Urteil des LG Mannheim vom 05.02.2016

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LG Mannheim Urteil vom 5.2.2016, 1 S 119/15
Anspruch auf Ersatz von Sachverständigenkosten nach einem Verkehrsunfall
Leitsätze
1. Auch wenn der - von der Geschädigten nicht beglichenen - Rechnung eine
Indizwirkung für die Bestimmung des zur Herstellung "erforderlichen" Betrages im
Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht zukommt, steht dem Geschädigten ein
Anspruch auf Ersatz der Kosten für das Schadensgutachten zu, wenn und soweit
diese nicht deutlich überhöht sind und dies für den Geschädigten erkennbar ist. Gibt
es selbst für den Fachmann keine verlässlichen Größenordnungen, ist für einen
Geschädigten regelmäßig nicht zu erkennen, wann die Honorarsätze "die in der
Branche üblichen Preise deutlich übersteigen". Deshalb wird die vom Geschädigten
vorgelegte Rechnung des Sachverständigen in der Regel zu erstatten sein.
2. Etwas anderes ist hingegen dann anzunehmen, wenn es zwischen dem
Sachverständigen und dem Geschädigten weder eine konkrete Honorarvereinbarung
gegeben hat, noch der Geschädigte die Sachverständigenkosten beglichen hat. Wird
keine Vereinbarung über die Höhe der Vergütung getroffen, gilt § 632 Abs. 2 BGB mit
der Folge, dass die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen ist, die in jedem Fall
zu erstatten ist.
3. Eine Erstattung der Sachverständigenkosten kommt nur insoweit in Betracht, als die
Geschädigte auch zur Zahlung des Sachverständigenhonorars verpflichtet ist. Ein
Anspruch des Sachverständigen auf Begleichung unnötiger Kosten besteht daher
nicht. Bei der Frage, wie viele Lichtbilder für die Begutachtung des Schadens
erforderlich sind, steht dem Sachverständigen grundsätzlich ein Ermessen zu.
4. Zinsen auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten können nicht bereits nach Ablauf
einer einseitig gesetzten Frist geltend gemacht werden. Eine bloße
Zahlungsaufforderung mit einseitiger Fristbestimmung reicht nicht aus, um den Verzug
des Gegners zu begründen, sofern dem Gläubiger nicht gemäß § 315 BGB ein
Leistungsbestimmungsrecht zusteht.
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Weinheim vom
13.10.2015, Az. 3 C 118/15, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 34,25 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 02.06.2015 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu Händen der Rechtsanwälte C 70,20
Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus
seit 23.06.2015 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 31,58 Euro festgesetzt.
Gründe
1 (abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
I.
2 Die Klägerin verlangt aus abgetretenem Recht restliche Kosten für das von ihr
nach einem Verkehrsunfall erstellte Sachverständigengutachten. Das Fahrzeug
der Zedentin wurde am 17.04.2015 bei einem Verkehrsunfall in Weinheim durch
einen bei der Beklagten haftpflichtversicherten PKW beschädigt. Zwischen den
Parteien steht nicht im Streit, dass die Beklagte für die Folgen des Unfalls
vollumfänglich einzustehen hat. Die Zedentin erteilte der Klägerin schriftlich mit
„Auftragserteilung und Vergütungsvereinbarung“ vom 20./21.04.2015 (Anlage K 1)
den Auftrag zur Erstellung eines Sachverständigengutachtens hinsichtlich des
Schadens an ihrem Fahrzeug. Als Nebenkosten sind in dem Auftrag u. a. für
Fahrtkosten 1,19 Euro/km brutto sowie für Fotokosten/Lichtbilder 2,64 Euro brutto
je Abzug angegeben. Die Klägerin erstellte ein Gutachten, ermittelte
Reparaturkosten von 2.926,08 Euro und berechnete für ihre Tätigkeit insgesamt
648,29 Euro brutto. In der Rechnung vom 20.04.2015 sind neben einem
Grundhonorar von 416,00 Euro netto Fahrkosten von 31,68 Euro netto (44 km zu
je 0,72 Euro), Fotokosten/Lichtbilder von 44,40 Euro netto (20 Stück zu je 2,22
Euro), Schreibkosten von 38,00 Euro netto und Kosten für Porto/Telefon von 14,70
Euro netto aufgeführt. Hierauf leistete die Beklagte insgesamt 614,04 Euro und
lehnte eine weitergehende Zahlung ab.
3 Das Amtsgericht hat der auf Zahlung der restlichen Sachverständigenkosten von
34,25 Euro nebst vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und Zinsen gerichteten
Klage in Höhe von 2,67 Euro hinsichtlich der Hauptforderung nebst Zinsen
stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Amtsgericht hat
ausgeführt, der Klägerin könne entgegengehalten werden, dass sie unnötige
Lichtbilder gefertigt habe, lediglich 14 Abzüge seien erforderlich. Es sei überflüssig,
die unbeschädigten Bereiche des Fahrzeugs zu dokumentieren. Der Nettopreis
von 2,22 Euro pro Abzug bewege sich im Rahmen der BVSK-Befragung, es könne
nicht davon ausgegangen werden, dass die Geschädigte den Preis als eindeutig
überhöht hätte zurückweisen müssen. Hinsichtlich der Fahrtkosten sei das
geforderte Honorar augenscheinlich überhöht, jeder Autofahrer wisse, dass der
Kostenaufwand für den Betrieb eines PKW allenfalls bei 0,50 Euro pro gefahrenen
Kilometer liegen. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten seien nicht zu erstatten, da
kein wirtschaftlich denkender Mensch bei einer berechtigten Forderung von 2,67
Euro zur nochmaligen vorgerichtlichen Geltendmachung einen Rechtsanwalt
beauftragt hätte.
4 Hiergegen richtet sich die vom Amtsgericht zugelassene Berufung der Klägerin, mit
der sie ihre erstinstanzlichen Ansprüche vollumfänglich weiterverfolgt.
5 Beide Parteien haben einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt.
II.
6 Die aufgrund der Zulassung durch das Amtsgericht gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO
statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung hat in der Sache - bis auf einen
Teil der Zinsforderung bzgl. der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten - vollständig
Erfolg. Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten aus abgetretenem Recht
gemäß §§ 7 Abs. 1, 17 StVG, § 115 VVG, §§ 249, 398 BGB der geltend gemachte
restliche Anspruch auf Zahlung von Sachverständigenkosten in Höhe von 34,25
Euro aus der Rechnung vom 20.04.2015 vollumfänglich zu; darüber hinaus
besteht auch ein Anspruch auf Zinsen und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten.
7 1. Die zur Schadensfeststellung erforderlichen Kosten eines Kfz-
Sachverständigengutachtens gehören zu den Kosten der Wiederherstellung nach
§ 249 Abs. 2 Satz 1 BGB und sind vom Schädiger zu erstatten. Ist wegen der
Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte
gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen
Geldbetrag verlangen. Sein Anspruch ist auf Befriedigung seines
Finanzierungsbedarfs in Form des zur Wiederherstellung objektiv erforderlichen
Geldbetrags und nicht etwa auf Ausgleich von ihm bezahlter Rechnungsbeträge
gerichtet. Der Geschädigte ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen in der Wahl
der Mittel zur Schadensbehebung frei. Er darf zur Schadensbeseitigung
grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am
besten zu entsprechen scheint. Denn Ziel der Schadensrestitution ist es, den
Zustand wiederherzustellen, der wirtschaftlich gesehen der hypothetischen Lage
ohne das Schadensereignis entspricht. Der Geschädigte ist deshalb grundsätzlich
berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des
Schadensgutachtens zu beauftragen. Der Geschädigte kann jedoch vom
Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand
nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen,
wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung
des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen. Er ist nach dem
Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den
wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der
für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Das
Gebot zu wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehebung verlangt jedoch vom
Geschädigten nicht, zu Gunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall
so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte. Denn in letzterem
Fall wird der Geschädigte nicht selten Verzichte üben oder Anstrengungen
machen, die sich im Verhältnis zum Schädiger als überobligationsmäßig darstellen
und die dieser daher vom Geschädigten nicht verlangen kann. Bei dem Bemühen
um eine wirtschaftlich vernünftige Objektivierung des Restitutionsbedarfs darf auch
im Rahmen von Abs. 2 Satz 1 des § 249 BGB nicht das Grundanliegen dieser
Vorschrift aus den Augen verloren werden, dass nämlich dem Geschädigten bei
voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadensausgleich
zukommen soll. Deshalb ist bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur
Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, eine
subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, d.h. Rücksicht auf die
spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen
Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn
bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Auch bei der Beauftragung eines Kfz-
Sachverständigen darf sich der Geschädigte damit begnügen, den ihm in seiner
Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht
zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen
betreiben (BGH, Urteil vom 22. Juli 2014 – VI ZR 357/13 –, Rn. 14 f., juris, m. w. N.;
BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 – VI ZR 225/13 –, Rn. 7, juris; KG Berlin, Urteil
vom 30. April 2015 – 22 U 31/14 –, Rn. 37, juris).
8 2. Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig
durch Vorlage der von ihm beglichenen Rechnung des von ihm zur
Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen. Die
tatsächliche Rechnungshöhe bildet dann bei der Schadensschätzung nach § 287
ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“
Betrags im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, schlagen sich in ihr doch die
besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles einschließlich der - vor dem
Hintergrund der subjektbezogenen Schadensbetrachtung relevanten -
beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig nieder.
Letztlich sind allerdings nicht die rechtlich geschuldeten, sondern die nach § 249
Abs. 2 Satz 1 BGB tatsächlich erforderlichen Kosten entscheidend. Ein Indiz für die
Erforderlichkeit bildet aber die Übereinstimmung des vom Geschädigten
erbrachten Kostenaufwands mit der Rechnung und der ihr zugrundeliegenden
getroffenen Preisvereinbarung, sofern diese nicht auch für den Geschädigten
deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegt. Wissensstand und
Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten spielen mithin bereits bei der Prüfung
der Erforderlichkeit des Schadensaufwandes eine maßgebende Rolle. Ein
einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages
zur Schadensbehebung reicht unter diesen Umständen grundsätzlich nicht aus,
um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen. Etwas anderes gilt,
wenn sich aus den getroffenen Vereinbarungen Umstände ergeben, die der
Rechnung die indizielle Bedeutung für die Erforderlichkeit der Aufwendungen
nehmen (BGH, Urteil vom 22. Juli 2014 – VI ZR 357/13 –, Rn. 16 f., juris, m. w. N.;
BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 – VI ZR 225/13 –, Rn. 8, juris; KG Berlin, Urteil
vom 30. April 2015 – 22 U 31/14 –, Rn. 38, juris). In der Entscheidung vom
22.07.2014 stellt der Bundesgerichtshof dabei im Vergleich zur Entscheidung vom
11.02.2014 klar, dass der Geschädigte seiner ihn im Rahmen des § 249 BGB
treffenden Darlegungslast nicht schon allein durch die Vorlage der Rechnung des
in Anspruch genommenen Sachverständigen, sondern ausschließlich durch
Vorlage der von ihm beglichenen Rechnung des mit der Begutachtung seines
Fahrzeugs beauftragten Sachverständigen genügt. Damit bildet (ex post gesehen)
ausschließlich der in Übereinstimmung mit der Rechnung und der ihr zugrunde
liegenden getroffenen Preisvereinbarung vom Geschädigten tatsächlich erbrachte
Aufwand bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein Indiz für die
Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ (ex ante zu bemessenden)
Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB (BGH, Urteil vom 22. Juli 2014 –
VI ZR 357/13 –, Rn. 16, juris, m. w. N.; LG Stuttgart, Urteil vom 29. Juli 2015 – 13 S
58/14 –, Rn. 8, juris).
9 3. Auch wenn der - von der Geschädigten nicht beglichenen - Rechnung der
Klägerin vom 20.04.2015 eine entsprechende Indizwirkung für die Bestimmung
des zur Herstellung „erforderlichen" Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1
BGB nicht zukommt, steht dem Geschädigten ein Anspruch auf Ersatz der Kosten
für das Schadensgutachten zu, wenn und soweit diese nicht deutlich überhöht sind
und dies für den Geschädigten erkennbar ist (LG Stuttgart, Urteil vom 29. Juli 2015
– 13 S 58/14 –, Rn. 10, juris). Relevant ist insoweit auch hier, inwieweit der
Geschädigte im Zeitpunkt der Beauftragung des Sachverständigen hat erkennen
können - ggf. durch Nachfragen -, inwieweit die vom Sachverständigen später
zugrunde zu legenden Preise bzw. seine Berechnung über der üblichen Vergütung
liegen wird (LG Fulda, Urteil vom 24. April 2015 – 1 S 177/14 –, Rn. 25, juris).
Liegen die mit dem Sachverständigen vereinbarten oder von diesem berechneten
Preise für den Geschädigten erkennbar erheblich über den üblichen Preisen, so
sind sie nicht geeignet, den erforderlichen Aufwand abzubilden. Bei der
Bemessung der Schadenshöhe hat das Gericht dann allerdings zu beachten, dass
der Schätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO tragfähige Anknüpfungspunkte zugrunde
liegen müssen. Wie sich bereits aus dem Wortlaut des § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO
ergibt, darf sie nicht völlig abstrakt erfolgen, sondern muss dem jeweiligen
Einzelfall Rechnung tragen, so dass der Bundesgerichtshof etwa eine pauschale
Begrenzung der Nebenkosten auf einen Betrag von 100,00 Euro beanstandet hat
(BGH, Urteil vom 22. Juli 2014 – VI ZR 357/13 –, Rn. 17, juris).
10 4. Etwas anderes ist hingegen dann anzunehmen, wenn es zwischen dem
Sachverständigen und dem Geschädigten weder eine konkrete
Honorarvereinbarung gegeben hat, noch der Geschädigte die
Sachverständigenkosten beglichen hat. Wird keine Vereinbarung über die Höhe
der Vergütung getroffen, gilt § 632 Abs. 2 BGB mit der Folge, dass die übliche
Vergütung als vereinbart anzusehen ist, die in jedem Fall zu erstatten ist. Mangels
konkreter Honorarvereinbarung kommt es dann nicht darauf an, ob der
Geschädigte möglicherweise deutlich überhöhte Gutachterkosten erkennen
konnte (KG Berlin, Urteil vom 30. April 2015 – 22 U 31/14 –, Rn. 42, juris). Der
Bundesgerichtshof hat entsprechend in den „Fahrbahnverschmutzungsfällen“
entschieden, dass ohne Vereinbarung einer bestimmten Vergütung zwischen
Geschädigtem und klagendem Reinigungsunternehmen die Klägerin nur die
übliche (§ 632 Abs. 2 BGB), ersatzweise eine im Rahmen ergänzender
Vertragsauslegung ermittelte angemessene oder jedenfalls eine der Billigkeit im
Sinne des § 315 Abs. 3 BGB entsprechende Vergütung verlangen kann. Nur eine
solche Vergütung bestimmt den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag und nur
zur Zahlung dieses Betrages an die Klägerin wäre der Geschädigte rechtlich
verpflichtet (BGH, Urteil vom 15. Oktober 2013 – VI ZR 471/12 –, Rn. 28, juris, m.
w. N.).
11 5. Diese unter Ziff. 1 bis 4 aufgeführten Grundsätze gelten auch dann, wenn – wie
hier – nicht der Geschädigte selbst, sondern der Sachverständige aus
abgetretenem Recht klagt. Denn geltend gemacht werden die Ersatzansprüche
des Geschädigten, die sich durch die Abtretung weder verändern noch umwandeln
(Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 20. Januar 2006 – 4 U
49/05 –, Rn. 52, juris).
12 6. Eine konkrete Honorarvereinbarung wurde hier zwischen der Klägerin und der
Geschädigten getroffen. Unter Berücksichtigung der dargelegten Grundsätze ist
weder hinreichend vorgetragen, noch ersichtlich, dass die mit der Klägerin
vereinbarten bzw. von ihr berechneten Preise für die Geschädigte erkennbar über
den üblichen Preisen lagen.
13 a) Zutreffend geht das Amtsgericht allerdings im Grundsatz davon aus, dass eine
Erstattung der Sachverständigenkosten nur insoweit in Betracht kommt, als die
Geschädigte auch zur Zahlung des Sachverständigenhonorars verpflichtet ist. Ein
Anspruch der Klägerin auf Begleichung unnötiger Kosten besteht daher nicht.
Anders als das Amtsgericht angenommen hat, war die Anfertigung von sechs der
abgerechneten 20 Lichtbilder jedoch nicht überflüssig. Die Klägerin hat
unwidersprochen vorgetragen, sie habe vom Fahrzeug der Klägerin zehn
Lichtbilder angefertigt, wobei diese im Original der Beklagten zur Verfügung
gestellt wurden und weitere zehn Lichtbilder der Geschädigten mit dem Gutachten
überlassen wurden. Das Gutachten vom 20.04.2015 enthält dementsprechend
auch zehn Lichtbilder, von denen vier Lichtbilder das Fahrzeug in der Übersicht
aus unterschiedlicher Perspektive von vorne und von hinten sowie ein Lichtbild die
Fahrzeugidentifikationsnummer und ein weiteres Lichtbild den Kilometerstand
zeigen. Das Amtsgericht erachtet offenbar drei der Übersichtsaufnahmen des
Fahrzeugs als überflüssig, da unbeschädigte Bereiche des Fahrzeugs
dokumentiert werden. Dieser Auffassung folgt die Kammer nicht. Bei der Frage,
wieviele Lichtbilder für die Begutachtung des Schadens erforderlich sind, steht
dem Sachverständigen grundsätzlich ein Ermessen zu. Die Klägerin hat auch
nachvollziehbar erläutert, dass die vollständige Ablichtung unbeschädigter Teile
eines PKW insbesondere zur Bewertung des Wiederbeschaffungswertes des
Fahrzeugs erforderlich und notwendig ist. Es kann insbesondere bei einer
gerichtlichen Auseinandersetzung zweckmäßig sein, außerhalb der eigentlichen
Beschädigungen den Zustand des Fahrzeugs zu dokumentieren, gerade wenn
das Fahrzeug repariert oder veräußert wird und für die Begutachtung durch einen
vom Gericht bestellten Sachverständigen nicht mehr zur Verfügung steht. Die drei
Übersichtsaufnahmen der unbeschädigten Bereiche des Fahrzeugs sind unter
diesen Umständen nicht als offensichtlich unnötig einzuschätzen, so dass die
Klägerin grundsätzlich die Erstattung der Kosten für 20 Lichtbilder verlangen kann.
14 b) Hinsichtlich der zwischen der Klägerin und der Geschädigten vereinbarten
Nebenkosten kann bereits nicht angenommen werden, dass die Kosten überhöht
sind; erst Recht bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Geschädigte eine
Überhöhung der Kosten hätte erkennen können.
15 aa) Die abgerechneten Nebenkosten (Fahrtkosten von 0,72 Euro netto pro
Kilometer, Lichtbilder für 2,22 Euro netto pro Abzug, Schreibkosten von pauschal
38,00 Euro netto sowie Porto/Telefon für pauschal 14,70 Euro netto) liegen
innerhalb oder unterhalb des Honorarkorridors, in dem je nach Schadenshöhe
zwischen 50 % und 60 % der Mitglieder des Bundesverbandes der freiberuflichen
und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e. V. (BVSK)
gemäß der BVSK-Honorarbefragung 2013 ihr Honorar berechnen. Die
Fahrtkosten belaufen sich nach dieser Befragung auf 1,02 Euro bis 1,25 Euro
netto pro Kilometer, die Kosten je Lichtbild für den ersten Fotosatz auf 2,37 Euro
bis 2,61 Euro netto, die Schreibkosten auf pauschal 31,67 Euro bis 39,10 Euro
netto und die Kosten für Porto/Telefon auf pauschal 16,21 Euro bis 21,26 Euro
netto (vgl. Anlage K 3). Damit stellt die Klägerin Nebenkosten in Rechnung, die
sich im Rahmen dessen bewegen, was eine Vielzahl anderer Sachverständige für
vergleichbare Leistungen verlangen. Die in der Honorartabelle enthaltenen Werte
beruhen auf einer relativ breiten Erfassungsgrundlage, was in erheblichem
Umfang dafür spricht, diese Werte als übliche Vergütung sachverständiger
Tätigkeit anzusehen. Jedenfalls entspricht eine Schätzung auf dieser Grundlage
nach § 287 ZPO pflichtgemäßem Ermessen (LG Arnsberg, Urteil vom 21. Januar
2015 – 3 S 210/14 –, Rn. 36, juris; AG Kassel, Urteil vom 22. Mai 2015 – 413 C
828/14 –, Rn. 15 ff., juris).
16 bb) Der Berücksichtigung der BVSK Honorarbefragung steht auch nicht die
Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22.07.2014 entgegen, die es lediglich
revisionsrechtlich nicht beanstandet hat, dass das Berufungsgericht die BVSK-
Honorarbefragung nicht für geeignet gehalten hat, die zu erwartenden Ansätze
bei anfallenden Nebenkosten in einem konkreten Fall verlässlich abzubilden
(BGH, Urteil vom 22. Juli 2014 – VI ZR 357/13 –, Rn. 20, juris). Soweit die
Beklagte vorträgt, der BVSK habe mit der Honorarbefragung 2015 auf eine
gesonderte Nebenkostenbefragung verzichtet, ist dies zutreffend. Allerdings
werden bei der im Internet (www.bvsk.de) abrufbare Honorarbefragung von der
BVSK nunmehr für die einheitliche Bewertung des Grundhonorars Nebenkosten
vorgegeben, die sich auf Fahrkosten von 0,70 Euro netto pro Kilometer,
Fotokosten von 2,00 Euro netto pro Lichtbild und Porto/Telefon von 15,00 Euro
netto pauschal sowie Schreibkosten von 1,80 Euro netto pro Seite belaufen.
Insbesondere die vom Amtsgericht beanstandeten Fahrkosten weichen von
dieser Vorgabe nur um 0,02 Euro pro Kilometer ab, zumal es nach den
Erläuterungen der Honorarbefragung dem Sachverständigen unbenommen bleibt,
bei entsprechender betriebswirtschaftlicher Begründung auch hiervon
abweichende Nebenkosten zu berechnen. Die Klägerin hat hierzu unbestritten in
der Berufungsbegründung vorgetragen, der Geschäftsführer der Klägerin nutze
einen PKW Mercedes Benz mit einem Anschaffungspreis von ca. 45.000,00 Euro
netto, mit dem nur ca. 5.000 km jährlich zurückgelegt würden, da viele Kunden an
die Prüfstelle kommen. Angesichts dieser Umstände kann nicht angenommen
werden, dass die berechneten Fahrkosten von 0,72 Euro netto pro Kilometer
überhöht sind.
17 cc) Selbst wenn die Abrechnungspraxis anderer Sachverständiger entsprechend
der BVSK-Honorarbefragung 2013 nicht für die Frage einer Überhöhung der
Kosten zu Grunde gelegt würde (so LG Stuttgart, Urteil vom 29. Juli 2015 – 13 S
58/14 –, Rn. 11, juris), konnte die Geschädigte eine entsprechende Überhöhung
jedenfalls nicht erkennen. Selbst ein Überschreiten der üblichen Honorarsätze
gemäß der Honorarumfrage des Sachverständigenverbandes würde nicht für sich
genommen dazu führen, dass dem Geschädigten ein Verstoß gegen die
Schadensminderungspflicht vorzuwerfen wäre. Nur wenn der Geschädigte
erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für
seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich
übersteigen, gebietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur
Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen (BGH, Urteil
vom 11. Februar 2014 – VI ZR 225/13 –, Rn. 9, juris).
18 dd) Gerade bei Beachtung der gebotenen subjektbezogenen
Schadensbetrachtung und wegen des Fehlens von Gebührenordnungen (vgl.
etwa RVG, HOAI oder GOÄ) verbietet sich eine Pauschalierung. Gibt es selbst für
den Fachmann keine verlässlichen Größenordnungen, ist für einen Geschädigten
regelmäßig nicht zu erkennen, wann die Honorarsätze „die in der Branche
üblichen Preise deutlich übersteigen“. Deshalb wird die vom Geschädigten
vorgelegte Rechnung des Sachverständigen in der Regel zu erstatten sein.
Verlässliche Maßstäbe für die Bestimmung ortsüblicher Nebenkosten liegen nicht
vor. Der Gutachter ist nicht dazu verpflichtet, Lichtbilder nach Discountpreisen
abzurechnen, gleiches gilt für Fahrtkosten; auch EDV-Kosten können gesondert
abgerechnet werden. Der Geschädigte kann in der Regel schon nicht erkennen,
wieviel Aufwand die Begutachtung insgesamt tatsächlich beansprucht und
inwieweit die Abrechnung des eigenen Sachverständigen mit dem in der Branche
üblichen zu vergleichen sein soll. Die Erstattungsfähigkeit kann daher nur dann
verneint werden, wenn selbst für einen Laien erkennbar ist, dass der
Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, Preis und Leistung in
einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen. Ein
Sachverständigenhonorar ist selbst dann noch als angemessen anzusehen,
wenn es im oberen Bereich des Erwartbaren angesiedelt ist; auf einen Mittelwert
ist nicht abzustellen (OLG München, Beschluss vom 12. März 2015 – 10 U
579/15 –, Rn. 21 ff., juris, m. w. N.). Der Schädiger ist zudem dadurch ausreichend
geschützt, dass er bzw. seine Versicherung einen Anspruch hat, sich
Schadensersatzansprüche gegen den Sachverständigen abtreten zu lassen,
sofern der Sachverständige überhöhte Kosten abrechnet (vgl. OLG München,
Beschluss vom 12. März 2015 – 10 U 579/15 –, Rn. 37, juris; Oberlandesgericht
des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 20. Januar 2006 – 4 U 49/05 –, Rn. 54,
juris).
19 7. Der Klägerin stehen auch die geltend gemachten Nebenforderungen
überwiegend zu. Sie hat einen Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten
in Höhe von 70,20 Euro (1,3 Geschäftsgebühr zzgl. Pauschale für Porto und
Telekommunikation bei einem Gegenstandswert bis 500,00 Euro), da sich die
Beklagte zum Zeitpunkt der Beauftragung des Prozessbevollmächtigten der
Klägerin mit der Zahlung der restlichen Sachverständigenkosten in Verzug befand,
nachdem die Beklagte auf eine Mahnung der Klägerin mit Fristsetzung nicht zahlte.
Aufgrund des Verzuges kann die Klägerin auch die Verzinsung der
Hauptforderung jedenfalls ab 02.06.2015 - wie beantragt - verlangen. Die Klägerin
hat hingegen hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten erst einen
Zinsanspruch ab dem 23.06.2015. Zinsen auf die vorgerichtlichen
Rechtsanwaltskosten können nicht bereits nach Ablauf der einseitig gesetzten
Frist im Schreiben vom 22.05.2015, sondern erst ab Zustellung des
Mahnbescheides gemäß § 286 Abs. 1 BGB geltend gemacht werden. Eine bloße
Zahlungsaufforderung mit einseitiger Fristbestimmung reicht nicht aus, um den
Verzug des Gegners zu begründen, sofern dem Gläubiger nicht gemäß § 315 BGB
ein Leistungsbestimmungsrecht zusteht (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2007 – III
ZR 91/07 –, BGHZ 174, 77-83; Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken,
Urteil vom 17. April 2013 – 1 U 398/11 - 117, 1 U 398/11 –, juris; Grüneberg in:
Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 286 Rn. 22).
III.
20 Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
21 Die Entscheidung ist ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu
erklären, weil es sich um ein Berufungsurteil in einer vermögensrechtlichen
Streitigkeit handelt und weil die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel
gegen das Urteil stattfindet, unzweifelhaft nicht vorliegen (§§ 708 Nr. 10, 713 ZPO).
22 Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht
vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die
Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Für die Entscheidung maßgeblich
waren vielmehr Gesichtspunkte des Einzelfalls unter Anwendung anerkannter
Rechtsgrundsätze.