Urteil des LG Potsdam vom 16.01.1997

LG Potsdam: eigentümer, akte, dienstbarkeit, grundstück, zustandsstörer, unterlassen, ddr, gas, versorgung, grundbuch

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Gericht:
LG Potsdam 11.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
31 O 86/98
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Tenor
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin
10.876,58 DM nebst 4% Zinsen hieraus seit dem 16.1.1997 zu zahlen.
2. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 13.000,00 DM
vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger können Sicherheit auch durch unbedingte, unbefristete und
selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen
Bank oder Sparkasse erbringen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche der Klägerin im Zusammenhang mit
der wegen der Unterschreitung von Abstandsvorschriften notwendig gewordenen
Umverlegung einer Druckgasleitung.
Die Beklagten sind Eigentümer des Grundstücks in Stahnsdorf. Der …weg mündet von
Südosten her in die S. Straße ein, auf deren östlicher Seite eine von der Klägerin
betriebene Druckgasleitung verlegt war. Wegen der genaueren örtlichen Einzelheiten
wird auf die Planskizze Blatt 70 d.A. Bezug genommen.
In den Jahren 1993 - 1995 erfolgte eine Bebauung der S. Straße und des Grundstücks
der Beklagten. Diese hatten gleichzeitig mit anderen Eigentümern im Jahre 1993 der
Firma P. GmbH (im folgenden M GmbH) in Berlin den Auftrag zur Errichtung von
Wohnhäusern auf diesen Grundstücken und eben auch auf dem Grundstück …weg 1 in
Stahnsdorf erteilt. Die M GmbH war verantwortlicher Planer für die Bebauung.
Die Baugenehmigung für die einzelnen Wohnhäuser war bereits erteilt und es war mit
der Durchführung der Bauvorhabens begonnen worden, als die Klägerin im Sommer
1993 feststellte, daß bei mehreren der im Bau befindlichen Einfamilienhäuser mit
Kellerräumen der Mindestabstand zur Gasleitung von 10 Metern nicht eingehalten
worden war. Am 5.7.1993 erfolgte eine Begehung, bei der eine weitere Überbauung
festgestellt wurde. Die Klägerin forderte die M GmbH in Folge der Begehungen zur
Abstimmung auf und übersandte Lagepläne hinsichtlich der Druckgasleitung. Mit
Schreiben vom 15.9.1993 (Bl. 56 der Akte) wurde die M GmbH aufgefordert, der Klägerin
die Arbeiten im Bereich der Druckgasleitung anzuzeigen und den Sicherheitsabstand zur
Druckgasleitung zu wahren. Unter gleichem Datum erfolgte auch ein Hinweis an das Amt
Stahnsdorf.
Seitens der M GmbH wurde der Klägerin daraufhin zugesichert, daß im weiteren die
Sicherheitsabstände zur Druckgasleitung eingehalten würden, so daß aufgrund dieser
Zusage keine Kontrollgänge mehr seitens der Klägerin vorgenommen worden sind. Bei
einer Leitungsbefliegung 1995 wurde dann festgestellt, daß die Überbauung weiterhin
vorlag. Zu diesem Zeitpunkt waren die Häusersockel bereits fertiggestellt, so daß die
Einhaltung des Sicherheitsabstandes nur noch durch Umverlegung der Druckgasleitung
möglich war.
Die Klägerin forderte die M GmbH mit Schreiben vom 5.10.1995 auf, Beeinträchtigungen
bezüglich der Druckgasleitung zu unterlassen. In einem Gespräch am 7.11.1995 erfolgte
ein erneuter Hinweis auf das Problem. Durch den zuständigen Bauleiter der M GmbH,
Herrn W., wurde eine kurzfristige Auftragsvergabe für die Umverlegung zugesagt.
Nachdem die M GmbH in der Folge wiederum nicht reagierte, setzte die Klägerin der M
GmbH mit Schreiben vom 31.01.1996 (Bl. 17 der Akte) eine Frist, binnen derer die M
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GmbH mit Schreiben vom 31.01.1996 (Bl. 17 der Akte) eine Frist, binnen derer die M
GmbH den Auftrag für die Umverlegung vergeben sollte. Hierbei wies die Klägerin auch
darauf hin, daß die zu diesem Zeitpunkt zu erwartenden Kosten von 75.000,- DM noch
höher ausfallen würden, wenn die
S. Straße in diesem Bereich erst befestigt wird.
Die Klägerin ließ in der Folge die Umverlegungsarbeiten selbst durchführen, nachdem die
M GmbH nicht reagiert hatte und stellte der M GmbH den entstandenen Betrag in Höhe
von 82.212,48 DM in Rechnung (Rechnung vom 26.11.1996, Bl. 20 ff der Akte).
Mit Schreiben vom 10.03.1997 (Bl. 25 d.A.) erklärte die M GmbH, daß sie die Kosten für
die Umverlegung übernehmen werde, so daß sie von der Klägerin mit Schreiben vom
20.03.1997 (Bl. 26 d.A.) aufgefordert wurde, auf die Kosten der Umverlegung Raten zu
zahlen. Mittlerweile ist über das Vermögen der M GmbH das
Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet worden (Eröffnungsbeschluß vom 07.01.1998,
Bl. 28 der Akten).
Nachdem Ansprüche gegen die M GmbH offenbar nicht mehr durchsetzbar sind,
verlangt die Klägerin nunmehr von den verbleibenden sieben Eigentümern der
beteiligten Grundstücke anteilig die Kosten für die Umverlegung, die sich - nachdem
andere Eigentümer bereits gezahlt haben - noch auf 76.136,04 DM belaufen.
Die Klägerin ist der Ansicht, sie habe alle zumutbaren und notwendigen Maßnahmen
getroffen, um die für den Bau Verantwortlichen auf die Unterschreitung des
Sicherheitsabstandes aufmerksam zu machen. Die M GmbH habe durch die
Überbauung das der Klägerin zustehende absolute Nutzungsrecht an den
Grundstücksflächen verletzt. Die Schadensbehebung sei nur in der Form möglich
gewesen, dass die Leitung auf die andere Straßenseite umverlegt worden sei. Die
Beklagten müßten sich das Verhalten der M GmbH gemäß § 166 BGB zurechnen lassen,
da diese mit der Planung und den Architektenleistungen beauftragt worden sei. Der
Verweis auf die Baugenehmigung greife nicht, da die Baugenehmigungen immer
unbeschadet Rechte Dritter ergingen. Jedenfalls habe die Klägerin einen Anspruch aus §
812 Abs. 1, 2 BGB: Die Klägerin habe die Beklagten von einer rechtlichen Verpflichtung
befreit. Die Beklagten seien gemäß §§ 1004, 1027 BGB verpflichtet gewesen, die
Beeinträchtigung der persönlichen Dienstbarkeit der Klägerin zu beseitigen. Insoweit
handele es sich bei den Beklagten um Zustandsstörer.
Die Klägerin beantragt daher,
die Beklagten zu verurteilen, an sie 10.876,58 DM nebst 4% Zinsen hieraus seit
dem 16.11.1997 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie sind der Ansicht, die Klägerin habe die ihr zur Verfügung stehenden
Abwehransprüche gegenüber der M GmbH nicht durchgesetzt. Vielmehr habe die
Klägerin die Überbauung offenbar geduldet, so daß sie nunmehr mit
Schadensersatzansprüchen ausgeschlossen sei. Aus der Kostenübernahmeerklärung
der M GmbH vom 10.3.1997 (Bl. 25 der Akte) könne die Klägerin nichts herleiten, da
diese nicht namens und in Vollmacht der Betroffenen Eigentümer der Grundstücke
abgegeben worden sei.
Jedenfalls am 24.6.1993 habe die Klägerin größeren Schaden abwenden können und
insbesondere die Ausschachtungsarbeiten an den betroffenen Grundstücken stoppen
können. Daß sie dies nicht getan habe, müsse sich nunmehr zu ihren Lasten auswirken.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten
Schriftsätze einschließlich der Anlagen ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Die Klägerin hat einen Zahlungsanspruch aus §§ 1004, 1027, 1090, 812 Abs. 1 S. 1 BGB.
Zugunsten der Klägerin bestand auf dem Grundstück der Beklagten eine beschränkte
persönliche Dienstbarkeit. Diese entstand gemäß § 9 Abs. 1
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persönliche Dienstbarkeit. Diese entstand gemäß § 9 Abs. 1
Grundbuchbereinigungsgesetz kraft Gesetzes und schon vor Eintragung im Grundbuch.
Die Klägerin hat insoweit für das Gericht nachvollziehbar und im Übrigen durch die
Beklagten unbestritten vorgetragen, daß es sich um eine überörtliche Leitung, d. h. nicht
um eine Leitung der örtlichen Versorgung handelte. Die Druckgasleitung ist - was von
den Beklagten nicht bestritten wird- nach der in der DDR geltenden Technischen Güte-
und Lieferbedingungen (TGL 190-354) errichtet worden. Die Leitung genießt insoweit als
Anlage, die vor dem Tag des Wirksamwerden des Beitritts errichtet worden ist,
Bestandsschutz nach dem Regelwerk des Bundesverbandes der deutschen Gas- und
Wasserwirtschaft e.V., da sie in Übereinstimmung mit den technischen Regelungen
errichtet worden ist.
Gemäß § 4 Abs. 3 S. 4 Sachenrechts-Durchführungsverordnung (SachenR-DV) bestimmt
sich die Breite und Anordnung des Schutzstreifens nach den am 3.10.1990 bestehenden
technischen Normen (hier TGL 190-354 Seite 5, Bl. 77 d.A.), so daß zur Leitung ein
Sicherheitsabstand von 10 m einzuhalten war.
Durch die Bebauung wurde - was zwischen den Parteien ebenfalls unstreitig ist - der
Sicherheitsabstand zu der damals noch bestehenden Druckgasleitung auf dem
Grundstück der Beklagten unterschritten. Der Umfang der beschränkt persönlichen
Dienstbarkeit des Energieversorgungsunternehmens ist in der SachenR-DV, hier § 4 Abs.
2 der Verordnung geregelt. Danach kann der Berechtigte, d. h. das
Energieversorgungsunternehmen, aus der Dienstbarkeit auch verlangen, daß keine
baulichen Anlagen errichtet werden, die den ordnungsgemäßen Betrieb der Anlage
beeinträchtigen. Nach dem hier maßgeblichen, zur Zeit des Beitritts gültigen
technischen Normen war ein Sicherheitsabstand von 10 Metern notwendig, der durch die
Bebauung auf dem Grundstück der Beklagten unterschritten worden ist, wie sich aus der
von der Klägerin zur Akte gereichten Planskizze (Anlage K 15, Bl. 70 der Akten), die von
den Beklagten nicht weiter angegriffen worden ist, ergibt.
Auf die Frage, ob und inwieweit ein Verschulden auf Seiten der Beklagten oder auf Seiten
der von diesen beauftragten Dritten vorliegt, kommt es in diesem Zusammenhang nicht
an. Die Beklagten haften vielmehr als Zustandsstörer, da maßgeblich für die
Zustandshaftung allein die gegenwärtigen Eigentumsverhältnisse sind (vgl. hierzu OLG
Köln, NJW- RR 1996/1104).
Die Beklagten dringen auch mit ihrem Einwand, die Klägerin sei zu lange untätig
geblieben, nicht durch. Die Klägerin hat vielmehr nachvollziehbar dargelegt, daß sie
mehrfach intensiv gegenüber der Beteiligten M GmbH versucht hat, Einfluß auf die
Planung der Gebäude zu nehmen. Diese Bemühungen sind seitens der Beklagten nicht
bestritten worden. Für die Klägerin bestand angesichts der Tatsache, daß ihr seitens der
M GmbH zugesagt worden war, eine weitere Bebauung zu unterlassen, kein Anlaß,
gegenüber den Eigentümern der betreffenden Grundstücke tätig zu werden. Sie konnte
sich vielmehr darauf verlassen, daß die M GmbH als maßgeblicher Bauträger die
verschiedenen Anzeigen an die Eigentümer weitergeben und entsprechende Tätigkeit
durch die Eigentümer veranlassen würde.
Der insoweit dem Grund nach bestehende Ersatzanspruch gemäß § 1004, 812 BGB
richtet sich danach, welche Arbeiten zur Beseitigung der Störung erforderlich waren (vgl.
hierzu BGHZ 79/234). Die Beklagten sind der von der von der Klägerin aufgestellten
Kostenrechnung nicht mehr entgegengetreten. Das Gericht hatte daher von der -
nachvollziehbaren und in sich schlüssigen - Berechnung der Klägerin auszugehen, die die
Kosten zu gleichen Teilen auf die betroffenen Grundstückseigentümer umgelegt hat. Es
erscheint dem Gericht in diesem Zusammenhang nachvollziehbar, daß die Kosten für
den jeweiligen Eigentümer und somit hier für die Beklagten niedriger ausfallen als in dem
Fall, daß jeder Grundstückseigentümer die Kosten für eine Umverlegung entsprechend
dem Verlauf des eigenen Grundstücks getragen hätte. Zu vergleichen wären bei einer
solchen Betrachtung die Kosten, die jeweils bei einer Einzelverlegung entstanden wären
und die anteiligen Kosten, die nunmehr von der Klägerin verlangt werden können. Die
von der Klägerin vorgenommene Kostenverteilung nach Kopfteilen dürfte daher dem
mutmaßlichen Willen der beteiligten Grundstückseigentümer entsprechen und auch die
Verpflichtung der Klägerin, den Schaden so gering wie möglich zu halten, erfüllen. Auf die
Frage, mit welchen Flächenanteil die einzelne Bebauung in den Sicherheitsabstand
hineinragt, dürfte es in diesem Zusammenhang nicht ankommen, da alle beteiligten
Grundstücke entlang der Druckgasleitung den Sicherheitsabstand als solchen in der
gleichen Weise verletzen und somit die Grunddienstbarkeiten der Klägerin in gleicher
Weise beeinträchtigen.
Der Zinsanspruch ist aus §§ 286, 288 BGB begründet.
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Der Klage war daher mit der sich aus § 91 ZPO ergebenden Kostenfolge stattzugeben.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 ZPO.
Der Streitwert wird auf 10.876,58 DM festgesetzt.
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