Urteil des LG Köln vom 18.03.2009

LG Köln: auflage, tarif, gaststätte, verletzter, verwertung, bereicherung, eingriffskondiktion, verkehrswert, lizenzgebühr, verzug

Landgericht Köln, 28 O 637/08
Datum:
18.03.2009
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
28. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
28 O 637/08
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.189,52 € nebst Zinsen
i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.04.2005
und 6,00 € vorgerichtliche Kosten zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des
jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T A T B E S T A N D :
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Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche aufgrund der angeblichen Nutzung von
Musikstücken im Rahmen des Gaststättenbetriebes der Beklagten in der Zeit vom
01.04.2003 bis 31.07.2003.
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Die Klägerin, ein wirtschaftlicher Verein kraft staatlicher Verleihung, ist die einzige in
Deutschland bestehende Wahrnehmungsgesellschaft für musikalische Aufführungs-
und mechanische Vervielfältigungsrechte. Sie verwaltet durch Berechtigungsverträge
mit Komponisten, Textdichtern und Musikverlegern sowie durch
Gegenseitigkeitsverträge mit ausländischen Verwertungsgesellschaften ein
weltumfassendes Repertoire. Ihr wurden zudem von den inländischen
Verwertungsgesellschaften Wort, Bild-Kunst, GÜFA, VGF, GWFF sowie GVL
Ermächtigungen zur Einziehung von Ansprüchen im eigenen Namen und für eigene
Rechnung erteilt. Bezüglich der Vergütungsansprüche für die Nutzung von
Urheberrechten haben diese Gesellschaften keine eigenen Tarife aufgestellt. Die
Klägerin hat für die unterschiedlichen Arten von Nutzungen Tarife aufgestellt, die im
Bundesanzeiger allgemein veröffentlicht und zugänglich sind.
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Die Beklagte betreibt unter der Anschrift B-Straße in C eine Gaststätte, in der auch
Musik abgespielt wurde. Jedenfalls bis zum 01.02.2003 wurden von der Beklagten im
Rahmen ihres Betriebes Table Dance Veranstaltungen durchgeführt. Sie war zu einer
entsprechenden Nutzung der Stücke der Künstler, die von der Klägerin vertretenen
werden, durch einen Vertrag mit der Klägerin berechtigt. Dieser war jedenfalls nach dem
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31.03.2003 aufgrund einer Kündigung durch die Beklagte mit Schreiben vom
04.02.2003, auf das Bezug genommen wird, beendet. Ab dem 01.08.2003 schlossen die
Parteien erneut einen Vertrag über die Nutzungsberechtigung von Musikstücken im
Rahmen eines Table Dance Lokals der Beklagten.
Nachdem die Klägerin aufgrund eines angeblichen Kontrollbesuches am 12.07.2003
festgestellt haben will, dass weiterhin Table Dance Veranstaltungen bei der Beklagten
stattfanden, stellte sie der Beklagten den streitgegenständlichen Betrag in Rechnung.
Dabei wurde ein Kontrollzuschlag von 100 % berücksichtigt. Auf die als Anlage zur
Klageschrift eingereichte Rechnung wird Bezug genommen. Abgesehen von der Frage,
ob die Beklagte tatsächlich Table Dance Veranstaltungen durchführte, sind die weiteren
der Rechnung zugrunde liegenden Daten unstreitig.
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Da die Beklagte die streitgegenständlichen Rechnungen nicht ausglich, mahnte die
Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 05.08.2003, 15.08.2003, 25.08.2003 und
05.09.2003.
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Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe in ihrem Geschäftslokal im Zeitraum vom
01.04.2003 bis 31.07.2003 Table Dance Veranstaltungen durchgeführt. Dies sei
anlässlich eines Kontrollbesuches am 12.07.2003 festgestellt worden. Für diesen
Zeitraum habe keine vertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien bestanden.
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Die Klägerin ist der Ansicht, dass angesichts der unstreitigen zeitlichen Abläufe und
insbesondere der Vertragsabschlüsse davon auszugehen sei, dass die Table Dance
Vorführungen auch in der streitgegenständlichen Zeit stattfanden. Insoweit sei der
Anspruch auch nicht verjährt, da sich die Ansprüche auch aus § 812 BGB ergäben.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5.189,52 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.04.2005 und 6,00 €
vorgerichtliche Mahnkosten zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte bestreitet, in dem fraglichen Zeitraum Table Dance Veranstaltungen
durchgeführt zu haben. Soweit eine Dame in der Gaststätte getanzt hätte, läge keine
Vorführung von Table Dance vor. Insoweit bestreitet die Beklagte auch die
Durchführung eines Kontrollbesuches am 12.07.2003 mit Nichtwissen.
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Die Beklagte wendet ein, die Ansprüche seien verjährt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den
vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E:
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Die Klage ist begründet, da der Klägerin aufgrund der Rechtsverletzungen ein Anspruch
auf Zahlung der geltend gemachten Rechnung aus § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB
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zusteht.
1. Der Anspruch ist nicht verjährt. Nach §§ 137i, 102 S. 2 UrhG i.V.m. § 852 S. 2
BGB verjähren Bereicherungsansprüche in 10 Jahren seit ihrer Entstehung. Die
Klägerin macht Ansprüche aus Verletzungshandlungen seit aus dem Jahr 2003
geltend. Eine Verjährung ist daher nicht eingetreten.
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2. Auch ist der geltend gemachte Zahlungsanspruch der Klägerin gegen die
Beklagte gegeben. Denn die Beklagte verletzte die Nutzungsrechte der Klägerin,
indem sie ohne vertragliche Grundlage Musikstücke aus dem Repertoire der
Klägerin im Rahmen von Table Dance Veranstaltungen vorführte.
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Wer in fremde Immaterialgüterrechte eingreift, haftet unabhängig vom Verschulden
nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB unter dem Gesichtspunkt der Eingriffskondiktion
aus ungerechtfertigter Bereicherung, da er in den Zuweisungsgehalt eines Rechts
eingreift, dessen wirtschaftliche Verwertung dem Rechteinhaber vorbehalten ist
(vgl. BGH GRUR 1995, 673, 676 – Mauerbilder). Durch den rechtswidrigen
Einbruch in die fremde geschützte Rechtssphäre des Verletzten erlangt hat der
Verletzer den Gebrauch des fremden urheberrechtlich geschützten Gegenstandes.
Da dieser Gebrauch seiner Natur nach nicht herausgegeben werden kann, hat der
Bereicherte gem. § 818 Abs. 2 BGB dessen Wert zu ersetzen. Diesen bestimmt die
Rechtsprechung und die überwiegende Literatur nicht nach dessen konkret-
individuellen Wert für den Verletzter, sondern nach dem objektiven Verkehrswert.
Herauszugeben hat der Verletzer also im Rahmen der Bereicherungshaftung einen
Betrag in Höhe der üblichen Lizenzgebühr (BGH, GRUR 1982, 301, 303 –
Kunststoffprofil II; GRUR 1987, 524, 525 – Chanel No. 5 II).
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Nach diesen Grundsätzen ist eine Haftung der Beklagten anzunehmen. Soweit sie
sich darauf berufen will, dass ein Vertrag für die fragliche Zeit vorlag, ist der Vortrag
nicht hinreichend substantiiert. Denn die Beklagte trägt weder vor, wann ein
solcher Vertrag geschlossen worden sein soll noch legt sie dar, was Inhalt des
Vertrages gewesen sein soll. Da sie bestreitet Tabledance-Veranstaltungen im
fraglichen Zeitraum durchgeführt zu haben, hätte es ihr oblegen, im Einzelnen
darzulegen, dass ein Vertrag, der auch solche Veranstaltungen umfasst, mit der
Klägerin abgeschlossen wurde. Trotz Hinweis des Gerichts sind jedoch weder
weiterer Vortrag der Beklagten zu dem behaupteten Vertragsschluss noch die
Vorlage eines Vertrages erfolgt.
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Die Kammer geht auch davon aus, dass Tabledance-Veranstaltungen im fraglichen
Zeitraum stattfanden. Denn unstreitig bestanden bis zum 31.03.2003 und ab dem
01.08.2003 - also einem Zeitpunkt kurz nach dem angeblichen Kontrollbesuch -
entsprechende Verträge mit der Klägerin. Jedenfalls in diesem Zeitraum wurden
entsprechende Veranstaltungen durchgeführt. Auch bestreitet die Beklagte nicht,
dass zum Zeitpunkt des Kontrollbesuches eine Dame entsprechend tanzte. Die
Beklagte führt nur aus, dass dies keine Table Dance gewesen sein soll. Vor
diesem Hintergrund hätte die Beklagte im Rahmen einer sekundären
Darlegungslast darstellen müssen, aus welchem Grund entsprechende
Tanzeinlagen gezeigt wurden und warum lediglich für einen kurzen Zeitraum (bis
kurz nach dem Kontrollbesuch) keine entsprechenden Veranstaltungen
durchgeführt wurden.
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Da auch nach dem Hinweis der Kammer keine weiteren Ausführungen hierzu
erfolgten, ist von der Durchführung von Tabledance-Veranstaltungen im
streitgegenständlichen Zeitraum auszugehen.
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Da die Beklagte entsprechende Veranstaltungen durchführte, ist der hierfür in den
Tarifen der Klägerin vorgesehene Betrag, den die Klägerin unstreitig zutreffend
berechnete, im Rahmen des Bereicherungsanspruchs geschuldet. Da die
Veranstaltungen ohne entsprechende vertragliche Grundlage durchgeführt wurden,
ist auch der von der Klägerin geltend gemachte Kontrollzuschlag gerechtfertigt (vgl.
Dreier/Schulze, UrhG, 3. Auflage, § 97 Rn. 71 m.w.N.). Denn auch im Rahmen der
Bereicherungsansprüche ist dieser in die Berechnung des Erlangten
einzubeziehen. Die doppelte Tarifgebühr ist nämlich dadurch berechtigt, dass für
die rechtzeitig und ordnungsgemäß angemeldeten Aufführungen kein
umfangreicher und kostspieliger Verwaltungsaufwand nötig ist, also aus diesem
Grund ein niedriger Tarif gefordert werden kann (vgl. Wild in Schricker UrhG, 3.
Auflage, § 97 Rn. 64). Hieraus folgt, dass bei nicht angemeldeten Nutzungen der
Tarif zzgl. des Kontrollzuschlages als das im Rahmen des Bereicherungsrechts
Erlangte anzusehen ist.
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Der Zinsanspruch sowie der Anspruch auf Zahlung der vorgerichtlichen Kosten
ergibt sich aus Verzug, §§ 280 Abs. 1, 286, 288 BGB.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
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Streitwert: 5.189,52 EUR.
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