Urteil des LG Münster vom 18.05.2006

LG Münster: öffentliche ausschreibung, firma, geschäftsführer, fernwärme, rückforderung, gesellschafterversammlung, gerichtsakte, widerruf, gemeinde, entlastung

Landgericht Münster, 012 O 484/05
Datum:
18.05.2006
Gericht:
Landgericht Münster
Spruchkörper:
12. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
012 O 484/05
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 82.166,73 EUR (in Worten:
zweiundachtzigtausendeinhundertsechsundsechzig 73/100) nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 60.894,86 EUR seit dem
22.09.2005 und aus einem Betrag in Höhe von 21.271,87 EUR seit dem
22.12.2005 zu zahlen.
Wegen des weiteren Zinsanspruchs wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu
vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert für den Rechtsstreit wird festgesetzt auf 82.166,73 EUR.
T a t b e s t a n d :
1
Die Klägerin nimmt den Beklagten gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG unter dem Gesichtspunkt
der Geschäftsführerhaftung auf Schadensersatz in Anspruch.
2
Die Klägerin wurde am 12.07.1995 gegründet und am 16.10.1995 in das
Handelsregister eingetragen. Die Geschäftsführung, die Aufgaben der
Geschäftsführer/Prokuristen etc. sind in einer Geschäftsordnung geregelt. Wegen der
Einzelheiten der Geschäftsordnung wird auf Blatt 476 – 480 d. GA Bezug genommen.
Der Beklagte war vom 12.07.1995 bis zum 13.09.1999 Geschäftsführer der Klägerin und
zugleich Gemeindedirektor der Gemeinde I. Danach waren Geschäftsführer bis zum
31.12.2002 der Zeuge P und seit dem 01.01.2003 der Zeuge S. Zwischen den Parteien
existiert eine Geschäftsführervereinbarung, bezüglich deren Inhalts auf Blatt 264/265 d.
GA verwiesen wird. Neben dem Beklagten waren noch zwei Prokuristen bestellt,
nämlich die Zeugen S1. und O. Bei diesen handelte es sich um technisch versierte
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Mitarbeiter, die jeweils Handwerksmeister sind. Zwischen den beiden Zeugen und der
Klägerin existiert eine Prokuristenvereinbarung. Insoweit wird Bezug genommen auf
Blatt 266/267 d. GA. Mit Schreiben vom 13.09.1999 (Bl. 20 d. GA) legte der Beklagte
gegenüber der Klägerin seine Geschäftsführeraufgaben nieder. Die Niederlegung
wurde im Handelsregister B eingetragen unter dem 07.12.1999 (Bl. 160 d. GA).
Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist u. a. der Handel mit Strom und Wärme,
der Bau und Betrieb einer Wärme – bzw. Stromerzeugungsanlage, ferner der Bau und
Betrieb von Versorgungs- und Verteilanlagen für Strom und Wärme sowie der Betrieb
von Hausinstallationseinrichtungen. Die Klägerin sollte vorwiegend im Auftrag der
Gemeinde I das Baugebiet "B1." gemäß der Wärmeversorgungssatzung der Gemeinde I
vom 02.11.1995 mit Fernwärme versorgen. Die Erschließung des Baugebietes übertrug
die Gemeinde I mit Erschließungsvertrag vom 27.06.1995 auf die Firma N GmbH und
die Firma S5. Wegen der Einzelheiten des Erschließungsvertrages wird Bezug
genommen auf Blatt 377 – 383 d. GA. Dem Erschließungsvertrag liegt zu Grunde eine
"beschränkte Ausschreibung" seitens des Architektur- und Ingenieurbüros Q. (Bl. 384 –
438 d. GA). Mit der Planung der zentralen Wärmeversorgungsanlage des
Versorgungsgebiets B1. wurde die Firma S6 in P2 beauftragt. Diese erteilte unter dem
10.07.1995 (Bl. 31 d. GA.), dem 30.05.1995 (Bl. 345 d. GA) und dem 13.06.1996 (Bl. 33
d. GA) Angebote. Mit von dem damaligen Prokuristen der Klägerin, dem Zeugen O,
unterzeichnetem Schreiben vom 07.08.1995 stellte die Klägerin einen Antrag auf
Subventionsbewilligung nach dem Landesprogramm Fernwärme für das von ihr
geplante Blockheizkraftwerk. Wegen der Einzelheiten des Antrags wird Bezug
genommen auf Blatt 34 – 42 d. GA. Das zuständige Landesoberbergamt Nordrhein-
Westfalen (im folgenden: LOBA) fragte mit Schreiben vom 19.09.1995 bei der Klägerin
nach (Bl. 57 ff. d. GA). Mit Bescheid des LOBA vom 22.11.1995 bewilligte das LOBA
eine Subvention für den Ausbau der Fernwärmeverteilung in I, Bereich B1. in Höhe von
253.000 DM (Bl. 59- 63 d. GA). Der Bewilligung lagen zu Grunde die allgemeinen
Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung – ANBest-P -, bezüglich
deren Inhalts Bezug genommen wird auf Blatt 64/64R d. GA. Die Firma S6 erstellte in
der Folgezeit ein Leistungsverzeichnis "Fernwärmeleitung" (Bl. 69 – 105 d. GA) und
wandte sich zum Zwecke der Abgabe von Angeboten an die diverse Firmen. Dieses
teilte sie der Klägerin mit Schreiben vom 07.09.1995 mit (Bl. 65/66 d. GA). Dem
Vorhaben der Klägerin lag ein Terminplan 1995/1996 zu Grunde (Bl. 263 d. GA). Die
Ausschreibungsunterlagen für die Gewerke "Fernwärme" wurden auch an die Firma C
AG & Co. KG übersandt. Die Firma C machte 2 Angebote, nämlich eines vom
19.09.1995 (Bl. 67 d. GA) über einen Betrag in Höhe von 793.955 DM netto und ein
solches vom 30.10.1995 (Bl. 106 d. GA) über einen Betrag in Höhe von 692.224,36 DM
netto. Anlässlich einer Gesellschafterversammlung der Stadtwerke GmbH I vom
08.11.1995 erläuterte der Beklagte den Sachstand, er teilte insbesondere die
Vereinbarungen mit der Firma C mit (Bl. 110/110 R d. GA). Am 14.11.1995 fand eine
Besprechung statt, an der auf Seiten der Firma C der Zeuge S3 sowie auf Seiten der
Klägerin deren damaliger Prokurist, der Zeuge S1., teilnahmen. Gegenstand waren
Einzelheiten zur Ausführung des Fernleitungsnetzes etc. Wegen der Einzelheiten wird
Bezug genommen auf ein Besprechungsprotokoll der Firma S6 vom selben Tage (Bl.
111 ff. d. GA). Mit Schreiben vom 12.12.1995 (Bl. 113 d. GA) wurde der Auftrag an die
Firma C seitens des Beklagten vergeben. Anlässlich einer Gesellschafterversammlung
der Klägerin vom 23.04.1996 (Bl. 115 – 116 R d. GA) stimmte die
Gesellschafterversammlung einstimmig einer weiteren Auftragsvergabe an die Firma C
zur Herstellung von Stufengräben für die Versorgungsleitungen auf der Basis eines
Angebots vom 20.06.1995 zzgl. eines 3 %igen Aufschlags zu, ohne dass insoweit eine
öffentliche Ausschreibung erfolgte. Hintergrund der weiteren Beauftragung der Firma C
war, dass die ursprünglich damit beauftragte Firma S5 GmbH aus S4 die Durchführung
der Erdarbeiten zwischenzeitlich abgelehnt hatte. Es sind weitere Niederschriften von
Gesellschafterversammlungen der Klägerin zur Gerichtsakte gereicht worden, nämlich
solche über Gesellschafterversammlungen vom 19.07.1995 (Bl. 347 d. GA.), 23.04.1996
(Bl. 259 ff. d. GA.), 21.11.1996 (Bl. 146 d. GA.), 17.12.1997 (Bl. 149 d. GA.) und vom
01.12.1999 (Bl. 214 ff. d. GA). Mit Widerrufs- und Rückforderungsbescheid vom
11.12.2003 widerrief die Bezirksregierung B den zu Gunsten der Klägerin erteilten
Zuwendungsbescheid und forderte einen Betrag in Höhe von 60.894,86 EUR zurück.
Dem Bescheid lag zur Berechnung des Erstattungsbetrages eine Anlage 1 bei (Bl. 439
– 442 d. GA). Die Bezirksregierung B begründete den Widerruf im Wesentlichen mit
einer angeblichen Verletzungen der Mitteilungspflichten gemäß Nr. 5 ANBest-P seitens
der Klägerin sowie auch mit schwerwiegenden Verstößen gegen vergaberechtliche
Bestimmungen der VOB. Wegen der Einzelheiten des Widerrufs- und
Rückforderungsbescheides wird Bezug genommen auf Blatt 119 – 128 d. GA. Die
Klägerin behauptet, sie habe dem Beklagten mit Anschreiben vom 08.01.2004 (Bl. 135
d. GA) den vorliegenden Bescheid in Kopie mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt.
Der Beklagte bestreitet den Zugang des vorgenannten Schreibens. Die Klägerin legte
gegen diesen Bescheid am 08.01.2004 Widerspruch ein und begründete diesen mit
Schreiben vom 11.02.2004 (Bl. 188 – 190 d. GA). Der Widerspruch der Klägerin wurde
mit Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung B vom 16.03.2004 (Bl. 129 – 134 d.
GA) zurückgewiesen. Die Widerspruchsbehörde begründete die Rechtmäßigkeit des
Widerrufs- und Rückforderungsbescheides im Wesentlichen mit schweren
Vergabeverstößen sowie einer unzureichenden Dokumentation der
Vergabehandlungen. Die Klägerin übersandte den Widerspruchsbescheid dem
Beklagten mit undatiertem Schreiben, zur Post gegeben am 20.04.2004 (Bl. 136 d. GA).
Der Widerspruchsbescheid ist mittlerweile rechtskräftig, Klage wurde nicht erhoben. Ein
Niederschlagungsantrag der Klägerin vom 18.06.2004 (Bl. 163 d. GA.) war erfolglos, wie
die Bezirksregierung B mit Schreiben vom 12.05.2005 (Bl. 137 ff. d. GA) der Klägerin
mitteilte. Mit Zinsfestsetzungsbescheid vom 25.10.2005 (Bl. 228 – 229 d. GA) setzte die
Bezirksregierung B zum Nachteil der Klägerin den Zinsbetrag auf 21.271,87 EUR fest.
Der Zinsbescheid ist mittlerweile rechtskräftig.
Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte hafte ihr unter dem Gesichtspunkt der
Geschäftsführerhaftung aus § 43 Abs. 2 des GmbHG. Sie ist der Ansicht, er habe ihr
gegenüber seine Obliegenheiten schuldhaft verletzt, weshalb er sich
schadensersatzpflichtig gemacht habe. So habe er den Vorgaben widersprechend ein
falsches Vergabeverfahren gewählt, unter Verstoß gegen die VOB/A. Weiterhin habe er
gegen Dokumentations- und Nachweispflichten verstoßen. Insoweit habe die
Bezirksregierung B den Zuwendungsbescheid auch zurecht zurückgefordert.
4
Die Klägerin beantragt,
5
wie erkannt.
6
Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
8
Er ist der Auffassung, ihm sei eine Pflichtverletzung nicht anzulasten. Das
Vergabeverfahren sei ordnungsgemäß durchgeführt worden. Die Firma S6 habe die
Vergabe ordnungsgemäß durchgeführt, so dass den Beklagten eine Verantwortlichkeit
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nicht treffe. Auch ein Verstoß gegen Dokumentationspflichten sei ihm nicht anzulasten,
da erst nach seinem Ausscheiden als Geschäftsführer bei der Klägerin eine
mangelhafte Dokumentation gegeben gewesen sei, für die er nicht verantwortlich zu
machen sei.
Der Beklagte ist des weiteren der Auffassung, ihm sei als Geschäftsführer der Klägerin
wirksam Entlastung erteilt worden, der Zuwendungsbescheid vom 22.11.1995 sei
seitens des Beklagten in einer Sitzung der Stadtwerke GmbH vorgebracht worden und
diesbezüglich auch diskutiert worden. Schon im August 1995 habe es ein Gespräch bei
dem LOBA gegeben, wo seitens des LOBA bestätigt worden sei, dass der zu diesem
Zeitpunkt bestehende Planungsgrad unschädlich sei. Weil der Bewilligungsbescheid im
November 1995 ergangen sei und eine Ausschreibung erfolgt sei, sei der Beklagte
gutgläubig davon ausgegangen, dieses sei unschädlich. Der Beklagte behauptet, er
habe die Überprüfung der Firma S6 auf Prokuristen delegiert, und sei insoweit von der
Haftung frei. Er habe insoweit bereits die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes
angewandt, da zwei besonders versierte Fachleute als Prokuristen bestellt worden
seien. Im Übrigen ist der Beklagte der Auffassung, jedenfalls soweit der
Rückforderungsbescheid gestützt sei auf Mitteilungspflichten bezüglich des
Anschlusses eines Rheinhauses außerhalb des Fördergebietes, habe er dafür nicht
einzustehen, weil zu diesem Zeitpunkt seine Geschäftsführertätigkeit bereits beendet
gewesen sei. Im Übrigen behauptet der Beklagte, eine öffentliche Ausschreibung sei auf
Grund des Zeitplans der Firma S6 bereits zeitlich unmöglich gewesen. Wegen der
Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Schriftsatz vom 01.12.2005 (Bl. 244 ff. d.
GA.). Der Beklagte ist des weiteren der Auffassung, der an ihn zu stellende
Sorgfaltsmaßstab sei zu mindern, da er, was zwischen den Parteien unstreitig ist, die
Geschäftsführerfunktion lediglich im Nebenamt ausgeführt habe. Der Beklagte beruft
sich im Übrigen auf rechtmäßiges Alternativverhalten und behauptet dazu, eine
Ausschreibung sei aus planungstechnischen und kalkulatorischen Gründen nicht mehr
möglich gewesen. Dieses sei allen Gesellschaftern auch bekannt gewesen. Der
Beklagte sei gleichwohl davon ausgegangen, dass dieses aber auch unbeachtlich sei,
da die öffentliche Ausschreibung im Vorfeld bereits erfolgt sei. Dieses sei auch der
Firma S6 entsprechend bekannt gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf
den oben genannten Schriftsatz Bezug genommen. Der Beklagte ist im Übrigen der
Ansicht, der Klägerin sei bereits ein Schaden nicht entstanden, da die auf Grund der
Rückforderung entstandenen Kosten anteilig auf die Anlieger umgelegt werden könnten.
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Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst
Anlage Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
12
Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der Anspruch der
Klägerin gegen den Beklagten folgt aus § 43 Abs. 2 GmbHG. Danach haften
Geschäftsführer, die ihre Obliegenheiten verletzen, der Gesellschaft für den
entstandenen Schaden. Im Rahmen dieser Anspruchsgrundlage muss die Gesellschaft
einen Schaden darlegen und beweisen, der auf ein Verhalten des Geschäftsführers in
seinem Pflichtenkreis zurückzuführen ist und sich deshalb als möglicherweise
pflichtwidrig darstellt; gelingt dieser Beweis, muss der Geschäftsführer darlegen und
beweisen, seinen Sorgfaltspflichten nachgekommen zu sein oder schuldlos gehandelt
zu haben oder dass der Schaden auch bei einem pflichtmäßigen Alternativverhalten
eingetreten wäre (OLG Hamm Urteil vom 20.02.2006, Az: 8 U 143/04 mit weiteren
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Nachweisen). Die Sorgfaltspflichten des GmbH-Geschäftsführers gehen über diejenigen
eines ordentlichen Kaufmanns hinaus; verlangt wird diejenige Sorgfalt, die ein
ordentlicher Geschäftsmann in leitender Position bei selbstständiger treuhänderischer
Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen zu beachten hat, wobei der Vorteil für die
GmbH zu wahren und Schaden von ihr abzuwenden ist (vgl. OLG Zweibrücken NZG
1999, 506 ff.; OLG Rostock, OLGR Rostock 2006, 106 ff.).
Unter Beachtung dieser Grundsätze musste der Beklagte dafür Sorge tragen, dass die
Subvention ordnungsgemäß beantragt, die Subventionsbedingungen vollumfänglich
eingehalten werden und dass im Übrigen alles weitere zu tun bzw. zu unterlassen war,
welches eine etwaige Rückforderung der Zuwendung begründen könnte. Diesen
Anforderungen ist der Beklagte nicht nachgekommen.
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Es kann letztlich offen bleiben, ob dem Beklagten Verstöße gegen Mitteilungs- und
Dokumentationspflichten anzulasten sind, da jedenfalls besonders schwerwiegende
Verstöße gegen die Grundsätze öffentlicher Ausschreibung bezüglich der Gewerke
Fernwärme und Erdarbeiten nach der VOB/A festzustellen sind. Die Notwendigkeit einer
ordnungsgemäßen öffentlichen Ausschreibung folgt aus den der
Subventionsbewilligung zu Grunde liegenden ANBest-P Ziffer 3. Dass eine
ordnungsgemäße öffentliche Ausschreibung der Gewerke Fernwärme/Erdarbeiten
stattgefunden hat, hat der Beklagte nicht ansatzweise substantiiert dargelegt. Das
Gewerk Fernwärmeleitungen ist nach dem gesamten Akteninhalt einschließlich
sämtlicher vorliegender Ausschreibungsunterlagen überhaupt nicht ausgeschrieben
worden. Die von dem Architektur- und Ingenieurbüro Q. durchgeführte "beschränkte
Ausschreibung" enthält das Gewerk "Fernwärme" nicht. Eine öffentliche Ausschreibung
im Sinne der VOB/A des Gewerks "Fernwärme" ist nicht substantiiert dargelegt und
auch sonst nicht ersichtlich. Der Beklagte ist offensichtlich nicht in der Lage substantiiert
darzulegen und zu dokumentieren, dass und wie eine öffentliche Ausschreibung des
Gewerks "Fernwärme" stattgefunden haben soll. Aus den zur Gerichtsakte unterreichten
Unterlagen ergibt sich insbesondere nicht, wie bezüglich der Gewerke "Erdarbeiten"
und "Fernwärme" eine Ausschreibung erfolgt sein soll und dass diese den besonderen
Anforderungen der VOB/A entsprochen haben soll. Darüber hinaus sind die
Erschließungsarbeiten am Baugebiet "B1." seitens des Architektur- und Ingenieurbüros
Q. auch lediglich beschränkt ausgeschrieben worden, ohne dass die Voraussetzungen
des § 3 Nr. 3 VOB/A vorgelegen hätten.
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Grundsätzlich schreibt die nach den Bestimmungen des Bewilligungsbescheides zu
Grunde zu legende VOB/A vor, dass öffentlich auszuschreiben ist (§§ 3 Nr. 1 Abs. 1, Nr.
2 VOB/A). Das Verfahren setzt unter anderem voraus, Bekanntmachungen in
Tageszeitungen etc. (vgl. § 17 Nr. 1 VOB/A). Dass im vorliegenden Fall eine öffentliche
Ausschreibung stattgefunden hätte, hat der Beklagte nicht ausreichend substantiiert
dargelegt. Darlegungs- und Beweisbelastet dafür, dass der Geschäftsführer seinen
Sorgfaltspflichten nachgekommen ist, ist der Geschäftsführer (BGHZ 152, 280; OLG
Hamm NZG 1999, 1221 ff.), weil der Geschäftsführer das Risiko der Unaufklärbarkeit
trägt.
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Der Beklagte hat auch keine Umstände vorgetragen, die ausnahmsweise ein
Abweichen von dem Grundsatz der Verpflichtung zur öffentlichen Ausschreibung
rechtfertigen würden. Er hat insbesondere keine Tatsachen behauptet, die etwa eine
freihändige Vergabe gemäß § 3 Nr. 1 Abs. 3 VOB/A rechtfertigen würden. Der Beklagte
hat deswegen sowohl gegen die Vorschriften der VOB/A als auch gegen Nr. 3 der der
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Bewilligung zu Grunde liegenden ANBest-P verstoßen.
Soweit Angebote der Firma C vom 19.09. und 20.10.1995 vor dem
Bewilligungsbescheid vom 22.11.1995 vorlagen, hätte der Beklagte diese Angebote
nicht ohne weiteres mit Schreiben vom 12.12.1995 (Bl. 113 d. GA) annehmen dürfen, da
er spätestens nach Zugang des Bewilligungsbescheides Kenntnis von den ANBest-P
hatte bzw. hätte haben können und es ihm somit hätte bewusst sein müssen, dass eine
formelle öffentliche Ausschreibung erfolgen musste. Insoweit ist es unerheblich, dass -
was angesichts des später tatsächlich erfolgten Widerrufs sehr unwahrscheinlich
erscheint – Mitarbeiter des LOBA angeblich vor Erlass des Bewilligungsbescheides
mitgeteilt hätten, die Planung und Realisierung des Objekts könne schon erfolgen, da
dem Beklagten jedenfalls nach Zugang des Bewilligungsbescheides hätte klar sein
müssen, dass eine öffentliche Ausschreibung notwendig war und dass eine Annahme
der Angebote der Firma C durch ihn nicht mehr ohne weiteres erfolgen durfte.
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Der Beklagte handelte auch schuldhaft. Es liegt zumindest ein fahrlässiger Verstoß
gegen die VOB/A und die ANBest-P vor, da der Beklagte hätte wissen müssen, dass die
zuvor genannten Vorschriften der Subventionsbewilligung zu Grunde lagen und daher
zu beachten waren. Dementsprechend hat der Beklagte auch mit dem, dem Schreiben
an das LOBA vom 30.09.1996 beigefügtem Zwischennachweis ausdrücklich bestätigt,
dass die allgemeinen und besonderen Bestimmungen des Zuwendungsbescheides
beachtet wurden (Bl. 117/118 d. GA.). Das Verschulden des Beklagten ist auch nicht
deswegen ausgeschlossen, weil er die Ausschreibung auf die Prokuristen delegiert
hätte. Zum einen kann sich der Geschäftsführer zu seiner Entlastung nicht auf
schuldhafte Mitverursachungsbeiträge unterstellter Mitarbeiter oder anderer
Geschäftsführer berufen (vgl. OLG Köln Urteil vom 11.07.2000, Az: 15 U 181/99). Zum
anderen verbleiben dem Geschäftsführer auch nach einer erfolgten Delegation
besondere Beobachtungs- und Überwachungspflichten (vgl. Lutter/Hommelhoff,
GmbHG, 16. Auflage, § 43, RdZiff. 17). Derartige Kontroll- und Aufsichtspflichten
bestehen im vorliegenden Fall erst recht deshalb, weil die Subventionsbewilligung für
die Klägerin im vorliegenden Fall erkennbar von ganz besonderer wirtschaftlicher
Bedeutung war. Insoweit musste der Beklagte als Geschäftsführer die Einhaltung der
dem Bewilligungsbescheid zu Grunde liegenden Bestimmungen besonders gründlich
überwachen und überprüfen. Er kann sich nicht darauf berufen, diesen Tätigkeitsbereich
vollumfänglich auf die Prokuristen übertragen zu haben. Dass der Beklagte den oben
genannten Anforderungen gerecht geworden ist, trägt er nicht substantiiert vor. Gleiches
gilt auch im Hinblick auf die Beauftragung der Firma S6. Auch insoweit erforderte es die
Geschäftsführertätigkeit des Beklagten, diese Firma engmaschig zu überwachen,
daraufhin, ob die Nebenbestimmungen zum Zuwendungsbescheid tatsächlich auch
eingehalten werden. Dies gilt umso mehr, als aus dem Schreiben der Firma S6 vom
07.09.1995, gerichtet an die Klägerin zu Händen des Beklagten, folgt, dass die Firma S6
offenbar eine öffentliche Ausschreibung im Sinne der VOB/A nicht beabsichtigte,
sondern sich vielmehr an bestimmte Firmen wenden wollte. Die bloße Verfügung des
Beklagten, wonach eine Abschrift des Bewilligungsbescheides an die Firma S6
übersandt werden sollte (Bl. 191 d. GA) wird diesen Anforderungen ersichtlich nicht
gerecht, zumal der Beklagte rechtlich auch verpflichtet war, die Firma S6 in Bezug auf
die Einhaltung der dem Bewilligungsbescheid zu Grunde liegenden Bestimmungen
auch tatsächlich zu überprüfen.
19
Der Beklagte ist zur Überzeugung des Gerichts auch nicht gemäß § 46 Nr. 5 GmbHG
entlastet. Entlastung hätte zur Folge, dass die GmbH mit Ersatzansprüchen
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ausgeschlossen wäre, die der Gesellschafterversammlung bei sorgfältiger Prüfung aller
Vorlagen und Berichte erkennbar sind oder von denen alle Gesellschafter privat
Kenntnis haben (bgl. BGH WM 1998, 387 – 390; Hansiatisches OLG Hamburg, OLGR
Hamburg 2000, 434 – 435). Diese Voraussetzung hat der Beklagte nicht substantiiert
dargelegt. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesellschafterversammlung sämtliche
Materialien bzw. Fakten bekannt waren, auf Grund derer sie den drohenden Widerruf
des Zuwendungsbescheides hätten erkennen können. Derartige Hinweise ergeben sich
insbesondere nicht aus den zur Gerichtsakte überreichten Protokollen über die
Gesellschafterversammlungen. Es ist nicht ersichtlich, dass ein Hinweis erfolgt sei,
darauf, dass eine öffentliche Ausschreibung entgegen denen der Bewilligung zu Grunde
liegenden Bestimmungen nicht erfolgt sei. Ein entsprechender Hinweis scheint auch nur
wenig logisch nachvollziehbar, zumal der Beklagte nach eigenen Behauptungen auf
Grund der Delegation konkrete Kenntnisse des Ausscheidungsverfahrens gar nicht
gehabt haben will. Eine entsprechende Kenntnis der Gesellschaft bzw. der
entsprechenden Organe ist nicht ausreichend vorgetragen. Darauf hat die Klägerseite
auch bereits mit Schriftsatz vom 31.10.2005 (Bl. 207 d. GA) hingewiesen. Darüber
hinaus ist auch nicht vorgetragen bzw. aus dem Akteninhalt zu entnehmen, dass für die
übrigen Gesellschafter die Gründe für den Widerruf und die Rückforderung in
irgendeiner Form erkennbar waren. Insbesondere ergeben sich entsprechende
Hinweise nicht aus dem zur Gerichtsakte gereichten Bericht zur Prüfung des
Jahresabschlusses der Wiesmann & Partner GmbH vom 01.12.1997, der über die Höhe
des Zuschusses hinaus keine weiteren Informationen über dessen Inhalt mitteilt,
insbesondere nichts über die der Bewilligung zu Grunde liegenden
Nebenbestimmungen.
Der Beklagte hat auch keine Umstände substantiiert dargelegt, die geeignet wären eine
Haftung unter dem Gesichtspunkt des rechtmäßigen Alternativverhaltens entfallen zu
lassen. Insbesondere ist nicht ausreichend dargelegt, dass eine ordnungsgemäße
öffentliche Ausschreibung im Sinne der VOB/A zeitlich unmöglich gewesen wäre, zumal
es ohne weiteres möglich gewesen wäre, die Auftragsvergabe an die Firma C zunächst
zurück zu stellen, eine ordnungsgemäße öffentliche Ausschreibung durchzuführen und
danach die entsprechenden Gewerke zu vergeben. Dass dies aus zeitlichen Gründen
ausschied bzw. für die Klägerin unzumutbar gewesen sei, hat der Beklagte nicht
ausreichend dargelegt.
21
Der geltend gemachte Schadensersatz besteht auch in vollem Umfang, da der
zurückgeforderte Betrag ausweislich der dem Widerrufsbescheid beiliegenden Anlage 1
(Bl. 439 ff. d. GA) der Höhe nach ausschließlich auf Zahlungen entfällt, die an die Firma
C AG erfolgt sind. Die Rückforderung bezieht sich ausschließlich auf Positionen, die auf
die schwerwiegenden Vergabeverstöße zurückzuführen sind. Soweit der Widerrufs- und
Rückforderungsbescheid vom 11.12.2003 unter Ziffer I., 2. auch auf Verstöße gegen
Mitteilungspflichten gestützt wird, die gegebenenfalls außerhalb der Amtszeit des
Beklagten erfolgt sind, so haben sich diese Verstöße nicht auf die Höhe der
Rückforderung ausgewirkt. Zurückgefordert wurden ausweislich der Anlage 1 zum
Widerrufsbescheid lediglich die Beträge, die entfielen auf die Firma C AG aufgrund der
fehlenden öffentlichen Ausschreibung.
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Der Einspruch der Klägerin ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens
gemäß § 254 BGB zu kürzen oder zu versagen. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass die
– streitige – Nichtbeteiligung des Beklagten an dem Verwaltungsverfahren bis zum
Erlass der Einspruchsentscheidung eine Vergrößerung des Schadens bewirkt hätte.
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Nach dem oben dargelegten wäre es dem Beklagten nämlich ebenso wenig im
Verwaltungsverfahren wie im vorliegenden Rechtsstreit gelungen, darzulegen, dass
eine ordnungsgemäße öffentliche Ausschreibung im Sinne der VOB/A und der
allgemeinen Nebenbestimmungen tatsächlich erfolgt ist. Die Verwaltungsbehörde hätte
dementsprechend auch bei tatsächlicher Beteiligung des Beklagten seitens der Klägerin
genau denselben Widerrufs- und Rückforderungsbescheid erlassen.
Das Gericht hält sowohl den Widerrufs- und Rückforderungsbescheid der
Bezirksregierung B vom 11.12.2003 als auch den Widerspruchsbescheid vom
16.03.2004 für rechtmäßig, mithin die Rückforderung für zutreffend. Insbesondere geht
die Kammer mit den Verwaltungsbehörden davon aus, dass es sich im vorliegenden
Fall um schwere Vergabeverstöße handelt, die im Regelfall den Widerruf der
Zuwendung nach sich ziehen können. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die
zutreffenden Ausführungen der Bezirksregierung B im Widerspruchsbescheid vom
16.03.2004 zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
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Der Beklagte hat der Klägerin mithin den entstandenen Schaden, also die mit
Rückforderungsbescheid zurückgeforderte Summe in Höhe von 60.894,86 EUR sowie
die mit rechtskräftigem Bescheid der Bezirksregierung B vom 25.10.2005 festgesetzten
Zinsen in Höhe von 21.271,87 EUR als Schadensersatz zu ersetzen.
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Die geltend gemachten Zinsen folgen als Rechtshängigkeitszinsen aus §§ 286, 288,
291 BGB. Dass der Beklagte zu einem früheren Zeitpunkt in Verzug gewesen sein
könnte, ist nicht ersichtlich bzw. vorgetragen, so dass insoweit die Klage im Hinblick auf
die weiter geltend gemachten Zinsen abzuweisen war.
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Die Nebenentscheidungen begründen sich auf § 91, 709 ZPO.
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