Urteil des LG Köln vom 04.07.2007

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Landgericht Köln, 23 O 347/06
Datum:
04.07.2007
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
23. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
23 O 347/06
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
T A T B E S T A N D:
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Für die am 3.7.1975 geborene Klägerin besteht bei der Beklagten u.a. eine stationäre
Ergänzungsversicherung für gesetzlich Krankenversicherte nach dem Tarif S3 (vgl.
Tarifbedingungen, Bl. 39 ff. GA). Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der
Beklagten für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung, bestehend
in Teil I aus den MB/KK 94 und in Teil II aus den Tarifbedingungen der Beklagten, sind
Gegenstand des Vertrages (vgl. Text: Bl. 41 ff. GA).
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Der Körper der Klägerin ist nicht in der Lage, Eizellen selbständig zu bilden. Vor der
streitgegenständlichen Behandlung wurde sie wegen Zystenbildung an den Eierstöcken
fünfmal operiert, wobei ihr bei der vorletzten Operation der rechte Eierstock entfernt
wurde. Der linke Eierstock bildete weiter Zysten. Im Jahre 2005 erfolgte daraufhin bei
der Klägerin in Spanien die streitgegenständliche Eizellenspende mit Invitro-
Befruchtung. Dazu fand am 3.3.2005 in dem IVI-Zentrum in Valencia ein Vorgespräch
statt und es wurde ein Spermiogramm und eine Kryokonservierung des männlichen
Samens durchgeführt. Die Eizellenspende von einer fremden Frau und die
Spermieninjektion erfolgten am 7.12.2005. Im Anschluss an die Behandlungen wurden
der Klägerin mit Schreiben vom 7.12.2005 (Bl. 24 f. GA) der streitgegenständliche
Betrag berechnet, welches die Klägerin mit Schreiben vom 23.12.2005 zur Erstattung
einreichte. Die Klägerin hat seitens der gesetzlichen Versicherung keinerlei Zahlungen
erhalten. Die Beklagte lehnte eine Kostenerstattung mit Schreiben vom 2.5.2006 (Bl. 26
f. GA) ab.
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Die Klägerin behauptet, dass es sich um eine stationäre Heilbehandlung gehandelt
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habe und diese medizinisch notwendig gewesen sei.
Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 7.070 € nebst Zinsen in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie ist der Ansicht, dass ihre Erstattungspflicht bereits aufgrund eines Verstoßes der
Behandlung gegen § 134 BGB ausgeschlossen sei, da die Behandlung nach § 1 Abs. 2
Nr. 1 Embryonenschutzgesetz in Deutschland unter Strafe gestellt sei. Weiterhin
bestreitet sie, dass der indizierte Samen vom Ehemann der Klägerin stamme.
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Wegen des weiteren Parteivorbringens im einzelnen, insbesondere soweit es für die
Entscheidungsgründe nicht wesentlich im Sinne des § 313 Abs. 2 ZPO ist, wird auf den
vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze einschließlich der Anlagen Bezug
genommen.
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Die Kammer hat mit Beschluss vom 12.2.2007 (Bl. 62 GA) Hinweise erteilt.
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E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
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Die Klage ist unbegründet.
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Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch aus dem zwischen den Parteien
bestehenden privaten Krankenversicherungsvertrag auf Erstattung der
streitgegenständlichen Kosten, welche eine sogenannte heterologe In-vitro-Fertilisation
im Sinne einer künstlichen Befruchtung unter Einsatz von Keimzellen (hier: Eizellen)
dritter Personen betreffen, zu.
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Nach § 1 2. AVB besteht Versicherungsschutz lediglich für eine medizinisch notwendige
Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit. Darunter ist nach ständiger
Rechtsprechung zu verstehen, dass es nach den objektiven medizinischen Befunden
und wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behandlung vertretbar war,
die Maßnahme des Arztes als medizinisch notwendig anzusehen. Vertretbar ist eine
Heilbehandlung dann, wenn sie in fundierter und nachvollziehbarer Weise das
zugrunde liegende Leiden diagnostisch hinreichend erfasst und eine ihm adäquate,
geeignete Therapie anwendet (vgl. BGH, VersR 79, 221; 87, 287; 91, 987; OLG Köln,
r+s 95, 431; r+s 98, 34; OLG Koblenz r+s 2002, 173). Davon ist dann auszugehen, wenn
eine Behandlungsmethode zur Verfügung steht und angewendet wird, die geeignet ist,
die Krankheit zu heilen, zu lindern oder ihrer Verschlimmerung entgegenzuwirken.
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Bereits unter Zugrundelegung dieser Grundsätze scheidet vorliegend eine
Erstattungsfähigkeit der streitgegenständlichen Behandlung aus. Anders als in den
Fällen der sogenannten homologen In-vitro-Fertilisation, deren grundsätzliche
Erstattungsfähigkeit im Falle der Sterilität eines Ehepartners anerkannt ist, zielt die
streitgegenständliche Behandlung in Form der künstlichen Befruchtung mit einer
gespendeten fremden Eizelle nicht auf die Heilung oder Linderung einer Krankheit der
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Klägerin ab. Denn die Krankheit der Klägerin, eigene Eizellen zu produzieren, um
genetische Nachkommen zu haben, wird durch die streitgegenständliche Behandlung
gerade nicht beeinflusst. Vielmehr wird nur der Wunsch nach einem Kind erfüllt, der auf
der Kinderlosigkeit gründet, die selbst aber keine Krankheit darstellt.
Unabhängig davon scheidet eine Anspruch gegen die Beklagte schließlich aber auch
deshalb aus, weil die Befruchtung menschlicher Eizellen zu einem anderen Zweck, als
eine Schwangerschaft der Frau herbeizuführen, von der die Eizelle stammt als auch die
Übertragung eines fremden Embryo auf eine dritte Frau bzw. einer fremden
unbefruchteten Einzelle nach deutschem Recht verboten ist, § 1 Abs. 1 Nr. 1, 2, 6
Embryonenschutzgesetz. Derartige Handlungen werden unter den Voraussetzungen
des § 1 Embryonenschutzgesetz strafrechtlich verfolgt. Wenn eine derartige
Behandlung, die die Klägerin durchführen hat lassen, in Deutschland aber pönalisiert
ist, dann kann diese auch keinen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte begründen,
auch wenn eine solche Behandlung im Ausland durchgeführt wird, wo sie nicht verboten
ist. Entscheidend ist, dass ein derartiger Behandlungsvertrag nach § 134 BGB in
Deutschland nichtig wäre. Daran ändert vorliegend auch nichts, dass die Klägerin
selber nach § 1 Abs. 3 Embryonenschutzgesetz strafrechtlich nicht belangt werden
kann. Sinn und Zweck des Embryonenschutzgesetzes ist nicht nur, die heterologe In-
vitro-Fertilisation als solche, sondern gerade auch eine auf diese Weise herbeigeführte
Schwangerschaft zu verhindern, so dass eine Leistungspflicht der Beklagten nicht
begründet werden kann.
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Nach alle dem war die Klage abzuweisen.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen hinsichtlich der Kosten auf § 91 Abs.
1 ZPO, hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1 und S. 2 ZPO.
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Streitwert: 7.070 €
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