Urteil des LG Münster vom 18.05.2006

LG Münster: öffentliche ausschreibung, firma, geschäftsführer, fernwärme, rückforderung, gesellschafterversammlung, gerichtsakte, widerruf, gemeinde, entlastung

Landgericht Münster, 12 O 484/05
Datum:
18.05.2006
Gericht:
Landgericht Münster
Spruchkörper:
12. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 O 484/05
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 82.166,73 EUR (in Worten:
zweiundachtzigtausendeinhundertsechsundsechzig 73/100) nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz aus ei-nem Betrag in Höhe von 60.894,86 EUR seit dem
22.09.2005 und aus einem Betrag in Höhe von 21.271,87 EUR seit dem
22.12.2005 zu zah-len.
Wegen des weiteren Zinsanspruchs wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu voll-
streckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert für den Rechtsstreit wird festgesetzt auf 82.166,73 EUR.
.
T a t b e s t a n d :
1
Die Klägerin nimmt den Beklagten gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG unter dem Gesichtspunkt
der Geschäftsführerhaftung auf Schadensersatz in Anspruch.
2
Die Klägerin wurde am 12.07.1995 gegründet und am 16.10.1995 in das
Handelsregister eingetragen. Die Geschäftsführung, die Aufgaben der
Geschäftsführer/Prokuristen etc. sind in einer Geschäftsordnung geregelt. Wegen der
Einzelheiten der Geschäftsordnung wird auf Blatt 476 – 480 d. GA Bezug genommen.
Der Beklagte war vom 12.07.1995 bis zum 13.09.1999 Geschäftsführer der Klägerin und
zugleich Gemeindedirektor der Gemeinde I. Danach waren Geschäftsführer bis zum
31.12.2002 der Zeuge P und seit dem 01.01.2003 der Zeuge S. Zwischen den Parteien
existiert eine Geschäftsführervereinbarung, bezüglich deren Inhalts auf Blatt 264/265 d.
3
GA verwiesen wird. Neben dem Beklagten waren noch zwei Prokuristen bestellt,
nämlich die Zeugen R und O. Bei diesen handelte es sich um technisch versierte
Mitarbeiter, die jeweils Handwerksmeister sind. Zwischen den beiden Zeugen und der
Klägerin existiert eine Prokuristenvereinbarung. Insoweit wird Bezug genommen auf
Blatt 266/267 d. GA. Mit Schreiben vom 13.09.1999 (Bl. 20 d. GA) legte der Beklagte
gegenüber der Klägerin seine Geschäftsführeraufgaben nieder. Die Niederlegung
wurde im Handelsregister B eingetragen unter dem 07.12.1999 (Bl. 160 d. GA).
Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist u. a. der Handel mit Strom und Wärme,
der Bau und Betrieb einer Wärme – bzw. Stromerzeugungsanlage, ferner der Bau und
Betrieb von Versorgungs- und Verteilanlagen für Strom und Wärme sowie der Betrieb
von Hausinstallationseinrichtungen. Die Klägerin sollte vorwiegend im Auftrag der
Gemeinde I das Baugebiet "AB" gemäß der Wärmeversorgungssatzung der Gemeinde I
vom 02.11.1995 mit Fernwärme versorgen. Die Erschließung des Baugebietes übertrug
die Gemeinde I mit Erschließungsvertrag vom 27.06.1995 auf die Firma N Z1 und die
Firma S5. Wegen der Einzelheiten des Erschließungsvertrages wird Bezug genommen
auf Blatt 377 – 383 d. GA. Dem Erschließungsvertrag liegt zu Grunde eine "beschränkte
Ausschreibung" seitens des Architektur- und Ingenieurbüros Q + H (Bl. 384 – 438 d.
GA). Mit der Planung der zentralen Wärmeversorgungsanlage des Versorgungsgebiets
B wurde die Firma S6 in P2 beauftragt. Diese erteilte unter dem 10.07.1995 (Bl. 31 d.
GA.), dem 30.05.1995 (Bl. 345 d. GA) und dem 13.06.1996 (Bl. 33 d. GA) Angebote. Mit
von dem damaligen Prokuristen der Klägerin, dem Zeugen O, unterzeichnetem
Schreiben vom 07.08.1995 stellte die Klägerin einen Antrag auf Subventionsbewilligung
nach dem Landesprogramm Fernwärme für das von ihr geplante Blockheizkraftwerk.
Wegen der Einzelheiten des Antrags wird Bezug genommen auf Blatt 34 – 42 d. GA.
Das zuständige Landesoberbergamt N (im folgenden: LOBA) fragte mit Schreiben vom
19.09.1995 bei der Klägerin nach (Bl. 57 ff. d. GA). Mit C2 des LOBA vom 22.11.1995
bewilligte das LOBA eine Subvention für den Ausbau der Fernwärmeverteilung in I,
Bereich B in Höhe von 253.000 DM (Bl. 59- 63 d. GA). Der Bewilligung lagen zu Grunde
die allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung –
ANBest-P -, bezüglich deren Inhalts Bezug genommen wird auf Blatt 64/64R d. GA. Die
Firma S6 erstellte in der Folgezeit ein Leistungsverzeichnis "Fernwärmeleitung" (Bl. 69
– 105 d. GA) und wandte sich zum Zwecke der Abgabe von Angeboten an die diverse
Firmen. Dieses teilte sie der Klägerin mit Schreiben vom 07.09.1995 mit (Bl. 65/66 d.
GA). Dem Vorhaben der Klägerin lag ein Terminplan #####/####zu Grunde (Bl. 263 d.
GA). Die Ausschreibungsunterlagen für die Gewerke "Fernwärme" wurden auch an die
Firma C AG & Co. KG übersandt. Die Firma C machte 2 Angebote, nämlich eines vom
19.09.1995 (Bl. 67 d. GA) über einen Betrag in Höhe von 793.955 DM netto und ein
solches vom 30.10.1995 (Bl. 106 d. GA) über einen Betrag in Höhe von 692.224,36 DM
netto. Anlässlich einer Gesellschafterversammlung der T Z1 I vom 08.11.1995 erläuterte
der Beklagte den Sachstand, er teilte insbesondere die Vereinbarungen mit der Firma C
mit (Bl. 110/110 R d. GA). Am 14.11.1995 fand eine Besprechung statt, an der auf Seiten
der Firma C der Zeuge S3 sowie auf Seiten der Klägerin deren damaliger Prokurist, der
Zeuge Richter, teilnahmen. Gegenstand waren Einzelheiten zur Ausführung des
Fernleitungsnetzes etc. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf ein
Besprechungsprotokoll der Firma S6 vom selben Tage (Bl. 111 ff. d. GA). Mit Schreiben
vom 12.12.1995 (Bl. 113 d. GA) wurde der Auftrag an die Firma C seitens des Beklagten
vergeben. Anlässlich einer Gesellschafterversammlung der Klägerin vom 23.04.1996
(Bl. 115 – 116 R d. GA) stimmte die Gesellschafterversammlung einstimmig einer
weiteren Auftragsvergabe an die Firma C zur Herstellung von Stufengräben für die
Versorgungsleitungen auf der Basis eines Angebots vom 20.06.1995 zzgl. eines 3
%igen Aufschlags zu, ohne dass insoweit eine öffentliche Ausschreibung erfolgte.
Hintergrund der weiteren Beauftragung der Firma C war, dass die ursprünglich damit
beauftragte Firma S5 Z1 aus S4 die Durchführung der Erdarbeiten zwischenzeitlich
abgelehnt hatte. Es sind weitere Niederschriften von Gesellschafterversammlungen der
Klägerin zur Gerichtsakte gereicht worden, nämlich solche über
Gesellschafterversammlungen vom 19.07.1995 (Bl. 347 d. GA.), 23.04.1996 (Bl. 259 ff.
d. GA.), 21.11.1996 (Bl. 146 d. GA.), 17.12.1997 (Bl. 149 d. GA.) und vom 01.12.1999
(Bl. 214 ff. d. GA). Mit Widerrufs- und Rückforderungsbescheid vom 11.12.2003 widerrief
die Bezirksregierung B den zu Gunsten der Klägerin erteilten Zuwendungsbescheid und
forderte einen Betrag in Höhe von 60.894,86 EUR zurück. Dem C2 lag zur Berechnung
des Erstattungsbetrages eine Anlage 1 bei (Bl. 439 – 442 d. GA). Die Bezirksregierung
B begründete den Widerruf im Wesentlichen mit einer angeblichen Verletzungen der
Mitteilungspflichten gemäß Nr. 5 ANBest-P seitens der Klägerin sowie auch mit
schwerwiegenden Verstößen gegen vergaberechtliche Bestimmungen der VOB. Wegen
der Einzelheiten des Widerrufs- und Rückforderungsbescheides wird Bezug genommen
auf Blatt 119 – 128 d. GA. Die Klägerin behauptet, sie habe dem Beklagten mit
Anschreiben vom 08.01.2004 (Bl. 135 d. GA) den vorliegenden C2 in Kopie mit der Bitte
um Kenntnisnahme übersandt. Der Beklagte bestreitet den Zugang des vorgenannten
Schreibens. Die Klägerin legte gegen diesen C2 am 08.01.2004 Widerspruch ein und
begründete diesen mit Schreiben vom 11.02.2004 (Bl. 188 – 190 d. GA). Der
Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung B vom
16.03.2004 (Bl. 129 – 134 d. GA) zurückgewiesen. Die Widerspruchsbehörde
begründete die Rechtmäßigkeit des Widerrufs- und Rückforderungsbescheides im
Wesentlichen mit schweren Vergabeverstößen sowie einer unzureichenden
Dokumentation der Vergabehandlungen. Die Klägerin übersandte den
Widerspruchsbescheid dem Beklagten mit undatiertem Schreiben, zur Post gegeben am
20.04.2004 (Bl. 136 d. GA). Der Widerspruchsbescheid ist mittlerweile rechtskräftig,
Klage wurde nicht erhoben. Ein Niederschlagungsantrag der Klägerin vom 18.06.2004
(Bl. 163 d. GA.) war erfolglos, wie die Bezirksregierung B mit Schreiben vom 12.05.2005
(Bl. 137 ff. d. GA) der Klägerin mitteilte. Mit Zinsfestsetzungsbescheid vom 25.10.2005
(Bl. 228 – 229 d. GA) setzte die Bezirksregierung B zum Nachteil der Klägerin den
Zinsbetrag auf 21.271,87 EUR fest. Der Zinsbescheid ist mittlerweile rechtskräftig.
Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte hafte ihr unter dem Gesichtspunkt der
Geschäftsführerhaftung aus § 43 Abs. 2 des GmbHG. Sie ist der Ansicht, er habe ihr
gegenüber seine Obliegenheiten schuldhaft verletzt, weshalb er sich
schadensersatzpflichtig gemacht habe. So habe er den Vorgaben widersprechend ein
falsches Vergabeverfahren gewählt, unter Verstoß gegen die VOB/A. Weiterhin habe er
gegen Dokumentations- und Nachweispflichten verstoßen. Insoweit habe die
Bezirksregierung B den Zuwendungsbescheid auch zurecht zurückgefordert.
4
Die Klägerin beantragt,
5
wie erkannt.
6
Der Beklagte beantragt,
7
die Klage abzuweisen.
8
Er ist der Auffassung, ihm sei eine Pflichtverletzung nicht anzulasten. Das
Vergabeverfahren sei ordnungsgemäß durchgeführt worden. Die Firma S6 habe die
Vergabe ordndungsgemäß durchgeführt, so dass den Beklagten eine Verantwortlichkeit
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nicht treffe. Auch ein Verstoß gegen Dokumentationspflichten sei ihm nicht anzulasten,
da erst nach seinem Ausscheiden als Geschäftsführer bei der Klägerin eine
mangelhafte Dokumentation gegeben gewesen sei, für die er nicht verantwortlich zu
machen sei.
Der Beklagte ist des weiteren der Auffassung, ihm sei als Geschäftsführer der Klägerin
wirksam Entlastung erteilt worden, der Zuwendungsbescheid vom 22.11.1995 sei
seitens des Beklagten in einer Sitzung der T Z1 vorgebracht worden und diesbezüglich
auch diskutiert worden. Schon im August 1995 habe es ein Gespräch bei dem LOBA
gegeben, wo seitens des LOBA bestätigt worden sei, dass der zu diesem Zeitpunkt
bestehende Planungsgrad unschädlich sei. X der Bewilligungsbescheid im November
1995 ergangen sei und eine Ausschreibung erfolgt sei, sei der Beklagte gutgläubig
davon ausgegangen, dieses sei unschädlich. Der Beklagte behauptet, er habe die
Überprüfung der Firma S6 auf Prokuristen delegiert, und sei insoweit von der Haftung
frei. Er habe insoweit bereits die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes
angewandt, da zwei besonders versierte Fachleute als Prokuristen bestellt worden
seien. Im Übrigen ist der Beklagte der Auffassung, jedenfalls soweit der
Rückforderungsbescheid gestützt sei auf Mitteilungspflichten bezüglich des
Anschlusses eines Rheinhauses außerhalb des Fördergebietes, habe er dafür nicht
einzustehen, X zu diesem Zeitpunkt seine Geschäftsführertätigkeit bereits beendet
gewesen sei. Im Übrigen behauptet der Beklagte, eine öffentliche Ausschreibung sei auf
Grund des Zeitplans der Firma S6 bereits zeitlich unmöglich gewesen. Wegen der
Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Schriftsatz vom 01.12.2005 (Bl. 244 ff. d.
GA.). Der Beklagte ist des weiteren der Auffassung, der an ihn zu stellende
Sorgfaltsmaßstab sei zu mindern, da er, was zwischen den Parteien unstreitig ist, die
Geschäftsführerfunktion lediglich im Nebenamt ausgeführt habe. Der Beklagte beruft
sich im Übrigen auf rechtmäßiges Alternativverhalten und behauptet dazu, eine
Ausschreibung sei aus planungstechnischen und kalkulatorischen Gründen nicht mehr
möglich gewesen. Dieses sei allen Gesellschaftern auch bekannt gewesen. Der
Beklagte sei gleichwohl davon ausgegangen, dass dieses aber auch unbeachtlich sei,
da die öffentliche Ausschreibung im Vorfeld bereits erfolgt sei. Dieses sei auch der
Firma S6 entsprechend bekannt gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf
den oben genannten Schriftsatz Bezug genommen. Der Beklagte ist im Übrigen der
Ansicht, der Klägerin sei bereits ein Schaden nicht entstanden, da die auf Grund der
Rückforderung entstandenen Kosten anteilig auf die Anlieger umgelegt werden könnten.
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Wegen des weiteten Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst
Anlage Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der Anspruch der
Klägerin gegen den Beklagten folgt aus § 43 Abs. 2 GmbHG. Danach haften
Geschäftsführer, die ihre Obliegenheiten verletzen, der Gesellschaft für den
entstandenen Schaden. Im Rahmen dieser Anspruchsgrundlage muss die Gesellschaft
einen Schaden darlegen und beweisen, der auf ein Verhalten des Geschäftsführers in
seinem Pflichtenkreis zurückzuführen ist und sich deshalb als möglicherweise
pflichtwidrig darstellt; gelingt dieser Beweis, muss der Geschäftführer darlegen und
beweisen, seinen Sorgfaltspflichten nachgekommen zu sein oder schuldlos gehandelt
zu haben oder dass der Schaden auch bei einem pflichtmäßigen Alternativverhalten
eingetreten wäre (OLG I3 Urteil vom 20.02.2006, Az: 8 U 143/04 mit weiteren
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Nachweisen). Die Sorgfaltspflichten des Z1-Geschäftsführers gehen über diejenigen
eines ordentlichen Kaufmanns hinaus; verlangt wird diejenige Sorgfalt, die ein
ordentlicher Geschäftsmann in leitender Position bei selbstständiger treuhänderischer
Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen zu beachten hat, wobei der Vorteil für die
Z1 zu wahren und Schaden von ihr abzuwenden ist (vgl. OLG Y NZG 1999, 506 ff.; OLG
S2, OLGR S2 2006, 106 ff.).
Unter Beachtung dieser Grundsätze musste der Beklagte dafür T2 tragen, dass die
Subvention ordnungsgemäß beantragt, die Subventionsbedingungen vollumfänglich
eingehalten werden und dass im Übrigen alles weitere zu tun bzw. zu unterlassen war,
welches eine etwaige Rückforderung der Zuwendung begründen könnte. Diesen
Anforderungen ist der Beklagte nicht nachgekommen.
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Es kann letztlich offen bleiben, ob dem Beklagten Verstöße gegen Mitteilungs- und
Dokumentationspflichten anzulasten sind, da jedenfalls besonders schwerwiegende
Verstöße gegen die Grundsätze öffentlicher Ausschreibung bezüglich der Gewerke
Fernwärme und Erdarbeiten nach der VOB/A festzustellen sind. Die Notwendigkeit einer
ordnungsgemäßen öffentlichen Ausschreibung folgt aus den der
Subventionsbewilligung zu Grunde liegenden ANBest-P Ziffer 3. Dass eine
ordnungsgemäße öffentliche Ausschreibung der Gewerke Fernwärme/Erdarbeiten
stattgefunden hat, hat der Beklagte nicht ansatzweise substantiiert dargelegt. Das
Gewerk Fernwärmeleitungen ist nach dem gesamten Akteninhalt einschließlich
sämtlicher vorliegender Ausschreibungsunterlagen überhaupt nicht ausgeschrieben
worden. Die von dem Architektur- und Ingenieurbüro Q + H durchgeführte "beschränkte
Ausschreibung" enthält das Gewerk "Fernwärme" nicht. Eine öffentliche Ausschreibung
im Sinne der VOB/A des Gewerks "Fernwärme" ist nicht substantiiert dargelegt und
auch sonst nicht ersichtlich. Der Beklagte ist offensichtlich nicht in der M2 substantiiert
darzulegen und zu dokumentieren, dass und wie eine öffentliche Ausschreibung des
Gewerks "Fernwärme" stattgefunden haben soll. Aus den zur Gerichtsakte unterreichten
Unterlagen ergibt sich insbesondere nicht, wie bezüglich der Gewerke "Erdarbeiten"
und "Fernwärme" eine Ausschreibung erfolgt sein soll und dass diese den besonderen
Anforderungen der VOB/A entsprochen haben soll. Darüber hinaus sind die
Erschließungsarbeiten am Baugebiet "B" seitens des Architektur- und Ingenieurbüros Q
+ H auch lediglich beschränkt ausgeschrieben worden, ohne dass die Voraussetzungen
des § 3 Nr. 3 VOB/A vorgelegen hätten.
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Grundsätzlich schreibt die nach den Bestimmungen des Bewilligungsbescheides zu
Grunde zu legende VOB/A vor, dass öffentlich auszuschreiben ist (§§ 3 Nr. 1 Abs. 1, Nr.
2 VOB/A). Das Verfahren setzt unter anderem voraus, Bekanntmachungen in
Tageszeitungen etc. (vgl. § 17 Nr. 1 VOB/A). Dass im vorliegenden Fall eine öffentliche
Ausschreibung stattgefunden hätte, hat der Beklagte nicht ausreichend substantiiert
dargelegt. Darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass der Geschäftsführer seinen
Sorgfaltspflichten nachgekommen ist, ist der Geschäftsführer (BGHZ 152, 280; OLG I3
NZG 1999, 1221 ff.), X der Geschäftsführer das Risiko der Unaufklärbarkeit trägt.
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Der Beklagte hat auch keine Umstände vorgetragen, die ausnahmsweise ein
Abweichen von dem Grundsatz der Verpflichtung zur öffentlichen Ausschreibung
rechtfertigen würden. Er hat insbesondere keine Tatsachen behauptet, die etwa eine
freihändige Vergabe gemäß § 3 Nr. 1 Abs. 3 VOB/A rechtfertigen würden. Der Beklagte
hat deswegen sowohl gegen die Vorschriften der VOB/A als auch gegen Nr. 3 der der
Bewilligung zu Grunde liegenden ANBest-P verstoßen.
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Soweit Angebote der Firma C vom 19.09. und 20.10.1995 vor dem
Bewilligungsbescheid vom 22.11.1995 vorlagen, hätte der Beklagte diese Angebote
nicht ohne weiteres mit Schreiben vom 12.12.1995 (Bl. 113 d. GA) annehmen dürfen, da
er spätestens nach Zugang des Bewilligungsbescheides Kenntnis von den ANBest-P
hatte bzw. hätte haben können und es ihm somit hätte bewusst sein müssen, dass eine
formelle öffentliche Ausschreibung erfolgen musste. Insoweit ist es unerheblich, dass -
was angesichts des später tatsächlich erfolgten Widerrufs sehr unwahrscheinlich
erscheint – Mitarbeiter des LOBA angeblich vor Erlass des Bewilligungsbescheides
mitgeteilt hätten, die Planung und Realisierung des Objekts könne schon erfolgen, da
dem Beklagten jedenfalls nach Zugang des Bewilligungsbescheides hätte klar sein
müssen, dass eine öffentliche Ausschreibung notwendig war und dass eine Annahme
der Angebote der Firma C durch ihn nicht mehr ohne weiteres erfolgen durfte.
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Der Beklagte handelte auch schuldhaft. Es liegt zumindest ein fahrlässiger Verstoß
gegen die VOB/A und die ANBest-P vor, da der Beklagte hätte wissen müssen, dass die
zuvor genannten Vorschriften der Subventionsbewilligung zu Grunde lagen und daher
zu beachten waren. Dementsprechend hat der Beklagte auch mit dem, dem Schreiben
an das LOBA vom 30.09.1996 beigefügtem Zwischennachweis ausdrücklich bestätigt,
dass die allgemeinen und besonderen Bestimmungen des Zuwendungsbescheides
beachtet wurden (Bl. 117/118 d. GA.). Das Verschulden des Beklagten ist auch nicht
deswegen ausgeschlossen, X er die Ausschreibung auf die Prokuristen delegiert hätte.
Zum einen kann sich der Geschäftsführer zu seiner Entlastung nicht auf schuldhafte
Mitverursachungsbeiträge unterstellter Mitarbeiter oder anderer Geschäftsführer berufen
(vgl. OLG L Urteil vom 11.07.2000, Az: 15 U 181/99). Zum anderen verbleiben dem
Geschäftsführer auch nach einer erfolgten Delegation besondere Beobachtungs- und
Überwachungspflichten (vgl. M/Hommelhoff, GmbHG, 16. Auflage, § 43, RdZiff. 17).
Derartige Kontroll- und Aufsichtspflichten bestehen im vorliegenden Fall erst recht
deshalb, X die Subventionsbewilligung für die Klägerin im vorliegenden Fall erkennbar
von ganz besonderer wirtschaftlicher Bedeutung war. Insoweit musste der Beklagte als
Geschäftsführer die Einhaltung der dem Bewilligungsbescheid zu Grunde liegenden
Bestimmungen besonders gründlich überwachen und überprüfen. Er kann sich nicht
darauf berufen, diesen Tätigkeitsbereich vollumfänglich auf die Prokuristen übertragen
zu haben. Dass der Beklagte den oben genannten Anforderungen gerecht geworden ist,
trägt er nicht substantiiert vor. Gleiches gilt auch im Hinblick auf die Beauftragung der
Firma S6. Auch insoweit erforderte es die Geschäftsführertätigkeit des Beklagten, diese
Firma engmaschig zu überwachen, daraufhin, ob die Nebenbestimmungen zum
Zuwendungsbescheid tatsächlich auch eingehalten werden. Dies gilt umso mehr, als
aus dem Schreiben der Firma S6 vom 07.09.1995, gerichtet an die Klägerin zu Händen
des Beklagten, folgt, dass die Firma S6 offenbar eine öffentliche Ausschreibung im
Sinne der VOB/A nicht beabsichtigte, sondern sich vielmehr an bestimmte Firmen
wenden wollte. Die bloße Verfügung des Beklagten, wonach eine Abschrift des
Bewilligungsbescheides an die Firma S6 übersandt werden sollte (Bl. 191 d. GA) wird
diesen Anforderungen ersichtlich nicht gerecht, zumal der Beklagte rechtlich auch
verpflichtet war, die Firma S6 in Bezug auf die Einhaltung der dem
Bewilligungsbescheid zu Grunde liegenden Bestimmungen auch tatsächlich zu
überprüfen.
19
Der Beklagte ist zur Überzeugung des Gerichts auch nicht gemäß § 46 Nr. 5 GmbHG
entlastet. Entlastung hätte zur Folge, dass die Z1 mit Ersatzansprüchen ausgeschlossen
wäre, die der Gesellschafterversammlung bei sorgfältiger Prüfung aller Vorlagen und
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Berichte erkennbar sind oder von denen alle Gesellschafter privat Kenntnis haben (bgl.
BGH WM 1998, 387 – 390; Hansiatisches OLG I2, OLGR I2 2000, 434 – 435). Diese
Voraussetzung hat der Beklagte nicht substantiiert dargelegt. Es ist nicht ersichtlich,
dass der Gesellschafterversammlung sämtliche Materialien bzw. Fakten bekannt waren,
auf Grund derer sie den drohenden Widerruf des Zuwendungsbescheides hätten
erkennen können. Derartige Hinweise ergeben sich insbesondere nicht aus den zur
Gerichtsakte überreichten Protokollen über die Gesellschafterversammlungen. Es ist
nicht ersichtlich, dass ein Hinweis erfolgt sei, darauf, dass eine öffentliche
Ausschreibung entgegen denen der Bewilligung zu Grunde liegenden Bestimmungen
nicht erfolgt sei. Ein entsprechender Hinweis scheint auch nur wenig logisch
nachvollziehbar, zumal der Beklagte nach eigenen Behauptungen auf Grund der
Delegation konkrete Kenntnisse des Ausscheidungsverfahrens gar nicht gehabt haben
will. Eine entsprechende Kenntnis der Gesellschaft bzw. der entsprechenden Organe ist
nicht ausreichend vorgetragen. Darauf hat die Klägerseite auch bereits mit Schriftsatz
vom 31.10.2005 (Bl. 207 d. GA) hingewiesen. Darüber hinaus ist auch nicht vorgetragen
bzw. aus dem Akteninhalt zu entnehmen, dass für die übrigen Gesellschafter die Gründe
für den Widerruf und die Rückforderung in irgendeiner Form erkennbar waren.
Insbesondere ergeben sich entsprechende Hinweise nicht aus dem zur Gerichtsakte
gereichten Bericht zur Prüfung des Jahresabschlusses der W & Q2 Z1 vom 01.12.1997,
der über die Höhe des Zuschusses hinaus keine weiteren Informationen über dessen
Inhalt mitteilt, insbesondere nichts über die der Bewilligung zu Grunde liegenden
Nebenbestimmungen.
Der Beklagte hat auch keine Umstände substantiiert dargelegt, die geeignet wären eine
Haftung unter dem Gesichtspunkt des rechtmäßigen Alternativverhaltens entfallen zu
lassen. Insbesondere ist nicht ausreichend dargelegt, dass eine ordnungsgemäße
öffentliche Ausschreibung im Sinne der VOB/A zeitlich unmöglich gewesen wäre, zumal
es ohne weiteres möglich gewesen wäre, die Auftragsvergabe an die Firma C zunächst
zurück zu stellen, eine ordnungsgemäße öffentliche Ausschreibung durchzuführen und
danach die entsprechenden Gewerke zu vergeben. Dass dies aus zeitlichen Gründen
ausschied bzw. für die Klägerin unzumutbar gewesen sei, hat der Beklagte nicht
ausreichend dargelegt.
21
Der geltend gemachte Schadensersatz besteht auch in vollem Umfang, da der
zurückgeforderte Betrag ausweislich der dem Widerrufsbescheid beiliegenden Anlage 1
(Bl. 439 ff. d. GA) der Höhe nach ausschließlich auf Zahlungen entfällt, die an die Firma
C AG erfolgt sind. Die Rückforderung bezieht sich ausschließlich auf Positionen, die auf
die schwerwiegenden Vergabeverstöße zurückzuführen sind. Soweit der Widerrufs- und
Rückforderungsbescheid vom 11.12.2003 unter Ziffer I., 2. auch auf Verstöße gegen
Mitteilungspflichten gestützt wird, die gegebenenfalls außerhalb der Amtszeit des
Beklagten erfolgt sind, so haben sich diese Verstöße nicht auf die Höhe der
Rückforderung ausgewirkt. Zurückgefordert wurden ausweislich der Anlage 1 zum
Widerrufsbescheid lediglich die Beträge, die entfielen auf die Firma C AG aufgrund der
fehlenden öffentlichen Ausschreibung.
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Der Einspruch der Klägerin ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens
gemäß § 254 BGB zu kürzen oder zu versagen. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass die
– streitige – Nichtbeteiligung des Beklagten an dem Verwaltungsverfahren bis zum
Erlass der Einspruchsentscheidung eine Vergrößerung des Schadens bewirkt hätte.
Nach dem oben dargelegten wäre es dem Beklagten nämlich ebenso wenig im
Verwaltungsverfahren wie im vorliegenden Rechtsstreit gelungen, darzulegen, dass
23
eine ordnungsgemäße öffentliche Ausschreibung im Sinne der VOB/A und der
allgemeinen Nebenbestimmungen tatsächlich erfolgt ist. Die Verwaltungsbehörde hätte
dementsprechend auch bei tatsächlicher Beteiligung des Beklagten seitens der Klägerin
genau denselben Widerrufs- und Rückforderungsbescheid erlassen.
Das Gericht hält sowohl den Widerrufs- und Rückforderungsbescheid der
Bezirksregierung B vom 11.12.2003 als auch den Widerspruchsbescheid vom
16.03.2004 für rechtmäßig, mithin die Rückforderung für zutreffend. Insbesondere geht
die Kammer mit den Verwaltungsbehörden davon aus, dass es sich im vorliegenden
Fall um schwere Vergabeverstöße handelt, die im Regelfall den Widerruf der
Zuwendung nach sich ziehen können. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die
zutreffenden Ausführungen der Bezirksregierung B im Widerspruchsbescheid vom
16.03.2004 zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
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Der Beklagte hat der Klägerin mithin den entstandenen Schaden, also die mit
Rückforderungsbescheid zurückgeforderte Summe in Höhe von 60.894,86 EUR sowie
die mit rechtskräftigem C2 der Bezirksregierung B vom 25.10.2005 festgesetzten Zinsen
in Höhe von 21.271,87 EUR als Schadensersatz zu ersetzen.
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Die geltend gemachten Zinsen folgen als Rechtshängigkeitszinsen aus §§ 286, 288,
291 BGB. Dass der Beklagte zu einem früheren Zeitpunkt in Verzug gewesen sein
könnte, ist nicht ersichtlich bzw. vorgetragen, so dass insoweit die Klage im Hinblick auf
die weiter geltend gemachten Zinsen abzuweisen war.
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Die Nebenentscheidungen begründen sich auf § 91, 709 ZPO.
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