus Derivatgeschäften sei unzutreffend. Dies sei schon dadurch widerlegt, dass die Beklagte die
Optionsstrukturen mittlerweile bis auf 3 % verkauft oder aufgelöst habe, ohne in ihrer Existenz gefährdet zu sein. Hinsichtlich der
Optionsstrukturen habe zwar Abwertungsbedarf bestanden, die Abwertung habe aber zu keinem Liquiditätsabfluss und nur zu einer
buchhalterischen Ergebnisbelastung geführt, die Eigenkapitalquote habe danach immer noch bei 23 % gelegen. Falsch sei auch die
Behauptung, aus den begebenen Put-Optionen sei eine faktische Kaufverpflichtung entstanden. Für die Beklagte bestehe aus diesen
Geschäften keine Verpflichtung zum Erwerb von V.-Aktien. Die Klägerin zu 2 behaupte ins Blaue hinein, dass die Vertragspartner der cash
settled Call-Optionen sich zur Risikoabsicherung physisch mit Aktien eingedeckt hätten. Die Vertragspartner der Beklagten seien zur
Offenlegung ihrer getätigten Hedgegeschäfte gegenüber der Beklagten nicht verpflichtet gewesen, weshalb derartige Eindeckungskäufe mit
Nichtwissen zu bestreiten seien. Aus der Kombination von Put- und Call-optionen habe sich auch keine Verpflichtung zum Weiterrollen bis zur
Beschaffung ausreichender Finanzmittel für den Erwerb weiterer 20 % V.-Stammaktien ergeben. Im Falle der Nichtverlängerung der Call-
Optionen hätte die Beklagte sich lediglich der Möglichkeit begeben, V.-Stammaktien zu einem gesicherten Preis zu erwerben.
142 Der Vorwurf einer nicht ausreichenden und nicht fristenkongruenten Finanzierung der Optionsstruktur gehe fehl. Diese sei bis zur fast
vollständigen Veräußerung oder Auflösung weitergerollt worden und die verbliebenen ca. 3 % der Geschäfte würden weitergerollt, ohne dass
ein Insolvenzrisiko entstanden wäre. Bereits das Weiterrollen, die Glattstellung und der Neuabschluss der Optionen zeigten, dass die
Finanzierung gesichert gewesen sei. Unrichtig sei, dass die Nettoverschuldung EUR 14 Mrd. betrage oder gar Risiken bis zu EUR 22 Mrd.
bestünden. Nach dem Geschäftsbericht 2008/2009 betrage die Nettoverschuldung zum 31.07.2009 EUR 11,4 Mrd, dem stehe ein Vermögen
von ca. EUR 19,75 Mrd. gegenüber (Anl. B 15, S. 32). Das Vermögen der Beklagen habe stets die Verbindlichkeiten überstiegen.
143 Aus diesen Gründen habe der Vorstand der Beklagten auch keinen Anlass gehabt, in der Hauptversammlung vom 30.01.2009 über etwaige
existenzgefährdende Risiken oder völlig abstrakt und unspezifisch angedrohte Schadensersatzansprüche zu informieren, was falsch,
irreführend und gesellschaftsschädigend gewesen wäre.
144 In Bezug auf die Neuwahl der Aufsichtsratsmitglieder seien sämtliche Fragenkomplexe irrelevant, weil die Klägerin zu 2 nicht darlege, inwiefern
den Aufsichtsratsmitgliedern ein pflichtvergessenes oder glückloses Verhalten vorzuwerfen sei, das ihre Vertrauenswürdigkeit in Frage stelle.
Der Vortrag, dass die Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder eine erfolgsbezogene Komponente enthalte, genüge dafür nicht. Der Aufsichtsrat
habe sich nach dem Bericht seines Vorsitzenden mit den grundsätzlichen Fragen der Finanz- und Investitionsplanungen befasst, er sei in
sämtliche grundlegenden Entscheidungen eingebunden gewesen, habe sämtlichen zur Zustimmung vorgelegten Angelegenheiten zugestimmt
und sich von der ordnungsgemäßen Geschäftsführung laufend überzeugt (unter Verweis auf S. 9 des Geschäftsberichts, Anl. II B 1).
Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit dieses Aufsichtsratsberichts seien nicht vorgetragen.
145 Es bleibe auch offen, welche Rückschlüsse die Klägerin zu 2 aus Antworten zu den drei Fragekomplexen für die Angemessenheit der
Vergütung des ersten Aufsichtsrats ziehen wolle. Eine variable Vergütung sei in § 113 Abs. 3 Satz 1 AktG vorgesehen. Alleine der
Gesichtspunkt, dass die Aufsichtsratsmitglieder wegen ihrer Gewinnbeteiligung von den Erträgen aus den Kurssicherungsgeschäften
profitierten, sei kein Anhaltspunkt für die Unangemessenheit der vorgeschlagenen Vergütung.
4.
146 Darüberhinaus bestehe hinsichtlich sämtlicher Detailfragen zur Optionsstrategie und zu den getätigten Kurssicherungsgeschäften ein
Auskunftsverweigerungsrecht nach § 131 Abs. 3 Satz 1 AktG. Diese Regelung diene auch dem Schutz von Betriebs- und
Geschäftsgeheimnissen, deren unbefugte Offenbarung strafbewehrt und deshalb schon nachteilig sei.
147 Um solche handele es sich bei der beim Erwerb von Wertpapieren verfolgten Strategie. Eine Auskunftspflicht über die Anlagepolitik eines
Unternehmens und die Zusammensetzung des Wertpapierportefeuilles werde deshalb einhellig abgelehnt, denn durch die Aufdeckung der
Anlagestrategie des Unternehmens könnten Kursverluste entstehen und die Konkurrenz wertvolle Erkenntnisse über die Unternehmenspolitik
erlangen.
148 Dies gelte auch für die Kurssicherungsgeschäfte der Beklagten. Das Bekanntwerden von Details wie Vertragspartnern, Volumina,
Abschlussdaten, Strikes oder Laufzeiten könne massive Nachteile für die Beklagte nach sich ziehen, weil danach von jedermann kalkuliert
werden könne, wie sich Veränderungen des Börsenkurses für V.-Stammaktien auf das Ergebnis der Beklagten auswirkten. Daraus könnten
weitere Rückschlüsse auf die künftige wirtschaftliche Position der Beklagten gezogen und von Marktteilnehmern ausgenutzt werden. Durch
Einblicke von Konkurrenten in die innerste Kalkulation und strategische Planung der Beklagten könnten ihre Wettbewerbsvorteile zerstört
werden. Die Preisgabe vertraulicher Details störe außerdem das Vertrauensverhältnis zu aktuellen und potentiellen Vertragspartnern mit der
Folge künftig schlechterer Konditionen bei vertraulichen Finanzgeschäften. Markteilnehmer könnten außerdem versuchen, gegen die Beklagte
zu spekulieren und so ihre Geschäfts- und Kurssicherungsstrategie zu vereiteln.
149 Die Klägerin zu 2 könne sich auch nicht darauf berufen, dass Auskünfte über die Details der Kurssicherungsgeschäfte wegen der Aufdeckung
von Missständen für die Beklagte im Ergebnis vorteilhaft seien. Sie habe keine Umstände dargelegt, die den Schluss auf ein Fehlverhalten des
Vorstands nahelegten. Die Unterstellung eines Verstoßes gegen Mitteilungspflichten und der Markmanipulation seien rechtlich haltlos. Im
Übrigen sei die frühere Rechtsprechung zum vorrangigen Aufklärungsinteresse überholt, weil die ihr zugrunde liegende Fallgestaltung
mittlerweile in § 131 Abs. 3 Nr. 6 AktG geregelt sei.
150 Es treffe auch nicht zu, dass die Beklagte bezüglich der Optionsgeschäfte nach § 15 a Abs. 3 Satz 2 WpHG offenlegungspflichtig gewesen sei.
Diese Regelung für juristische Personen mit Führungskräften, die zugleich Führungskräfte des Emittenten sind, gelte nach einhelliger
Auffassung und auch nach dem Emittentenleitfaden der BaFin nur, soweit diese Führungskräfte selbst durch den Erwerb von
Finanzinstrumenten seitens der Gesellschaft profitierten, was bei einer Beteiligung, einem Stimmrechtsanteil oder Gewinnzurechnung von
mindestens 50 % anzunehmen sei. Daran fehle es bei den Herren Dr. W., H., Dr. P. und Dr. Pi., die zugleich Aufsichtsräte bei V. waren, auch
unter Berücksichtigung der ergebnisabhängigen Komponente der Vergütung.
III.
151 Wegen des weiteren streitigen und unstreitigen Vortrags zu den gestellten Fragen, den dazu gegebenen Antworten und den Standpunkten der
Parteien, ob damit eine vollständige Antwort vorliegt, ob eine Antwort erforderlich war und ob ein Auskunftsverweigerungsrecht bestand, wird
auf die Darstellung bei den Entscheidungsgründen unter B.II. bei den Ausführungen zu den einzelnen Fragen 1 bis 12 jeweils unter a) Bezug
genommen, ferner auf die Schriftsätze der Parteien (siehe dazu noch unter F.).
152
D. Beitritte von Nebenintervenienten
153 Die Klageerhebung ist am 01.04.2009 im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht worden (Bl. I 19). Der Streithelfer der Klägerinnen ist am
04.05.2009 beigetreten (Bl. 102). Nach Hinweis auf die Rechtzeitigkeit dieses Beitritts hat die Beklagte ihren Antrag auf Zurückweisung dieser
Nebenintervention zurück genommen (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 05.02.2010, Bl. III 463).
154 Der Streithelfer der Beklagten ist mit Schriftsatz vom 17.04.2009 beigetreten (Bl. I 83).
155
E. Anträge
156 Die
Klägerinnen
157
1. Der unter Tagesordnungspunkt 3 gefasste Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung am 30.01.2009 über die Entlastung des
Vorstands der Beklagten für das Geschäftsjahr 2007/08 ist unwirksam.
158
Es wird hilfsweise festgestellt, dass der unter Tagesordnungspunkt 3 gefasste Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung am
30.01.2009 über die Entlastung des Vorstands der Beklagten für das Geschäftsjahr 2007/08 nichtig ist.
159 Die
Klägerinnen
160
2. Der unter Tagesordnungspunkt 4 gefasste Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung am 30.01.2009 über die Entlastung des
Aufsichtsrats der Beklagten für das Geschäftsjahr 2007/08 ist unwirksam.
161
Es wird hilfsweise festgestellt, dass der unter Tagesordnungspunkt 4 gefasste Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung am
30.01.2009 über die Entlastung des Aufsichtsrats der Beklagten für das Geschäftsjahr 2007/08 nichtig ist.
162 Die
Klägerin zu 2
163
3. Der unter Tagesordnungspunkt 5 gefasste Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung am 30. Januar 2009 über die Neuwahl
von Aufsichtsratsmitgliedern ist unwirksam.
164
Es wird hilfsweise festgestellt, dass der unter Tagesordnungspunkt 5 gefasste Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung am 30.
Januar 2009 über die Neuwahl von Aufsichtsratsmitgliedern nichtig ist.
165
4. Der unter Tagesordnungspunkt 6 gefasste Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung am 30. Januar 2009 über die Vergütung
des ersten Aufsichtsrats der P. Automobil Holding SE ist unwirksam.
166
Es wird hilfsweise festgestellt, dass der unter Tagesordnungspunkt 6 gefasste Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung am 30.
Januar 2009 über die Vergütung des ersten Aufsichtsrats der P. Automobil Holding SE nichtig ist.
167 Die
Beklagte
168
Die Klagen werden abgewiesen.
F.
169 Wegen der Einzelheiten des Sachvortrags im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteien Bezug genommen, ferner auf ihre ergänzenden
Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 05.02.2010 (Protokoll Bl. III 455 ff).
170 Die nachgereichten Schriftsätze der Parteien vom 01.03.2010 waren nicht für neues tatsächliches Vorbringen nachgelassen (vgl. Beschluss
vom 05.02.2010, Protokoll S. 9, Bl. III 463).
171 Die Klägerin zu 2 hat gegen die Beklagte ein Auskunftsverfahren nach § 132 AktG eingeleitet, das auf die Beantwortung der im vorliegenden
Rechtsstreit als nicht beantwortet vorgetragenen Fragen zielt. Dieses Verfahren ist beim Landgericht unter Az. 32 O 14/09 KfH AktG anhängig.
Entscheidungsgründe
172 Die streitgegenständlichen Hauptversammlungsbeschlüsse sind nicht anfechtbar oder nichtig. Dies beurteilt sich nach §§ 241 ff AktG, die nach
Art. 9 Abs. 1 lit c ii SE-VO auch für die klageweise Geltendmachung von Beschlussmängeln bei der SE anwendbar sind. Soweit nachfolgend
nicht anders ausgeführt, gilt diese Verweisung auch in Bezug auf die übrigen genannten Vorschriften des AktG.
173
A. Anfechtungsgründe Komplex I - Vorstandsvergütung (Entlastungsbeschlüsse)
174 Nur ein eindeutiger und schwerwiegender Gesetzes- oder Satzungsverstoß durch ein Organmitglied führt zur Anfechtbarkeit eines
Entlastungsbeschlusses (BGHZ 153, 47, 51; 160, 385, 388; BGH Beschluss vom 09.11.2009 – II ZR 154/08). Dies bedeutet auf der einen Seite,
dass für das Organmitglied selbst mit einiger Sicherheit ein erheblicher Rechtsverstoß erkennbar gewesen sein muss (vgl. BGH, Beschluss vom
09.11.2009 – II ZR 154/08). Andererseits ist zu beachten, dass gegebenenfalls die Rechtswidrigkeit des Entlastungsbeschlusses (§ 243 Abs. 1
AktG) nicht aus der Pflichtwidrigkeit des Verwaltungshandelns sondern daraus folgt, dass die der Hauptversammlung gesetzten Grenzen für das
Entlastungsermessen überschritten werden, wenn gleichwohl und damit ermessensfehlerhaft Entlastung erteilt wird. Das setzt voraus, dass
auch die Hauptversammlung aufgrund der ihr vorliegenden Informationen einen solchen Verstoß eindeutig erkannt hat oder hätte erkennen
müssen (OLG Köln NZG 2009, 1110; LG Mannheim, Urteil vom 09.04.2009 - 24 O 78/08, von der Beklagten als Anl. Z 76 vorgelegt, dort S. 39 f;
Hoffmann in Spindler/Stilz, AktG, § 131 Rn. 50; Reger in Bürger/Körbers, AktG, § 120 Rn. 5; Zöllner in KK-AktG, 1. Aufl., § 120 Rn. 47;
Volhard/Weber NZG 2003, 351, 356; i.Erg. wohl auch OLG Frankfurt AG 2007, 329; OLGReport 2008, 769) oder dass andernfalls eine
wesentliche Informationspflichtverletzung vorliegt (vgl. BGH NZG 2009, 1270, 1272, Tz. 18). Eine Beschlussanfechtung kann deshalb nicht auf
Verstöße gestützt werden, die erst im Anfechtungsprozess aufgeklärt und bewiesen werden (OLG Köln a.a.O.; Hoffmann a.a.O.) oder bei
unklarer Rechtslage einer rechtlichen Klärung zugeführt werden sollen.
175 In zeitlicher Hinsicht ist die Entlastung auf das vergangene Geschäftsjahr bezogen (§ 120 Abs. 1 AktG), über das sich auch die
Rechnungslegung zur jeweiligen Hauptversammlung verhält (vgl. § 120 Abs. 3 AktG). Das schließt es im Grundsatz aus, das
Verwaltungshandeln in vorausgegangenen Geschäftsjahren mit zur Beurteilung heranzuziehen, insbesondere wenn hierzu bereits die
vorausgegangenen Hauptversammlungen Entlastung erteilt haben (LG Frankfurt AG 2005, 51, 52; LG Stuttgart, Urteil vom 26.03.2010 - 31 O
152/09 KfH) und dies nicht angefochten ist (vgl. weiter Mülbert in GroßKomm-AktG, 4. Aufl., § 120 Rn. 94 ff; Kubis in MünchKomm-AktG, § 120
Rn. 18; Spindler in K.Schmidt/Lutter, AktG, § 120 Rn. 34). Dies gilt unabhängig davon, inwieweit einzelne entlastungsrelevante Umstände der
jeweiligen Hauptversammlung schon bekannt waren (Hoffmann in Spindler/Stilz, AktG, § 120 Rn. 7 m.w.N.).
176
I. Entlastung Aufsichtsrat (TOP 4)
177 Nach diesen Maßstäben ist die Entlastung des Aufsichtsrats nicht anfechtbar, weil mit den fristgerecht vorgebrachten Anfechtungsgründen kein
aus der maßgeblichen Sicht der Hauptversammlung eindeutiger und schwerwiegender Rechtsverstoß des Aufsichtsrats in diesem Sinne in dem
Geschäftsjahr 2007/2008, auf das sich die beschlossene Entlastung bezieht, dargetan ist.
178
1. Angemessene Festsetzung der Vorstandsbezüge nach § 87 AktG.
179 Ein aus Sicht der Hauptversammlung und des Aufsichtsrats eindeutiger und schwerwiegender Verstoß gegen das Gebot, nur angemessene
Vorstandsbezüge festzusetzen, ergibt sich aus dem Klägervortrag für das maßgebliche Geschäftsjahr 2007/2008 nicht.
180 a) Das Gebot der Angemessenheit bezieht sich auf den Zeitpunkt der Festsetzung der Bezüge (Spindler in MünchKomm-AktG, 3. Aufl., § 87 Rn.
72; Hüffer, AktG, 9. Aufl., § 87 Rn. 3). Dementsprechend hat die Klägerin zu 1 in ihrer Klageschrift als Anfechtungsgrund vorgebracht, der
Aufsichtsrat habe sich bei der Regelung der Vergütung pflichtwidrig verhalten. Für die Frage, ob im Hinblick darauf die
Entlastungsentscheidung rechtswidrig ist, kommt es also darauf an, ob es im Geschäftsjahr 2007/2008 Handlungen oder Unterlassungen des
Aufsichtsrats in Bezug auf die Vergütungsregelungen gegeben hat, die der Hauptversammlung bekannt oder zumindest erkennbar waren.
181 b) In Bezug auf die Vergütungsregelung mit dem Vorstandsvorsitzenden Herrn Dr. W. ist dies auch unter Berücksichtigung des
Beklagtenvortrags zu den Regelungen im September 2007 nicht der Fall.
182 aa) Die Bezüge werden regelmäßig im Anstellungsvertrag zwischen der Gesellschaft und dem Vorstand durch Vereinbarung festgesetzt. Auf
Seiten der Gesellschaft ist für seinen Abschluss der Aufsichtsrat zuständig (§§ 84 Abs. 1 Satz 1, 5, 87 Abs. 1 AktG) oder bei entsprechender
Übertragung ein dafür zuständiger (Präsidial-)Ausschuss (§ 107 Abs. 3 AktG in der bis 04.08.2009 geltenden Fassung; zur Zulässigkeit etwa
Spindler a.a.O. § 84 Rn. 60). Die Entscheidung über den Abschluss des Anstellungsvertrags und damit auch die Festlegung der Vergütung
bedarf der ausdrücklichen Beschlussfassung (§ 108 AktG) des Aufsichtsrats oder des Ausschusses (Spindler a.a.O. § 84 Rn. 63; Habersack
ebenda, § 107 Rn. 153). Zur Beschlussfassung muss also im Regelfall der bereits ausgehandelte Vertrag als Beschlussvorlage vorliegen, den
dann der Aufsichtsrat oder Ausschuss billigen muss (vgl. BGH NJW 2003, 2908, 2910). Oder der Beschluss geht dem Vertragsschluss voraus,
welcher dann die inhaltlichen Vorgaben des Beschlusses einhalten muss und somit lediglich dessen Umsetzung dient; ein inhaltlicher
Spielraum für abweichende Vereinbarungen durch den mit dem förmlichen Abschluss Beauftragten, etwa einem Aufsichtsratsmitglied, besteht
dabei nicht (vgl. etwa Mertens/Cahn, KK-AktG, 3. Aufl., § 84 Rn. 50, 52; Spindler a.a.O. § 84 Rn. 61).
183 Anknüpfungspunkt für die in Bezug auf die Entlastung entscheidende Frage, ob der Aufsichtsrat bei der Festlegung der Vergütung rechtswidrig
gehandelt hat, ist deshalb in erster Linie die Beschlussfassung im zuständigen Gremium als die entscheidende Handlung der zuständigen
Aufsichtsratsmitglieder.
184 Nach dem unstreitigen Beklagtenvortrag sind die Entscheidungen zur Vergütungsregelung, die Grundlage für die Berechnung der Vergütung
für das Geschäftsjahr 2007/2008 waren, im Aufsichtsrat bzw. seinem Präsidialausschuss inhaltlich nicht in diesem Geschäftsjahr gefallen. Wie
die Beklagte unbestritten vorgetragen hat, fiel zunächst die Entscheidung im Aufsichtsrat (noch der AG) über eine weitere Bestellung des
Vorstandsvorsitzenden Dr. W. für eine fünfjährige Amtszeit (bis 30.09.2012) am 15.11.2006, ein entsprechender Anstellungsvertrag wurde am
19.12.2006 geschlossen. In ihm wurden zuletzt die Regelungen zu seiner Vergütung materiell geregelt, wie die Beklagte es bezeichnet.
Anlässlich der von der außerordentlichen Hauptversammlung am 24.06.2007 beschlossenen Umwandlung der Beklagten in die SE mit
Ausgliederung des operativen Geschäftsbetriebs auf die Tochtergesellschaft ist nach weiterem, ebenfalls unbestritten gebliebenem Vortrag der
Beklagten keine inhaltliche Änderung des Anstellungsverhältnisses erfolgt. Der Präsidialausschuss des Aufsichtsrats beschloss danach am
24.07.2007, dass die Vergütung künftig auf die Beklagte und die (künftige) Tochtergesellschaft aufgeteilt werden sollte - Herr Dr. W. wurde
unstreitig nach Wirksamwerden der Umstrukturierung Vorstandsvorsitzender beider Gesellschaften. Diese Beschlussfassung lag vor Beginn
des Geschäftsjahr 2007/2008 und kann deshalb als solche nicht mehr Gegenstand der Betrachtung sein.
185 Zur Umsetzung dieses Beschlusses wurden um den 05.09.2007 neue Anstellungsverträge zwischen jeweils der Beklagten und P. AG (neu)
einerseits sowie Herrn Dr. W. andererseits geschlossen. Zu dem Zeitpunkt hatte das Geschäftsjahr 2007/2008 bereits begonnen. Dass diese
Verträge auf der Beschlussfassung im vorangegangenen Geschäftsjahr basierten, ändert freilich nichts daran, dass die Handlungen zum
Vertragsabschluss durch den Aufsichtsrat oder in seinem Auftrag Teil der Aufsichtsratstätigkeit waren, die Gegenstand der durch den
Entlastungsbeschluss ausgesprochenen Billigung des Verwaltungshandelns im fraglichen Geschäftsjahr ist.
186 bb) Ob sich der Aufsichtsrat bzw. der Präsidialausschuss bei der fraglichen Aufteilung der Vergütungsverpflichtung gegenüber Herrn Dr. W. auf
die beiden Gesellschaften unter inhaltlicher Übernahme der seit 2006 geltenden Regelung und - für die beklagte SE - dem Abschluss des
entsprechenden Anstellungsvertrags eindeutig pflichtwidrig verhalten hat, kann letztlich dahinstehen.
187 Es ist jedenfalls nicht feststellbar, dass der Hauptversammlung bekannt oder erkennbar war, dass es überhaupt in dem entlastungsrelevanten
Geschäftsjahr 2007/2008 zu Regelungen gekommen war.
188 Eine Aufteilung der Vergütung wie geschehen oder auch eine sonstige Neuregelung des Anstellungsverhältnisses war aus rechtlicher Sicht
nicht zwingend geboten. Die Klägerin zu 1 hat insoweit ohne Erfolg auf die Neubestellung als Vorstand abgestellt. Der Anstellungsvertrag vom
19.12.2006 hätte ohne die Neuregelungen unverändert bis zum 30.09.2012 gelten können. Die Umwandlung einer AG in eine SE wahrt die
Identität der Gesellschaft und lässt deshalb Anstellungsverträge mit Vorstandsmitgliedern wie andere Schuldverhältnisse auch im Grundsatz
unberührt (Art. 37 Abs. 2 SE-VO; vgl. dazu Schröder in Manz/Mayer/Schröder, Europäische Aktiengesellschaft, Teil B Rn. 47 und Art. 37 Rn.
105); lediglich die Bestellung zum Vorstand der AG setzt sich nicht fort (Art. 39 Abs. 1 SE-VO; vgl. etwa Schröder a.a.O.; Reichert/Brandes in
MünchKomm-AktG, 2. Aufl., Art. 39 SE-VO Rn. 28). Wurde der Anstellungsvertrag dagegen mit der Ausgliederung des operativen
Geschäftsbetriebs auf die neue Tochtergesellschaft übertragen (so auch der Vortrag der Klägerin zu 1 in ihrem nachgereichten Schriftsatz vom
01.03.2010), so hätte er auch insoweit fortgelten und nunmehr die Anstellung in Bezug auf die Bestellung der Vorstände der Beklagten als SE
regeln können (zur Konzernanstellung Reichert/Brandes a.a.O. Rn. 40). Es gab also wohl in beiden Fällen keine zwingende Notwendigkeit, auf
neue Verträge mit geänderten Inhalten insbesondere von Herrn Dr. W. mit der Beklagten als SE oder mit der neuen AG hinzuwirken. Jedenfalls
gab es für die Hauptversammlung keinen Anlass, dies alleine wegen der Neubestellung anzunehmen.
189 Dass tatsächlich um den 05.09.2007 und damit im Geschäftsjahr 2007/2008 zwei Verträge mit der Beklagten und der Tochtergesellschaft auf
Basis einer Beschlussfassung des Präsidialausschusses vom 24.07.2007 geschlossen wurden, war aber der Hauptversammlung ersichtlich
nicht bekannt. Das folgt schon daraus, dass auch die Klägerin zu 1, die auf der Hauptversammlung vertreten war, erklärtermaßen Daten zu den
Vertragsschlüssen nicht kannte. Eine Informationspflichtverletzung der Beklagten in dieser Hinsicht haben die Klägerinnen nicht behauptet.
190 Bereits deshalb fehlt es an einer aus Sicht der Hauptversammlung erkennbaren und damit für sie eindeutigen Pflichtverletzung des
Aufsichtsrats im Geschäftsjahr 2007/2008 hinsichtlich der Vergütungsregelung für Herrn Dr. W..
191 c) Bezüglich der Vergütungsregelungen für die vier Vorstandsmitglieder, die von der Beklagten ganz zur Tochtergesellschaft gewechselt sind,
hat die Beklagte unbestritten vorgetragen, dass es insoweit keine Vergütungsregelung im Geschäftsjahr 2007/2008 gegeben hat. Aus der Anm.
38 des Konzernanhangs im Geschäftsbericht 2007/2008 geht hervor, dass die bestehenden Anstellungsverträge am 13.11.2007 auf diese
Tochtergesellschaft übergegangen sind (Anl. I K 2).
192 d) Wie bezüglich der Vergütung des weiteren Vorstandsmitglieds Herrn H., der ebenfalls nach der Umwandlung bei beiden Gesellschaften zum
Vorstand bestellt war, anlässlich dieser Umwandlung verfahren worden ist, ist nicht vorgetragen. Es kommt darauf aber auch nicht an, weil es
auch insoweit ohnehin an der Kenntnis der Hauptversammlung fehlt.
193
2. Sittenwidrigkeit der Vorstandsbezüge nach § 138 BGB.
194 Ein rechtswidriges Handeln des Aufsichtsrats im Geschäftsjahr 2007/2008 lässt sich letztlich aus denselben Gründen auch nicht damit
begründen, die Vorstandsvergütungen seien gem. § 138 BGB sittenwidrig.
195 a) Es ist bereits zweifelhaft, ob die Klägerin zu 1 diesen Anfechtungsgrund mit ihrer am letzten Tag der Anfechtungsfrist (§ 246 Abs. 1 AktG)
eingereichten Klageschrift fristgerecht vorgebracht hat. In der Klageschrift hat die Klägerin zu 1 bei ihren Ausführungen zum Anfechtungsgrund
der Unangemessenheit nach § 87 AktG lediglich angeführt, es gebe keine gesetzliche Obergrenze für die Vergütung, wohl aber die Grenze der
Sittenwidrigkeit. Sie hat angefügt, zumindest die „Vorstandsvergütung“ von Herrn Dr. W. „dürfte bereits sittenwidrig sein“, um dann fortzufahren,
dass jedenfalls § 87 AktG tangiert sei. Ob damit und in Zusammenhang mit den weiteren Ausführungen in der Klageschrift zur
Vorstandsvergütung und ihrer Regelung ein eigenständiger Anfechtungsgrund mit seinem tatsächlichen Kern geltend gemacht war, kann
letztlich dahingestellt bleiben.
196 b) Nach § 138 BGB können Rechtsgeschäfte sittenwidrig und infolgedessen nichtig sein. Deshalb stellt sich nicht die Frage, ob „die Vergütung“
sittenwidrig ist, sondern ob das Rechtsgeschäft über die Vergütung nichtig ist. Ein Rechtsgeschäft ist nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn es
nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu
vereinbaren ist (BGHZ 107, 92, 96). Dies ist nach den Umständen zum Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts zu beurteilen (BGH a.a.O.;
Palandt/Ellenberger, BGB, 69. Aufl. § 138 Rn. 9 m.w.N.). Damit kommt es auch für diesen rechtlichen Gesichtspunkt auf die Regelung der
Vergütung im Geschäftsjahr 2007/2008 an. Insoweit kann auf die Ausführungen oben unter 1.) Bezug genommen werden, die hier
entsprechend gelten.
197
3. Hauptversammlungszuständigkeit/Teilgewinnabführungsvertrag, § 292 AktG
198 Der Beschluss über die Entlastung des Aufsichtsrats ist wegen einer fehlenden Zustimmung der Hauptversammlung zu den
Vergütungsregelungen weder nichtig (§ 241 Nr. 3 AktG) noch anfechtbar (§ 243 AktG).
199 a) Nichtig ist nach § 241 Nr. 3 AktG ein Hauptversammlungsbeschluss, der mit dem Wesen der Aktiengesellschaft nicht zu vereinbaren ist oder
durch seinen Inhalt gläubigerschützende oder im öffentlichen Interesse bestehende Vorschriften verletzt. Die Klägerin zu 1 verkennt mit ihrer
Argumentation, die Vergütungsvereinbarung ohne Zustimmung der Hauptversammlung umgehe § 292 AktG und greife damit in die
Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft ein, dass die streitgegenständlichen Beschlüsse nicht die Vergütung des Vorstands, sondern
die Entlastung der Organe zum Inhalt haben. Die Entlastung von Organen ist mit dem Wesen der Aktiengesellschaft zweifellos deshalb zu
vereinbaren, weil sie in § 120 AktG vorgesehen ist. Weil eine Entlastung bei der Aktiengesellschaft keine unmittelbaren Rechtswirkungen hat
und insbesondere keinen Verzicht auf Ersatzansprüche enthält (§ 120 Abs. 2 Satz 2 AktG), ist auch eine rechtswidrige Entlastung ohne
Bedeutung für den Gläubigerschutz oder das öffentliche Interesse. Sie kann allenfalls zur Anfechtbarkeit führen.
200 b) Die Entlastungsbeschlüsse sind auch nicht wegen einer pflichtwidrig nicht eingeholten Zustimmung der Hauptversammlung anfechtbar.
201 aa) Teilgewinnabführungsverträge bedürfen als Unternehmensverträge der Zustimmung der Hauptversammlung, §§ 292, 293 AktG. Diese
Regelungen gelten auch für die SE. Es kann dahingestellt bleiben, ob dies aus der generellen Verweisung in Art. 9 Abs. 1 lit c ii SE-VO oder der
Spezialverweisung in Art. 52 Satz 2 SE-VO folgt oder aber daraus, dass nach dem deutschen IPR an das Konzernrecht des Sitzstaates der
abhängigen Gesellschaft – dies wäre die hier zu betrachtende Beklagte mit Sitz in S. – anzuknüpfen ist (vgl. Casper/Euler in Spindler/Stilz, AktG,
Art. 9 SE-VO Rn. 12).
202 Nach der Ausnahmeregelung in § 292 Abs. 2 AktG ist aber u.a. ein Vertrag mit einem Vorstandsmitglieder über eine Gewinnbeteiligung kein
Teilgewinnabführungsvertrag. Daraus folgt, dass solche Vereinbarungen keine Unternehmensverträge sind (§ 292 Abs. 1 AktG) und folglich
nicht der Zustimmung der Hauptversammlung nach § 293 Abs. 1 AktG bedürfen. Aus dem klaren Wortlaut der Regelung ergeben sich keine
Einschränkungen, die den Anwendungsbereich von der vereinbarten oder konkret sich nach den vereinbarten Modalitäten ergebenden Höhe
Einschränkungen, die den Anwendungsbereich von der vereinbarten oder konkret sich nach den vereinbarten Modalitäten ergebenden Höhe
der Gewinnbeteiligung abhängig machen. Im Gegenteil ist die Norm vor dem Hintergrund zu sehen, dass mit ihr die abweichende Konzeption
des früheren Rechts abgelöst wurde, das für die Reichweite einer Hauptversammlungszuständigkeit auf einen quantitativen Maßstab abgestellt
hatte; die damit verbundenen Abgrenzungsschwierigkeiten sollten mit der jetzigen Regelung vermieden werden, weshalb es sich verbietet,
nach der Bedeutung der Gewinnabführung zu differenzieren (Koppensteiner in KK-AktG, 3. Aufl., § 292 Rn. 56). Gegen eine unter diesem
Gesichtspunkt einschränkende Auslegung spricht ferner, dass es mit dieser Bestimmung bei der eindeutigen Kompetenz des Aufsichtsrats für
die Vergütung des Vorstands (§ 87 AktG) insgesamt bleibt.
203 Ebenso wenig stellt die Bestimmung auf den Beweggrund für die Gewährung der Gewinnbeteiligung ab. Es spielt deshalb auch keine Rolle,
dass die Gewinnbeteiligung bei ihrer erstmaligen Vereinbarung unstreitig zugesagt wurde, weil der frühere Vorstandsvorsitzende Herr Dr. W.
sich im Jahr 1994 zur Übernahme einer persönlichen Haftung bereit erklärte. Das Eingehen persönlicher Risiken in einer kritischen Lage der
Gesellschaft kann im Übrigen durchaus ein Grund dafür sein, dass ein spätere höhere Vergütung als angemessen betrachtet wird
(Mertens/Cahn, KK-AktG, 3. Aufl., § 87 Rn. 15); wird diese höhere Vergütung gewinnabhängig gewährt, bleibt sie dennoch im Rechtssinne
Vergütung im Sinne des § 87 AktG und sie unterliegt auch der Ausnahmeregelung des § 292 Abs. 2 AktG. Es spielt angesichts dessen auch
keine Rolle, dass Herr Dr. W. auf der Hauptversammlung vom 30.01.2009 angegeben hat, er habe damals nicht als Manager, sondern als
Unternehmer gehandelt. Diese persönliche Bewertung der Motivation für die Gewinnbeteiligung ist für die rechtliche Einordnung als
Vergütungsbestandteil und Anwendungsfall der Ausnahmeregelung ohne Relevanz. Dasselbe gilt für rechtlich bedeutungslose Zusagen von
Familiengesellschaftern. Erst recht kann offen bleiben, ob diese Vorgänge des Jahres 1994 und ihre Bewertung für die Qualifizierung der
Vereinbarung noch Bedeutung haben könnten, die im Geschäftsjahr 2007/2008 Gültigkeit hatte.
204 bb) Entscheidend kommt es im Übrigen auf diese Fragen nicht an. Soweit ersichtlich sind jedenfalls bislang in Literatur und Rechtsprechung
keinerlei Überlegungen zu einer Beschränkung des Anwendungsbereichs von § 292 Abs. 2 AktG angestellt worden, wie sie die Klägerin zu 1
nunmehr mit ihrer Klage vertritt. An den von ihr angegebenen Kommentarstellen ist auch nicht ausgeführt, dass die Ausnahmeregelung nur auf
„übliche“ Vereinbarungen anwendbar sei (im Gegenteil, siehe Koppensteiner a.a.O.) - allenfalls ist zu lesen, dass Vereinbarungen über eine
Gewinnbeteiligung in der Praxis üblich seien (z.B. Altmeppen in MünchKomm-AktG, 3. Aufl., § 292 Rn. 78; vgl. auch Koppensteiner a.a.O. Rn.
57). Deshalb hat sich der Aufsichtsrat nicht über eine zweifelsfreie Rechtslage hinweggesetzt, wenn er nicht von einer rechtlichen Einordnung
als Teilgewinnabführungsvertrag ausgegangen ist.
205 Erst recht ist es unter diesem Gesichtspunkt unbedenklich und ermessensfehlerfrei, wenn die Hauptversammlung die Entlastung beschlossen
hat, für die ein eindeutiger und schwerwiegender Rechtsverstoß nicht erkennbar gewesen sein kann. Die Klägerin zu 1 behauptet nicht, dass
auf der Hauptversammlung diese ohnehin zweifelhafte rechtliche Einordnung von Vergütungsvereinbarungen oder auch nur eine
Zustimmungspflicht der Hauptversammlung in irgendeiner Weise angesprochen oder gar verlangt worden wäre.
206
4. Entsprechenserklärung nach § 161 AktG
207 Die Entlastungsbeschlüsse sind nicht deshalb anfechtbar, weil die Entsprechenserklärung nach § 161 Satz 1 AktG Abweichungen der Praxis
der Beklagten zur Vorstandsvergütung von wesentlichen Empfehlungen der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance - Kodex
(nachfolgend: DCGK) nicht offenlegt (zur Anfechtbarkeit unter dieser Voraussetzung BGHZ 180, 9 ff - Kirch/Deutsche Bank; BGH NZG 2009,
1270, 1272). Dabei ist auf die Empfehlungen in der Fassung des Kodex vom 14.06.2007 abzustellen, der für das Geschäftsjahr 2007/2008, auf
das sich die Entlastung bezieht, maßgeblich ist und von der im Übrigen auch die Fassung vom 06.06.2008, veröffentlicht im elektronischen
Bundesanzeiger am 08.08.2008, in den von der Klägerin zu 1 angeführten Punkten inhaltlich nicht abweicht.
208 a) Die Anfechtung kann nicht darauf gestützt werden, dass eine Abweichung von Ziff. 4.2.3. Abs. 2 Satz 2 DCGK in der Entsprechenserklärung
nach § 161 AktG nicht offen gelegt worden sei. Darin liegt gegebenenfalls kein Gesetzesverstoß. Satz 2 lautet: „Die variablen Vergütungsteile
sollten einmalige sowie jährlich wiederkehrende, an den geschäftlichen Erfolg gebundene Komponenten und auch Komponenten mit
langfristiger Anreizwirkung und Risikocharakter enthalten.“ Verwendet der Kodex einen Begriff wie „sollte“ oder „kann“, so handelt es sich nur
um „Anregungen, von denen ohne Offenlegung abgewichen werden kann.“ (Präambel zum Kodex; vgl. auch BT-Drucksache 14/8769 S. 21 re.
Spalte; Sester in Spindler/Stilz, AktG, § 161 Rn. 33 m.w.N. in Fn. 93). Dementsprechend bezieht sich § 161 Satz 1 AktG nur auf Empfehlungen
im Kodex, die dort durch die Verwendung des Begriffs „soll“ gekennzeichnet sind, nicht aber auf die Anregungen, von denen auch ohne
Einschränkung in der Entsprechenserklärung abgewichen werden kann (BT-Drucksache 14/8769 S. 21 re. Spalte; Ringleb in
Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Deutscher Corporate Governance Kodex, Kommentar, 3. Aufl., Rn. 45, 1506).
209 b) Ebenso wenig spricht Ziff. 4.2.3. Abs. 2 Satz 3 DCGK mit dem Gebot der Angemessenheit sämtlicher Vergütungsbestandteile sowie der
Gesamtvergütung eine Empfehlung aus mit der Folge, dass Abweichungen in der Entsprechenserklärung offenzulegen sind. In diesem Satz
wird der Begriff „soll“ nicht verwandt. Er enthält auch keine Anregung im oben dargestellten Sinne, weil die Vergütung nicht lediglich
angemessen sein „sollte“ oder „kann“. Weil dieser Satz des Kodex mit keinem dieser Begriffe gekennzeichnet ist, sondern das Wort „müssen“
verwendet, weist er auf eine Bestimmung hin, die als geltendes Gesetzesrecht vom Unternehmen zu beachten ist (vgl. die Präambel zum
DCGK, a.a.O.), hier also § 87 AktG. Davon darf die Gesellschaft schon von Gesetzes wegen nicht abweichen und sie darf folglich keine
Einschränkung erklären. In der Entsprechenserklärung ist deshalb auch keine Äußerung dazu angebracht (§ 161 Satz 1 AktG).
210 c) Mit der Entsprechenserklärung wurde auch nicht versäumt, eine Abweichung von der in Ziff. 4.3.2 Abs. 3 Satz 4 DCGK ausgesprochenen
Empfehlung offen zu legen. Diese Empfehlung, eine Beschränkungsmöglichkeit für außerordentliche, nicht vorhersehbare Entwicklungen
vorzusehen, bezieht sich nur auf die langfristigen Komponenten mit Anreiz- und Risikocharakter (Kort in GroßKomm-AktG, 4. Aufl. § 87 Rn. 97),
wie sie die Beklagte unstreitig nicht mit ihren Vorständen vereinbart hatte. Der Wortlaut des Satzes 4 alleine ist unergiebig, weil er keinen
ausdrücklichen Bezug enthält. Dieser folgt aus der eindeutigen Stellung am Ende des Absatzes 3, der in seinen Sätzen 1 bis 3 nur diese
langfristigen Komponenten näher beschreibt und für sie weitere Anforderungen aufstellt. Dies ist auf die Entstehungsgeschichte
zurückzuführen: Die Empfehlung wurde im Zuge der öffentlichen und fachlichen Diskussion um die Begrenzung von Aktienoptionen eingefügt
(ausführlich zur Entstehungsgeschichte Ringleb a.a.O. Rn. 755 ff). Ob eine Erstreckung der Empfehlung auch auf die kurzfristigen, jährlich
wiederkehrenden, an den Geschäftserfolg gebundenen Vergütungskomponenten sachgerecht wäre, ist nicht zu entscheiden, weil die
Empfehlung in ihrer für die Entscheidung maßgeblichen, im Bundesanzeiger veröffentlichten Fassung so nicht lautet und sich deshalb auch die
Entsprechungserklärung der Beklagten dazu nicht verhalten musste.
211
5. Fehlende Anpassung oder Verhinderung der Auszahlung
212 a) Nicht fristgerecht (§ 246 Abs. 1 AktG) als Anfechtungsgrund vorgebracht hat die Klägerin zu 1, dass die Aufsichtsräte sich im
Entlastungszeitraum pflichtwidrig verhalten hätten, weil sie die nach den Vorstandsverträgen zu berechnende Vergütung im Hinblick auf die
besonderen Gewinne aus den Optionsgeschäften oder im Hinblick auf die Lage der Gesellschaft nicht herabgesetzt oder die Auszahlung
verhindert hätten. Zum tatsächlichen Kern eines Anfechtungsgrunds, der innerhalb der Anfechtungsfrist vorzutragen ist, gehört bei der
Anfechtung eines Entlastungsbeschlusses jedenfalls auch die Darlegung, inwiefern unter tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkten dem
Aufsichtsrat bei einer Handlung oder Unterlassung eine Pflicht- oder Gesetzeswidrigkeit vorgeworfen wird. In der Klageschrift wird insoweit
ausdrücklich ausgeführt, dass der Aufsichtsrat in Bezug auf die Regelung der Vergütung bzw. ihre Festsetzung ohne Obergrenze und wegen
der mit der Regelung gesetzten Fehlanreize rechtswidrig gehandelt habe. Die davon zu unterscheidende Frage, ob der Aufsichtsrat pflichtwidrig
den Ansatz der sich nach den Regelungen errechnenden Vergütungen im Jahresabschluss gebilligt und nicht für eine Herabsetzung gesorgt
oder gar die Auszahlung nicht verhindert habe, ist dort nicht als Anfechtungsgrund angeführt. Alleine der Umstand, dass sich die Vergütung der
Höhe nach, wie sie in der Klageschrift angesprochen ist, aus der Ableitung im Jahresabschluss ergibt, ersetzt nicht die Darlegung einer
Handlung des Aufsichtsrats, auf die ein Anfechtungsgrund gestützt werden soll. Es ist Sache des Anfechtungsklägers, durch die Bezeichnung
und Vortrag der Anfechtungsgründe klarzustellen, in welchem Umfang er welchen Hauptversammlungsbeschluss anfechten will, und damit den
Streitgegenstand zu bestimmen (vgl. zur Bedeutung des geltend gemachten Anfechtungsgrunds für den Streitgegenstand BGH, Beschluss vom
07.12.2009 - II ZR 63/08, Tz. 3 m.w.N.). Das setzt voraus, dass er wenigstens darlegt, aus welchen Umständen sich die Rechtswidrigkeit des
Beschlusses ergeben soll, im Falle eines Entlastungsbeschlusses also, inwiefern das fragliche Organ in dem für die Entlastung bedeutsamen
Zeitraum ein der Entlastung entgegenstehendes pflichtwidriges Handeln oder Unterlassen zur Last fällt und dies für die Hauptversammlung
eindeutig war.
213 b) Unabhängig von der Verfristung trägt der Vortrag der Klägerin nicht die Feststellung, dass der Aufsichtsrats eindeutig pflichtwidrig gehandelt
habe, indem er die Vergütung für das Geschäftsjahr 2007/2008 nicht angepasst oder ihre Auszahlung verhindert habe.
214 aa) Die Voraussetzungen für eine Anpassung nach § 87 Abs. 2 AktG a.F. haben nicht vorgelegen. Sie ist nur bei einer Verschlechterung der
Verhältnisse der Gesellschaft möglich, die ein so wesentliches Ausmaß annimmt, dass das Unterbleiben der Anpassung unbillig wäre. Daran
fehlt es von vornherein z.B. dann, wenn noch Gewinne ausgeschüttet werden (Fleischer in Spindler/Stilz, AktG, § 87 Rn. 31). Für das
Geschäftsjahr 2007/2008 kann ein solcher Zustand angesichts der ausgewiesenen Ergebnisse, ungeachtet der von der Klägerin zu 1
Geschäftsjahr 2007/2008 kann ein solcher Zustand angesichts der ausgewiesenen Ergebnisse, ungeachtet der von der Klägerin zu 1
vorgetragenen Risiken aus den Optionsgeschäften, nicht festgestellt werden. Ob sich dies im weiteren Verlauf bis zum Zeitpunkt der
Hauptversammlung anders darstellt, ist zweifelhaft, kann aber dahingestellt bleiben. Jedenfalls erlaubt § 87 Abs. 2 AktG nur eine Anpassung
der laufenden Vergütung, nicht aber eine Rückwirkung auf bereits verdiente Bezüge, auch wenn sie noch nicht ausgezahlt sind (allg.M., siehe
Fleischer in Spindler/Stilz, AktG, § 87 Rn. 33; Spindler in MünchKomm-AktG, 3. Aufl., § 87 Rn. 96; Mertens/Cahn, KK-AktG, 3. Aufl., § 87 Rn. 102,
je m.w.N.). Die Vorstandsvergütungen für das am 31.07.2008 abgelaufene Geschäftsjahr konnten deshalb nicht nachträglich wegen einer
etwaigen Verschlechterung der Verhältnisse im Jahr 2009 nach dieser Vorschrift herabgesetzt werden.
215 bb) Nicht eindeutig ist die Rechtslage im Hinblick auf die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen im Einzelnen ein variabler
Vergütungsanteil dann wegen einer Änderung der Geschäftsgrundlage oder im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung herabgesetzt
werden kann oder muss, wenn sich die für die Vergütung in Bezug genommene Ergebnisgröße deshalb erheblich erhöht, weil bei der
Regelung der Vergütung noch hinsichtlich ihrer Herkunft oder ihres Umfangs unerwartete Ergebnisanteile zu verbuchen sind. Dies wurde in der
Literatur insbesondere für Gewinne aus der Realisierung stiller Reserven, die das operative Ergebnis weit übertreffen, vertreten (z.B. Peltzer in
Festschrift Lutter S. 583 ff), was aber auch auf Widerspruch oder Zweifel gestoßen ist (z.B. Thüsing ZGR 2003, 457, 502 unter Hinweis auf die
andere h.M.), zumal auch vertreten wird, dass eine spätere Herabsetzung nur unter den engen Voraussetzungen des § 87 Abs. 2 AktG möglich
sei (vgl. etwa Spindler in MünchKomm-AktG, 3. Aufl., § 87 Rn. 72). Erst recht ist demnach nicht gesichert, inwiefern dieser Gedanke, sollte er
überhaupt durchgreifen, auf andere Fallgestaltungen, die eine Art „windfall profits“ aufweisen, übertragbar wäre, und ob eine solche
Fallgestaltung hier vorliegt. Solche Zweifel wären insbesondere nicht durch die nicht unter Beweis gestellte Behauptung der Klägerin zu 1
ausgeräumt, bei den Ergebnisbeiträgen aus den fraglichen Optionsgeschäften der Beklagten handele es sich ausschließlich um Buchgewinne
ohne jeden Mittelzufluss. Das ist nach dem Vortrag der Beklagten und auch den Angaben im Geschäftsbericht und geprüften Jahresabschluss
2007/2008 deshalb so nicht richtig, weil diese Ergebnisbeiträge zum überwiegenden Teil nicht aus bloßen Wertsteigerungen der verbuchten
Aktien oder Optionen zum Abschlussstichtag resultieren, sondern aus tatsächlich erhaltenen Ausgleichszahlungen, die der Beklagten aufgrund
der cash-gesettelten, also auf Barausgleich gerichteten Call-Optionen zustanden.
216 cc) Erst recht war es aus Sicht des Aufsichtsrats oder erst recht der Hauptversammlung vom 30.01.2009 nicht eindeutig erkennbar, dass der
Aufsichtsrat die Auszahlung der Vergütungen - falls sie überhaupt vor der Hauptversammlung ausgezahlt worden sind, was dahingestellt
bleiben kann - wegen einer unwirksamen Vergütungsvereinbarung hätte verhindern müssen. Wie ausgeführt, konnte von einer Nichtigkeit
wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) nicht zweifelsfrei ausgegangen werden. Dasselbe gilt für eine Unwirksamkeit der Vergütungsvereinbarung
wegen des von der Klägerin zu 1 behaupteten Verstoßes gegen § 87 Abs. 1 AktG. Zum einen ist in der Literatur umstritten, ob ein solcher
Verstoß überhaupt Auswirkungen auf die Wirksamkeit des Anstellungsvertrags oder der Vergütungsvereinbarung hat, ob also die
aktienrechtliche Regelung ein gesetzliches Verbot enthält oder ob und unter welchen Voraussetzungen sich der Vorstand pflichtgemäß nur auf
angemessene Regelungen einlassen darf und ob es ihm anderenfalls unter Schadensersatzgesichtspunkten oder nach den Regeln über den
Missbrauch der Vertretungsmacht verwehrt ist, sich auf die Vereinbarung zu berufen. Derartige Ansätze werden in den letzten Jahren zwar
zunehmend diskutiert (siehe hierzu und zum Meinungsstand etwa Fleischer in Spindler/Stilz, AktG, § 87 Rn. 28 f; Spindler in MünchKomm-AktG,
3. Aufl., § 87 Rn. 80), aber neuerdings auch wieder eher restriktiv gesehen (Cahn/Mertens in KK-AktG, 3. Aufl., § 87 Rn. 5). Es fehlt jedenfalls an
einem gesicherten Meinungsstand, der dem Aufsichtsrat und der Hauptversammlung eine eindeutige Erkenntnis des rechtlich Gebotenen
nahegelegt hätte. Zum anderen war ein Verstoß gegen § 87 Abs. 1 AktG zum Zeitpunkt der fraglichen Vergütungsvereinbarungen oder der dazu
ergangenen Aufsichtsratsentscheidungen ebenfalls nicht eindeutig gegeben (s.o.).
217
6. Fehlende Rückforderung
218 Verfristet nach § 246 Abs. 1 AktG ist auch der weitere von der Klägerin zu 1 erst in ihrer Replik vorgebrachte, als eigenständiger
Anfechtungsgrund zu wertende Vorwurf, der Aufsichtsrat habe es versäumt, überhöhte Vergütungen des Geschäftsjahr 2007/2008 oder
vorausgegangener Geschäftsjahre zurückzufordern.
219 Im Übrigen hätte es aus den bereits oben zu 5. b) genannten Gründen, die hierher übertragbar sind, an der Eindeutigkeit eines solchen
Rückforderungsanspruchs gefehlt. Ob seine Voraussetzungen im Übrigen, insbesondere auch für die Vorjahre, schlüssig dargelegt sind, kann
dahingestellt bleiben.
220
II. Entlastung Vorstand (TOP 3)
1.
221 Die Hauptversammlung musste die Entlastung des Vorstands nicht deswegen verweigern, weil er sich im Hinblick auf die Regelung seiner
Vergütung pflichtwidrig verhalten hat. An dem auch hier wieder erforderlichen eindeutigen und schwerwiegenden Verstoß fehlt es schon
deshalb, weil es ungeklärt ist, ob den Vorstand, der im Grundsatz in Bezug auf die Vereinbarung seiner Vergütung für sich selbst auftritt und
deshalb der Gesellschaft als Dritter gegenübersteht, insoweit überhaupt die Pflicht trifft, auf die Einhaltung des § 87 Abs. 1 AktG zu achten oder
hinzuwirken. Das wird zwar mit bedenkenswerter Argumentation in der neueren Literatur zunehmend vertreten (vgl. nur Fleischer in
Spindler/Stilz, AktG, § 87 Rn. 29 f m.w.N.), aber in anderen neuesten Kommentierungen nach wie vor anders gesehen (Mertens/Cahn, KK-AktG,
3. Aufl., § 87 Rn. 5; Seibt in K. Schmidt/Lutter, AktG, § 87 Rn. 9; siehe bereits oben I. 5. b).
2.
222 Unabhängig davon greifen die unter I. dargestellten Erwägungen zur Frage der eindeutigen und schwerwiegenden Pflichtverletzung des
Aufsichtsrats in Zusammenhang mit der Regelung, Auszahlung oder Rückforderung von Vergütungen entsprechend.
3.
223 Soweit die Klägerin zu 1 in der Replik vorbringt, der Vorstand habe gegen seine Pflicht verstoßen, Schadensersatzansprüche gegen die
verantwortlichen Aufsichtsratsmitglieder durchzusetzen, kann die Klage schon deshalb keinen Erfolg haben, weil dieser Anfechtungsgrund nicht
innerhalb der Anfechtungsfrist vorgebracht worden ist. Ob damit im Übrigen ein Anfechtungsgrund schlüssig vorgebracht wäre, kann
dahingestellt bleiben.
224
B. Informationspflichtverletzung
225 Die streitgegenständlichen Beschlüsse über die Entlastung von Vorstand (TOP 3) und Aufsichtsrat (TOP 4), über die Wahlen der
Anteilseignervertreter zum Aufsichtsrat (TOP 5) und über die Vergütung des ersten Aufsichtsrats (TOP 6) sind nicht gem. § 243 Abs. 1, 4 AktG
a.F. wegen der Verletzung von Auskunftspflichten anfechtbar.
226 Von vornherein offen bleiben kann, ob der unter TOP 2 gefasste Gewinnverwendungsbeschluss anfechtbar wäre und ob die von der Klägerin
als nicht ausreichend beantwortet vorgetragenen Fragen für die Beschlussfassung insoweit relevant waren, weil dieser Beschluss nicht
Streitgegenstand ist.
I.
1.
227 Ein Beschluss über die Entlastung des Vorstands oder des Aufsichtsrats ist anfechtbar, wenn die von einem Aktionär in der Hauptversammlung
verlangte und zu einem Tagesordnungspunkt erforderliche Auskunft nicht erteilt worden ist und wenn der Vorstand zur Verweigerung der
Auskunft nicht berechtigt gewesen ist (OLG Stuttgart NZG 2004, 966 m.w.N.). Die für sonstige Rechtsverletzungen geltende Einschränkung,
dass die Anfechtung eines Entlastungsbeschlusses nur bei eindeutigen und schwerwiegenden Verstößen in Frage kommt, gilt bei der
Verletzung von Informationspflichten so nicht (OLG Stuttgart a.a.O.). Auch ein innerhalb der Ermessensgrenzen liegender Entlastungsbeschluss
ist gemäß § 243 Abs. 1, 4 AktG anfechtbar, wenn einem Aktionär die zur Ermessensausübung erforderlichen Auskünfte unberechtigt verweigert
werden, was freilich voraussetzt, dass das Auskunftsbegehren auf Vorgänge von einigem Gewicht gerichtet ist, die für die Beurteilung der
Vertrauenswürdigkeit der Verwaltung von Bedeutung sind (BGHZ 160, 385).
2.
228 Ob die Klägerin zu 2 ihr Auskunfts- und Anfechtungsrecht wegen unzulässiger Tonaufnahmen auf der Hauptversammlung verwirkt hat, kann
offen bleiben.
3.
229 Ohne Erfolg bringt die Beklagte vor, die Klägerin zu 2 könne die Anfechtung wegen Informationspflichtverletzung nur auf die von ihrem Vertreter
auf der Hauptversammlung als nicht beantwortet zu Protokoll gegebenen Fragen stützen, nicht aber auf die Fragen anderer Aktionäre, die sie
sich nicht pauschal zu eigen machen und dann im Gerichtsverfahren nachschieben könne.
230 Für die Geltendmachung eines Anfechtungsgrundes bedarf es generell nicht der individuellen persönlichen Betroffenheit auf Grund des
verfolgten Gesetzes- oder Satzungsverstoßes (Würthwein in Spindler/Stilz, AktG, § 243 Rn. 41 m.w.N.). Auch im Falle von
Informationspflichtverletzungen steht deshalb unter den Voraussetzungen des § 245 AktG das Anfechtungsrecht jedem Aktionär zu, auch wenn
er nicht derjenige ist, der die Auskunft begehrt hat (BGH NJW 1992, 2760, 2763, Anl. II Z 8) – nicht anders wie das Auskunftsverfahren, wenn er
Widerspruch gegen einen betroffenen Hauptversammlungsbeschluss eingelegt hat (§ 132 Abs. 2 Satz 1 Alt. 3 AktG). Es ist deshalb im
Grundsatz unerheblich, ob er sich auf der Hauptversammlung die Fragen anderer Aktionäre zu eigen gemacht hat, sei es konkret oder
pauschal, ausdrücklich oder konkludent.
231 Ebenso wenig ist es erforderlich, dass er, der Fragesteller oder sonst ein anwesender Aktionär unbeantwortete Fragen als Katalog oder in
sonstiger Form zu Protokoll gegeben hat. § 131 Abs. 5 AktG sieht lediglich zur Erleichterung der Beweisführung vor, dass ein Aktionär, dessen
Fragen unbeantwortet worden sind, die Aufnahme von Frage und Grund für die Nichtbeantwortung in die notarielle Niederschrift verlangen
kann; materiell-rechtliche Bedeutung hat dies nicht (allg.M., vgl. nur Siems in Spindler/Stilz, AktG, § 131 Rn. 86 m.w.N.).
232 Das schließt es nicht aus, dass im Einzelfall einem Auskunftsbegehren oder der Erhebung der Anfechtungsklage wie anderen subjektiven
Rechten auch allgemeine Einwendungen wie die rechtsmissbräuchliche Ausübung, die Verwirkung, der Verzicht oder die Treuwidrigkeit wegen
widersprüchlichen Verhaltens oder wegen einer Obliegenheitsverletzung entgegengehalten werden können (zu solchen Schranken des
Auskunftsrechts etwa Decher in GroßKomm-AktG, § 131 Rn. 274 ff, 393 ff). So ist es eine Obliegenheitsverletzung, wenn ein formaler Verstoß
vorliegt, der aber vom Aktionär bei gehöriger Mitwirkung leicht hätte vermieden werden können, etwa wenn er den Anschein erweckt, er sei mit
der unzureichenden Antwort zufrieden oder er verzichte auf eine weitere Antwort (Decher a.a.O. Rn. 394). Die Grenze zum Rechtsmissbrauch
kann dabei überschritten werden, wenn es ein fragender Aktionär auf solche Fehlvorstellungen bei der Verwaltung anlegt. Auch sonst ist der
Aktionär gehalten, dem Vorstand die Antwort nicht zu erschweren. So muss die Antwort zwar dem Gebot der gewissen und getreuen
Rechenschaft entsprechend und vollständig, aber doch zunächst nur in dem Detaillierungsgehalt gegeben werden, in dem die Frage gestellt
wird. Pauschale Fragen können im Grundsatz pauschal beantwortet werden. Der Aktionär muss bei einem Informationsbedürfnis zu weiteren
Details dieses artikulieren und nachfragen. Erst dann ist der Vorstand zu Detailantworten verpflichtet (OLG Stuttgart NZG 2004, 966; Siems
a.a.O. Rn. 69).
233 Derartige Umstände liegen nach dem Sachvortrag auch der Beklagten und den von ihr vorgelegten Protokollen nicht vor. Sie sind auch nicht mit
der Fallgestaltung vergleichbar, die der von der Beklagten angeführten Entscheidung des LG Mainz (AG 1988, 169, 171) zugrunde lag. Nach
dem dortigen Ergebnis der Beweisaufnahme war man auf der Hauptversammlung nicht in der Lage gewesen, die Vielzahl von Aktionärsfragen
zu notieren und den Überblick darüber zu behalten, inwieweit diese schon beantwortet waren. Es wurde deshalb nach teilweiser Beantwortung
von Fragen dazu aufgefordert, die noch offenen Fragen zu Protokoll zu geben. Weil ein Aktionär Fragen zu schnell diktierte, wurde er gebeten,
sein Diktat in ein Tonaufnahmegerät zu sprechen, was geschah. Erst nach Schluss der Hauptversammlung verlangte er im gerichtlichen
Verfahren Auskünfte, die er in der Versammlung nicht mehr zu Protokoll gegeben oder diktiert hatte. Dies wurde als Verzicht, richtiger wohl als
widersprüchliches Verhalten gewertet. Somit hatte in dem Fall die Protokollierung oder das Diktat den Sinn, den Vorstand in Kenntnis darüber
zu setzen, welche Fragen er als aus Aktionärssicht beantwortet annehmen durfte und welche aus deren Sicht noch zu beantworten waren.
234 Der Fall hier liegt in mehrfacher Hinsicht anders.
235 Nach dem beiderseitigen Sachvortrag und insbesondere sowohl dem notariellen als auch dem stenographischen Protokoll war dem Vorstand
angesichts des professionellen Hauptversammlungsmanagements samt Einsatz des Back-Office klar, welche Fragen gestellt waren und
insbesondere in welchem Umfang er die hier im Rechtsstreit problematisierten Fragen zu den Vorgängen im Oktober 2008 sowie zu den
Kurssicherungsgeschäften der Beklagten beantworten wollte oder nicht beantworten wollte. Der Versammlungsleiter gab zwar, nachdem
Aktionäre erklärt hatten, ihre Fragen seien nicht ausreichend beantwortet, Gelegenheit, die gestellten und nach ihrer Meinung nicht
beantworteten Fragen zur Niederschrift des Notars zu erklären (notarielle Niederschrift S. 12 oben, Anl. II B 2), wobei es entgegen der von der
Klägerin zu 2 vertretenen Ansicht nicht darauf ankommt, ob er nur Gelegenheit gab oder ob er wie im Fall des LG Mainz dazu aufforderte, was
auf dasselbe hinausläuft. Entgegen der Darstellung der Beklagten hatte dies aber nicht den Sinn, Klarheit darüber zu verschaffen, zu welchen
Punkten die Aktionäre noch Informationsbedarf hatten. Das ist schon in rechtlicher Hinsicht nicht haltbar, weil die Protokollierung nach § 131
Abs. 5 AktG diesen Zweck nicht hat (s.o.). Auch der Verlauf der Hauptversammlung belegt das nicht. Diesen Sinn hätte die Protokollierung
allenfalls gegeben, wenn die übergebenen Listen anschließend vom Vorstand hätten durchgesehen werden sollen, um zu prüfen, ob aus
seiner Sicht noch Antworten darauf ausstanden. Das behauptet die Beklagte nicht und ist nach den vorgelegten Protokollen auch
ausgeschlossen. Denn die Protokollierung der Fragen war erklärtermaßen für einen Zeitpunkt nach Schluss der Generaldebatte vorgesehen
(Wortprotokoll S. 252, Anl. II B 3) und dann auch erst durchgeführt worden (a.a.O. sowie Notarielles Protokoll, S. 12, Anl. II B 2), so dass eine
Beantwortung noch offener Fragen gar nicht mehr erfolgt wäre. Nach Debattenschluss war dafür keine Zeit mehr, weil unmittelbar nach der
Pause zur Übergabe der Fragelisten zum Protokoll und zum Aufnehmen dazu abgegebener Erklärungen in die Abstimmungen und Wahlen
eingetreten wurde. Da § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG eine Informationserteilung in der Hauptversammlung vorsieht, hätten etwa noch offene
Antworten auch nicht ohne weiteres schriftlich nach der Hauptversammlung nachgereicht werden können (vgl. etwa Siems a.a.O. § 131 Rn. 65);
soweit es um Relevanz für die Beschlussfassung geht, kommt eine nachträgliche Auskunft ohnehin nicht in Frage (Siems a.a.O. Rn. 66).
Dementsprechend hatte der Vorstand auch nicht mehr vor, eventuell zu Protokoll zu gebende Fragen noch zu beantworten. Das hat der
Vorstandsvorsitzende im Rahmen der Diskussion um die Protokollierung ausdrücklich erklärt (Wortprotokoll, S. 242 unten, Anl. II B 3).
236 Im Übrigen würde auch eine andere Sichtweise nicht zu einem abweichenden Ergebnis führen, denn selbst wenn es der Sinn gewesen wäre,
dem Vorstand ein noch verbleibendes Informationsbedürfnis vor Augen zu führen, wäre dies für die von der Klägerin zu 2 im Rechtsstreit
vorgebrachten Fragen der Fall gewesen, denn sie wurden bis auf eine Ausnahme unstreitig entweder vom Vertreter der Klägerin zu 2 oder von
anderen Aktionärsvertretern als unbeantwortet zu Protokoll gegeben (Anl. 2 zum notariellen Protokoll, Anl. II B 2). Da im Falle der
unberechtigten Auskunftsverweigerung jeder anfechtungsbefugte Aktionär die Klage auf diesen Anfechtungsgrund stützen kann (s.o.), kann
sich die Beklagte nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen darauf berufen, dass sich ein künftiger Anfechtungskläger nur auf die
Nichtbeantwortung von ihm selbst zu Protokoll gegebener Fragen berufen werde.
3.
237 Die Darlegungs- und Beweislast für die behaupteten Informationspflichtverletzungen der beklagten Gesellschaft liegt beim Anfechtungskläger
(BGH BGHZ 180, 9, Tz. 37).
238 Generell besteht ein Anspruch auf Auskunft gemäß § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG i.V.m. Art. 53 Se-VO nur insoweit, als diese zur sachgemäßen
Beurteilung des betreffenden Gegenstandes der Tagesordnung erforderlich ist, d.h. von einem objektiv urteilenden Aktionär als wesentliches
Beurteilungselement benötigt wird; dieses begrenzt das Informationsrecht gemäß § 131 AktG in qualitativer und quantitativer Hinsicht sowie
hinsichtlich seines Detaillierungsgrades (BGHZ 180, 9, Tz. 39 m.w.N.). Ist die Auskunft in diesem Sinne erforderlich, ist sie auch nach § 243 Abs.
4 Satz 1 AktG relevant für die Beschlussfassung, d.h. wesentliche Voraussetzung für die sachgerechte Wahrnehmung seiner Teilnahme- und
Mitgliedschaftsrechte (vgl. BGHZ 160, 385; Würthwein in Spindler/Stilz, AktG, § 243 Rn. 234). Dies bezieht sich im Rahmen der
Anfechtungsklage selbstverständlich auf den jeweils streitgegenständlichen Hauptversammlungsbeschluss. Auf die zwischen den Parteien
diskutierte Frage einer allgemeinen Rechenschaftspflicht gegenüber den Aktionären kommt es deshalb nicht entscheidend an. Inwieweit eine
Antwort auf die von der Klägerin zu 2 angeführten Fragen für die Beschlussfassung relevant war, wird nachfolgend bei der Behandlung der
einzelnen Fragen, soweit entscheidungserheblich, ausgeführt.
239
II. Einzelne Fragen
240
1. Frage 1
241 Herr Dr. We. stellte auf der Hauptversammlung folgende Fragen, die sich auf die Vorgänge im Oktober 2008 um die Kursentwicklung der V.-
Stammaktie und um die Hintergründe und Auswirkungen der Pressemitteilungen der Beklagten in dem Zusammenhang bezogen (WP 237; die
nachfolgende Unterteilung hier und bei einigen weiteren Fragen in sog. „Unterfragen“ erfolgte nicht bei der Fragestellung, sondern folgt der
Systematisierung in der Klageerwiderung der Beklagten, die die Parteien in späteren Schriftsätzen beibehalten haben):
242
Unterfrage 1.1.
243
An welchem Tag im Oktober hatten Sie erstmals Kenntnis vom Short-Squeeze überhaupt?
244
Unterfrage 1.2.
245
Haben Sie erkannt, dass Ihre Mitteilung vom 26. Oktober geeignet war, Beruhigung in die Märkte zu bringen oder vielmehr
Beunruhigung in die Märkte zu bringen?
246
Unterfrage 1.3.
247
Für wie naiv - ich frage das jetzt ganz drastisch - halten Sie uns und für wie naiv halten Sie in diesem Zusammenhang die BaFin?
248
Unterfrage 1.4.
249
Aber ich will Sie noch einmal ganz konkret fragen: Was haben Sie wann in diesem Zusammenhang der BaFin gemeldet?
250 Zur selben Thematik stellte der Aktionär L. außerdem wiederholt folgende Fragen (WP 131, 216):
251
Unterfrage 1.5.
252
Wieso erfolgte die Mitteilung vom 26. Oktober 2008 gerade zu einem Zeitpunkt, als der Kurs sich fast halbiert hatte und nicht schon
wenige Wochen zuvor als bereits ein erster Short-Squeeze stattgefunden hatte?
253
Unterfrage 1.6.
254
Was waren die konkreten neuen Informationen, die zu Ihrer Mitteilung führten? Nennen Sie bitte auch die Quelle und den Tag der
Kenntnisnahme.
255 Die Beklagte antwortete hierauf jeweils wie folgt (WP 208, 246):
256
Im Oktober 2008 wurde für uns offenkundig, dass im Markt deutlich mehr Short-Positionen im Hinblick auf V.-Stammaktien bestehen
mussten, als von uns erwartet. Angesichts dessen gelangten wir am 26. Oktober 2008 zu der Überzeugung, dass die unverzügliche
Offenlegung des Anteilsbesitzes von P. in Höhe von 42,6 Prozent der V.-Stammaktien sowie der zu diesem Zeitpunkt im Hinblick auf V.-
Stammaktien bestehenden Cash-gesettlelten Aktienoptionen in Höhe von 31,5 Prozent der V.-Stammaktien notwendig war, um den
offenkundig in großer Zahl vorhandenen Leerverkäufern Gelegenheit zu geben, ihre Positionen in V.-Stammaktien in Ruhe und ohne
größeres Risiko aufzulösen.
257 Ferner auf die Frage von Herrn L. (WP 208):
258
Wir hielten es für sachgerecht, in diesem Zeitpunkt auch die Absichten im Hinblick auf den weiteren Beteiligungsaufbau bei V. und den
Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages mit V. festzulegen und zu kommunizieren. Daraufhin entschieden
wir, eine Erhöhung der V.-Beteiligung im Jahr 2009 auf 75 Prozent der Stammaktien als Grundvoraussetzung für einen
Beherrschungsvertrag anzustreben und diese Absicht gleichzeitig mit der Offenlegung der gehaltenen V.-Stammaktien und der auf V.-
Stammaktien bezogenen Cash-gesettleten Optionen zu kommunizieren.
259 Und auf die Fragen von Herrn Dr. We. auch (WP 244):
260
Natürlich haben wir auch nach unserer Bekanntgabe am 26. Oktober 2008 die Märkte sorgfältig beobachtet. Wie aber bereits
dargelegt, war die Kursentwicklung der V.-Stammaktie für uns völlig überraschend. Wir haben bereits am 27. Oktober 2008 von uns
aus mit der BaFin Kontakt aufgenommen.
261 Die Klägerin zu 2 meint, die Fragen seien weitgehend unbeantwortet geblieben. Die Beklagte habe nur mit Allgemeinplätzen geantwortet oder
ihre Pressemitteilung wiederholt. Das Datum der Erkenntnis zum Short Squeeze werde nicht mitgeteilt; dabei habe bereits am 15. und
16.10.2008 für die Beklagte erkennbar eine Angebotsknappheit bestanden. Weshalb gleichwohl die dadurch veranlasste Meldung erst 10 Tage
später und nach Marktberuhigung herausgegeben worden sei, habe die Beklagte nicht beantwortet. Dasselbe gelte für die Frage, auf welchen
Informationen dies beruht habe. Die Auskunft zum Datum der BaFin-Information ergebe nicht, was der Behörde mitgeteilt worden sei. Antworten
seien insbesondere zur sachgemäßen Entscheidung über die Gewinnverwendung und die Entlastung des Vorstands erforderlich gewesen. Es
bestehe der Verdacht, dass die Meldung der Beklagten einen Short Squeeze provoziert habe und der Markt dadurch manipuliert worden sei,
die BaFin habe ihre Ermittlungen wieder aufgenommen, Schadensersatzansprüche seien angekündigt. Von Interesse sei die Antwort auch
wegen des Verdachts, für die Kursexplosion gesorgt zu haben, um bei einem weiteren Kursverfall und der dann absehbaren Ausübung der Put-
Optionen nicht zahlungsunfähig zu werden.
262 Ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG bestehe nicht. Die Beklagte habe einen Nachteil für die Gesellschaft nicht
vorgetragen. Vielmehr könne das Zurückhalten von Informationen oder Zurückhalten von kursbeeinflussenden Insiderinformationen gegen
gesetzliche Publizitätspflichten verstoßen. Außerdem seien die Derivattransaktionen abgeschlossen, so dass kein Schaden mehr drohe. Für die
Vermeidung zivil- und strafrechtlicher Konsequenzen bestehe keine Privilegierung.
263 Die Beklagte erwidert, sämtliche Unterfragen seien mit den Auskünften und auch schon den Angaben in der Rede des Vorstandsvorsitzenden
(WP 31), soweit erforderlich, beantwortet worden. Daraus werde auch deutlich, dass der Vorstand die Pressemitteilung vom 26.10.2008 nicht
früher veröffentlicht habe, weil er an dem Tag aufgrund seiner Kursbeobachtung zur Überzeugung der Offenlegung der Beteiligung und der
Höhe gehaltener Optionen gelangt sei. Ebenso werde deutlich, dass er nicht mit einem starken Kursanstieg nach der Pressemitteilung vom
26.10.2008 gerechnet habe. Zeitpunkt und Inhalt der Mitteilung an die BaFin seien angegeben, im Übrigen auch irrelevant für die
Entlastungsentscheidung.
264 Die Klägerin könne daraus die von ihr für diese Frage ins Feld geführten Rückschlüsse auf das Risikomanagement der Beklagten und auf die
Haltlosigkeit des Verdachts von Kursmanipulationen nachvollziehen. Eine weitergehende Beantwortung sei für die Vorstandsentlastung, die
Neuwahl von Aufsichtsratsmitgliedern und die Vergütung des ersten Aufsichtsrats nicht erforderlich, die Frage nach konkreten Daten und
Quellen (Unterfragen 1.2 und 1.6) richte sich nicht auf wesentliche Ergänzungen. Die Hauptversammlung besitze keine umfassende
Kontrollbefugnis über die Organe.
265 b) Das Auskunftsrecht ist nicht durch unzureichende Beantwortung der Fragen verletzt. Die Fragen sind in einem für die Information der
Aktionäre als Grundlage für die Beschlussfassung erforderlichen Umfang beantwortet worden. Aus den Antworten des Vorstands lässt sich
entnehmen, dass der Vorstand, der sich nach seinen Angaben auf der Hauptversammlung einer ständigen Kursbeobachtung unterzogen hat
(WP 152), die Kursanstiege vom 15. und 16.10.2008 aktuell wahrgenommen haben will (zu Unterfrage 1.1.). Wie sich weiter aus der Auskunft
ergibt, hat er aufgrund dieser Beobachtungen und dazu angestellter Überlegungen am 26.10.2008 den Entschluss zur Veröffentlichung der
Höhe von Beteiligung und Optionen und der weiteren Absichten in Bezug auf die Beteiligung getroffen (zu Unterfrage 1.5. und 1.6). Dies
korrespondiert im Übrigen mit der Antwort auf Frage 3, dass an diesem Tag auch der Beschluss gefasst wurde, die qualifizierte Mehrheit und
einen Beherrschungsvertrag anzustreben, was ebenfalls mit dieser Meldung vom 26.10.2008 mitgeteilt wurde. Ob der Entschluss hätte früher
getroffen werden können oder müssen, kann dahingestellt bleiben, weil dies nicht die Vollständigkeit der Auskunftserteilung betrifft. Mit den
Angaben, dass der Vorstand „überrascht“ gewesen sei über die weitere Kursexplosion, während er, wie in der Pressemitteilung vom 26.10.2008
schon verbreitet, eine Auflösung von Leerpositionen „in Ruhe und ohne größeres Risiko“ erwartete, ist die Unterfrage 1.2. dahin beantwortet,
dass der Vorstand eine Beruhigung der Märkte durch seine Meldung angenommen habe. Ob diese Annahme aus nachträglicher oder auch
damaliger Sicht berechtigt oder überzeugend war, lässt sich hinterfragen, ist aber für die Anfechtungsklage ohne Bedeutung, weil dies nichts
daran ändert, dass der Vorstand die Frage beantwortet hat. Schließlich hat der Vorstand auch die Auskunft gegeben, dass er die BaFin am
27.10.2008 über die beabsichtigten Maßnahmen informiert hat (zu Unterfrage 1.4). Der verständige Aktionär bezieht dies zweifelsfrei auf die in
der folgenden Pressemitteilung vom 29.10.2008 angekündigten Maßnahmen, nämlich die Auflösung der Kurssicherungsgeschäfte im Umfang
von bis zu 5 %. Die Unterfrage 1.3 war ersichtlich eine rhetorische Frage, die keine eigenständige Beantwortung verlangt hat.
266
2. - Frage 2
267 a) Herr Dr. We. stellte die Frage (WP 249):
268
Gibt es einen V.-Tiefstkurs, ab dem P. technisch insolvent wäre, und wo liegt er? Ich bin sicher, dass es irgendwelche Korridore gibt,
die hier von Bedeutung sein können, zumindest in einer theoretischen Ebene.
269 Der Vorstand antwortete darauf (WP 251):
270
Wir haben im Endeffekt zugrunde gelegt, als wir diese Struktur aufgebaut haben, dass wir einen Strike festgelegt haben, der die
finanzielle Kraft von P. nicht überfordert, wenn es einigermaßen vernünftig weiterläuft. Selbst in der Krise - Sie haben ja gesehen, dass
es uns im Moment nicht so stark beeinflusst wie andere Automobilhersteller - ist es so, dass diese Strikes so gewählt wurden, dass P.
sie zahlen kann. Das ist unabhängig vom jeweiligen V.-Kurs.
sie zahlen kann. Das ist unabhängig vom jeweiligen V.-Kurs.
271
Das ist die Struktur dieser Cash-gesettelten Optionen. Deswegen haben wir sie auch abgeschlossen, um einfach eine saubere
Kalkulationsbasis zu finden.
272 Die Klägerin zu 2 trägt vor, die Frage sei unvollständig beantwortet worden. Zur Frage nach den V.-Tiefstkursen oder einem Kurskorridor, der
zur technischen Insolvenz von P. führen könne, habe die Beklagte keine konkreten Zahlen genannt, sondern auf die Strikes (Ausübungspreise)
verwiesen. Die Nennung eines Strikes oder Strike-Korridors sei erforderlich für die Einschätzung des vom Vorstand eingegangenen Risikos und
damit für die Beurteilung seiner vorgeschlagenen Entlastung. Die Frage richte sich nicht auf hypothetische Szenarien, weil die Beklagte Put-
Optionen nur mit realistischen Strikes habe veräußern können, bei denen eine Unterschreitung durch den Kurs nie hypothetisch sei.
273 Es bestehe auch kein Auskunftsverweigerungsrecht, weil Lieferanten- und Kundenbeziehungen nur zur P. AG bestünden, nicht zur Beklagten,
nach deren Insolvenzrisiko gefragt worden sei. Nach diesem sei nur abstrakt gefragt worden, nicht nach spezifischen Vertragskonditionen der
Derivatgeschäfte; es handele sich deshalb nicht um Geschäftsgeheimnisse.
274 Die Beklagte erwidert, die Frage sei damit beantwortet, dass die Strikes unabhängig vom V.-Kurs bezahlt werden könnten. Darüber hinaus habe
eine Antwort zu einem theoretischen Tiefkurs nicht beantwortet werden müssen, weil dies nicht zur Beurteilung der Tagesordnungspunkte
erforderlich gewesen wäre. Sie verweist ferner auf weitere Auskünfte zu anderen Fragen, wie WP 225 und 244 wiedergegeben (siehe
Schriftsatz vom 20. Mai 2009, S. 58 f = Bl. II 211 f). Weitere Details der Kurssicherungsgeschäfte hätten als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse
nicht offenbart werden müssen. Außerdem sei die Diskussion theoretischer Insolvenzszenarien auf der Hauptversammlung wegen der Störung
von Kunden-, Lieferanten- und Bankenbeziehungen geschäftsschädigend, was ebenfalls eine Auskunftsverweigerung rechtfertige.
275 b) Die Frage danach, ob es V.-Tiefstkurse gebe, die zur „technischen Insolvenz“ der Beklagten, zumindest auf einer theoretischen Ebene, führen
könnten – gemeint ist infolge der begebenen Put-Optionen - , ist zunächst damit beantwortet, dass die Strikes so gewählt wurden, dass die
Beklagte sie unabhängig vom Kurs der V.-Aktie bezahlen könne. Bei dieser Antwort – die bedeutet, dass es solche Kurse nicht gebe - erübrigte
sich auch nach der Art der Fragestellung, darauf einzugehen, wo gegebenenfalls solche Kurse liegen. Zutreffend ist, dass die direkte Antwort
auf die Frage (wie WP 251) nicht bedeutet, dass auch bei einem theoretischen Kurs von 0 die Beklagte die Optionen bezahlen könne - die
Antwort beschränkt die Aussage auf den Fall, dass es „einigermaßen vernünftig weiterläuft“. Dies war also - so war jedenfalls der Antwort zu
entnehmen - Grundlage des Kalküls des Vorstands bei der Wahl der Ausübungspreise. Dem konnten die Aktionäre weiter entnehmen,
Szenarien für den Fall, dass es - bezogen auf die Kursentwicklung der V.-Aktie - in einem Ausmaß nicht „vernünftig weiterlaufe“, dass ein
Insolvenzrisiko entstehe, seien nicht entwickelt worden. Angesichts dessen musste der Vorstand in der Hauptversammlung auch keine vor
diesem Hintergrund dann tatsächlich hypothetischen Szenarien für eine wie auch immer „theoretische Ebene“ entwickeln und darstellen. Es ist
auch nicht die Aufgabe des Vorstands, bei den von ihm getätigten Geschäften jegliches Risiko zu vermeiden, sondern die Risiken auf
hinreichender Informationsgrundlage zu bewerten und danach zu entscheiden, ob sie in Kauf genommen werden können. Wie der Vorstand die
Risiken bewertet hat, hat er mit seinen in der Klageerwiderung in Bezug genommenen Ausführungen zum Risikomanagement auf S. 172 ff des
Geschäftsberichts und hier insbesondere auf S. 177 des Geschäftsberichts unter Angabe eines Value-at-Risk (ca. EUR 1,8 Mrd) und
Darstellung der dabei zugrunde gelegten Parameter wie Haltedauer und Konvidenzniveau mitgeteilt. In dem Kontext kann die in WP 244
wiedergegebene Antwort auf die Frage eines anderen Aktionärs (ab welchen Tiefstpreisen für die V.-Aktie P. in Schwierigkeiten komme)
gesehen werden, angesichts der Werte für Eigenkapital und Equity-Buchwert beantworte sich diese Frage von selbst.
276 Angesichts dessen waren weitere Überlegungen oder Äußerungen zu einer „technischen“ Insolvenz auf theoretischer Ebene (so die Klägerin)
oder im hypothetischen Fall (so die Beklagte) auch nicht zur sachgerechten Beurteilung der Beschlussgegenstände erforderlich.
277 Abgesehen davon hätten es solche Angaben ermöglicht, Rückschlüsse auf die mit anderen Fragen verlangte, aber verweigerte Informationen
zu Details der Optionsgeschäfte, insbesondere den Strikes, zu ziehen. Insoweit beruft sich die Beklagte deshalb zu Recht auch auf ein
Auskunftsverweigerungsrecht (dazu unten bei Frage 4 unter b). Ob darüber hinaus die Diskussion von Insolvenzszenarien
geschäftsschädigend gewesen wäre und auch deshalb ein Auskunftsverweigerungsrecht bestand, kann dahingestellt bleiben.
278
3. Frage 3
279 a) Der Aktionärsvertreter B. stellte folgende Frage (WP S. 179); vgl. auch schon S. 61):
280
Haben sich Vorstand und Aufsichtsrat bereits vor dem Einstieg bei V. konsequent mit der Möglichkeit einer Beteiligung mit einfacher
bzw. qualifizierter Mehrheit beschäftigt und mit Absicherungsgeschäften diese Handlungsoption eröffnet? Wenn ja, wann wurden
entsprechende Planungen vom Vorstand begonnen, wann wurden entsprechende Beschlüsse vom Vorstand bzw. vom Aufsichtsrat
gefasst?
281 Zuvor hatte der Vorstand auf die ähnliche gestellte Frage (WP S. 61) bereits geantwortet (WP S. 138):
282
Die Organe der Gesellschaft haben alle nach Satzung und Geschäftsordnung erforderlichen Beschlüsse gefasst. Bitte haben Sie
Verständnis, dass wir uns zu Einzelheiten nicht äußern.
283 Nach der wiederholten Fragestellung lautete die Antwort wie folgt (WP S. 231):
284
Selbstverständlich haben sich Vorstand und Aufsichtsrat vor dem Einstieg mit allen möglichen Optionen eines Beteiligungserwerbs bei
V. auseinandergesetzt. Die Kurssicherungsgeschäfte sollten die Voraussetzung dafür schaffen, dass P. eventuelle
Beteiligungsaufstockungen bei V. zu wirtschaftlich abgesicherten Konditionen durchführen konnte. Wir wollten verhindern, dass sich in
der Zukunft unternehmerisch als sinnvoll betrachtete Beteiligungserhöhungen wegen etwaiger zwischenzeitlich eingetretener
Kurssteigerungen der V.-Aktie nicht realisieren lassen würden.
285 Die Beklagte sieht auch die folgenden Antworten in diesem Zusammenhang:
286
Die Organe der Gesellschaft haben alle nach Satzung und Geschäftsordnung erforderlichen Beschlüsse gefasst. Bitte haben Sie
Verständnis, dass wir uns zu Einzelheiten nicht äußern. (WP 138)
287
Alle erforderlichen Organbeschlüsse zur Kurssicherungsstrategie sind zeitgerecht und ordnungsgemäß gefasst worden. (WP 224)
288
Wir haben, wie auch schon erwähnt, die Absicherungsgeschäfte in 2005/2006 begonnen (WP 227).
289
Im Geschäftsjahr 2007/08 hat sich der Vorstand fortlaufend mit dem V.-Engagement befasst. Am 3. März 2008 haben wir entschieden,
die Mehrheit am stimmberechtigten Kapital von V. zu erwerben. Am 26. Oktober 2008 entschied der Vorstand, eine Erhöhung der
Beteiligung im Jahr 2009 auf 75 % als Grundvoraussetzung für einen Beherrschungsvertrag anzustreben (WP S. 205).
290 Die Klägerin zu 2 meint, die Frage, deutlich gestellt nach Inhalt und Zeitpunkt der Entscheidungen der beiden Organe, sei nicht beantwortet, die
gegebenen Auskünfte seien unzureichend. Sie seien von Bedeutung, um die Vorwürfe zu prüfen, die Organe hätten sich bereits vor dem
Einstieg bei V. auf eine Mehrheitsübernahme geeinigt und den Markt darüber mithilfe der Put-Call-Strukturen bewusst darüber im Unklaren
gelassen oder sogar in die Irre geführt. Es drohten deshalb Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte. Es bleibe nach wie vor unklar, ob
der Einstieg bei der Beklagten und der schrittweise Aufbau der Mehrheitsbeteiligung einem Gesamtplan folgten oder ob die Beklagte vielmehr
als Getriebene ihrer Kurssicherungsgeschäfte gehandelt habe, was die Vorgänge im Oktober 2008 nahelegten. Dies zu wissen, sei
insbesondere für die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat von Bedeutung. Das betreffe auch in 2005 abgeschlossene
Kurssicherungsgeschäfte, die, weil sie in der Folgezeit weitergerollt worden seien, einen wesentlichen Einfluss auf die Liquiditätsbelastung im
Geschäftsjahr 2007/2008 und im laufenden Geschäftsjahr gehabt hätten.
291 Ein Auskunftsverweigerungsrecht stehe der Beklagten nicht zu, da sie die Beteiligungsverhältnisse am 26.10.2008 offen gelegt habe und die
nachträgliche Bekanntgabe ihrer Strategie das Gesellschaftsinteresse nicht beeinträchtige.
292 Die Beklagte erwidert, ein Anspruch auf weitere Auskunftserteilung bestehe nicht, weil die Frage nicht das Geschäftsjahr 2007/2008 betreffe
und für die Tagesordnung nicht relevant sei. Sie sei im Übrigen vollständig beantwortet worden. Die Beschäftigung der Organe mit einer
Beteiligung zu den genannten Mehrheiten vor dem Einstieg sei bejaht worden. Der Zeitpunkt der Vorstandsbeschlüsse zur Erzielung einfacher
und qualifizierter Mehrheit sei genannt worden. Mit den auf der Hauptversammlung gegebenen Informationen sei bejaht, dass die Beklagte
nach einer zwischen Vorstand und Aufsichtsrat abgestimmten Strategie vorgegangen sei und sich dabei durch den Beginn der
Kurssicherungsgeschäfte schon 2005/2006 die Möglichkeit weiterer Aufstockungen, also sämtliche Optionen eröffnet habe. Mit diesen
Geschäften und den Organbeschlüssen dazu sei keine Entscheidung über Ob, Zeitpunkt und Höhe eines Beteiligungsaufbaus verbunden
gewesen. Deshalb seien die Zeitpunkte dieser Beschlüsse auch ohne Bedeutung für den Vorwurf der Irreführung des Kapitalmarkts. Eine
weitergehende Auskunft über Einzelheiten der Planung des Vorstands und Zeitpunkte der Organbeschlüsse sei nicht erforderlich. Die Klägerin
zu 2 sei dazu auch ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen, inwieweit die gegebenen Antworten für den Durchschnittsaktionär nicht
ausreichend gewesen sein sollen. Inhalt und Zeitpunkt der Aufsichtsratsbeschlüsse unterliege im Übrigen dem Beratungsgeheimnis und hätten
deshalb nicht offenbar werden dürfen. Auch Einzelheiten zur Strategieplanung unterlägen dem Auskunftsverweigerungsrecht, denn die
Beklagte habe zunächst weiterhin Optionen gehalten und sie sei auch nach deren Weiterveräußerung berechtigt, Einzelheiten geheim zu
halten, um Nachteile abzuwenden.
293 b) Ein Auskunftsanspruch auf weitergehende Beantwortung der Frage 3 besteht nicht.
294 Die Beklagte hat, soweit dies für die Beurteilung der Tagesordnung nach dem Vorbringen der Klägerin zu 2 erforderlich war, die Antworten
gegeben. Mit der Antwort einerseits, dass mit Kurssicherungsgeschäften bereits 2005/2006 begonnen wurde, um sämtliche Optionen
offenzuhalten, und der Bekanntgabe andererseits der Daten der Vorstandsbeschlüsse (s.o. unter a) zum Ziel der einfachen und später der
qualifizierten Mehrheit ist der gefragte zeitliche Ablauf hinreichend umrissen. Datum und Anlass des Vorstandsbeschlusses vom 26.10.2008
wurden auf der Hauptversammlung auch auf eine Frage von Herrn Dr. We. hin noch einmal mitgeteilt, verbunden mit der Information, der
Aufsichtsrat habe am 20.10.2008 das Ziel einer Erreichung der dreiviertel Mehrheit gebilligt (WP S. 222). Mit diesen Antworten ist auch
klargestellt, dass der Vorstand jeweils mit Billigung des Aufsichtsrats gehandelt hat und nicht etwa, wie die Klägerin zu 2 mutmaßt, im Unklaren
gelassen worden ist. Inhaltlich bedeuten die Antworten, dass die Beklagte eine Gesamtstrategie verfolgt hat, die aber nicht zwingend von
vornherein auf den Ausbau bestimmter Mehrheiten ausgerichtet war, sondern darauf, sich über die Optionsgeschäfte die Möglichkeiten dazu zu
schaffen und offen zu halten, um zu gegebener Zeit die konkrete Absichten festlegen zu können. Damit ist insbesondere auch der Aspekt, ob
sich die Organe vor dem Einstieg bei V. „konsequent“ mit der Mehrheitsbeteiligung „beschäftigt“ hätten, hinreichend abgedeckt, soweit dies
überhaupt möglich ist. Dass die genauen Daten von Vorstands- oder Aufsichtsratssitzungen im Geschäftsjahr 2005/2006 für die Entscheidung
über die Entlastung zum Geschäftsjahr 2007/2008 zum Zeitpunkt der Hauptversammlung vom 30.01.2009 von Bedeutung gewesen sein sollen,
kann die Kammer nicht erkennen. Insgesamt sind die Antworten gegeben worden. Ob die Klägerin zu 2 oder andere Aktionäre mit diesen
Antworten zufrieden sind oder ob sie ihnen Glauben schenken, ist unerheblich, denn das stellt nicht in Frage, dass die Antworten gegeben sind.
Dass die Antworten unrichtig sind, behauptet die Klägerin zu 2 nicht.
295
4. Frage 4 – Existenz und Details von Put-Optionen
296 a) Die Aktionärsvertreter Herr B. (WP 62, 180) und auch Herr Dr. We. (WP 171) fragte:
297
Ist es wahr, dass P. Put-Optionen oder Put ähnliche Instrumente auf V. Stammaktien direkt oder indirekt begeben oder verkauft hat? …
Wenn ja, nennen Sie bitte die Zeitpunkte, Erlöse, Anzahl und die jeweiligen Ausübungsschwellen.
298 Herr H. gab zunächst zur Antwort (WP 139)
299
Wir haben uns zu Einzelheiten unserer Optionsstrategie im Unternehmensinteresse bisher nicht geäußert und wollen dies, Herr B.,
auch weiterhin nicht tun. Bitte haben Sie dafür Verständnis.
300 und er ergänzte auf die Nachfrage (WP 232):
301
Die Kurssicherungsstrategie umfasst sowohl den Erwerb von Call-Optionen als auch den Verkauf von Put-Optionen, um die aus dem
Kauf der Call-Optionen resultierenden Kosten zu reduzieren. Zu weiteren Einzelheiten - auch das haben wir schon gesagt - wollen wir
uns im Unternehmensinteresse nicht äußern.
302 Unstreitig ist damit die erste Frage (Unterfrage 4.1) beantwortet worden, während die Beklagte zur zweiten Frage nach den Details (Unterfrage
4.2) die Auskunft verweigert hat.
303 Die Klägerin zu 2 sieht ein berechtigtes Interesse an der Antwort auf die Unterfrage 4.2. Nachdem die V.-Aktienkurse infolge der Finanzkrise im
September und Oktober 2008 erheblich gefallen seien, spreche die überraschende Offenlegung der Mehrheitsbeteiligung durch die Beklagten
am 26.10.2008 dafür, dass ihr aus den Put-Optionen erhebliche Verluste gedroht hätten, möglicherweise sogar existenzbedrohender Art. Die
Meinung der Beklagten, nach realistischer Betrachtung sei ein Insolvenzrisiko gering gewesen, sei durch die Realität Ende März 2009 überholt.
Auch im Hinblick auf den gegen die Beklagte erhobenen Vorwurf der Marktmanipulation (Anl. K 7) müsse geklärt werden, ob die Beklagte durch
Put-Optionen und Delta 1 Hedging von Kontraktpartnern planmäßig den Markt verengt und den Kurs von EUR 50 auf über EUR 1.000
hochgetrieben habe. Die Antwort diene der Aufklärung der faktischen Kaufverpflichtung aus den Put-Optionen. Der Hinweis, dass sie zu
komplex für die Aktionäre ausfallen könne, trage nicht. Die Antwort sei zur Beurteilung der Ergebnisverwendung und der Vorstandsentlastung
erforderlich. Ein Auskunftsverweigerungsrecht stehe der Beklagten nicht zu, sie habe die Informationen bereits nach § 15 a WpHG
veröffentlichen müssen; außerdem habe das Gesellschaftsinteresse an Aufdeckung von Pflichtverletzungen Vorrang. Es sei auch nicht
substantiiert ausgeführt, worin der Nachteil für die Beklagte bestehen solle.
304 Die Beklagte meint, die Antworten seien für die Entlastungsentscheidung nicht erforderlich gewesen. Die Vermutungen der Klägerin zu 2 zu den
Hintergründen der Mitteilung vom 26.10.2008 und zur Marktmanipulation seien falsch. Die Mitteilung sei nur erfolgt, um Shortsellern
Gelegenheit zu geben, ihre Positionen in Ruhe und ohne größeres Risiko zu schließen. Details der Put-Optionen müsse die Klägerin zu 2
deshalb nicht kennen, um zu wissen, dass ihre Befürchtungen unbegründet seien. Ein Insolvenzrisiko, das die Klägerin zu 2 danach beurteilen
wolle, sei nach den Auskünften auf der Hauptversammlung bei realistischer Betrachtung nur sehr gering gewesen. Eine faktische
Kaufverpflichtung habe es aufgrund der Put-Optionen nicht gegeben. Die Beklagte habe die Risiken der Optionsstruktur ausreichend
dargestellt. Weitere Details wären so umfangreich und komplex, dass sie ein durchschnittlicher Aktionär während der Hauptversammlung gar
nicht hätte verarbeiten können, sondern dass er sich auch bei Detailangaben auf die Einschätzung durch den Vorstand hätte verlassen müssen.
Die Beklagte beruft sich außerdem auf ein Auskunftsverweigerungsrecht (s.o.).
305 b) In Bezug auf die Unterfrage 4.1 ist die Auskunftspflicht unstreitig schon deshalb nicht verletzt, weil die Auskunft, dass Put-Optionen existieren,
erteilt worden ist.
306 Zu den mit Unterfrage 4.2. nachgefragten Details – Zeitpunkte, Erlöse, Anzahl, Ausübungsschwellen (Strikes) – hat die Beklagte die Auskunft
jedenfalls zu Recht verweigert, § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG. Ob die Auskunft erforderlich zur Beurteilung der streitgegenständlichen
Tagesordnungspunkte, insbesondere der Entlastungsbeschlüsse, gewesen wäre und dem schon der bloße Hinweis auf die Komplexität der
Thematik entgegenstehen könnte, kann dahingestellt bleiben.
307 aa) Nach § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG kann die Auskunft verweigert werden, wenn sie bei vernünftiger kaufmännischer Betrachtung geeignet ist, der
Gesellschaft oder dem verbundenen unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen. Einen solchen Nachteil muss die
Gesellschaft, die sich darauf beruft, behaupten. Sie muss ihn nicht substantiiert darlegen und gar beweisen, denn damit müsste sie unter
Umständen gerade die Informationen preisgeben, die sie eigentlich berechtigt zurückhalten dürfte. Vielmehr trägt sie eine Plausibilisierungslast,
wonach sie plausibel darstellen muss, dass die Auskunft konkrete derartige Nachteile mit sich bringen könnte (allgM, vgl. etwa Decher,
GroßKomm-AktG § 131 Rn. 301 m.w.N.).
308 Ob die Beklagte schon deshalb dieser Plausibilisierungslast enthoben sein kann, weil sie die erfragten Informationen als Betriebs- oder
Geschäftsgeheimnisse ansieht, deren unbefugte Preisgabe nach § 404 Abs. 1 Nr. 1 AktG strafbar wäre, kann dahingestellt bleiben (zum
Verhältnis zwischen § 131 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 und 5 sowie § 404 AktG siehe etwa Siems in Spindler/Stilz, AktG § 131 Rn. 49; Hefendehl,
ebenda, § 404 Rn. 52; Spindler in K.Schmidt/Lutter, AktG § 131 Rn. 71). Letztlich hängt im Übrigen auch die Qualifizierung als
Geschäftsgeheimnis davon ab, ob die Preisgabe der fraglichen Information Nachteile für das Unternehmen mit sich bringen kann.
309 bb) Die Beklagte hat jedenfalls mögliche Nachteile nicht unerheblicher Art plausibel dargelegt. Sie hat ausgeführt, dass die Bekanntgabe von
Details der Optionsgeschäfte Rückschlüsse auf den Einfluss von Kursbewegungen der V.-Aktie auf das Ergebnis und damit die geschäftliche
oder wirtschaftliche Lage der Beklagten zuließen. Sie hat dazu aus Sicht der Kammer nachvollziehbar vorgetragen, dass dies von
Marktteilnehmern gegen die Beklagte ausgenutzt werden könnte, und dazu zum einen abgestellt auf etwaige Einblicke in die interne
Kalkulation und geschäftliche Strategie der Beklagten, die sich Konkurrenten zunutze machen könnten. Dass es hierbei um das operative
Geschäft der Tochtergesellschaft P. AG geht, ist nicht entscheidend, weil § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG auch Nachteile für verbundene Unternehmen
ausreichen lässt. Die Beklagte hat zum anderen - insbesondere auch in der mündlichen Verhandlung - auf die Auswirkungen auf den
Kapitalmarkt abgestellt und darauf hingewiesen, dass bei öffentlichem Bekanntwerden der fraglichen Details gezielt, etwa durch Hedge-Fonds,
gegen die wirtschaftliche Position der Beklagten Kursbewegungen spekulativ in Gang gesetzt werden könnten. Damit hat die Beklagte aus Sicht
der Kammer nachvollziehbar konkrete nicht unerhebliche Nachteile dargetan, die ein Auskunftsverweigerungsrecht tragen können.
310 Dem steht im Rahmen der gebotenen Abwägung nicht der etwaige Vorteil für die Beklagte entgegen, dass die Informationen der Aufklärung
pflichtwidrigen Verhaltens der Organe im Interesse der Beklagten dienen könnten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf die
Auskunft in der Regel nicht unter Hinweis auf Nachteile für die Gesellschaft verweigert werden, wenn bestimmte Tatsachen den objektiven
Verdacht schwerwiegender Pflichtverletzungen der Verwaltung begründen und die Auskunft dazu geeignet sein kann, den Verdacht zu erhärten
(BGHZ 86, 1). Die Kammer teilt zwar nicht die rechtliche Einschätzung der Beklagten in ihrem nachgereichten Schriftsatz, diese Rechtsprechung
sei durch die Einführung des besonderen Verweigerungsgrunds in § 131 Abs. 3 Nr. 6 AktG überholt, der die dieser Entscheidung zugrunde
liegende Fallgestaltung regele, und dementsprechend habe dieser Grundsatz außerhalb dieses Anwendungsbereichs auch seit Jahrzehnten
keine Gefolgschaft mehr gefunden. Auch die aktuelle Kommentarliteratur folgt dem in der genannten BGH-Entscheidung aufgestellten
Grundsatz, ohne ihn auf die in § 131 Abs. 3 Nr. 6 AktG geregelte Fallkonstellation zu beschränken. Die Rechtsprechung hat ihn auch in
späteren Jahren für andere Fälle in Erwägung gezogen und diskutiert (vgl. etwa OLG Düsseldorf WM 1991, 2148). Der Bundesgerichtshof hat
jüngst den Grundsatz behandelt, seine Voraussetzungen dabei noch einmal klargestellt und seine Anwendung nur deshalb verneint, weil die
Voraussetzungen nicht gegeben waren (BGHZ 180, 9, 32, Tz. 43 - Deutsche Bank/Kirch). Selbst für § 131 Abs. 3 Nr. 6 AktG gilt weiterhin, dass
auch dieses Auskunftsverweigerungsrecht bei objektiv begründetem Verdacht erheblicher Pflichtwidrigkeiten nicht greift (Kubis in MünchKomm-
AktG, 3. Aufl., § 131 Rn. 123 a.E.; Spindler in K.Schmidt/Lutter, AktG, § 131 Rn. 76 mit Fn. 382).
311 Der Bundesgerichtshof hat aber in der soeben genannten Entscheidung hervorgehoben, dass es objektiver Anhaltspunkte für einen solchen
Verdacht bedarf, der subjektiv gehegte Verdacht eines Anfechtungsklägers dagegen keine erweiterte Auskunftspflicht begründet. So liegt es
auch hier. Hinreichende Anhaltspunkte, die, zumal aus der objektiven Sicht zum maßgeblichen Zeitpunkt der beschlussfassenden
Hauptversammlung, den Verdacht pflichtwidrigen Handelns begründen könnten, ergeben sich aus dem Vortrag der Klägerin nicht.
312 Soweit sie auf Medienberichte über die im Laufe des Jahres 2009 wieder aufgenommenen Ermittlungen der BaFin und dann auch der
Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Marktmanipulation in Bezug auf die Kursbewegungen der V.-Aktie Ende Oktober 2008 abstellt
(vgl. Anl. K 26), wäre dies allenfalls im Rahmen der auf diese Vorgänge bezogenen Fragen 1 und 3 (s.o.) zu erwägen, für die es aber auf ein
Auskunftsverweigerungsrecht nicht ankommt. Den Verdacht eines pflichtwidrigen Handelns in Bezug auf die Vereinbarung der Details von Put-
Optionen begründet dies nicht.
313 Auch die weitere von der Klägerin vorgetragene Entwicklung der Beklagten im Jahr 2009 wie die angespannte Liquiditätslage im Frühjahr
2009, ein - von der Beklagten bestrittenes - Insolvenzrisiko, der Eintritt eines Staatsfonds aus Katar als weiterer Großaktionär, die Aufgabe des
Plans, V. zu übernehmen, und stattdessen die Umstrukturierung durch Übernahme der P. AG durch V. und die beabsichtigte Fusion mit V.
begründen nicht den objektiven Verdacht einer dafür ursächlichen Pflichtwidrigkeit in Zusammenhang mit dem Aufbau und der Gestaltung der
Optionsgeschäfte. Es fehlt nicht nur daran, dass diese Umstände aus der Zeit nach der Hauptversammlung nicht geeignet sind, aus deren
maßgeblicher Sicht den objektiven Verdacht solcher Pflichtwidrigkeiten zu begründen. Die Umstände ergeben auch sonst keinen
hinreichenden Verdacht, dass gerade die Gestaltung der Optionsgeschäfte für die spätere Entwicklung in einer Weise verantwortlich war, dass
sie als pflichtwidrig zu betrachten sein könnte.
314 Eine Pflichtverletzung liegt auch nicht schon ohne weiteres darin, wie von den Klägerinnen verschiedentlich angeführt oder angedeutet, dass
mit diesen Geschäften der Unternehmensgegenstand überschritten wäre, der bereits nach § 2 Abs. 2 der früheren Satzung der Beklagten als
Aktiengesellschaft (Bl. III 465 ff) und erst recht nach § 2 der neuen Satzung der Beklagten für ihre Funktion als Holdinggesellschaft in der
Rechtsform der SE (Bl. III 478 ff) die Beteiligung an Unternehmen insbesondere aus dem Automobilsektor vorsieht. Das schließt unter dem
Gesichtspunkt der Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands auch nicht unmittelbar vom Unternehmensgegenstand erfasste Hilfs- und
Nebengeschäfte ein (Spindler in MünchKomm-AktG, 3. Aufl., § 82 Rn. 35), es sei denn, sie seien dazu bestimmt, selbständig und unabhängig
von der Vermarktung der Produkte oder der sonstigen satzungsmäßigen Geschäftstätigkeit der Gesellschaft zur Erhöhung von Umsatz und
Gewinn beizutragen (vgl. BGH ZIP 2000, 1162, 1163). Dies ist nicht nach dem Umfang solcher Nebengeschäfte, sondern nach ihrer Funktion zu
beurteilen (BGH a.a.O.). Nach der Darstellung der Beklagten im Geschäftsbericht 2007/2008 (etwa S. 177) und auch in ihrem Vortrag im
Rechtsstreit waren die Optionsgeschäfte unter dem Gesichtspunkt der Kurssicherung Teil ihrer Bestrebung, eine Beteiligung an V. aufzubauen.
Dass die Kurssicherungs- bzw. Optionsgeschäfte erheblichen Umfang angenommen und die daraus generierten Erträge insbesondere im
Geschäftsjahr 2007/2008 diejenigen aus dem operativen Geschäft erheblich übertroffen haben, ändert an dieser Zweckbestimmung nichts.
315 Auch die von der Klägerin zu 2 vorgelegten Presseberichte sind keine Umstände, die geeignet sind, einen objektiven Verdacht zu begründen.
Diese versuchen letztlich auch nur, ihre Schlussfolgerungen aus der eingetretenen Entwicklung zu ziehen, wobei sie als Ursache für die
schwierige Lage im Frühjahr 2009 nicht zuletzt die seit September 2008 eingetretene internationale Finanz- und Wirtschaftskrise mit
Auswirkungen auf Kursbewegungen der V.-Aktien und auch auf die wirtschaftlichen und politischen oder gesetzlichen Spielräume von Banken
bei der Kreditvergabe sehen. Es handelt sich deshalb nur um entsprechende subjektive Mutmaßungen der Klägerin zu 2.
316 cc) Nachteile sind nicht deshalb ausgeschlossen, weil Details dieser Geschäfte, insbesondere auch der Basispreis, nach den Vorschriften über
die „Director’s Dealings“ (§ 15 a Abs. 1 und 3 WpHG i.V.m. § 10 Nr. 5 und 6 WpAIV) der BaFin und der Emittentin (V.) hätten mitgeteilt und von
letzterer veröffentlicht werden müssen (§ 15 a Abs. 4 WpHG i.V.m. § 12 Nr. 6 WpAIV), was in der Tat jedenfalls ausgeschlossen hätte, dass der
Nachteil durch das Bekanntwerden der Details gerade infolge von Auskünften auf der Hauptversammlung entstanden wäre. Die
Kurssicherungsgeschäfte waren aber nicht mitteilungspflichtig, weil der persönliche Anwendungsbereich der genannten Vorschriften nicht
berührt ist. Die Erweiterung der Mitteilungspflicht auf juristische Personen nach § 15 a Abs. 3 Satz 2 und 3 WpHG dient der Umgehung der
Mitteilungspflicht von Führungspersonen nach Abs. 1 der Bestimmung und ist deshalb nach Ansicht der BaFin im Wege der teleologischen und
europarechtskonformen Auslegung auf Fälle zu beschränken, in denen die Führungsperson eigene wirtschaftliche Interessen verfolgen kann.
Zusätzlich und vor den in diesen Vorschriften geregelten Voraussetzungen ist deshalb in einer ersten Stufe zu prüfen, ob die Führungsperson
bei der Gesellschaft, die Aktien des Emittenten oder darauf bezogene Derivate erwirbt, zu jeweils mindestens 50 % beteiligt ist, Stimmrechte hält
oder Gewinne zugerechnet bekommt (BaFin, Emittentenleitfaden 2005, S. 72 f; Emittentenleitfaden 2009, S. 87). Dieser in der Literatur geteilten
Ansicht (Sethe in Assmann/Schütze, WpHG, 5. Aufl., § 15 a Rn. 56; Heinrich in KK-WpHG, § 15 a Rn. 48) folgt auch die Kammer. Es genügt
somit erst recht nicht die bloße Vereinbarung einer erfolgsabhängigen Vergütung weit unter dieser Schwelle (vgl. Schwintek,
Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 54). Die Beklagte hat im Schriftsatz vom 30.12.2009 (S. 28 = Bl. II 386) unwidersprochen vorgetragen,
das die fraglichen Führungspersonen - die Vorstandsmitglieder Dr. W. und H. und die Aufsichtsratsmitglieder Dr. P. und Dr. Pi. - jeweils weniger
als 50 % der Stimmrechte oder der Anteile halten. Der insoweit neue Sachvortrag der Klägerin zu 2 im Schriftsatz vom 01.03.2010 (S. 6 = Bl. III
502 mit Anl. K 35) zur Kontrolle der Beklagten über Absprachen (lt. Anl. K 35 ein Konsortialvertrag) ist nicht nachgelassen worden und kann
deshalb nicht berücksichtigt werden (§ 296 a ZPO). Die mündliche Verhandlung deshalb wieder zu eröffnen (§ 156 ZPO), ist schon im Hinblick
auf §§ 132, 283 ZPO nicht veranlasst. Es ist auch deshalb nicht geboten, weil sich aus alleine aus dem Bestehen eines Konsortialvertrags unter
dem maßgeblichen Gesichtspunkt des Umgehungsschutzes noch nicht ergibt, dass der daran beteiligte Stammaktionär, der keine Mehrheit der
Stammaktien hält, auf der Ebene der Konsorten wirtschaftliche Interessen anders verfolgen kann als er es über die Ausübung seines
Stimmrechts in der Hauptversammlung könnte. Ob und welche Zurechnungsvorschriften des § 22 WpHG im Rahmen der zweiten Stufe der
Prüfung der weiteren Voraussetzungen des § 15 a Abs. 3 Satz 3 WpHG herangezogen werden könnten (vgl. dazu Heinrich a.a.O. Rn. 49; Sethe
a.a.O. Rn. 58), kann dahingestellt bleiben, weil es auf diese Stufe nicht mehr ankommt.
317 Im Übrigen hat nach dem unbestrittenen Beklagtenvortrag auch die BaFin als zuständige Aufsichtsbehörde und Mitteilungsadressatin bei ihrer
Überprüfung der Vorgänge keine fehlenden Meldungen nach § 15 a WpHG beanstandet.
318
5. Frage 5
319 a) Der Aktionärsvertreter B. stellte wiederholt folgende Frage (WP 63, 181):
320
Welche Risiken bestehen für P., wenn der Aktienkurs von V. unter den Ausübungspreis der Puts fallen sollte? Was ist das Risiko, was
ist das Volumen?"
321 Der Vorstand antwortete zunächst (WP 139 f):
322
Durch die Kurssicherungsgeschäfte nehmen wir an der Kursentwicklung der V.-Aktie teil. Bedenken Sie, dass wir damit den Kurs für
den Erwerb der V.-Aktien abgesichert und damit eindeutig für uns kalkulierbar gemacht haben. Für die Absicherung sind marktübliche
Konditionen vereinbart worden.
323 Nach Fragewiederholung lautete die Antwort (WP 225, vgl. auch WP 234):
324
Ein fallender Börsenkurs der V.-Stammaktie kann dazu führen, dass in der Bilanz der P. SE im Hinblick auf den fortlaufend
durchzuführenden so genannten Werthaltigkeitstest gegebenenfalls außerplanmäßige Abschreibungen vorgenommen werden
müssen. Die Wertminderung würde ertragswirksam erfasst, soweit der erzielbare Betrag für die V.-Stammaktie den bis dahin
bestehenden Buchwert unterschreitet.
325
Ein fallender Börsenkurs könnte zudem dazu führen, dass die P. SE dazu verpflichtet ist, unter den Kurssicherungsgeschäften
Ausgleichszahlungen zu leisten. Wirtschaftlich relevant würde dies für uns allerdings erst dann, wenn der Börsenkurs den insgesamt
als Strike zugrunde liegenden Kurs unterschreitet. Wir halten das Risiko, dass es dazu kommt, für sehr gering.
326
Bei einem steigenden Börsenkurs der V.-Stammaktie steigt die Marktbewertung der im Aktivvermögen der P. SE gehaltenen V.
Stammaktien entsprechend. Sofern der Börsenkurs der V.-Stammaktie zu einem bestimmten Abrechnungsstichtag gestiegen ist, steht
P. aus den betreffenden Kurssicherungsgeschäften ein Anspruch auf Zahlung dieses Barausgleiches in Höhe des Differenzbetrages
zu.
327 Die Klägerin zu 2 trägt vor, die Beklagte habe die Frage, welche Risiken sich in welcher Höhe aus der Verpflichtung zum Barausgleich beim
Absinken des Kurses unter den Strike ergeben würden, offen gelassen und deshalb nicht oder nicht ordnungsgemäß beantwortet. Diese Details
müsse die Klägerin aus den schon zu Frage 4 dargelegten Gründen erfahren. Sie müsse erfahren, ob die Spekulationsgeschäfte ein
Insolvenzrisiko dargestellt hätten oder noch darstellten, und zur Abschätzung der finanziellen Risiken aus den Derivatgeschäften die
Funktionsweise der Put-Optionen kennen. Von Bedeutung sei dies für die Tagesordnungspunkte Entlastung des Vorstands und des
Aufsichtsrats. Ein Auskunftsverweigerungsrecht bestehe nicht. Die Frage betreffe ausschließlich in der Vergangenheit getätigte Call-/und Put-
Optionsgeschäfte, und hier nicht Details der Vereinbarungen, sondern die Risiken hieraus für die Gesellschaft.
328 Die Beklagte erwidert, die Frage sei dahin beantwortet, dass auch bei Put-Optionen ausschließlich Barausgleichsverpflichtungen in Höhe der
Differenz von Strike und Marktpreis bestünden, was neben entsprechenden außerplanmäßigen Abschreibungen das Risiko bei sinkendem
Aktienkurs sei. Die Funktionsweise der Put-Optionen sei damit beschrieben. Das Volumen etwaiger Abschreibungen oder Ausgleichszahlungen
lasse sich nicht beziffern, weil es von der Höhe des täglich schwankenden V.-Kurses abhänge. Außerdem bestehe auch zu diesem Detail der
Kurssicherungsstrategie wie zu den Strikes ein Auskunftsverweigerungsrecht.
329 b) Die Beklagte hat die Frage nach der Art der Risiken aus den Put-Optionen beantwortet, die bestehen, wenn der Aktienkurs unter den
Ausübungspreis fällt. Danach entsteht entweder ein Abschreibungsbedarf, also insbesondere, wenn die Option nicht ausgeübt wird, oder es
muss der vereinbarte Barausgleich geleistet werden. Wie die Beklagte richtig vorträgt, hat sie bereits auf der Hauptversammlung klargestellt,
dass die Put-Optionen nur auf Barausgleich gerichtet sind (WP 95), also nicht physisch erfüllt werden müssen.
330 Zutreffend wendet die Beklagte auch ein, dass die Frage nach Volumina nicht beantwortet werden kann, soweit es um konkrete Zahlen zur
Höhe eines etwaigen Barausgleichs oder einer Abschreibung geht, weil dies kursabhängig ist. Soweit sich die Frage nach Szenarien bei
möglichen Kursrückgängen richten sollte, hinge eine ohnehin nur hypothetische Antwort entscheidend davon ab, welche Strikes vereinbart
waren. Insoweit greift aus den o.g. Gründen das Auskunftsverweigerungsrecht ein (§ 131 Abs. 3 Satz 1 AktG).
331
6. - Frage 6
332 a) Eine weitere Frage von Herrn B. lautete (WP 63):
333
Wenn der V.-Kurs am 27. Oktober 2008 nicht so stark gestiegen wäre, sondern bereits unter EUR 200 oder EUR 100 gefallen wäre,
welche Auswirkungen hätte dies für P. und welche Auswirkungen, Herr H., hätte dies für Ihren Jahresabschluss? Hätte P. bei diesen
Szenarien die Finanzmittel, die Finanzierung gehabt, um alle aufgrund der Put-Optionen andienbaren Aktien zu übernehmen? Gerade
das war ja das Gegenargument für Herrn Kaldemorgen von der DWS.
334 Darauf wurde geantwortet (WP 140):
335
Wir bewerten die Aktienoptionen in unserer Bilanz zum jeweiligen Marktwert. Insofern haben die Kursentwicklungen der V.-Aktie
natürlich Einfluss auf den Jahresabschluss. Bei einem Kurs von 200 EUR ergibt sich keine wesentliche Auswirkung auf unser
Ergebnis.
336 Später wurde die Frage von Herrn Dr. We. (WP 171) und dann auch Herrn B. (WP 181) so wiederholt:
337
Wenn der V.-Kurs am 27. Oktober 2008 nicht stark gestiegen wäre, sondern seitdem ständig unter EUR 200,00, EUR 150,00 bzw. EUR
100,00 gelegen hätte, welche Auswirkungen hätte dies für P. und die Bilanz haben können? Hätte P. bei diesen drei Szenarien jeweils
die Mittel gehabt, um alle aufgrund Put-Optionen annehmbaren Aktien zu übernehmen, bzw. entsprechend Wertausgleich zu leisten?
338 Der Vorstand antwortete darauf wie schon oben bei Frage 5 zu WP 225 (=228) zitiert.
339 Die Beklagte sieht auch eine später gegebene Auskunft als Antwort auf die Frage 6 an (WP 251, siehe schon oben zu Frage 2):
340
Wir haben im Endeffekt zugrunde gelegt, als wir diese Struktur aufgebaut haben, dass wir einen Strike festgelegt haben, der die
finanzielle Kraft von P. nicht überfordert, wenn es einigermaßen vernünftig weiterläuft. Selbst in der Krise haben Sie ja gesehen, dass
es uns im Moment nicht so stark beeinflusst wie das bei anderen Automobilherstellern der Fall ist. Diese Strikes wurden so gewählt,
dass P. sie zahlen kann und das ist unabhängig vom jeweiligen V.-Kurs.
341 Und ebenso:
342
Wir haben im Endeffekt die Finanzmittel so, dass wir zu den Strikekursen, die wir abgesichert haben, das auch finanzieren können.
Dementsprechend haben wir hier auch zu den Strikes, zu den aktuellen Kursen ein großes Polster. Ich bin sehr, sehr zuversichtlich,
wenn nicht sogar sicher, dass das Ganze vernünftig zu Ende geführt wird.
343 Als unbeantwortet gab Herr B. zu Protokoll (Anl. 2, S. 5 des notariellen Protokolls, Anl. II B 2):
344
Wenn der Aktienkurs der V.-Aktien unter 200,00 EUR fällt, welche Auswirkungen ergeben sich auf den Jahresabschluss?
345 Die Klägerin meint, nicht beantwortet seien die Fragen nach den Auswirkungen von Kursen unter EUR 150 oder EUR 100, nach verfügbaren
Mitteln zur Bedienung der Optionen und es fehle die Bezifferung der dem Strike zugrunde liegenden Kurse und der finanziellen Auswirkungen.
Die Auswirkungen auf die Bilanz würden nur theoretisch beschrieben, von welchem Niveau die V.-Stammaktien fallen müssten, werde offen
gelassen. Die Antwort von Herrn H., die Strikes seien so gewählt, dass P. sie unabhängig von dem jeweiligen V.-Kurs zahlen könne, betreffe
nicht diese Frage der Klägerin nach den Auswirkungen eines ständig unter den fraglichen Werten liegenden Kurses. Dies zu erfahren, auch für
die Zeit nach dem Bilanzstichtag, sei in Bezug auf die Gewinnverwendung von Bedeutung, weil die erheblichen Gewinne im Geschäftsjahr
2007/2008 nur aus Buchgewinnen bestünden, während erhebliche Risiken durch potentielle Abschreibungen oder
Barausgleichsverpflichtungen blieben. Ferner sei die Auskunft erheblich für die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat. Auch hier gehe es nur
um die Put-Geschäfte der Vergangenheit, so dass kein Auskunftsverweigerungsrecht bestehe.
346 Die Beklagte meint, die Fragen seien in Bezug auf einen Kurs von EUR 200, wie ausschließlich als unbeantwortet zu Protokoll gegeben,
vollständig und wahrheitsgemäß beantwortet. Sie habe klar gemacht, dass sie über ausreichende Mittel verfüge, um ihren Verpflichtungen aus
den Put-Optionsgeschäften nachzukommen. Die Beantwortung sei aber für die Gewinnverwendung irrelevant, weil sie potentielle Ereignisse
nach Abschluss des Geschäftsjahrs 2007/2008 betreffe. Sie sei auch für die übrigen Tagesordnungspunkte nicht relevant.
347 b) Ob die Antwort zu einem Kurs von 200 EUR ausreichend auf die Frage eingeht, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls hat der Vorstand
zuletzt (WP 251) die Antwort gegeben, dass P. die Strikes unabhängig vom jeweiligen V.-Kurs zahlen könne. Das schließt Kursniveaus unter
EUR 200, EUR 150 oder EUR 100 ein. Mit dieser Antwort und den anderen von den Parteien zitierten Auskünften hat der Vorstand seine
Einschätzung der Bedienbarkeit der Put-Optionen mitgeteilt. Diese Gesamtschau kann durchaus auch die auf WP 251 protokollierte Auskunft
einbeziehen. Dass sie keine direkte Antwort auf die Frage 6 war, ist unerheblich, weil sie auf die von Herrn Dr. We. gestellte, oben als Nr. 2
behandelte Frage zielte, die denselben Themenkreis um die Konstruktion und Risiken der Put-Optionen betraf, so dass sowohl die Fragesteller
wie alle übrigen Aktionäre die Antworten in ihrem Kontext werten konnten und mussten. Die Antwort ist damit erteilt.
348 Die übrigen Streitpunkte einschließlich der Frage, ob es nur noch auf die als unbeantwortet zu Protokoll gegebene Frage ankommt, können
dahingestellt bleiben.
349
7. Frage 7 – Banken, Absicherungsgeschäfte
350 Herr B. stellte ferner die folgenden Fragen (WP 65, 182), teilweise wiederholt von Herrn Dr. We. (WP 173):
351
Unterfrage 1
352
Mit welchen Banken hat P. Absicherungsgeschäfte im Hinblick auf V.-Aktien geschlossen?
353
Unterfrage 2
354
Sind Leihgebühren Teil der wirtschaftlichen Regelungen?
355
Unterfrage 3
356
Bestehen Risiken aufgrund mangelnder finanzieller Stabilität der Gegenpartei?
357
Unterfrage 4
358
Nennen Sie uns einfach die fünf größten.
359 Darauf wurde geantwortet:
360
Wir haben keinen Anlass zu der Annahme, dass unsere Ansprüche aus den Kurssicherungsgeschäften nicht vertragsgemäß erfüllt
werden. (WP 234)
361
Auch - hier haben Sie bitte Verständnis - dass wir uns zu Einzelheiten unserer Kurssicherungsgeschäfte, wie bereits mehrfach
erläutert, nicht äußern wollen. Wir haben keinerlei Geschäftsbetätigungen. Diese Risiken sehen wir nicht. (WP 141)
362
Wir haben schon gesagt, dass wir unsere Vertragspartner im Unternehmensinteresse nicht offen legen wollen." (WP 226)
363 Die Beklagte will zur Unterfrage 7.2. auch folgende Auskünfte berücksichtigt wissen (WP S. 198 f):
364
Wir haben cash gesettelte Optionen abgeschlossen, die auf Barausgleich ausgerichtet sind und mit denen P. an den Veränderungen
des V.-Kurses teilnimmt.
365
Vielleicht lassen Sie mich das noch einmal deutlich machen, weil die Frage wiederholt hochgekommen ist, an den
Währungssicherungsgeschäften, wie wir es dort machen. Ähnlich haben wir es auch mit den cash gesettelten Optionen auf V. gemacht.
Wir planen unsere Unternehmensstruktur langfristig durch und wollen die Umsätze, die wir haben, zu einem gewissen Prozentsatz in
den jeweiligen Währungen absichern. Dafür nehmen wir einen Budgetkurs, den wir reinrechnen, und mit diesem Budgetkurs haben wir
die Möglichkeit, langfristig sicher das Unternehmen mit Gewinnen zu führen. Sehen wir jetzt die Möglichkeit, unsere
Währungsgeschäfte besser als diesen Budgetkurs, den wir in unseren Büchern haben, abzusichern, dann machen wir hier
Termingeschäfte oder, wenn es über ein Jahr hinausgeht, im Wesentlichen Optionsgeschäfte. Mit dieser Struktur sichern wir uns die
Differenz zwischen Budgetkurs, der schon zu Gewinnen führt, dann zu einem zusätzlichen Gewinnpolster für P.. Das heißt, wir schaffen
und verbessern unsere Kalkulationsbasis. Da steckt kein großes Geheimnis dahinter, wie das immer wieder herumgespielt wird. Das
ist vielmehr im Endeffekt eine klare, saubere betriebswirtschaftliche Analyse. Das Gleiche haben wir auch gemacht. All diese Dinge
sind zu finanzieren. Und das Risiko, das wir über ein Jahr hinaus haben, besteht in der Optionsprämie, die dann verloren ist, wenn der
Kurs anders kommt. Aber wann haben wir die Optionsprämie verloren? Wenn der Kurs für unsere Richtung besser läuft. Wir haben
dann die Möglichkeit, zu besseren Kursen das abzuschließen und damit die Verluste, die wir aus der Prämie haben, eigentlich über
bessere Kurse, die wir absichern, auszugleichen und den Gewinn sogar noch weiter zu erhöhen. Wir haben dafür gewisse Strukturen
entwickelt — mit Compoundstrukturen. Das heißt, wir gehen nicht in die volle Optionsprämie, sondern gehen erst einmal vorsichtig
herein und machen eine Option auf eine Option, und mit diesem Betrag können wir auch variieren und spielen und das Risiko für uns
weiter reduzieren.
366 Die Klägerin ist der Ansicht, sie habe ein berechtigtes Interesse an den erfragten Auskünften. Die Frage nach den beteiligten Banken sei im
Hinblick auf Zweifel an deren Solvenz angesichts der Finanzkrise erforderlich, um sich ein eigenes Bild von den Risiken machen zu können und
im Hinblick auf die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat erkennen zu können, ob unvertretbare Risiken eingegangen wurden. Denn
gegebenenfalls würden der Beklagten selbst bei ordnungsgemäßer Abwicklung der Geschäfte erhebliche Verluste drohen. Diese Auskunft
dürfte die Beklagte nicht verweigern, bei Sicherungsgeschäften könne die Nennung des Vertragspartners nur von Nachteil sein, wenn dieser
nicht die erforderliche Solvenz aufweise, was nach Darstellung der Beklagten gerade nicht der Fall sei. Die Frage nach den Leihgebühren sei
für das Verständnis von der Funktionsweise der Derivatgeschäfte erforderlich. Leihgebühren könnten auch bei cash-gesettelten
Optionsgeschäften Teil der wirtschaftlichen Regelung sein. Der Antwort auf die Unterfrage 7.3. sei die Beklagte ausgewichen.
367 Die Beklagte verweist darauf, dass Herr B. lediglich die Unterfrage 7.1. als unbeantwortet zu Protokoll gegeben habe (Anl. 2, S. 5, zum
notarielles Protokoll, Anl. II B 2), weshalb die übrigen Fragen nachgeschoben und nicht beantwortet werden müssten. Die Unterfragen 7.2 und
7.3 seien beantwortet. Aus der Auskunft, dass ausschließlich Geschäfte über cash-gesettelte Optionen geschlossen worden seien, folge, dass
keine Leihgebühren vereinbart seien, die es nur bei Leerverkäufen gebe. Die Frage nach Risiken sei verneint. Auskünfte zu den Unterfragen
7.1. und 7.4. nach den als Gegenparteien beteiligten Banken seien für die Entlastungsentscheidung aus Sicht des durchschnittlichen Aktionärs,
auch im Hinblick auf die dargelegte Risikoeinschätzung des Vorstands, nicht relevant. Sie dürften auch verweigert werden, weil die Preisgabe
der Namen von Banken, die Wert auf Vertraulichkeit ihrer Finanztransaktionen legten, die Kontrahierungsfähigkeit der Beklagten in der Zukunft
gefährden würde.
368 b) Auch insoweit ist eine Auskunftspflicht nicht verletzt.
369 Die Unterfrage 7.2 ist beantwortet. Die Beklagte hat, wie schon bei den anderen Fragen ausgeführt und im Übrigen auch unstreitig, auf der
Hauptversammlung mehrfach dargestellt, dass sie ausschließlich Optionsgeschäfte abgeschlossen hat, die auf Barausgleich gerichtet sind.
Daraus folgt, dass bei diesen Geschäften Optionsprämien zu zahlen sind oder eingenommen werden. Leihgebühren fallen nicht hier, sondern
bei Leerverkäufen an. Die Beklagte verweist zu Recht darauf, dass in der Funktionsbeschreibung zu den Optionsgeschäften (u.a. WP 198 f)
Leihgebühren nicht vorgekommen sind. Eben sowenig sind Leerverkäufe vorgekommen. Es ist aber auch nicht ersichtlich, inwiefern die
Auskunft für welchen Tagesordnungspunkt erforderlich sein soll. Es mag sein, wie die Klägerin ausführt, dass Banken ihre zur Absicherung der
Optionsgeschäfte im Eigenbedarf gehaltenen Aktien an Dritte verleihen, die damit Leerverkäufe tätigen. Dass dies zu einer Reduzierung der
von der Beklagten – in dem Fall für die Call-Optionen – zu zahlenden Optionsprämie führen muss, ist ebenso wenig zwingend wie der Umstand,
dass der Vorstand die Frage gerade auf diese Konstellation beziehen musste, dass also nach Leihgebühren nicht im Verhältnis zwischen der
Beklagten und ihren Banken, sondern im Verhältnis zwischen den Banken und Dritten gefragt war. Zu berücksichtigen ist dabei, dass die
Beklagte vorträgt, keine Kenntnis über die Absicherungsgeschäfte ihrer Banken zu haben. Dann lag es fern, die Frage gerade hierauf zu
beziehen.
370 Ebenso ist die Unterfrage 7.3 beantwortet mit dem Satz „diese Risiken sehen wir nicht“, der auch „nein“ hätte lauten können. Wenn der Vorstand
keine Risiken der nachgefragten Art gesehen hat, konnte er sie auch nicht näher beschreiben.
371 Zu den Unterfragen 7.1 und 7.4 hat die Beklagte zu Recht die Auskunft verweigert. Sie hat hier ausreichend einen Nachteil dahingehend
plausibilisiert, dass die Namhaftmachung der Banken gegen das Diskretionsinteresse verstoßen würde, das in diesem Zusammenhang üblich
ist und erwartet wird. Es liegt auf der Hand, dass ein solcher Verstoß die Kontrahierungsfähigkeit beschädigen könnte (vgl. dazu auch
MünchKomm-Kubis, AktG, 2. Aufl., § 131 Rn. 101; BGHZ 190, 9, 32, Tz. 42), zumal wenn er darauf hinauslaufen würde, dass die Solvenz von
Geschäftspartnern auf fremden Hauptversammlungen diskutiert wird. Im Übrigen ist das Informationsbedürfnis der Aktionäre im Hinblick auf
etwaige Solvenzrisiken der Geschäftspartner dadurch erfüllt, dass der Vorstand angegeben hat, solche Risiken bestünden aus seiner Sicht
nicht. Damit erschließt sich dem Aktionär, dass der Vorstand derartige Risiken in der Person der Geschäftspartner geprüft und nicht
angenommen hat. Darüber hinaus war eine eigenständige Prüfung durch die Aktionäre nicht erforderlich. Ob sie auf der Hauptversammlung
überhaupt möglich gewesen wäre oder ob sich die Aktionäre auch insoweit ohnehin auf eine Detaileinschätzung durch den Vorstand hätten
verlassen müssen, kann dahingestellt bleiben.
372
8. – Frage 8
373 a) Herr B. stellte auf der Hauptversammlung die Frage (WP 64):
374
Welche Auswirkungen auf die Bilanz entstehen, wenn der Wert der Call-Optionen durch fallende Kurse der V.-Stammaktie sinkt bzw.
die Call-Optionen im Laufe des Geschäftsjahres zu Preisen ausgeübt werden, die unterhalb des letzten Bilanzansatz lagen und dafür
entsprechende Aktien erworben werden?
375 Sie wurde zunächst beantwortet (WP 141):
376
Es ist zutreffend und leider nicht zu vermeiden, dass wir auf unsere Gewinne Steuern zahlen müssen. Die Call-Optionen dienen der
Absicherung des Erwerbs von V.-Aktien. Wir beobachten die entsprechende Marktentwicklung. Ein Absinken der Marktkurse hat aber
eine negative Auswirkung auf unsere Gewinn- und Verlustrechnung. Der Wert der Call-Optionen sinkt entsprechend. Im Extremfall
wäre die Call-Option wertlos.
377 Auf wiederholte Frage von Herrn B. (WP 183) wurde geantwortet (WP 228, nicht 125 wie von der Beklagten vorgetragen):
378
Ein fallender Börsenkurs der V.-Stammaktie kann dazu führen, dass in der Bilanz der P. SE im Hinblick auf die fortlaufend
durchzuführenden so genannten Werthaltigkeitstests gegebenenfalls außerplanmäßige Abschreibungen vorgenommen werden
müssen. Die Wertminderung würde ertragswirksam erfasst, soweit der erzielbare Betrag für die V.-Stammaktie den bis dahin
bestehenden Buchwert unterschreitet. Ein fallender Börsenkurs könnte zudem dazu führen, dass die P. SE dazu verpflichtet ist, unter
den Kurssicherungsgeschäften Ausgleichszahlungen zu leisten.
379 Als nicht beantwortet gab Herr B. zu Protokoll (Anl. 2, S. 6 des notariellen Protokolls, Anl. II B 2):
380
Welche Auswirkungen entstehen, wenn der Wert der Call-Optionen infolge eines fallenden V.-Stammaktienkurses sinkt?
381 Die Klägerin zu 2 vermisst auch hier eine inhaltliche Antwort, weil nach den Auswirkungen auf die Bilanz und nicht auf die Gewinn- und
Verlustrechnung gefragt worden sei. Ein negatives Ergebnis in der Gewinn- und Verlustrechnung sage nichts darüber aus, ob zusätzliche
Abschreibungen in der Bilanz vorgenommen werden müssten. Es sei auch nicht dargestellt worden, ob Abschreibungen auf die V.-Stammaktien
oder auf die Call-Optionen vorgenommen werden müssten. Die bilanziellen Auswirkungen der Call-Optionen seien nicht genannt, was für
Rückschlüsse auf deren finanzielle Risiken erforderlich sei. Da die Derivatgeschäfte einen erheblichen Beitrag zu den Buchgewinnen
beigesteuert hätten, sei die Kenntnis der bilanziellen Auswirkungen fallender Kurse in den nächsten drei Jahren für die Entlastung von Vorstand
und Aufsichtsrat von Bedeutung.
382 Die Beklagte ist der Ansicht, die Frage sei mit der Darstellung des Abschreibungsbedarfs bei fallenden Kursen beantwortet. In welcher
Bilanzposition die Abschreibung gegebenenfalls erfolge, spiele aus Sicht des durchschnittlichen Aktionärs keine Rolle.
383 b) Die Frage ist beantwortet. Die Beklagte hat einen ergebniswirksamen Abschreibungsbedarf bei fallenden V.-Kursen sowohl in der Gewinn-
und Verlustrechnung als auch in der Bilanz mitgeteilt. Dies trifft auch zu, denn die ergebniswirksame Wertberichtigung bzw. Abschreibung ist
sowohl in der Bilanz beim entsprechenden Aktivposten als auch in der GuV vorzunehmen. Die Klägerin zu 2 bringt zu Unrecht vor, es sei offen
geblieben, ob diese Abschreibung auf V.-Stammaktien oder auf Optionen vorgenommen werden müssten. Gefragt war zunächst nach
bilanziellen Auswirkungen bei Wertänderungen der Call-Optionen, hierauf bezog sich ersichtlich auch die Antwort. Die Antwort trifft aber im
Ergebnis auch für die andere Konstellation zu – Optionsausübung und Aktienerwerb bei Werten unterhalb des letzten Bilanzansatzes.
Technische Einzelheiten der Verbuchung bei diesem Vorgang sind nicht beschlussrelevant.
384
9. Frage 9
385 a) Eine weitere von Herrn B. gestellte (WP 63) und von Herrn Dr. We. wiederholte (WP 172) Frage lautete:
386
Welcher Dollarkurs bzw. welcher Kurs der V.-Stammaktien wäre nach aktueller Einschätzung des Vorstandes geeignet,
existenzgefährdende Risiken für P. zu begründen?
387 Sie wurde zunächst beantwortet (WP 140):
388
Gehen Sie davon aus, dass wir entweder entsprechende Absicherungen haben oder Marktentwicklungen täglich sehr sorgfältig
betrachten und, wenn erforderlich, auch entsprechende Entscheidungen treffen, dass eine existenzgefährdende Situation niemals
eintritt. Unsere Sicherungssysteme haben sich in den letzten Jahren hervorragend bewährt und wir verfeinern sie kontinuierlich.
389 Und später (WP 225):
390
Die Geschäfte in Dollar sind durch Währungssicherung abgesichert. Der aktuelle V.-Kurs ist weit davon entfernt, sich für P. nachteilig
auszuwirken. Unsere Erwerbe von V.-Stammaktien erfolgten zu Kursen, die deutlich unter den Jahresendkursen zum 31.07.2008
lagen.
391 Sowie (WP 229):
392
Da wir unser US-Geschäft bis 2013 abgesichert haben, stellt sich diese Frage nicht.
393 Die Klägerin zu 2 trägt vor, die Frage sei nicht beantwortet, weil Dollar- und V.-Aktienkurse nicht beziffert worden seien. Um sich ein Bild von der
wirtschaftlichen Situation der Beklagten machen zu können, müsse die Klägerin zu 2 die Schwellenwerte der Basiswerte der
Währungssicherungs- und Optionsgeschäfte wissen. Es bestehe der erhebliche Verdacht, dass die Beklagte wegen der eingegangenen
Termingeschäfte in Insolvenzgefahr geraten sei. Die Frage sei auch nicht mit Frage 2 identisch. Existenzgefährdende Risiken könnten bereits
eintreten, wenn die Beklagte bei einem bestimmten V.-Kurs erhebliche Mittel zur Bedienung der Put-Optionen einsetzen müsse, ohne dass es
zu Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit komme.
394 Die Beklagte meint, die Klägerin habe sich mit den Antworten nicht auseinandergesetzt, aus denen sich, wie bereits bei der – in Bezug auf den
Kurs der V.-Aktie identischen - Frage 2, ergebe, dass die Frage rein theoretischer Natur sei. Es sei ausgeführt, dass es derartige Kurse nicht
gebe.
395 b) Die Frage nach der aktuellen Einschätzung ist beantwortet. Die aktuelle Einschätzung des Vorstands, also seine Einschätzung zum Zeitpunkt
der Hauptversammlung, ging nach der Antwort dahin, dass existenzgefährdende Risiken nicht bestehen. Ob diese Einschätzung richtig war, ist
kein Problem der ordnungsgemäßen Beantwortung der Frage.
396
10. - Frage 10
397 a) Der Aktionärsvertreter Herr L. fragte wiederholt (WP 131, 215):
398
Welche Laufzeiten haben diese Call- und Put-Optionen bzw. Derivate? Inwieweit sind Verlängerungsrechte eingeräumt?
399 Die Beklagte antwortete zunächst (WP 207):
400
Wir haben das jetzt schon mehrmals gesagt. Wir wollen uns im Unternehmensinteresse zu Einzelheiten der Absicherungsstrategie
nicht weiter äußern.
401 Und auf die Wiederholung (WP 246):
402
Es handelt sich, wie bereits mehrfach erläutert, um Optionen, die ausschließlich auf Barausgleich ausgerichtet sind. Mit diesen nehmen
wir an den Veränderungen des V.-Aktien-Kurses wirtschaftlich teil. Nähere Einzelheiten wollen wir dazu nicht offen legen.
403 Die Klägerin zu 2 meint, auch diese Information sei zur Kenntnis der Funktionsweise und damit der Risiken der Derivatkonstruktionen
erforderlich und mithin relevant für den Gewinnverwendungsbeschluss. Ein Geheimhaltungsinteresse bestehe nicht, Nachteile aus der
Auskunftserteilung seien nicht konkret dargetan, die Beklagte sei im Übrigen nach § 15 a Abs. 3 Satz 2 WpHG ohnehin zur Offenlegung
verpflichtet.
404 Die Beklagte ist der Ansicht, unter Berücksichtigung der gegebenen Darstellungen der Risiken der Kurssicherungsgeschäfte seien weitere
Informationen über die Laufzeiten nicht erforderlich, im Übrigen wie die sonstigen Details der Geschäfte geheimhaltungsbedürftig.
405 b) Die Beklagte hat auch Auskünfte zu diesen Details aus den zu oben zur Frage 4 genannten Gründen zu Recht nach § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG
verweigert.
406
11. – Frage 11
407 a) Eine weitere Frage von Herrn L. lautete (WP 133, 217):
408
Wie hoch wären insgesamt die Kosten und Verluste, wenn P. zum heutigen Tage alle Währungsgeschäfte bezogen auf den Dollar glatt
stellen würde? Falls in der Kürze der Zeit keine exakte Antwort möglich sein sollte, reicht mir notfalls ein auf EUR 50 Millionen
gerundeter Betrag.
409 Er bekam zur Antwort (WP 209):
410
Wir schließen Währungssicherungsgeschäfte zur Absicherung unseres operativen Geschäfts. Die Frage einer Glattstellung stellt sich
demzufolge nicht. Ich hatte es Ihnen auch schon erläutert. Wir fahren im Endeffekt unsere Strategie gegenüber dem Budgetkurs und
wollen nicht im Endeffekt den Markt schlagen. Uns ist es wichtig, dass wir ein zusätzliches Polster gegenüber unserer Budgetplanung
haben, und dort liegen wir sehr gut im Geschäft.
411 Eine weitere Antwort zu Währungssicherungsgeschäften wurde wie folgt gegeben (WP 223):
412
Bei den Währungsgeschäften handelt es sich um Devisen-Termingeschäfte und Optionen. Da diese Geschäfte mit Grundgeschäften —
das heißt, Verkäufen von Fahrzeugen — hinterlegt sind, resultieren hieraus keine Risiken. Ein Absatzrückgang kann entweder durch
Verlängerung dieser Geschäfte oder durch Verfall der Verlängerung der Optionen aufgefangen werden
413 Die Klägerin zu 2 ist der Ansicht, die Frage sei damit nicht beantwortet, die Beklagte habe sich darauf beschränkt, den untechnischen Begriff
„glattstellen“ zu erläutern, ohne auf die Risiken aus den Währungsgeschäften einzugehen. Ausweichend sei die Antwort, dass sich die Frage
des Glattstellens nicht stelle. Dabei handele es sich nur um eine Einschätzung der Beklagten zur Entwicklung der Währungsgeschäfte und nicht
um eine Beantwortung der konkreten Frage, die auf den Tag der Hauptversammlung bezogen gewesen sei. Die Klägerin habe ein berechtigtes
Interesse zu erfahren, welchen Gewinn oder Verlust die Währungsgeschäfte zu einem Zeitpunkt x bei einer unterstellten Wertentwicklung der
jeweiligen Barwerte hätten. Dies gehe nur durch eine fiktive Auflösung der Transaktionen zum aktuellen Marktwert. Dies sei erforderlich zur
Bewertung der möglichen Währungsrisiken im Hinblick auf die Gewinnverwendung. Es gehe dabei nicht um die Bewertung eines nur
hypothetischen Falls, sondern um die Aufdeckung verdeckter Risiken.
414 Die Beklagte trägt vor, es werde aus den Antworten deutlich, dass es nie zu einer Glattstellung kommen werde. Es handele sich um eine Frage
nach einem hypothetischen Fall, die nicht beantwortet werden müsse. Außerdem werde aus der Antwort deutlich, dass es die vermuteten
Risiken nicht gebe, weil die Währungsgeschäfte mit Grundgeschäften, also Fahrzeugverkäufen, hinterlegt seien, so dass daraus kein Risiko
resultiere. Sie hätten vielmehr gerade den Zweck, wirtschaftliche Risiken aus einem fallenden Dollarkurs zu minimieren. Die Klägerin zu 2 lege
auch nicht dar, auf welchen Tagesordnungspunkt sich die Frage beziehe. Das sei auch nicht möglich, denn der durchschnittliche Aktionär
benötige für die Beurteilung der Tagesordnungspunkte keine Kenntnis über den durchschnittlichen Marktwert der
Dollarkurssicherungsgeschäfte zum Zeitpunkt der Hauptversammlung, er könne mit fiktiven Marktwertbetrachtungen nichts anfangen.
Außerdem bestehe auch hier ein Auskunftsverweigerungsrecht, weil die geforderten Detailangaben Rückschlüsse auf die Konditionen der
Sicherungsgeschäfte zuließen, bei denen es sich um Geschäftsgeheimnisse handele.
415 b) Die Auskunftspflicht ist nicht verletzt. Die Frage ist insoweit beantwortet, als die Beklagte den Zweck dieser Währungssicherungsgeschäfte –
Sicherung der Verkaufsgeschäfte im Dollarraum – erläutert und dazu klargestellt hat, dass sich die Frage einer Glattstellung im Hinblick darauf
nicht stelle. Zu berücksichtigen ist auch, dass in der Antwort auf eine vorgehende Erläuterung verwiesen wurde („ Ich hatte es Ihnen auch schon
erläutert“ ), was sich auf die Darstellung der Währungssicherungsgeschäfte bezog, wie sie auf S. 198 f des Wortprotokolls wiedergegeben ist
(siehe oben bei Frage Nr. 7 zur Unterfrage 7.2). Vor dem Hintergrund führt die Beklagte zu Recht aus, dass es sich um eine rein hypothetische
Fragestellung handelte, die die Beklagte nicht beantworten musste (vgl. OLG Hamburg NZG 2005, 86, 87). Auch sonst ist der Klägervortrag,
diese Information sei zur Aufdeckung von verdeckten Risiken geeignet, nicht nachvollziehbar. Im Übrigen kommt es auf die von der Klägerin zu
2 hervorgehobene Relevanz für die Gewinnverwendungsentscheidung nicht an, weil diese nicht Streitgegenstand ist.
416
12 – Frage 12
417 a) Herr Dr. We. stellte die Fragen (WP 167):
418
Unterfrage 12.1
419
Sagen Sie uns bitte auch, was mit P. passiert, wenn Sie mangels Bankenfinanzierung die Position nicht weiterrollen können.
420
Unterfrage 12.2-12.24
421
Wie hoch waren die tatsächlichen Kosten und Barabflüsse für den Aufbau und das Weiterrollen der V.-Hedge-Positionen? Wie hoch
sind die Kosten eines Weiterrollens pro Monat? Und um wie viel wird das nach einer Refinanzierung teurer?
422 Der Vorstand der Beklagten antwortete hierauf (WP 221):
423
Wie bereits mehrfach erläutert, wollen wir uns zu weiteren Einzelheiten unserer Kurssicherungsstrategie nicht weiter äußern.
424 Die Beklagte meint, in diesem Kontext sei auch die an anderer Stelle gegebene Auskunft zu sehen (WP 234):
425
Sofern der Börsenkurs der V.-Stammaktien zu einem bestimmten Abrechnungsstichtag im Vergleich zum Börsenkurs an dem jeweils
vorhergehenden Abrechnungsstichtag gestiegen ist, steht P. aus den betreffenden Kurssicherungsgeschäften ein Anspruch auf
Zahlung eines Barausgleichs in Höhe dieses Differenzbetrags zu. Ein fallender Börsenkurs würde dazu führen, dass die P. SE dazu
verpflichtet ist, unter den Kurssicherungsgeschäften Ausgleichszahlungen zu leisten."
426 Die Klägerin zu 2 vertritt die Auffassung, die nicht erteilten Auskünfte seien erforderlich gewesen. Angesichts des fälligen Bankenkredits der
Beklagten über EUR 10 Mrd., dessen Refinanzierung im März 2009 noch nicht gesichert gewesen sei und der Verdüsterung der wirtschaftlichen
Situation von V. würden die Risiken der Beklagten immer deutlicher. Der aus dem letzten Abschluss interpolierbare Erwerbspreis für die V.-
Aktien liege angesichts des künstlich hoch gehaltenen Preises immer noch deutlich über dem wahren Wert. So stünde einem Wert des
Aktienpaketes von rund EUR 9 Mrd. ein Erwerbspreis von rund EUR 18 Mrd. entgegen. Wenn hierzu signifikante Kosten von vermutlich
mehreren Millionen EUR pro Monat kämen, wonach gefragt worden sei, stehe das manifeste Risiko im Raum, dass Banken die
Anschlussfinanzierung nicht mehr gewährten. Angesichts der Verschlechterung der Lage von V. könnten weitere Liquiditätszuschüsse von dort
nicht erwartet werden. Deshalb sei die Frage nach den Kosten des Weiterrollens von essentieller Bedeutung für jeden Aktionär, der sich
verständig mit den Tagesordnungspunkten Entlastung und Gewinnverwendung auseinandersetzen wolle. Die Auskünfte seien für die
Beurteilung der Tagesordnungspunkte 3 bis 6 erforderlich.
427 So sei die Unterfrage 12.1 nicht lediglich auf einen hypothetischen Verlauf gerichtet gewesen, sondern eine Gefährdung der Weiterfinanzierung
habe tatsächlich gedroht, letztlich hätten die Banken bei Verlängerung des EUR 10 Mrd.-Kredits die Betriebsmittelkredite gestrichen und V.
habe einen Notkredit über EUR 700 Mio. geben müssen.
428 Unterfrage 12.2 bis 12.4 nach den Kosten eines Weiterrollens bei Fälligkeit sei mit der von der Beklagten dargestellten Auskunft zur
allgemeinen Funktionsweise der Optionsgeschäfte nicht beantwortet.
429 Ein Auskunftsverweigerungsrecht bestehe nicht. Die Fragen richteten sich nicht auf bestimmte Konditionen der Geschäfte, sondern auf
entstehende Kosten. Es bestünden außerdem angesichts der dargestellten Zusammenhänge objektive Zweifel, ob die Geschäftsführung durch
den Vorstand und die Kontrolle durch den Aufsichtsrat mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar seien.
Der Vorteil der Aufdeckung von Pflichtverletzungen überwiege etwaige gewisse Nachteile.
430 Die Beklagte ist der Meinung, die Auskunft sei zur sachgerechten Beurteilung der Tagesordnungspunkte nicht erforderlich gewesen. Unterfrage
12.1 richte sich auf einen rein hypothetischen Geschehensablauf nach der Hauptversammlung und sei deshalb irrelevant und nicht
auskunftspflichtig. Das von der Klägerin zu 2 angeführte Szenario habe sich auch nicht bestätigt, nachdem die Anschlussfinanzierung gelungen
sei.
431 Die Fragen zum Bankenkredit und den Kosten zielten letztlich darauf ab, ob der Beklagten die Insolvenz drohe, was der Vorstand auf der
Hauptversammlung nach seiner Einschätzung verneint habe (unter Hinweis auf WP S. 140). Die Beklagte habe die Funktionsweise der
Optionsgeschäfte, die möglichen Ausgleichszahlungen an Abrechnungsstichtagen und die Verpflichtungen zur Zahlung von Optionsprämien
erläutert (unter Hinweis auf WP S. 198, siehe dazu oben bei Nr. 7 a). Angaben zu den tatsächlich angefallenen Kosten (Unterfrage 12.2.)
beträfen daher Details, die ein durchschnittlicher Aktionär nicht auf der Hauptversammlung verwenden könne und auf die es zur Beurteilung
auch nicht ankomme. Künftige Aufwendungen, wie mit Unterfrage 12.3 nachgefragt, ließen sich gar nicht beziffern (§ 275 BGB), weil sie von der
Höhe der Ausgleichszahlungen zu einem künftigen Abrechnungsstichtag abhingen. Die darauf aufbauende Unterfrage 12.4 sei deshalb
ebenfalls nicht zu beantworten gewesen. Zudem seien die Kosten ein Faktor, der in die Risikoeinschätzung des Vorstands eingeflossen seien,
welcher erklärt habe, dass kein Insolvenzrisiko bestehe.
432 Zudem bestehe ein Auskunftsverweigerungsrecht zu den Konditionen der Kurssicherungsgeschäfte; eine Auskunft zu den Kosten ließe auch
darauf Rückschlüsse zu.
433 b) Eine Antwort auf die Frage ist nicht erteilt worden, sondern vom Vorstand ausdrücklich verweigert worden. Die weitere Antwort (WP 234) auf
eine Frage des Aktionärs Dr. Wa. beantwortet die Frage von Herrn Dr. We. nicht.
434 Die Beklagte war aber auch hier nach den Erwägungen oben bei Frage 4 berechtigt, die Auskunft zu verweigern, § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG.
C.
435 Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 100 Abs. 2, 101 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§
708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.