Urteil des LG Stuttgart vom 08.12.2010

LG Stuttgart: wirtschaftliche einheit, rendite, investmentfonds, anleger, lebensversicherungsvertrag, darlehensvertrag, widerklage, werbung, rückzahlung, stille reserve

LG Stuttgart Urteil vom 8.12.2010, 8 O 518/09
Kapitalanlagemodell in Kombination von endfälligem Darlehen; finanzierter Einlage in eine Lebensversicherung und regelmäßigen Zahlungen
an einen Investmentfonds als Tilgungsersatzinstrument
Leitsätze
1. Eine unechte Abschnittsfinanzierung liegt vor, wenn die Laufzeit des Darlehensvertrags die Dauer der Zinsbindung überschreitet und die
Restschuld unter der Bedingung fällig wird, dass eine neue Zinsvereinbarung nicht zustande kommt.
2. Zahlt der Darlehensnehmer während der Laufzeit an den Darlehensgeber nur Zinsen und erbringt er gleichzeitig regelmäßige Leistungen an
einen Investmentfonds, aus dessen Vermögen die endfällige Darlehensvaluta getilgt werden soll, handelt es sich um ein Darlehen, das in
Teilzahlungen zu tilgen ist.
3. Ein Darlehensvertrag kann mit einem Lebensversicherungsvertrag eine wirtschaftliche Einheit bilden, wenn die Darlehensvaluta in die
Lebensversicherung eingezahlt wird und beide Verträge Teil eines dem Darlehensgeber bekannten kombinierten Anspargeschäfts sind.
4. Bei derartigen kombinierten Anspargeschäften kann ein vorvertragliches Schuldverhältnis zwischen Versicherer und Anleger entstehen, wenn ein
Versicherungsmakler tätig wird. Dies gilt insbesondere, wenn der Versicherer dem Anleger gegenüber sonst nicht in Erscheinung tritt, sich bei der
Vermarktung seiner Versicherungen verschiedener Vermittlungsorganisationen bedient und der Versicherungsvertrag erklärungsbedürftig ist. Eine
etwaige Fehlinformation muss sich der Versicherer dann über § 278 BGB zurechnen lassen.
5. Dient ein Lebensversicherungsvertrag im Wesentlichen der Kapitalanlage, bemißt sich der Aufklärungsmaßstab an den Pflichten der
Kapitalanlageberatung.
6. Die Werbung mit Vergangenheitsrenditen kann irreführend sein und eine Haftung des Versicherers begründen, wenn der Versicherer weiß, dass
die in einem Verkaufsprospekt für das Anlagekonzept angegebenen Zahlen nicht den Erträgen aus der jüngeren Vergangenheit entsprechen.
Präsentiert der Versicherer dem Anleger die Rendite aus der jüngeren Vergangenheit in einem separaten Prospekt, muss der Anleger die Angaben
beider Prospekte miteinander vergleichen können.
7. Besteht die beworbene Rendite einer Lebensversicherung aus mehreren Komponenten (hier: "deklarierter Wertzuwachs" und "Fälligkeitsbonus"),
ist über den Anteil der einzelnen Komponenten an der Rendite jedenfalls aufzuklären, wenn der eine der beiden Faktoren deutlich stärker schwankt
als der andere.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Widerklage wird abgewiesen.
3. Die Drittwiderbeklagte wird verurteilt, an die Beklagte 115.713 Euro zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem
jeweiligen Basiszinssatz seit 5. Oktober 2010 zu zahlen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 50 %, die Beklagte und die Drittwiderbeklagte jeweils 25 %.
5. Das Urteil ist für alle Parteien gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Streitwert:
bis 30.09.2010 (Klage): 109.211,94 EUR,
danach (Klage zuzüglich Widerklage und Drittwiderklage, § 45 Abs. 1 S. 1 GKG): 224.924,94 EUR.
Tatbestand
1
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Rückzahlung eines Kredits in Anspruch, mit dem die Beklagte und ihr verstorbener Ehemann einen
Einmalbetrag in eine Lebensversicherung bei der Drittwiderbeklagten einzahlten.
2
Mit der Widerklage begehrt die Beklagte von der Klägerin und der Drittwiderbeklagten Schadensersatz für periodische Zahlungen an einen
Investmentfonds, aus dessen Kapitalstock die Beklagte den Kredit bei der Klägerin zurückführen wollte.
I.
3
1. Die Beklagte und ihr Ehemann beteiligten sich an einem Vermögensbildungsmodell namens „Eu.“, welches von der Firma R.-Finanzmakler
GmbH in den 1990er Jahren initiiert worden war. Der Anleger nahm bei diesem Modell ein Darlehen zu einem festen Zinssatz über einen
längeren Zeitraum auf. Die Valuta war am Ende der Laufzeit zurückzuzahlen. Während der Laufzeit hatte der Anleger Zinsen zu zahlen.
Außerdem sollte der Anleger neben einer Einmalzahlung monatliche Beiträge an einen Investmentfonds leisten. Mit dem Gewinn aus dem
Investmentfonds sollte die Darlehensvaluta bei Fälligkeit zurückgeführt werden. Die Valuta floss in eine Lebensversicherung. Aus dem
Kapitalstock der Lebensversicherung sollten die Zinsen für das Darlehen entnommen werden. Bei Fälligkeit der
Darlehensrückzahlungsforderung sollte der Kapitalstock der Lebensversicherung so weit aufgebaut sein, dass dem Anleger hieraus eine Rente
zufließen konnte.
4
2. Im Verkaufsprospekt für den Eu. finden sich Angaben zu einer Versicherungspolice der Drittwiderbeklagten. Auf Seite 6 wird ein
„Renditevergleich deutscher und englischer Lebensversicherungen bei 25 Jahren Laufzeit“ dargestellt. Danach erwirtschafteten derartige
Versicherungspolicen bei der Drittwiderbeklagten 13,7 % Rendite, Durchschnittsrenditen werden mit 5,6 % für deutsche und 13,1 % für englische
Versicherungskonzerne angegeben. Auf Seite 7 wird die „Beitragsrendite von C.-Policen in %“ für die 25-Jahresperioden von 1964-89 bis 1975-
2000 angegeben: sie betrug zwischen 12,4 % und 13,7 %. Weiter heißt es dort: „Beim Eu. wird aus Vorsichtsgründen mit einer Beitragsrendite
von ca. 8 % gerechnet“. Auf Seite 9 werden in einer weiteren Tabelle ohne Überschrift Werte mit Policenbeginn 1995 bis 2000 dargestellt. Auf
diese Verträge entfallen eine kumulierte Jahresdividende von 5,45 bis 41,11 % und ein kumulierter Fälligkeitbonus von 4 bis 78 Prozent.
5
Der Versicherungsnehmer erhält „Anteile (Units) an einem Pool mit garantiertem Wertzuwachs, die dem Vertrag zugeteilt werden“. Diesen
Wertzuwachs soll die Drittwiderbeklagte jedes Jahr neu festsetzen, wobei sie garantiert, „dass der Preis der erworbenen (und noch nicht wieder
veräußerten) Anteile nie fallen kann“. Zusätzlich sieht die Police einen „Fälligkeitsbonus“ vor, der nicht garantiert ist und bei bestimmten
Auszahlungen erst zu Ende der Laufzeit fällig wird. „Er reflektiert die geglättete Investment-Performance für den Zeitraum, den [die] Anteile im
Pool verblieben sind“.
6
3. Im Zuge einer Vermögensoptimierung stellte der Zeuge Sch. der Beklagten und ihrem Ehemann im Jahre 2001 den „Eu.“ als eine denkbare
Vermögensanlage vor. Er verwendete hierzu Prospektmaterial, welches die Beklagte und ihr Ehemann erhielten (Anl. B 10, LW 26), und erstellte
eine Modellrechnung (Anl. B 10a). Nach einem „Beratungsprotokoll“ (Anl. K 4), unterzeichnet von der Beklagten und dem Zeugen Sch. am 25.
Oktober 2001, soll am 5. November 2001 ein Beratungsgespräch stattgefunden haben, wonach der Zeuge Sch. der Beklagten und ihrem
Ehemann sowohl die Entwicklungsmöglichkeiten einer Lebensversicherung bei der Drittwiderbeklagten mit dem „Anlagepool“ 2… als auch eines
Investmentfonds dargelegt hat. Unter anderem heißt es dort zur Lebensversicherung: „Mir ist bekannt, dass die garantierte Jahresdividende in
der Regel niedriger ist als der Effektivzinssatz für das aufzunehmende Darlehen.“ Der Zeuge Sch. ging in seiner Berechnung für die
Lebensversicherung von einer Rendite von „8,5 % bezogen auf das Nettoanlagevermögen“, für den Investmentfonds von einer Rendite von „8,5
% bezogen auf den Nettoinventarwert“ aus (Anl. B 10a).
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4. Am 25.10.2001 unterzeichneten die Beklagte und ihr Ehemann einen „Zeichnungsschein Eu.“ (Anlage K 5 / B 11). Danach wollten sie sich am
Eu. mit einer Einmaleinlage in eine „C.-Wealthmaster Noble Police“ in Höhe von 500.000,00 EUR für den Pool 2… beteiligen. Sie beauftragten
die Initiatorin mit der „Beschaffung und Abwicklung eines Bruttodarlehens in Höhe von 555.555,56 EUR für den Eu.“. Sie wählten außerdem
einen Investmentfonds mit Namen „M. Wachstum International/Euro Growth“ mit einer Einmaleinlage von 60.000,00 EUR und einer monatlichen
Sparrate von 1.361,00 EUR über 10 Jahre. Ausweislich des Zeichnungsscheines war im Darlehen weiterhin ein Disagio von 10 % vorgesehen.
Die Zinsfestschreibung sollte 10 Jahre betragen und das Darlehen planmäßig nach 15 Jahren getilgt werden. Die vorgesehene Spardauer in
den Investmentfonds sollte 10 Jahre betragen.
8
Ebenfalls am 25. Oktober 2001 unterzeichneten die Beklagte, ihr Ehemann und der Zeuge Sch. ein „Wealthmaster Noble Antragsformular“ der
Drittwiderbeklagten. Als Versicherungsgrund ist „Eu.“ maschinenschriftlich angegeben, die persönlichen Angaben der Beklagten, die
Vertragslaufzeit (87 Jahre), der Poolname (2…), die regelmäßigen Auszahlungen („vj.“) und die Höhe (500.000 EUR) sind handschriftlich
eingetragen (Anl. LW 10).
II.
9
Mit Schreiben vom 4. Dezember 2001 beantragte die Initiatorin „im Zusammenhang mit dem oben genannten Eu.“ ein Darlehen bei der Klägerin
(Anl. K 6).
10 Am 10.12.2001 unterzeichnete ein Mitarbeiter der Klägerin einen mit „Darlehensvertrag“ überschriebenen Vordruck der Klägerin (Anl. K 1). Die
Beklagte und ihr Ehemann unterschrieben am 16.12.2001. Danach sollte die Klägerin den Beklagten ein Darlehen in Höhe von 555.555,56 EUR
gewähren und zu 500.000,00 EUR auszahlen. Der Restbetrag verteilt sich auf Disagio (10 %) und Darlehenskosten. Unter Ziff. III. mit der
Überschrift „Verzinsung, Laufzeit, Tilgung, Verzug“ enthält der Vordruck folgende Angaben:
11
„1. Das Darlehen ist vom Auszahlungstag an mit jährlich 4,8 % zu verzinsen.
12
Die Zinsen sind vierteljährlich nachträglich fällig und zahlbar jeweils am 31.03., 30.06., 30.09. und 31.12. jeden Jahres, erstmals an dem
auf die Darlehensauszahlung folgenden Termin. Der Zinssatz ist fest bis zum 31.01.2012 vereinbart.
13
Vor Ablauf dieser Frist sind aufgrund der dann gegebenen Kapitalmarktverhältnisse neue Konditionen ggf. einschließlich
Geldbeschaffungskosten zu vereinbaren. Kommt eine neue, schriftliche Vereinbarung nicht zustande, ist das Restdarlehen zum Ende
der Zinsbindungsfrist zur Rückzahlung fällig.
14
2. Die Laufzeit des Darlehens beträgt rd. 15 Jahre und endet am 31.01.2017.
15
3. Das Darlehen ist am Laufzeitende in einem Betrag zurückzuzahlen.“.
16 Weiterhin enthält der Vordruck unter Ziff. VI. („Darlehensgesamtbetrag/Effektivzins“) neben der Angabe des anfänglichen effektiven Jahreszinses
von 6,28 % folgende Angabe:
17
„1. Die Gesamtsumme aller Darlehensleistungen (Summe der Tilgungs- und Zinsbeträge sowie aller sonstiger Kosten) beträgt auf der
Grundlage derzeit bezifferbarer Kosten und der zum gegenwärtigen Zeitpunkt geltenden Konditionen 825.703,71 EUR (Auszahlung
Wert: 13.12.2001, Rückzahlung am 31.01.2012 unterstellt)“.
18 Unter Ziffer VII war weiter vereinbart, dass die Beklagte und ihr Ehemann an die Klägerin zur Sicherstellung der
Darlehensrückzahlungsforderung sämtliche Rechte aus der bei der Drittwiderbeklagten neu abzuschließenden Lebensversicherung zedierten.
Außerdem räumten sie der Beklagten ein Pfandrecht an den bei der M.-Investment GmbH zu erwerbenden Fondsanteilen „mit einer mtl. Sparrate
von insgesamt 1.361,- Euro für die Dauer von 10 Jahren sowie einer Einmalzahlung von insgesamt 60.000 Euro“ ein.
III.
19 1. Die Drittwiderbeklagte übersandte mit Schreiben vom 22. März 2002 (Anl. LW 1) der Beklagten und ihrem Ehemann den Versicherungsschein
nebst „Policenbedingungen“ (Anl. LW 2), „Verbraucherinformation“ (Anl. LW 3) und „Poolinformationen“ (Anl. LW 4). Laut Versicherungsschein
begann der Versicherungsschutz am 9. Januar 2002 und sollte 87 Jahre währen. Für den Letztverstorbenen sollte eine Leistung von 101 % des
Rücknahmewerts garantiert sein. Für die Zeit vom 20. Juni 2002 bis 20. September 2011 sollten regelmäßige Auszahlungen von vierteljährlich
8.760 Euro erfolgen, zu einem späteren Zeitpunkt sollten sich die Auszahlungen noch erhöhen.
20 2. Die Beklagte entschied sich für den „Eu. Serie 2…“ und erwarb 241.080,03857 Anteile zu einem Preis von 2,074 Euro je Anteil (Anl. LW 1, S.
4).
IV.
21 Die Darlehensvaluta floss an die Drittwiderbeklagte. Vereinbarungsgemäß leisteten die Beklagte und ihr Ehemann die Zinsleistungen an die
Klägerin, indem sie entsprechende Beträge aus der bei der Drittwiderbeklagten angelegten Lebensversicherung entnahmen. Die
Drittwiderbeklagte informierte die Beklagte jedenfalls in den Jahren 2003, 2004 und 2005 über den Versicherungsverlauf (Anl. LW 13 - LW 15).
22 Am 29. September 2002 verstarb der Ehemann der Beklagten. Die Beklagte beerbte ihn allein.
23 Zu einem späteren Zeitpunkt wechselte die Beklagte den Investmentfonds.
24 Die Lebensversicherung bei der Drittwiderbeklagten entwickelte sich nicht, wie von der Beklagten erwartet. Nach dem Tod ihres Ehemannes
kamen der Beklagten Zweifel an der Finanzierbarkeit des Konzepts.
25 Am 25.03.2009 erklärte die Beklagte gegenüber der Drittwiderbeklagten, genauer ihrer Niederlassung in Maastricht, dass sie die Versicherung
kündigen wolle (Anlage LW 5). Am 29.05.2009 erteilte die Drittwiderbeklagte der Beklagten eine Abrechnung (Anlage LW 6), in der ein
Rücknahmepreis von 2,311 EUR je Anteil, insgesamt ein Wert von 326.384,11 EUR, angegeben ist. Hiervon zog die Drittwiderbeklagte eine
„Marktpreisanpassung“ in Höhe von 78.332,19 EUR ab und überwies einen „Rückgabewert“ in Höhe von 248.051,92 EUR, wie von der
Beklagten gewünscht, an die Klägerin zur Verrechnung mit der Darlehensvaluta.
26 Mit Schreiben vom 11.03.2009 kündigte die Beklagte den Kredit bei der Klägerin. Mit Schreiben vom 25.03.2009 erklärte die Klägerin, sie
„nehme diese zum 31.05.2009 an“ (Anlage K 2). Sie stellte zum 31.05.2009 die Valuta in Höhe von 555.555,56 EUR zuzüglich der Zinsen vom
01.04.2009 bis 31.05.2009 in Höhe von 4.444,44 EUR, mithin einen Ablösebetrag von 560.000,00 EUR, zum 31.05.2009 in Rechnung. Die
Beklagte löste auch den Investmentfonds auf. Hieraus flossen der Klägerin am 03.06.2009 202.843,47 EUR zu. Am 17.06.2009 erhielt die
Klägerin außerdem von der Drittwiderbeklagten 247.944,59 EUR. Daraus errechnete die Klägerin ab 18.06.2009 eine Restforderung von
109.211,94 EUR. Im Schreiben vom 22.06.2009 (Anlage K 3) forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung dieses Betrages bis 30.06.2009 auf.
27 Nachdem die Beklagte der Zahlungsaufforderung der Klägerin nicht nachkam, erhob diese die streitgegenständliche Klage.
28 Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte müsse das Darlehen in voller Höhe zurückzahlen. Die Klägerin habe die Leistungen aus dem
Investmentfonds und der Lebensversicherung angerechnet. Weitere Abschläge könne die Beklagte nicht verlangen. Insbesondere stünden der
Beklagten auch keine Einwendungen gegen den Darlehensvertrag zu. Soweit die Beklagte Einwendungen gegen den Versicherungsvertrag
anbringe, griffen diese nicht auf den Darlehensvertrag durch.
29 Die Klägerin beantragt daher,
30
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 109.211,94 EUR nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz
31
a) aus 560.000,00 EUR vom 01.06.2009 bis 03.06.2009,
b) aus 357.156,53 EUR vom 04.06.2009 bis 17.06.2009 sowie
c) aus 109.211,94 EUR seit 18.06.2009
32
zu zahlen.
33 Hilfsweise für den Fall, dass das Gericht den Darlehensvertrag für nichtig, aber geheilt halten sollte, beantragt die Klägerin:
34
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 89.582,33 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz
35
a) aus 540.370,39 EUR vom 01.06.2009 bis 03.06.2009,
b) aus 337.526,92 EUR vom 04.06.2009 bis 17.06.2009 sowie
c) aus 89.582,33 EUR seit 18.06.2009
36
zu zahlen.
37 Die Beklagte beantragt,
38
die Klage abzuweisen.
39 Zugleich beantragt sie,
40
die Klägerin und die Drittwiderbeklagte zu verurteilen, an die Beklagte gesamtschuldnerisch 115.713,00 EUR nebst Zinsen hieraus in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit
41
a) 04.10.2010 gegen die Klägerin,
b) 05.10.2010 gegen die Drittwiderbeklagte
42
zu zahlen.
43 Hilfsweise beantragt die Beklagte,
44
die Drittwiderbeklagte zu verurteilen, die Beklagte von allen Ansprüchen der Klägerin aus und im Zusammenhang mit dem Darlehen der
Klägerin über nominal 555.555,56 EUR, Darlehens-Nr.: 6/…9045, freizustellen.
45 Die Beklagte trägt vor,
46 der Darlehensvertrag sei fehlerhaft, weil kein Gesamtbetrag angegeben sei. Lebensversicherungsvertrag und Darlehensvertrag seien
miteinander verbunden, weshalb die Beklagte Einwendungen gegen den Versicherungsvertrag auch der Klägerin gegenüber geltend machen
könne.
47 Über den Lebensversicherungsvertrag sei die Beklagte und ihr verstorbener Ehemann nicht vollständig aufgeklärt worden:
48 a) Die Lebensversicherungsverträge der Drittwiderbeklagten seien mit einer Rendite von 8,5 % jährlich beworben worden, obwohl diese Rendite
schon vor längerer Zeit auf dem britischen Markt erzielt worden sei, nicht aber in Deutschland in den 1990er Jahren. Die Deutsche
Versicherungsaufsicht hielte eine solche Darstellung für irreführend, weil der angebotene und der Bezugstarif nicht verglichen werden könnten.
49 b) Das Anlagekonzept Eu. hätte eine gleichmäßige Verteilung dieser angenommenen Rendite über die gesamte Laufzeit zugrunde gelegt,
obwohl eine solche Verteilung ausgeschlossen sei.
50 c) Wahrheitswidrig hätte die Drittwiderbeklagte die Werbung zugelassen, dass englische Lebensversicherer im Gegensatz zu deutschen
Lebensversicherern keine stille Reserve bilden würden, sondern der gesamte eingezahlte Betrag zu Investitionszwecken zur Verfügung stünde.
51 d) Wahrheitswidrig sei die Anlageform damit beworben worden, dass die Gewinne, die die Drittwiderbeklagte mit dem ihr zur Verfügung
gestellten Geld erwirtschaftete, immer den Anlegern zuflössen, die in einem bestimmten Quartal ihre Anlage getätigt hätten.
52 e) Durch das Glättungsverfahren könnten Reserven, die in einem Quartalspool gebildet würden, anderen Quartalspools zugeschlagen werden.
53 f) Die Garantien, die die Drittwiderbeklagte hinsichtlich des Kapitalerhalts abgegeben hätte, würden durch die Einlagen der Anleger mitfinanziert.
54 All dies hätte weder die Drittwiderbeklagte noch der Zeuge Sch. der Beklagten und ihrem Ehemann mitgeteilt. Hätten die Beklagte und ihr
Ehemann dies gewusst, hätten sie die Anlage nicht getätigt. Sie hätten dann auch keine Einzahlungen in den Investmentfonds getätigt.
55 Mit der Widerklage begehrt die Beklagte daher von der Klägerin und der Drittwiderbeklagten, ihr Schadensersatz für die Zahlungen an den
Investmentfonds in Höhe der Einmaleinlage (60.000 Euro) und der jährlich geleisteten Beiträge abzüglich der Ausschüttungen aus der
Lebensversicherung (7 x 7.959 Euro = 55.713 Euro, Summe beider Beträge 113.713 Euro) zu leisten.
56 Die Klägerin und die Drittwiderbeklagte beantragen,
57
die Widerklage abzuweisen.
58 Die Drittwiderbeklagte trägt vor,
59 sie sei allen Informationspflichten mit der Übersendung des Versicherungsvertrages und der dazugehörigen Anlagen (Anlagen LW 1 bis LW 4)
nachgekommen. Weitere Informationspflichten bestünden nicht. Die Behauptungen der Beklagten seien falsch, der Drittwiderbeklagten nicht
zuzurechnen und im Übrigen auch nicht für die Anlageentscheidung kausal.
60 Die Drittwiderbeklagte und die Klägerin sind außerdem der Ansicht, dass etwaige Ansprüche der Beklagten verjährt seien, nachdem sie längst
von den vorgeworfenen Pflichtverletzungen Kenntnis erlangt hätte.
61 Bereits vor der am 5. Oktober 2010 zugestellten Drittwiderklage war die Drittwiderbeklagte mit Schriftsatz vom 17. März 2010 (Bl. 128 d. A). dem
Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beigetreten.
62 Das Gericht hat die Beklagte informatorisch befragt. Es hat außerdem Beweis erhoben durch die Vernehmung folgender Zeugen:
63
a) G., Mitinitiator des Eu.;
b) H., Vertriebsleiter eines Finanzunternehmens, das Policen der Drittwiderbeklagten in Deutschland vermittelte;
c) Sch., der das Anlagekonzept vorgestellt hat;
d) N., Mitarbeiter der Drittwiderbeklagten und
e) O., Mitarbeiterin bei der Drittwiderbeklagten.
64 Für den Gang der mündlichen Verhandlungen vom 24.03.2010, 15.09.2010 und 07.10.2010 wird auf die jeweiligen Verhandlungsprotokolle
verwiesen (Bl. 181 bis 183, 300 bis 341 und 396 bis 438 d. A.).
65 Das Gericht hat außerdem zu Informationszwecken die Akte 21 O 56/09 des Landgerichts Stuttgart beigezogen.
Entscheidungsgründe
A.
66
Die Klage ist gemäß den §§ 12, 13 ZPO, 23, 71 GVG vor dem Landgericht Stuttgart zulässig.
67
Die Klage ist unbegründet.
68
Die Beklagte ist Rechtsnachfolgerin ihres Ehemannes, § 1922 BGB.
69
Der Zwischen den Parteien abgeschlossene Darlehensvertrag ist nichtig, aber geheilt (unter I.). Er bildet mit dem Lebensversicherungsvertrag
ein verbundenes Geschäft (unter II.). Der Beklagten stehen Einwendungen gegen den Lebensversicherungsvertrag zu (unter III.), die sie dem
Rückzahlungsanspruch entgegenhalten kann.
I.
70
Die Vereinbarung vom 10./16.12.2001 ist ein Darlehensvertrag i.S.d. §§ 488, 491 BGB und ein Kreditvertrag im Sinne des § 1 Abs. 2 VerbrKrG.
Der Vertrag ist gekündigt, so dass das Darlehen zur Rückzahlung fällig ist (§ 488 Abs. 3 BGB).
71
1. Die Klägerin verpflichtete sich zur Geldüberlassung auf Zeit, die Beklagte zur Entrichtung eines entsprechenden Zinses sowie zur
Rückzahlung des Geldes bei Fälligkeit. Der Vertrag enthält daher die wesenstypischen Merkmale eines Darlehensvertrages.
72
Da die Beklagte und ihr Ehemann nicht zu gewerblichen Zwecken handelten, sind für den Vertragsabschluß die Vorschriften über den
Kreditvertrag gemäß dem Verbraucherkreditgesetz (Art. 229 § 22 Abs. 2, § 5 EGBGB) anzuwenden. Die Schriftform, die § 4 Abs. 1 S. 1 VerbrKrG
für Kreditverträge verlangt, ist mit der Urkunde vom 10./16. Dezember 2001 (Anl. K 1) eingehalten.
73
2. Nach § 6 Abs. 1 des VerbrKrG ist ein Kreditvertrag nichtig, wenn eine der in § 4 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 a bis f vorgeschriebenen Angaben fehlt.
Nach § 4 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 b S. 2 des VerbrKrG ist bei Krediten mit veränderlichen Bedingungen, die in Teilzahlungen getilgt werden, ein
Gesamtbetrag auf der Grundlage der bei Abschluss des Vertrages maßgeblichen Kreditbedingungen anzugeben.
74
Dieser Gesamtbetrag wäre anzugeben.
75
a) Es handelt sich um einen Kreditvertrag mit veränderlichen Bedingungen.
76
Der Zinssatz ist nicht für die ganze Laufzeit festgeschrieben. Während der Zinssatz in Ziffer III.1 der Urkunde für 10 Jahre festgeschrieben ist
- nämlich vom 31.03.2002 bis 31.01.2012 - beträgt die Laufzeit nach Ziffer III.2 der Urkunde „rund 15 Jahre und endet am 31.01.2017“. Die
Zinsbindungsperiode und die Laufzeit fallen auseinander. Es handelt sich damit um eine „unechte Abschnittsfinanzierung“, bei der der
Zinssatz nur für einen Teil der Geldüberlassung fest vereinbart ist (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juni 2004 - XI ZR 150/03 -, BGHZ 159, 270; Urteil
vom 20. Januar 2009 - XI ZR 504/07 -, BGHZ 179, 260). Danach müssen die Konditionen neu ausgehandelt werden. Folglich hat der
Vertrag veränderliche Bedingungen.
77
Dies ändert sich nicht dadurch, dass in Ziffer III.1 weiter vereinbart ist, dass die Rückzahlung fällig wird, wenn eine neue Zinsvereinbarung
nicht zustande kommt (so aber OLG Bamberg, Urteil vom 8. Dezember 2008 - 6 U 29/08 -, Anl. K 8). Nach Ansicht des erkennenden
Gerichts kommt es darauf an, welchen Willen die Parteien bei Vertragsabschluss hatten. Dagegen ist es nebensächlich, ob die
Rückzahlungsforderung durch vertragliche Klausel fällig wird, wenn keine Zinsfolgevereinbarung zustande kommt, oder durch einen
„Widerspruch“ des Darlehensnehmers gegen eine vorformulierte Konditionenanpassung des Darlehensgebers. Vielmehr hält es das
Gericht für ausschlaggebend, von welcher Laufzeit die Parteien bei Vertragsabschluss ausgehen (wie hier OLG München, Urteil vom 2.
Februar 2010 - 5 U 4828/09 -, Anl. B 17). Wesentliches Merkmal der „unechten Abschnittsfinanzierung“ ist das Auseinanderfallen von der
Dauer der Geldüberlassung und der Dauer der Zinsbindung. Im vorliegenden Fall sind die Parteien von einer Kapitalnutzungsdauer von 15
Jahren ausgegangen. Das Darlehen diente der Finanzierung des „Eu.s“. Im Zeichnungsschein (Anl. K 5) soll die „Darlehenstilgung
planmäßig nach 15 Jahren“ erfolgen. Die Zahl 15 ist handschriftlich ergänzt. Dieser Zeichnungsschein wurde der Klägerin von der
Initiatorin mit dem Schreiben vom 4. Dezember 2001 (Anl. K 6) übersendet. In dem Anschreiben wird unter Tilgung ebenfalls von einem
Zeitraum von „ca. 15 Jahren“ ausgegangen. Die Anlagedauer des Investmentfonds, mit dem die Valuta getilgt werden soll und der der
Klägerin zur Sicherheit verpfändet ist, ist ebenfalls mit 15 Jahren angegeben. Die Parteien wollten daher bei Vertragsabschluss
übereinstimmend eine Geldüberlassung über 15 Jahre. Sie gingen weiter davon aus, dass sie sich als Vertragspartner auf eine
Zinsfolgevereinbarung verständigen könnten. Vor diesem Hintergrund wird die Rückzahlungsforderung nur bedingt (§ 158 BGB) nach zehn
Jahren fällig, falls wider die Erwartungen der Parteien keine weitere Zinsvereinbarung zustande kommt.
78
Der BGH hat in seinen Urteilen die unechte Abschnittsfinanzierung zwar dadurch bestimmt, dass die Rückzahlungsforderung nicht „ohne
weiteres“ fällig wird, sondern nur, wenn der Darlehensnehmer einer Konditionenanpassung widerspreche (BGH, Urteil vom Urteil vom 8.
Juni 2004 - XI ZR 150/03 -, BGHZ 159, 270; Urteil vom 14. September 2004 - XI ZR 11/04 -, WM 2004, 2306). In welcher Ausgestaltung eine
Folgevereinbarung zustande kommt, kann aber für die Beurteilung, ob eine „unechte Abschnittsfinanzierung“ und damit eine Pflicht zur
Angabe des Gesamtbetrags vorliegt, nicht maßgebend sein. Für die rechtliche Betrachtung bleibt es unerheblich, ob der Darlehensgeber
einseitig die Konditionen vorgibt oder - wie im vorliegenden Fall - „neue Konditionen zu vereinbaren“ sind. Entscheidend ist, dass die
Rückzahlungsforderung nicht „ohne weiteres“ fällig wird, sondern nur, wenn die Parteien zu keiner Einigung finden. Dies entspricht dem
Widerspruch des Darlehensnehmers gegen eine einseitige Neubestimmung der Zinsbedingungen durch den Darlehensgeber.
79
Entscheidend ist schließlich, dass die Parteien bei Vertragsabschluß davon ausgingen, dass die Laufzeit und die Zinsbindung divergieren.
Deshalb liegt ein Darlehen mit veränderlichen Bedingungen vor.
80
b) Das Darlehen ist in Teilzahlungen zu tilgen.
81
Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Darlehensvertrag. Die Darlehensvaluta ist nämlich in einem Betrag zurückzuzahlen.
82
Nach der Rechtsprechung des BGH liegt ein Darlehen, das in Teilzahlungen zu tilgen ist, aber auch dann vor, wenn der Darlehensnehmer
Tilgungsersatzleistungen in einen Vermögensbildungsvertrag erbringt, mit dem vereinbarungsgemäß das Darlehen zurückgeführt werden
soll. Dies hat der BGH für den Bausparvertrag (BGH, Urteil vom 8. Dezember 2001 - XI ZR 156/01 -, BGHZ 149, 302) und den
Lebensversicherungsvertrag (BGH, Urteil vom 8. Juni 2004 - XI ZR 150/03 -, BGHZ 159, 270) entschieden. Der BGH begründet seine
Auffassung damit, dass es bei einer wirtschaftlichen Betrachtung für den Darlehensnehmer gleichgültig ist, ob er monatliche
Rückzahlungen unmittelbar an den Darlehensgeber oder an einen Dritten leistet, wenn diese Geldbeträge nur bestimmungsgemäß der
Rückzahlung des Darlehens dienen sollen. Diese wirtschaftliche Betrachtungsweise trifft aber auch den vorliegenden Fall, in dem die
Beklagte regelmäßige Beiträge statt in einen Bauspar- oder Lebensversicherungsvertrag an einen Investmentfonds leistet. Mit dem in
diesem Investmentfonds angesparten Vermögen sollte die Darlehensvaluta getilgt werden. Dies ergibt sich wiederum aus dem
Anschreiben der Initiatorin an die Klägerin (Anl. K 6). Der Sparvertrag ist im Kreditvertrag auch in Ziffer VII erwähnt, und zwar mit seinem
Einmalbetrag und den monatlichen Beiträgen sowie der Dauer der Beiträge. Die Klägerin konnte daher den Gesamtbetrag berechnen.
83
Das erkennende Gericht ist der Auffassung, dass die Rechtsprechung des BGH zu Bauspar- und Lebensversicherungsverträgen
entsprechend gilt, wenn der Darlehensnehmer monatliche Beiträge in einen Investmentfonds einzahlt, mit dem die Tilgung des Darlehens
erfolgen soll (wie hier OLG München, Urteil vom 2. Februar 2010 - 5 U 4828/09, Anl. B 0 und B 17, S. 11/12). Schürnbrand verwendet in
diesen Fällen allgemein den Begriff „Ansparvertrag“ (Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2008, § 492 BGB, Rn 44; ebenso der BGH,
Urteil vom 8. Juni 2004 - XI ZR 150/03 -, BGHZ 159, 270). Hierunter lässt sich der Fondsvertrag subsumieren. Ob Fondsparverträge
generell als Ansparverträge zu verstehen sind, ist unerheblich. Im vorliegenden Fall geht jedoch das Konzept des „Eu.s“, wie es die Zeugen
G. und Sch. ausgesagt haben (Protokoll vom 15. September 2010, S. 18 = Bl. 317 d. A., Protokoll vom 7. Oktober 2010, S. 19 = Bl. 414 d.
A.), gerade davon aus, dass das Darlehen durch den Fonds getilgt werden soll. Ein Sachzusammenhang zwischen beiden Verträgen
besteht daher.
84
Die Tilgung in Teilzahlungen ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Beklagte einen Einmalbetrag in den Fonds einzahlte (so aber
LG München, Urteil vom 21. August 2009 - 29 O 23458/08 -, Anl. K 9). Denn der Einmalbetrag deckt die Tilgung bei weitem nicht ab. Der
BGH hat dies nur für den Fall entschieden, dass die Einmalzahlung die gesamte Tilgung abdeckt (BGH, Urteil vom 19. Februar 2008 - XI ZR
23/07 -, NJW-RR 2008, 1002). Kumulieren sich Einmalzahlung und monatliche Beiträge, liegen dagegen Teilzahlungen vor.
85
c) Danach wäre im vorliegenden Fall ein Gesamtbetrag anzugeben. Die Angabe in Ziffer VI.1 der Darlehensurkunde genügt dieser
Angabepflicht nicht. Sie ist nicht auf die vollständige, bei Vertragsabschluss zugrunde gelegte Laufzeit angepasst.
86
3. Damit war der Darlehensvertrag zunächst nichtig. Durch die bestimmungsgemäße Auszahlung ist der Vertrag geheilt worden (§ 6 Abs. 2
VerbrKrG) mit der Folge, dass sich der Zinssatz auf den gesetzlichen Zinssatz ermäßigt (§ 6 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG). Die Klägerin hat den
Anspruch mit dem gesetzlichen Zinssatz von 4 Prozent (§ 246 BGB) berechnet (vgl. Schriftsatz vom 8. September 2010, Bl. 287 ff. d. A.). Danach
hat die Beklagte für die nicht der Verjährung unterfallende Zeit ab Januar 2006 19.629,61 Euro an Zinsen zuviel bezahlt. Der
Darlehensrückforderungsanspruch verringert sich entsprechend von 109.211,94 Euro auf 89.582,33 Euro.
II.
87
Die Beklagte kann dem Rückzahlungsanspruch Einwendungen aus dem Versicherungsvertrag entgegenhalten.
88
Nach § 359 BGB bzw. § 9 Abs. 3 VerbrKrG kann der Darlehensnehmer die Rückzahlung des Darlehens verweigern, soweit Einwendungen aus
dem verbundenen Vertrag ihn gegenüber dem Unternehmer, mit dem er den verbundenen Vertrag geschlossen hat, zur Verweigerung seiner
Leistung berechtigen würden.
89
Der Darlehensvertrag und der Lebensversicherungsvertrag zwischen der Beklagten und der Drittwiderbeklagten sind verbunden.
90
Ein Vertrag über die Erbringung einer Leistung und ein Darlehensvertrag sind verbunden, wenn das Darlehen ganz oder teilweise der
Finanzierung des andern Vertrags dient und beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden, § 358 Abs. 3 Satz 1 BGB = § 9 Abs. 1 VerbrKrG.
91
1. Das Darlehen dient der Finanzierung der Lebensversicherung, weil mit der Valuta die Einmalzahlung der Beklagten beigebracht wird.
92
2. Beide Verträge bilden eine wirtschaftliche Einheit. Ob eine wirtschaftliche Einheit vorliegt, ist, wenn eine solche Einheit nicht nach § 358 Abs.
3 S. 2 BGB zwingend vermutet wird, anhand der Umstände des Einzelfalls zu bewerten (Staudinger/Kessal-Wulf, § 358 BGB, Rn 31; BGH, Urteil
vom 23. September 2003 - XI ZR 135/02 -, NJW 2003, 3703). Im vorliegenden Fall liegen ausreichend Indizien vor, die dem Gericht den Schluß
auf eine wirtschaftliche Einheit erlauben:
93
a) Darlehensvertrag und Lebensversicherungsvertrag sind Teil eines kombinierten Anspargeschäfts. Das Konzept funktioniert, wenn aus
dem Lebensversicherungsvertrag die Zinsen für das Darlehen bezahlt werden können. Das Konzept ist nur bei einer fremdfinanzierten
Einlage in den Lebensversicherungsvertrag attraktiv. Insofern wäre der eine Vertrag nicht ohne den anderen abgeschlossen worden.
94
b) Der Zeuge G. hat angegeben, dass ein Initiator an eine Bank mit dem gesamten Finanzierungskonzept herantritt. Er sagte weiter aus,
dass eine Bank das Geschäftsmodell überprüfe. Nur wenige Banken seien bereit gewesen, ein Darlehen zum vorgesehenen Zweck
auszureichen, weil die Banken die Risiken nicht einschätzen konnten. (Protokoll vom 15. September 2010, S. 18/19 = Bl. 317/318 d. A.).
Diese Aussagen sind nachvollziehbar und glaubhaft. Aus ihnen kann geschlossen werden, dass die Klägerin das Anlagekonzept „Eu.“
kannte, bevor sie der Beklagten das Darlehen gewährte. Damit war der Klägerin bekannt, dass das Darlehen der Finanzierung einer
Lebensversicherung dient, aus dem wiederum die Zinsen für das Darlehen getilgt werden sollen. Mit diesem engen Zusammenhang war
der Klägerin zugleich bekannt, dass der eine Vertrag nicht ohne den anderen abgeschlossen wird, weil der Anleger mit dem einen oder
anderen Vertrag allein nicht das mit dem Eu. verfolgte Anlageziel erreicht.
95
c) Der Zeuge G. gab weiter an, dass im Zeitraum von 1999 bis 2004 etwa 2.000 Anleger den Eu. gezeichnet hätten und hiervon die Hälfte
über die Klägerin finanziert worden sei. Auch diese Aussage des Zeugen G. ist überzeugend. Insofern handelt es sich nicht um einen
Einzelfall, sondern die Klägerin hat mehrere Eu.-Anlagen finanziert. Auch die Zeugen H. und Sch. bestätigten, dass mehrere Anlagen über
die Klägerin finanziert worden sind (Protokoll vom 15. September 2010, S. 37 = Bl. 336 d. A.; vom 7. Oktober 2010, S. 26 = Bl. 421 d. A.).
96
d) Die Initiatorin hat der Klägerin alle notwendigen Unterlagen zukommen lassen (Anl. K 6). Der Zeuge Sch. gab weiterhin an, dass die
Klägerin eine gesamte Abteilung mit einer Frau als Vorstand für den Eu. eingerichtet habe. Er habe häufig unmittelbar mit der Klägerin
wegen des Eu. gesprochen (Protokoll vom 7. Oktober 2010, S. 19/20 = Bl. 414/415 d. A.). Auch an der Glaubhaftigkeit der Aussage des
Zeugen Sch. zweifelt das Gericht insoweit nicht. Hieraus schließt das Gericht, dass es einen geplanten Ablauf gab, mit dem die Klägerin in
den Kreislauf integriert war, mit dem die für den Eu. notwendigen Verträge abgeschlossen wurden. Die „Drehscheibe“ dieses Kreislaufs
bildete die Initiatorin, die die finanzierenden Banken auswählte und ihnen die Kunden brachte (G., Protokoll vom 15. September 2010, S.
25 = Bl. 324 d. A.). Die Klägerin bediente sich daher der Initiatorin und deren Vermittler, um Darlehensverträge zur Finanzierung der
Lebensversicherungen bei der Drittwiderbeklagten abzuschließen. Die Klägerin beteiligte sich derart massiv an der Finanzierung von
Lebensversicherungen der Drittwiderbeklagten, dass die Drittwiderbeklagte sogar ein „Klumpenrisiko“ (so der Zeuge N., Protokoll vom 7.
Oktober 2010, S. 12 = Bl. 407 d. A.) ausgemacht hat. Dieser Kreislauf erklärt, weshalb die Verträge zu unterschiedlichen Zeitpunkten
abgeschlossen worden sind. Dies hatte verwaltungstechnische Gründe, z. B. die Vergabe von Policennummern. Die Tatsache, dass die
Verträge nicht zeitgleich abgeschlossen worden sind, steht daher einer wirtschaftlichen Einheit nicht entgegen.
97
e) All diese Indizien rechtfertigen den Schluß, dass eine wirtschaftliche Einheit von Darlehens- und Lebensversicherungsvertrag vorliegt
(wie hier OLG München, Beschluß vom 23. August 2010 - 5 U 2811/10 -, Anl. B 24; LG Stuttgart, Urteil vom 1. Oktober 2010 - 12 O 276/10 -,
Anl. B 33). Deutliche Hinweise der Klägerin auf die Selbständigkeit des Darlehens sind nicht ersichtlich, so dass es auf die
Schutzbedürftigkeit der Beklagten im vorliegenden Fall nicht ankommt (BGH, Urteil vom 5. Mai 1992 - XI ZR 242/91 -, NJW 1992, 2560).
III.
98
Die Beklagte kann gegen den Versicherungsvertrag einwenden, bei Vertragsabschluss nicht vollständig aufgeklärt worden zu sein. Diesen
Schadensersatzanspruch (§ 311 Abs. 1 Nr. 1 BGB) kann die Beklagte auch als Einrede geltend machen, § 242 BGB.
99
1. Zwischen der Beklagten und der Drittwiderbeklagten bestand seit den Gesprächen mit dem Zeugen Sch. ein vorvertragliches
Schuldverhältnis, das besondere Aufklärungspflichten begründet.
100 Der Zeuge Sch. hat auf Nachfrage bestätigt, auch über den Versicherungsvertrag aufgeklärt zu haben (Protokoll vom 7. Oktober 2010, S. 29/30
= Bl. 424/425 d. A.). Ab diesem Zeitpunkt bahnte sich ein Vertragsverhältnis an, so dass auch ab diesem Zeitpunkt bereits Aufklärungs- und
Hinweispflichten der Drittwiderbeklagten bestehen. Auch wenn der Zeuge Sch. als Versicherungsmakler im Sinne des § 59 Abs. 3 VVG n. F.
tätig geworden sein sollte, kann zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer ein vorvertragliches Schuldverhältnis angenommen werden
(Prölß/ Martin, VVG, 28. Aufl. München 2010, § 59, Rn 97). Ob dies der Fall ist, ist nach der Rechtsprechung des BGH aus den Umständen des
Einzelfalls zu schließen (BGH, Urteil vom 24. September 1996 - XI ZR 318/95 -, NJW-RR 1997, 116; vgl. auch OLG Dresden, Urteil vom 19.
November 2010 - 7 U 1358/09 -, Anl. B 34; zu einem abweichenden Ergebnis gelangt das OLG Oldenburg, Urteil vom 18. Juni 2008 - 3 U 38/07
-, Anl. LW 23). Der Zeuge Sch. hat mehrere Eu.s und Policen der Drittwiderbeklagten vermittelt (Protokoll vom 7. Oktober 2010, S. 32 = Bl. 427 d.
A.). Der Zeuge Sch. beriet für die Drittwiderbeklagte einen komplexen Vertrag. Die Drittwiderbeklagte ist gegenüber der Beklagten erst in
Erscheinung getreten, nachdem der Versicherungsvertrag unterschriftsreif war. Dabei vereinbarten die Parteien im vorliegenden Fall
Konditionen, die einer sorgfältigen Beratung bedürfen, etwa die Höhe der regelmäßigen Ausschüttungen. Diese Anzeichen erachtet das Gericht
als ausreichend, um ein vorvertragliches Pflichtenverhältnis zwischen Beklagter und Drittwiderbeklagter unter Beteiligung des Zeugen Sch.
anzunehmen.
101 Dies beansprucht auch Geltung, obwohl der Zeuge Sch. eine ganzheitliche Finanzoptimierung der Beklagten vorgenommen hat. Es besteht
gerade kein Widerspruch darin, dass der Makler einerseits eine ganzheitliche „Vermögensoptimierung“ im Interesse des Kunden vornimmt und
andererseits einen Einzelvertrag aus diesem Paket als Vertreter für ein Finanzdienstleistungsunternehmen vorstellt.
102 Der Kontakt zur Drittwiderbeklagten gestaltete sich über selbständige Vermittlungsbüros, die sie „Masterdistributoren“ nannte. Dies entnimmt
das Gericht den übereinstimmenden Aussagen der Zeugen Sch. (Protokoll vom 7. Oktober 2010, S. 19 = Bl. 414 d. A.), G. (Protokoll vom 15.
September 2010, S. 20 und 23 = Bl. 319 und 322 d. A.) und H. (Protokoll vom 15. September 2010, S. 34/35 = Bl. 333/334 d. A.). Sie alle
bestätigten, dass kein unmittelbarer Kontakt zwischen Vermittler und Drittwiderbeklagter bestand, sondern immer die E. als „Masterdistributor“
zwischengeschaltet war. Der Zeuge N. stellte klar, dass er für den Vertrieb der Drittwiderbeklagten verantwortlich war und dieser über die
Distributoren ablief (Protokoll vom 7. Oktober 2010, S. 2 = Bl. 397 d. A.). Die Drittwiderbeklagte unterstützte die Distributoren (Protokoll S. 16/17
= Bl. 411/412 d. A.). Der Zeuge H. gab an, dass die E. – zusammen mit weiteren so genannten Masterdistributoren – die Geschäfte der
Drittwiderbeklagten unter anderem in Deutschland bis zur Abschlussreife vorbereiten sollte, weil die Drittwiderbeklagte selbst in Deutschland
keine Niederlassung hatte (Protokoll vom 15. September 2010, S. 34 = Bl. 333 d. A.). Zur Überzeugung des Gerichts führt eine unmittelbare
Verbindung von der Drittwiderbeklagten über ihr Verteilzentrum E. zur Beratungstätigkeit des Vermittlers Sch..
103 Der Zeuge Sch. nahm für die Beklagte sowohl die Vermögensoptimierung als auch die Beratung über einzelne Verträge wahr. Dadurch
entstand zwischen Beklagter und Drittwiderbeklagter ein vorvertragliches Schuldverhältnis.
104 2. Die Pflichten aus diesem vorvertraglichen Schuldverhältnis hat die Drittwiderbeklagte verletzt.
105 Als Aufklärungsmaßstab treffen die Drittwiderbeklagte im vorliegenden Fall die Pflichten, die dem Anbieter einer Kapitalanlage auferlegt sind.
106 Bei dem zwischen der Beklagten und der Drittwiderbeklagten handelt es sich formell um einen Versicherungsvertrag. Tatsächlich dient der
Vertrag aber im Wesentlichen der Kapitalanlage. So hat der Zeuge N. ausgeführt, eine Gesundheitsprüfung werde nicht durchgeführt. Es
bestünden andere Risiken finanzieller Art (Protokoll vom 7. Oktober 2010, S. 5/6 = Bl. 400/401 d. A.). Im weiteren Verlauf bestätigte der Zeuge
N., dass die Drittwiderbeklagte in Gespräche über die Policen einen Finanzvorstand entsendet hätte (S. 14 = Bl. 409 d. A.). Das Gericht folgt
auch diesen Aussagen. Der Zeuge hat persönliche Erfahrungen wiedergegeben. Er hat darauf hingewiesen, wenn er sich an konkrete
Sachverhalte nicht mehr erinnern konnte. Aus seiner Aussage schließt das Gericht, dass das Versicherungsrisiko für die Drittwiderbeklagte von
untergeordneter Bedeutung war und der Vertrag letztlich Anlagezwecken dienen sollte. Dieser Eindruck bestätigt sich in der Einbettung des
Vertrages im Rahmen des Finanzkonzepts „Eu.“, das ebenfalls als Vermögensanlage und nicht als Versicherungsschutz ausgelegt ist.
107 Die Drittwiderbeklagte musste der Beklagten demnach ein wahrheitsgemäßes Bild von dem Lebensversicherungsvertrag aufzeigen, ohne die
Risiken zu beschönigen. Dies hat die Drittwiderbeklagte nicht getan. Sie hat die Beklagte durch die Werbung mit Vergangenheitsrenditen
irregeleitet (a). Außerdem hat sie den unzutreffenden Eindruck vermittelt, es würden Quartalspools gebildet, so dass die Risiken aus früheren
Anlagen nicht auf aktuelle Verträge übertragen würden (b).
108
a) Die Drittwiderbeklagte hat irreführend mit ihren Vergangenheitsrenditen geworben. Die Angaben im Prospekt sind in Zusammenschau
mit den Angaben des Zeugen Sch. bei der Beratung der Beklagten geeignet gewesen, der Beklagten eine fehlerhafte Vorstellung über die
Sicherheit der möglichen Rendite zu vermitteln.
109
a) Auf Seite 6 und 7 des Prospekts (Anl. B 10) wird eine Rendite der Drittwiderbeklagten für Lebensversicherungen zwischen 12 und
14 Prozent dargestellt. Die Darstellung ist geeignet, den Anschein zu erwecken, aufgrund der Vergangenheitsrenditen seien auch in
Zukunft derartige Ausschüttungen zu erwarten, weshalb eine Berechnung mit 8 bis 8,5 Prozent vorsichtig sei.
110
Die Rendite ergibt sich aus Wertzuwachs und Fälligkeitsbonus. Beide Werte setzt die Drittwiderbeklagte selbst fest. Zwischen diesen
beiden Summanden besteht ein gewichtiger Unterschied. Während der Wertzuwachs dem Anleger durch die eingeflochtene Garantie
einen Kapitalmindestschutz bietet, ist der Fälligkeitsbonus allein vom Marktgeschehen abhängig. Die Drittwiderbeklagte garantiert
lediglich, dass der Wert der Anteile, die der Anleger an einem Pool erwirbt, nicht fällt und zu Ende der Laufzeit dem maximal erreichten
Anteilspreis entspricht. Dagegen spiegelt der „Fälligkeitsbonus“ das Ergebnis der Vermögensverwaltung („Performance“) durch die
Drittwiderbeklagte wieder (Anlage B 10, S. 7/8).
111
In der Werbung mit der Vergangenheitsrendite taucht diese Unterscheidung nicht auf: Der Leser des Prospekts erfährt nicht, welcher
Anteil der Vergangenheitsrenditen auf den Wertzuwachs und welcher Anteil auf den Fälligkeitsbonus zurückzuführen ist.
112
Die Drittwiderbeklagte führt für die Zeit von 1995 bis 2001 an, dass der deklarierte Wertzuwachs für Anlagen in DM zwischen 5 und
6,75 Prozent lag, der Fälligkeitsbonus dagegen für 1995 bei 78 % lag (Schriftsatz vom 4. Oktober 2010, S. 20 = Bl. 378 d. A.). Die
Drittwiderbeklagte beruft sich dabei auf Anlage LW 26. Das Gericht kann dieser Anlage weiter entnehmen, dass der Wertzuwachs unter
Berücksichtigung der Euroanlagen 1995 bis 2001 zwischen 3 % und 6¾ % lag, der Fälligkeitsbonus dagegen zwischen ½ % und 78
%. Bei der Betrachtung dieser Zahlen ist zu berücksichtigen, dass die Zahlen für den Fälligkeitsbonus anders als die Zahlen für den
Wertzuwachs und die beworbenen Durchschnittsrenditen kumuliert sind und daher für längere Anlagen höher ausfallen – schon dies
liegt nahe an einer Irreführung. Trotzdem zeigt sich, dass der Fälligkeitsbonus wesentlich stärkeren Schwankungen unterliegt als der
Wertzuwachs. Auf S. 4 der Anlage LW 26 stellt die Drittwiderbeklagte dann beide Werte kumuliert dar. Es ergeben sich für die seit 1995
in Deutschland angebotenen Versicherungspolicen Spannen von 5,7 % bis 44,59 % für den garantierten Wertzuwachs und von 2 %
bis 78 % für den Fälligkeitsbonus. Dies bestätigt den Eindruck, dass der Fälligkeitsbonus wesentlich stärker schwankt als der
deklarierte Wertzuwachs.
113
Diese Schwankungsbreiten bildet das Prospekt in der Werbung mit den Renditen auf S. 7 nicht hinreichend ab. Dort werden pauschale
Vergangenheitsrenditen hervorgehoben. Die Angaben auf Seite 9 des Prospekts helfen dem Anleger beim Vergleichen nicht, da dort
Wertzuwachs und Fälligkeitsbonus kumuliert ausgewiesen sind. Zieht der Anleger die Anlage LW 26 mit zu Rate und analysiert er die
dort angegebenen Zahlenreihen, kann er sich zwar die Schwankungsunterschiede zwischen Wertzuwachs und Fälligkeitsbonus
erarbeiten. Aber auch dies versetzt den Anleger nicht in die Lage, die Vergangenheitsrendite und die „vorsichtige“ Berechnung mit 8,5
Prozent einzuschätzen. Dem Anleger bleibt verborgen, dass die mit dem Begriff „deklarierter Wertzuwachs“ suggerierte Sicherheit nur
einen Teil der Rendite darstellt. Inwieweit die Renditen von 12 bis 14 Prozent in der Vergangenheit auf dem Wertzuwachs beruhen und
welchen Anteil zur Entwicklung dem Fälligkeitsbonus zukommt, erfährt der Anleger nicht. Damit kann er aber auch nicht einschätzen,
wie hoch in der konservativ berechneten Rendite der volatile Anteil des Fälligkeitsbonusses ist. Ihm fehlt daher ein konkretes Bild vom
Risiko, das er eingeht.
114
b) Der Zeuge G. hat ausgesagt, dass auch diese 8,5 Prozent nicht stimmen, weil hiervon noch die Provision abzuziehen sei, so dass
die angegebenen 8,5 Prozent einer tatsächlichen Rendite von 7 bis 8 Prozent entsprächen (Protokoll vom 15. September 2010, S. 29 =
Bl. 328 d. A.).
115
g) Die Beklagte erwarb die Anteile am 9. 1. 2002 zu einem Preis von 2,074 je Stück (Anl. LW 1, S. 4) und veräußerte sie am 29. 5. 2009
zu einem Preis von 2,311 je Stück. Dies entspricht einer absoluten Steigerung von 11,43 % oder, bei linearer Betrachtung über sieben
Jahre, einer jährlichen Rendite von 1,6 %.
116
d) Anlage LW 26 zeigt, dass die Renditen in der jüngsten Vergangenheit unter der vorsichtigen Annahme von 8,5 Prozent lagen. Bei
den „Euro“-Anleihen gibt Anlage LW 26 Wertzuwächse zwischen drei und vier Prozent (S. 2) und Fälligkeitsboni zwischen 0,375 % und
11 % (S. 4) an. Nur wenige Kombinationen führen zu einer Rendite von über 8,5 Prozent. Dieser Punkt ist nach Ansicht des Gerichts
derart bedeutsam, dass er nicht ohne weiteren Hinweis in einer Nebenbroschüre erwähnt werden kann. Die Beklagte erhielt neben
dem Eu.-prospekt laut Zeichnungsschein den Prospekt der Wealthmaster Police, Verbraucherinformationen, Policenbedingungen, eine
Kopie des Versicherungsantrags, eine Kopie des Zeichnungsscheins für den Eu., die Kopie eines weiteren Zeichnungsscheins für den
Investmentfonds, einen Prospekt über diesen Investmentfonds und schlussendlich eine Kopie des Beratungsprotokolls. Das sind neun
Dokumente. Bei dieser Fülle an Dokumenten ist es schon zweifelhaft, dass Informationen über grundlegende Aspekte wie die zu
erzielende Rendite auf zwei Prospekte aufgeteilt sind – den Eu.Prospekt und den Prospekt über die Police. Darüber hinaus wird im E,-
Prospekt die Vergangenheitsrendite mehrfach als Durchschnittsrendite herausgehoben (S. 6/7), während eine solche
Durchschnittsrendite in der Policenbeschreibung keine Rolle spielt. Der Anleger kann die Vergangenheitsrenditen aus dem Eu.-
Prospekt nicht sinnvoll mit den jüngeren Ergebnissen aus dem Policenprospekt vergleichen.
117
e) Die Drittwiderbeklagte hätte dieses Informationsdefizit beseitigen können, wenn sie die Beklagte, etwa durch den Zeugen Sch., im
Beratungsgespräch durch vergleichbare Entwicklungszahlen aufgeklärt hätte.
118
Der Zeuge Sch. beriet die Beklagten auch im Hinblick auf den Versicherungsvertrag (Protokoll vom 7. Oktober 2010, S. 29/30 = Bl.
424/425 d. A.). Er ging davon aus, 8,5 Prozent Rendite sei eine konservative Berechnung, wie im Prospekt dargestellt (Protokoll vom 7.
Oktober 2010, S. 22 = Bl. 417 d. A.). Er selbst sah keine Veranlassung, an dieser Zahl zu zweifeln. Auf entsprechende Nachfrage der
Klägervertreterin und des Vertreters der Drittwiderbeklagten behauptete er glaubhaft, dass selbst Börsenschwankungen wie im Jahr
2001 für ihn keinen Anlass darstellten, die Prognosen zu hinterfragen. Es habe auch früher schon derartige Schwankungen gegeben
und die Prognoserechnung sehe gegenüber den Vergangenheitsrenditen schon einen Abschlag vor (Protokoll vom 7. Oktober 2010,
S. 28 = Bl. 423 d. A.).
119
Aus der Aussage des Zeugen Sch. ist bekannt, dass bei der Renditeprognose ein deklarierter Wertzuwachs von vier bis fünf Prozent
angenommen worden ist (Protokoll vom 7. Oktober 2010, S. 22 = Bl. 417 d. A.), so dass sich die Renditeerwartung in etwa zu gleichen
Teilen auf deklarierten Wertzuwachs und Fälligkeitsbonus verteilt. Die Aussage versteht das Gericht aber nicht dahin, dass der Zeuge
Sch. der Beklagten erläutert hat, dass der Wertzuwachs derzeit bei vier bis fünf Prozent liege. Vielmehr gab die Beklagte an, dass
immer diese 8,5 % im Raume gestanden seien (Protokoll vom 15. September 2010, S. 6/7 = Bl. 305/306 d. A.). Genauere Zahlen aus
der jüngeren Vergangenheit kannte der Zeuge Sch. zum Beratungszeitpunkt nicht. Insofern hat er auch nicht über den aktuellen Ertrag
aufgeklärt.
120
z) Ein sinnvoller Vergleich der Zahlen aus Anlage LW 26 mit den Prospektangaben ist dem Anleger nicht möglich. Die
Drittwiderbeklagte weist in ihrer Darstellung der Vergangenheitsrenditen nicht darauf hin, wie diese über den vergleichsweise sicheren
Wertzuwachs und den vergleichsweise risikobeladenen Fälligkeitsbonus verteilt sind.
121
Die Drittwiderbeklagte wirbt mit Renditen von 12,4 % bis 13,7 %, hält einen Betrag von 8,5 % für eine vorsichtige Rechengrundlage
(Anl. B 10, S. 7) und hat in den dem Vertragsabschluss vorausgehenden Jahren 1996 bis 2000 zwischen drei und sechs Prozent an
Wertzuwachs deklariert. Die Beklagte erzielte eine Rendite von jährlich 1,6 %. Welchen Umfang der Fälligkeitsbonus an den
beworbenen Renditen hat, geht aus den Prospekten nicht hervor. Die Zahlen im Prospekt zu jüngeren Verträgen (S. 9) und in der
Anlage LW 26 weisen teils kumulierte, teils durchschnittliche Werte aus. Ein sinnvoller Vergleich ist kaum möglich. In Anbetracht all
dieser Umstände hält das Gericht die Werbung mit den Vergangenheitsrenditen für irreführend. Die Drittwiderbeklagte unterließ es
auch, diese Irreführung in der Folgezeit zu beseitigen. Vielmehr billigte sie die ihr halbjährlich (Zeuge G., Protokoll vom 15. September
2010, S. 30 = Bl. 329 d. A.) zugesendeten Informationsprospekte. Sie unterließ auch weitere Hinweise, obwohl sie nach Aussage des
Zeugen G. auch jede einzelne, individuelle Berechnung kannte (Protokoll vom 15. September 2010, S. 28 = Bl. 327 d. A.). Aus diesen
Berechnungen geht die zugrunde gelegte Renditeerwartung nochmals hervor. Spätestens mit Kenntnis dieser Berechnungen hätte die
Drittwiderbeklagte darauf hinweisen müssen, dass die Vergangenheitsrenditen nicht auf die aktuelle Anlagesituation übertragen
werden können.
122
b) Die Beklagte wurde auch falsch über die Quartalspools aufgeklärt. Der Zeuge G. hat ausgesagt, dass nach seinem Verständnis die
Drittwiderbeklagte für jedes neue Quartal einen separaten „Quartalspool“ bilde, aus dem sich die Rendite berechnen würde (Protokoll vom
15. September 2010, S. 20/21 = Bl. 319/320 d. A.). Tatsächlich habe es sich hierbei, so der Zeuge N., um „Rechengrößen“ gehandelt, mit
denen der Vermittler die bisherige Rendite auf konkrete Anlageentscheidungen zurückführen konnte. Es handele sich demnach nicht um
feste Reserven, die jeweils den Anlegern eines Quartals zugute kämen (Protokoll vom 7. Oktober 2010, S. 5 = Bl. 400 d. A.). Diese
Information ging auf dem Weg von der Drittwiderbeklagten über ihren „Masterdistributor“ zum Initiator verloren. Schon der Masterdistributor
wußte nach Aussage des Zeugen H. (Protokoll vom 15. September 2010, S. 36 = Bl. 335 d. A.) nicht genau, ob das Vermögen getrennt
verwaltet und die Rendite getrennt den einzelnen Quartalen zugewiesen wird. Dort soll eine Interpretation vorgeherrscht haben, wonach
eine getrennte Verwaltung stattfinde. Dies hätte auch aus den zur Verfügung gestellten Unterlagen geschlossen werden können. Diese
Information hat die Initiatorin dann ihren weiteren Berechnungen zugrunde gelegt und ist von einer quartalsmäßigen Verwaltung oder
zumindest quartalsweisen Renditeausweisung ausgegangen (Zeuge G., Protokoll vom 15. September 2010, S. 20, 22 = Bl. 319, 321 d. A.).
123
Der Zeuge Sch. bestätigte, der Beklagten die Funktionsweise der Quartalspools erläutert zu haben (Protokoll vom 7. Oktober 2010, S. 22 =
Bl. 417 d. A.). Für die Beklagte sei der Einstiegszeitpunkt sogar besonders günstig gewesen, da nach den Flugzeugentführungen am 9.
September 2001 die Börsenkurse gestürzt seien und im vierten Quartal 2001 die Börsenkurse zum Einstieg günstig gestanden seien
(Protokoll vom 7. Oktober 2010, S. 28 = Bl. 423 d. A.). Die Beklagte gab an, dass der Zeuge Sch. auch die Quartalspools angesprochen und
erläutert hätte (Protokoll vom 15. September 2010, S. 9 = Bl. 308 d. A.). Auf Nachfrage eines Vertreters der Drittwiderbeklagten konnte der
Zeuge Sch. zwar nicht sicher bestätigen, dass er diesen Aspekt beim Beratungsgespräch tatsächlich angesprochen hatte, bezog dies aber
insbesondere darauf, dass ihm die Vorteile nicht bewusst gewesen seien (Protokoll vom 7. Oktober 2010, S. 33/34 - Bl. 428/9 d. A.). Dies
schließt aber nicht aus, dass er trotzdem die Quartalspools als solche dargestellt hat. Hierfür spricht neben seiner - ersten - Antwort auf die
Frage des Gerichts („genau“!) die Angabe der Beklagten sowie die Tatsache, dass die Drittwiderbeklagte die Renditezahlen für die
Vermittler auf Quartale berechnete - dem Zeugen Sch. stand demnach zur Überzeugung des Gerichts auch eine entsprechende
Rechenhilfe der Drittwiderbeklagten zur Verfügung. Der Zeuge Sch. wurde nach eigener Angabe von den Zeugen G. und H. geschult
(Protokoll vom 7. Oktober 2010, S. 21 und 22 = Bl. 416 und 417 d. A.). Der Zeuge H. bestätigte, geschult zu haben (Protokoll vom 15.
September 2010, S. 39 = Bl. 338 d. A.). Jedenfalls der Zeuge G. war von einer quartalsweisen Betrachtung ausgegangen. Das Gericht ist
deshalb davon überzeugt, dass der Zeuge Sch. die Quartalspools der Beklagten in der Weise erläutert hat, dass jedes Quartal für sich
betrachtet werde.
124
c) Der Hinweis der Drittwiderbeklagten, sie müsse nicht über den Eu. aufklären, geht jedenfalls insoweit fehl. Sowohl die Werbung mit der
Rendite als auch die Bildung oder Nichtbildung von Quartalspools betreffen den Versicherungsvertrag der Drittwiderbeklagten.
125 3. Ein Verschulden der Drittwiderbeklagten wird vermutet (§ 280 Abs. 1 BGB) und ist von ihr auch nicht widerlegt worden.
126
a) Soweit der Zeuge Sch. eine Aufklärung unterließ, muß sich die Drittwiderbeklagten dessen Verhalten gemäß § 278 BGB zurechnen
lassen. Der Zeuge hat ausgesagt, die Beklagte auch hinsichtlich des Versicherungsvertrags beraten zu haben (Protokoll vom 7. Oktober
2010, S. 29/30 = Bl. 424/425 d. A.). Beratungsbedarf bestand. Der einzelne Vertrag ist komplex. Darüber hinaus hatte die Drittwiderbeklagte
seinerzeit keine Niederlassung in Deutschland. Der Zeuge Sch. war daher für die Beklagte der unmittelbare Ansprechpartner auch für die
Versicherung. Die Drittwiderbeklagte war auch an den Schulungsmaßnahmen des Zeugen Sch. beteiligt. Der Zeuge Sch. gab an,
hauptsächlich von der E., dort dem Zeugen H., geschult worden zu sein (Protokoll vom 7. Oktober 2010, S. 21 und 22 = Bl. 416 und 417 d.
A.). Dort habe man ihm gesagt, dass die Rendite 8,5 Prozent betragen würde; in der Software sei der Wert von 8,5 % voreingestellt
gewesen. Der Zeuge H. bestätigte, auch Schulungen für Vermittler durchgeführt zu haben (Protokoll vom 15. September 2010, S. 39 = Bl.
338 d. A.). Beide Aussagen decken sich. Die Angabe des Zeugen Sch. ist darüber hinaus deshalb glaubhaft, weil er den Namen des
Zeugen H. von sich aus erwähnt hat. Die erwähnte Kette von der Drittwiderbeklagten über den „Masterdistributor“ bis zum einzelnen
Vermittler zeigt, dass der Zeuge Sch. im Wirkungskreis der Drittwiderbeklagten tätig wurde.
127
Aus diesen Indizien folgt das Gericht, dass der Zeuge Sch. mit Wissen und Wollen der Drittwiderbeklagten in ihrem Pflichtenkreis tätig
geworden ist. Dies rechtfertigt die Anwendung des § 278 BGB (vgl. oben unter 1. und BGH, Urteil vom 24. November 1995 - V ZR 40/94 -,
NJW 1996, 451).
128
b) Die Drittwiderbeklagte hat die Werbung mit den Vergangenheitsrenditen zu verantworten. Sie sind keine Rechengrößen, die sich die
Initiatoren des Eu. allein ausgedacht hätten. Dies ergibt sich daraus, dass der Zeuge G. von der Drittwiderbeklagten eine Änderung nach
dem Zusammenbruch der Börsenkurse im Jahr 2002/2003 erwartet hätte (Protokoll vom 15. September 2010, S. 29 = Bl. 38 d. A.). Der
Zeuge N. bestätigte, dass sich die Drittwiderbeklagte Angaben wie die auf Seite sechs und sieben des Prospekts grundsätzlich angeschaut
hätte (Protokoll vom 7 Oktober 2010, S. 7 = Bl. 402 d. A.). Der Zeuge G. leitete die Eu.-Prospekte an den Zeugen H. weiter, dieser an den
Zeugen N. (Protokoll vom 15. September 2010, S. 20 und 35 = Bl. 319 und 334 d. A.; Protokoll vom 7. Oktober 2010, S. 3 = Bl. 398 d. A.).
129
Die Drittwiderbeklagte kann sich insbesondere nicht darauf berufen, dass sie in der Anlage LW 26 weitere Zahlen veröffentlicht hat. Die
Zahlen sind nicht miteinander zu vergleichen. Die Anlagezeiträume entsprechen sich nicht. Die sich aus der Anlage LW 26 errechnenden
Renditen von 122,59% (so im Schriftsatz vom 4. Oktober 2010, S. 20 = Bl. 378 d. A.) stehen in keinem Vergleichszusammenhang mit den
werbenden Angaben auf Seite 7 des Eu.-Prospekts (12 bis 14 %).
130
Die Drittwiderbeklagte kann sich nicht darauf berufen, dass die Zahlen richtig sind. Dies ändert nichts daran, dass im vorliegenden Fall eine
bessere Kennzeichnung zu erfolgen gehabt hätte und die Werbung mit der Vergangenheitsrendite in vernünftige Relation zu den aktuellen
Renditen aus den Verträgen der letzten Jahre hätte gestellt werden müssen. Es fehlt die Angabe, wie hoch der deklarierte Wertzuwachs bei
den Vergangenheitsrenditen von 12 bis 14 Prozent jeweils war und wie dieselben Durchschnittswerte, die der Vergangenheitsrendite
zugrunde liegen, für jüngere Policen ausgefallen sind.
131
c) Die Hinweise und „Disclaimer“, die die Drittwiderbeklagte etwa im Beratungsprotokoll verwendet, vermögen sie nicht zu entlasten.
Zunächst stellt sich die Frage, weshalb der Satz „Mir ist bekannt, dass die garantierte Jahresdividende in der Regel niedriger ist als der
Effektivzinssatz für das aufzunehmende Darlehen“ im Beratungsprotokoll vermerkt ist und nicht im Prospekt, wo mit den
Vergangenheitsrenditen geworben wird. Unabhängig davon entkräftet der zitierte Satz auch nicht das Verschulden an der unvollständigen
Darstellung der Renditen und der fehlerhaften Erläuterung der Quartalspools.
132
Der Hinweis auf die Verantwortlichkeitserklärung im Beratungsprotokoll geht ebenfalls fehl. Schon nach dieser Erklärung ist die
Drittwiderbeklagten für „alle Aspekte der Police einschließlich der mit der Police verbundenen Fonds/Pools“ verantwortlich. Die
Renditeerwartungen sind ebenso Aspekte der Police wie die Bildung oder Nichtbildung von Quartalspools.
133 4. Die Ansprüche der Beklagten sind nicht verjährt. Es handelt sich nicht um Ansprüche aus Prospekthaftung im engeren Sinne (vgl. Urteil des
LG Mainz, Anl. LW 33; LG Münster, Anl. LW 32). Vielmehr resultieren die Ansprüche unmittelbar aus der Verletzung einer Nebenpflicht des
Versicherungsvertrags. Die Versicherung war im vorliegenden Fall als Kapitalanlage gedacht. Sie sollte gerade nicht vorrangig Angehörige im
Todesfall des Versicherungsnehmers versorgen. Schon die lange Laufzeit von 87 Jahren bei Versicherungsnehmern im Alter um die fünfzig
Jahre spricht dagegen. Schließlich hat der Zeuge N. eingeräumt, dass nicht die gesundheitlichen, sondern die finanziellen Risiken für die
interne Bewertung bei der Drittwiderbeklagten maßgebend waren (Protokoll vom 7. Oktober 2010, S. 6 = Bl. 401 d. A.).
134 In der Irreführung mit den Renditen sowie den Auskünften über die Quartalspoole liegt die Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht. Der
Anspruch verjährt deshalb nach §§ 195, 199 BGB in drei Jahren, nachdem der Berechtigte von den anspruchsbegründenden Umständen
Kenntnis erlangt hat (Art. 229 § 6 EGBGB).
135
a) Die jährlichen Kontoauszüge, die die Drittwiderbeklagte an die Beklagte versendet hat, begründen keine Kenntnis von der Tatsache,
dass die Werbung mit den Vergangenheitsrenditen irreführend war. Die Drittwiderbeklagte hebt selbst immer wieder hervor, dass der
Lebensversicherungsvertrag eine langfristige Anlage darstellt, die entsprechenden Marktschwankungen unterliegt. Infolgedessen kann
allein aus der Tatsache, dass eine Rendite von 8,5 Prozent nicht erzielt wird, noch nicht darauf geschlossen werden, dass eine
Durchschnittsrendite über 87 Jahre – der Dauer der Beteiligung im vorliegenden Fall – nicht doch 8,5 Prozent erreicht. Es war daher völlig
korrekt, dass sich die Beklagte an den Zeugen Sch. gewendet hat, um die Entwicklung zu besprechen. Er war für die Beklagte
Ansprechpartner und Fachmann. Auch der Zeuge Sch. hielt die Rendite aus dem Vertrag der Beklagten zunächst noch für steigerungsfähig
(Protokoll vom 7. Oktober 2010, S. 32 = Bl. 427 d. A.), wobei ihm derartige Antworten auch vom „Masterdistributor“, der E., zugegangen sein
sollen. Die Tatsache, dass die Beklagte mit den Renditen in die Irre geleitet wurde, hat sie jedenfalls vor dem Jahr 2006 nicht gekannt.
136
b) Wann die Beklagte davon erfahren hat, dass die Quartalspools nicht gebildet werden, haben weder die Klägerin noch die
Drittwiderbeklagte dargelegt. Deshalb ist auch insoweit keine Verjährung eingetreten.
137 5. Die Verletzung der Aufklärungspflicht ist auch für den eingetretenen Schaden, der in der Beteiligung am Eu. liegt, kausal.
138
a) Die Beklagte hat dargelegt, dass sie sich nach einer alternativen Anlage umgesehen hätte, wenn ihr bekannt gewesen wäre, dass die
8,5 Prozent versprochene Rendite nicht erzielt würden (Protokoll vom 15. September 2010, S. 5 = Bl. 304 d. A.). Die Kausalität scheitert
nicht daran, daß bei der alternativen Anlage die Rendite nach ihrer Vorstellung genauso hoch hätte ausfallen sollen. Entscheidend ist, daß
sich die Beklagte nach einer anderen Anlage erkundigt hätte. Sie hätte folglich den Eu. nicht gezeichnet und damit den Vertrag mit der
Drittwiderbeklagten nicht abgeschlossen.
139
b) Das Gericht hält auch die fehlerhaften Angaben zu den Quartalspools für kausal, denn die Beklagte hat behauptet, sie bzw. ihr Ehemann
hätten dem Zeugen Sch. andere Fragen gestellt, wenn er etwas anders dargestellt hätte als er es getan hat (Protokoll vom 15. September
2010, S. 14 = Bl. 313 d. A.). Dies muss auch für die Darstellung der Quartalspools gelten. Zumindest der Ehemann der Beklagten brachte
eine gewisse Erfahrung mit Finanzgeschäften mit, wie es die Beklagte selbst (Protokoll vom 15. September 2010, S. 13 = Bl. 312 d. A.) und
auch der Zeuge Sch. angaben (Protokoll vom 7. Oktober 2010, S. 21 = Bl. 416 d. A.). Als erfahrener Anleger dürfte der Ehemann der
Beklagten daher gewusst haben, daß die Börsenkurse zum Einstiegszeitpunkt nach den Anschlägen vom 11. September 2001 gefallen
waren (Aussage des Zeugen Sch., Protokoll vom 7. Oktober 2010, S. 28 = Bl. 423 d. A.). Der Ehemann der Beklagten konnte daher in der
quartalsmäßigen Verwaltung durchaus einen Vorteil sehen, weil er an den Verlusten aus der Vergangenheit nicht partizipieren würde.
Insofern ist davon auszugehen, dass auch die Bildung von Quartalspools jedenfalls bei den Anlegern im vorliegenden Fall für den
Abschluß des Anlagegeschäfts kausal war.
140 6. Der Beklagten steht daher ein Schadensersatzanspruch zu, der darauf gerichtet ist, die Vermögenslage wiederherzustellen, die bestünde,
wenn die Aufklärungspflichten nicht verletzt worden wären, § 249 BGB. Diesen Anspruch kann die Beklagte auch dem
Darlehensrückzahlungsanspruch der Klägerin entgegenhalten, § 359 BGB.
141 7. Damit ist die Klage unbegründet.
B.
142 Die Widerklage ist nicht begründet.
I.
143 Die Klägerin ist nicht Schuldnerin des dargestellten Schadensersatzanspruchs.
II.
144 Sie ist auch nicht in die Rechte und Pflichten der Drittwiderbeklagten eingetreten. Das Gesetz sieht einen solchen Rechtsübergang nur in den
Fällen des § 358 BGB vor. Diese Vorschrift setzt jedoch einen Widerruf des verbundenen Vertrags voraus. Die Beklagte hat den verbundenen
Vertrag aber nicht widerrufen.
III.
145 Der Beklagten steht auch kein Anspruch aus § 813 BGB zu.
146 Danach kann ein Leistender seine Leistung zurückfordern, wenn er zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit leistete und dem Anspruch
eine Einrede entgegenstand.
147 § 813 BGB setzt deshalb ein Leistungsverhältnis voraus. Dieses besteht für die begehrten Einzahlungen in den Tilgungsfonds allerdings nur
zwischen der Beklagten und der Fondsgesellschaft. Die Klägerin ist hieran nicht beteiligt.
148 Damit hat die Beklagte gegen die Klägerin keinen Anspruch.
C.
149 Die Drittwiderklage ist begründet.
150 Die Drittwiderbeklagte ist als Vertragspartnerin die Schuldnerin des unter A III dargestellten Schadensersatzanspruchs.
151 Die Beklagte kann gemäß § 249 Abs. 1 BGB verlangen, so gestellt zu werden, wie sie stünde, wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten
wäre. Dann hätte sie auch keine Leistungen an den Investmentfonds getätigt. Dieser Sparvertrag hängt unmittelbar mit dem Gesamtkonzept des
Eu. zusammen.
152 1. Die Beklagte kann daher grundsätzlich ihre Leistungen an den Investmentfonds vollständig zurückverlangen.
153 2. Die Beklagte muss sich als Vorteile die Ausschüttungen aus dem Lebensversicherungsvertrag anrechnen lassen. Deren Berechnung der
Beklagten hat nur die Klägerin, nicht aber die Drittwiderbeklagte bestritten. Im Verhältnis zur Drittwiderbeklagten ist sie daher als zugestanden
anzusehen. Die Drittwiderbeklagte ist zunächst als Streithelferin der Beklagten dem Prozeß beigetreten, so dass die Wirkungen der §§ 67, 68,
74 Abs. 1 ZPO eingetreten sind. Mit der Erhebung der Drittwiderklage wandelt sich jedoch die Stellung der Drittwiderbeklagten vom Streithelfer
in eine eigene Partei (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, § 33, Rn 22a, 23; BGH, Urteil vom 12. Oktober 1995 - VII ZR 209/94 -, BGHZ 131, 76). In
diesem Fall stehen Klägerin und Drittwiderbeklagte der Beklagten jeweils als einzelne gegenüber (Subjektive Klagehäufung), so dass das
Bestreiten durch eine Parteien auf das Prozeßverhältnis mit der anderen Partei wirkungslos bleibt, § 61 ZPO. Die Beklagte kann daher die
Einmalzahlung von 60.000 Euro sowie die monatlichen Raten abzüglich der Entnahmen in Höhe von insgesamt 55.713 Euro, mithin einen
Gesamtbetrag von 115.713 Euro von der Drittwiderbeklagten ersetzt verlangen.
154 3. Die Beklagte muss sich keine Steuervorteile anrechnen lassen. Dies ist aus Billigkeitserwägungen heraus nur der Fall, wenn sie
unverfallbare und nicht anderweitig erzielbare Steuererleichterungen erfahren hätte (BGH, Urteil vom 24. April 2007 - XI ZR 17/06 -, BGHZ 172,
147; Teilurteil vom 15. Juli 2010 - III ZR 336/08 -, WM 2010, 1641). Dies kann das Gericht im vorliegenden Fall nicht feststellen. Außerdem ist zu
berücksichtigen, dass die Beklagte möglicherweise auch den Schadensersatzanspruch versteuern muss. Unter Berücksichtigung dieser
Tatsachen erscheint es im vorliegenden Fall nicht geboten, dass die Beklagte sich mögliche Steuervorteile anrechnen lassen müsste.
155 4. Zinsen kann die Beklagte gemäß §§ 288, 291 BGB seit Rechtshängigkeit verlangen, §§ 253 Abs. 1 , 261 Abs. 1 ZPO. Die Widerklage wurde
am 5. Oktober 2010 gemäß §§ 172, 174 ZPO zugestellt
D.
156 1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 ZPO. Die Klägerin unterliegt mit der Klage, obsiegt aber gegen die Widerklage. Die Beklagte
obsiegt mit der Widerklage nur gegen eine von beiden Parteien. Für die Errechnung der Obsiegens- und Unterliegensquote nimmt das Gericht
einen gleichen Streitwert von Klage und Widerklage an, obwohl die Widerklage einen geringfügig höheren Wert hat. Deshalb trägt die Klägerin
50 Prozent der Kosten (für die unterlegene Klage), während die Beklagte und die Drittwiderbeklagte die Kosten der Widerklage hälftig teilen.
Sie tragen daher je 25 Prozent der Kosten des Rechtsstreits.
157 2. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt für alle Parteien aus § 709 ZPO.