Urteil des LG Kassel vom 07.10.2010

LG Kassel: sinn und zweck der norm, zustand der mietsache, verjährungsfrist, grammatikalische auslegung, systematische auslegung, historische auslegung, teleologische auslegung, condictio indebiti

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Gericht:
LG Kassel 1.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 S 67/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 548 Abs 2 BGB
Leitsatz
Der Bereicherungsanspruch des Mieters, der in Unkenntnis der Unwirksamkeit der
mietvertraglichen Klausel zu den Schönheitsreparaturen Renovierungsleistungen
erbracht hat, gegen den Vermieter verjährt gemäß § 548 Abs. 2 BGB sechs Monate
nach Beendigung des Mietvertrages.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Kassel vom
22.1.2010 – 450 C 216/08 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren
Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor ihrer Vollstreckung Sicherheit in
Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beklagte hat dem Kläger mit Mietvertrag vom 11.12.2000 eine Wohnung im 3.
Obergeschoss rechts des Mehrfamilienhauses „…“ vermietet. Das Mietverhältnis
ist zum 31.3.2007 beendet worden. Der Kläger verlangt mit seiner am 10.1.2008
eingereichten Klage von der Beklagten Zahlung von 575,78 € (700,00 € abzüglich
124,22 € unstreitiger Nebenkostennachzahlung) und stützt die Forderung darauf,
dass die Beklagte bei Beendigung des Mietverhältnisses von ihm auf der
Grundlage einer unwirksamen Renovierungsklausel zu Unrecht die Durchführung
einer Endrenovierung verlangt habe, für die er 700,00 € habe zahlen müssen. Die
Beklagte hat sich u. a. auf Verjährung berufen. Wegen der Einzelheiten des Sach-
und Streitstandes wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Feststellungen im
angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass
etwaige Zahlungsansprüche aus § 280 Abs. 1 BGB und § 812 Abs. 1 BGB verjährt
seien. Zwar sei die formularvertragliche Übertragung der Renovierungspflicht auf
den Kläger in § 3 Abs. 8 des Mietvertrages in Verbindung mit Nrn. 6, 11 der AVB
(Bl. 7, 33 d. A.), wonach der Mieter bei der Durchführung von
Schönheitsreparaturen nur mit Zustimmung des Vermieters von der bisherigen
Ausführungsart abweichen dürfe, nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs (WuM 2007, 259) gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam,
weshalb die Beklagte, indem sie den Kläger zur Renovierung aufgefordert habe,
pflichtwidrig und schuldhaft gehandelt. Darüber hinaus komme auch ein
Bereicherungsanspruch in Betracht. Der Einwand der Beklagten, dass der Kläger
bei dem vorausgegangenen Vorabnahmetermin die Durchführung von
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bei dem vorausgegangenen Vorabnahmetermin die Durchführung von
Renovierungsarbeiten zugesagt habe, greife nicht, weil der Zusage die irrtümliche
Annahme zugrundegelegen habe, auf Grund des Mietvertrages bereits zur
Renovierung verpflichtet zu sein, weshalb die Erklärung keine eigenständige
Verpflichtung oder Bestätigung im Sinne des § 141 BGB sei. Jedoch greife die
Einrede der Verjährung, weil auf beide in Betracht kommenden Ansprüche die
Vorschrift des § 548 Abs. 2 BGB anzuwenden sei mit der Folge, dass sie wegen der
kurzen Verjährungsfrist von sechs Monaten am 30.9.2007 verjährt wären. § 548
Abs. 2 BGB gelte nämlich nicht nur für mietrechtliche
Aufwendungsersatzansprüche, etwa nach §§ 536a, 539 BGB, sondern auch für alle
aus demselben Lebenssachverhalt konkurrierenden Ansprüche, z. B. aus GoA,
Deliktsrecht oder Bereicherungsrecht. Dies ergäbe sich aus Sinn und Zweck der
Norm.
Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 1.2.2010 zugestellte Urteil hat
der Kläger am 1.3.2010 Berufung eingelegt und diese innerhalb der um einen
Monat verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 3.5.2010 (Montag) begründet.
Der Kläger rügt die Verletzung materiellen Rechts und vertritt die Auffassung, dass
§ 548 Abs. 2 BGB weder auf den Schadensersatzanspruch noch auf den
Bereicherungsanspruch anwendbar sei und vielmehr die regelmäßige
Verjährungsfrist von 3 Jahren (§§ 195, 199 BGB) gelte.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Amtsgerichts Kassel vom 22.1.2010 – 450 C 216/08 –
abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 575,78 € nebst Zinsen in Höhe
von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.9.2007 zu zahlen
und ihn von der Gebührenforderung seiner in dieser Angelegenheit bereits
vorgerichtlich tätig gewordenen Prozessbevollmächtigten in Höhe von 83,84 €
freizuhalten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil, wobei sie allerdings allenfalls
einen Anspruch aus Bereicherung und nicht auch einen solchen aus
Pflichtverletzung für denkbar hält, weil ihr angesichts des Umstandes, dass die
Entscheidung des BGH (WuM 2007, 259) erst am 28.3.2007 und damit nach dem
Übergabetermin vom 26.3.2007 erlassen worden sei, während der BGH dieselbe
Vertragsklausel noch mit Urteil vom 20.10.2004 (WuM 2005, 50) für wirksam
erachtet habe, kein Verschuldensvorwurf gemacht werden könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den
Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
Die Berufung des Klägers ist statthaft, form- und fristgerecht eingelegt, innerhalb
der Begründungsfrist begründet worden und auch im übrigen zulässig. Zwar ist die
Erwachsenheitssumme angesichts der Beschwer von lediglich 575,78 € nicht
erreicht, jedoch hat das Amtsgericht die Berufung zugelassen – § 511 Abs. 4 S. 2
ZPO.
In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht
nicht auf einer Rechtsverletzung, vielmehr hat das Amtsgericht die Klage zu Recht
abgewiesen.
Zwar ist die hinsichtlich der Schönheitsreparaturen in Nr. 6 Abs. 2 der AVB (Bl 33)
enthaltene Regelung, dass der Mieter „nur mit Zustimmung des
Wohnungsunternehmens von der bisherigen Ausführungsart abweichen“ dürfe,
unwirksam, weil sie unklar ist und den Mieter in ihrer diesem ungünstigsten
Auslegung (§ 305c Abs. 2 BGB: nämlich, dass jegliche Veränderung
zustimmungspflichtig sein soll) unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 1 S. 1
BGB), denn es gibt keinen sachlichen Grund, weshalb es dem Mieter z. B.
hinsichtlich der Wahl eines abweichenden Farbtons des Wand- oder
Deckenanstrichs, verwehrt sein soll, sich in der Mietwohnung nach seinem
Geschmack einzurichten (vgl. BGH, Urteil vom 28.3.2007, WuM 2007, 259 [260]).
Folge der unangemessenen Einengung des Mieters in der Art der Ausführung der
Schönheitsreparaturen ist, weil eine geltungserhaltende Reduktion nicht in
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Schönheitsreparaturen ist, weil eine geltungserhaltende Reduktion nicht in
Betracht kommt (vgl. BGH, WuM 2010, 85 [87]; BGH, WuM 2008, 472 [474]), die
Unwirksamkeit der Abwälzung der Pflicht zu Vornahme von Schönheitsreparaturen
schlechthin. Dies alles steht zwischen den Parteien nicht im Streit.
Soweit die Vorinstanz hieraus den Schluss gezogen hat, dass die Klageforderung
aus § 280 Abs. 1 BGB begründet sei, folgt dem die Kammer nicht, weil sie das für
einen entsprechenden Schadensersatzanspruch erforderliche Verschulden der
Beklagten (§§ 280 Abs. 1 S. 2; 276 Abs. 2 BGB) verneint. Richtig ist zwar der
Ausgangspunkt der amtsrichterlichen Erwägungen, dass im Gebrauchmachen von
vermeintlichen Rechten aus unwirksamen Mietvertragsklauseln eine schuldhafte
Pflichtverletzung des Verwenders zu sehen sein kann, wobei nur entschuldbarer
Rechtsirrtum eine Haftung ausschließt und sich der Vermieter beispielsweise auch
nicht auf die Sachkunde etwa seines Interessenverbandes berufen kann (vgl. KG,
NJW 2009, 2689 [2689]; Sternel, NZM 2007, 545 [549]). Die Beklagte hat jedoch
im Berufungsrechtszug unwidersprochen vorgetragen, dass der BGH „exakt“ die
hier fragliche Klausel noch mit Urteil vom 20.10.2004 (WuM 2005, 50-53) für
wirksam erachtet hat. Liest man die Entscheidung nach, so fällt auf, dass der BGH
seinerzeit das Augenmerk hauptsächlich darauf gerichtet hatte, ob der Fristenplan
für die Renovierung als „starr“ (und damit unwirksam) oder als „weich“ (und damit
nicht zu beanstanden) anzusehen war, was er letztendlich angenommen hat.
Wenn aber, wie mit der Berufungserwiderung unwidersprochen vorgetragen, die
nunmehr monierte Klausel, die vom GdW (Bundesverband deutscher Wohnungs-
und Immobilienunternehmen e.V.) stammt, im Jahre 2004 noch höchstrichterlich
gebilligt worden ist, wäre es nach Ansicht der Kammer eine Überspannung der
Sorgfaltspflicht, von der Beklagten vor Erlass des abweichenden Urteils vom
28.3.2007 – zu diesem Zeitpunkt hatte die Beklagte bereits auf Renovierung
bestanden und war die Wohnungsrückgabe bereits erfolgt – zu verlangen, dass sie
die Abkehr des BGH von seiner eigenen Rechtsprechung vorausahnt und
dementsprechend ihren Mietern mitteilt, dass die ursprünglich wirksam
vereinbarten Vertragsbedingungen zu den Schönheitsreparaturen nunmehr
unwirksam seien. Das Amtsgericht hat Fahrlässigkeit im übrigen auch nur mit der
Begründung bejaht, dass die Beklagte zumindest hätte erkennen können, dass die
Klausel „sehr fraglich“ war, weil sie schon in der Kommentierung bei Schmidt-
Futterer in der 8. Auflage aus dem Jahr 2003 mit genau der Argumentation, die
später auch der BGH seiner Entscheidung zugrundegelegt hat, als unwirksam
bezeichnet worden sei. Diese Auffassung berücksichtigt zum einen nicht
hinreichend, dass die Beklagte als Vermieterin ihre eigenen Interessen verfolgen
und daher im Prinzip auch „fragliche“ (aber als noch wirksam anzusehende) AGB
verwenden und dann, wenn sie wirksam einbezogen worden sind, auch
durchsetzen darf. Zum anderen ist die Kammer der Auffassung, dass sich ein
Vermieter zwar an die Rechtsprechung, insbesondere diejenige des
Bundesgerichtshofs, halten, nicht aber an der Meinung der Kommentarliteratur
orientieren muss (und zwar auch dann nicht, wenn es sich, was das Amtsgericht
hervorhebt, um den „führenden“ Mietrechtskommentar handelt). Insoweit ist
beispielsweise darauf zu verweisen, dass die hier maßgebliche Fristenregelung
entsprechend dem Mustermietvertrag des GdW nach der Rechtsprechung des
BGH weiterhin als „weich“ (und damit als zulässig) anzusehen ist, obwohl auch
dies von Schmidt/Futterer-Langenberg (vgl. die aktuelle 9. Auflage München 2007,
§ 538 Rdnr. 223) – mit beachtlichen Argumenten – anders gesehen wird; und auch
in einem anderen namhaften Buch, nämlich bei Sternel, Mietrecht aktuell, 4.
Auflage Köln 2009, Rdnr. IX 94, wird die vorliegende Fristenregelung für unwirksam
gehalten. Maßgeblich für die Bejahung von Verschulden im Sinne des § 276 Abs. 2
BGB muss aber die Rechtsprechung – hier wird Recht gesprochen – und nicht die
Kommentarliteratur sein, zumal ansonsten der Vermieter, die Richtigkeit der
amtsgerichtlichen Überlegung unterstellt, quasi im vorauseilenden Gehorsam bzw.
vorsichtshalber die jeweils mieterfreundlichste Rechtsmeinung in der einschlägigen
Literatur – auch diejenige, der sich der BGH letztendlich nicht anschließt –
berücksichtigen müsste, um dem Verdikt der Unangemessenheit seiner AGB zu
entgehen.
Demgegenüber ist in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht ein Anspruch des
Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung von 575,78 € aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Fall
BGB (condictio indebiti) im Prinzip in bejahen. Die Beklagte hat etwas erlangt,
nämlich den Vermögensvorteil „frisch renovierte Wohnung“ (statt: abgewohnte
Wohnung). Dies erfolgte durch Leistung des Klägers, der den von der Beklagten
empfohlenen und gemeinsam zu dem Vorabnahmetermin hinzugezogenen
Malermeister „…“ mit der Durchführung der Schönheitsreparaturen beauftragt
hat. Die Beklagte hat die Leistung schließlich auch ohne rechtlichen Grund erlangt,
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hat. Die Beklagte hat die Leistung schließlich auch ohne rechtlichen Grund erlangt,
weil eine GoA als Rechtsgrund nicht in Betracht kommt (vgl. BGH, WuM 2009, 395
[397]) und ein mietvertraglicher Anspruch auf die Renovierungsleistung wegen der
Unwirksamkeit der entsprechenden Vertragsklausel ausscheidet. Das Amtsgericht
hat ferner zu Recht unter Verweis auf BGH, WuM 2006, 206 (307) ausgeführt, dass
die zwischen den Parteien stattgefundene mündliche Besprechung des Umfangs
der Renovierungspflicht in der Annahme erfolgt ist, dass eine Renovierungspflicht
bestehe, weshalb sie keine eigenständige Verpflichtung oder Bestätigung im Sinne
des § 141 BGB begründet bzw. ist. Da die Leistung nicht in Natur herausgegeben
werden kann, ist bereicherungsrechtlich Wertersatz geschuldet – § 818 Abs. 2
BGB. Dieser richtet sich nach dem Wert der üblichen, hilfsweise der
angemessenen Vergütung der rechtsgrundlos erbrachten Leistung (vgl. BGH, WuM
2009, 395 [398]), wobei der Betrag von 700,00 € angesichts des Umstandes, dass
unstreitig Renovierungsarbeiten in einer 63,56 m² großen 3-Zimmer-Wohnung
entsprechend der Niederschrift vom 26.3.2007 (Bl. 46-51 d. A.) durchgeführt
worden sind, nicht aus dem Rahmen fällt – § 287 Abs. 2 ZPO.
Die Kammer teilt jedoch die Auffassung des Amtsgerichts, dass die von der
Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greift und ihr deshalb ein
Leistungsverweigerungsrecht (§ 214 Abs. 1 BGB) zusteht, weil § 548 Abs. 2 BGB
anwendbar ist mit der Folge, dass die Verjährung im Zeitpunkt der Erhebung der
Klage im Januar 2008 bereits vollendet gewesen ist, nachdem das Mietverhältnis
bereits zum 31.3.2007 beendet worden und die sechsmonatige Verjährungsfrist
daher gemäß §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, 3 BGB mit Ablauf des 30.9.2007
abgelaufen war. Die Voraussetzungen für eine Hemmung der Verjährung, etwa
wegen Verhandlungen (§ 203 BGB), hat der Kläger, auch nicht in Reaktion auf den
entsprechenden Hinweis auf S. 6 des angefochtenen Urteils, nicht vorgetragen.
Allerdings ist umstritten, ob der Bereicherungsanspruch des Mieters wegen auf
Grund unwirksamer Renovierungsklausel ausgeführter Schönheitsreparaturen der
kurzen Verjährungsfrist des § 548 Abs. 2 BGB unterliegt. Dafür haben sich u. a.
ausgesprochen LG Freiburg, WuM 2010, 480; AG Freiburg, WuM 2010, 232 ff.; AG
Schöneberg, Urteil vom 16.4.2010, 17b C 206/09, zitiert nach JURIS;
Bamberger/Roth-Ehlert, BGB, 2. Auflage München 2007, § 548 Rdnr. 372; Gsell,
NZM 2010, 71 ff.; Klimke/Lehmann-Richter, WuM 2006, 653 (655: analoge
Anwendung); MünchKomm-Bieber, 5. Auflage München 2008, § 548 Rdnr. 3;
Paschke, WuM 2008, 647 (652); Schmidt, WuM 2010, 191 (200); Staudinger-
Emmerich, Bearbeitung 2006, § 548 Rdnr. 19, 20; Sternel, NZM 2007, 545 (549)
und Ders., Mietrecht aktuell, 4. Auflage München 2009, Rdnrn. IX 44, 234. Für eine
Anwendung der §§ 195, 199 BGB und damit die Geltung einer dreijährigen
Verjährungsfrist plädieren demgegenüber u. a. Blank, WuM 2010, 234 f.; Ders.,
JurisPR-Mietrecht 17/2010, zitiert nach JURIS; Ders., NZM 2010, 97 (102);
Eisenschmid, WuM 2010, 459 (470); Ernst, WuM 2009, 581 (583); Jacoby, Vortrag
beim Deutschen Mietgerichtstag 2010 (abrufbar unter www.mietgerichtstag.de)
und Wiek, WuM 2010, 535 (537).
Bei der Frage, wie die Vorschrift des § 548 BGB, wonach
verjähren, auszulegen ist, ist auf die allgemeinen
Auslegungskriterien zurückzugreifen, was zu den folgenden Überlegungen führt:
Grammatikalische Auslegung
Der Begriff der „Aufwendungen“ wird im Gesetz verschiedentlich verwandt (§§ 256,
304, 347, 478, 536a, 539, 554, 637, 670, 683, 684, 1835 BGB), jedoch gibt es
keine Legaldefinition. Aufwendungen werden üblicherweise als „freiwillig erbrachte
Vermögensopfer“ bezeichnet, die der Aufwendende zu einem bestimmten Zweck
(z. B. bei §§ 536a und 637: zur Mängelbeseitigung oder bei § 670: zur
Auftragsausführung) erbringt. Hier geht es um freiwillig erbrachte Vermögensopfer
zum Zwecke der Erfüllung der (vermeintlichen) Renovierungspflicht und damit vom
juristischen Sprachgebrauch her um Aufwendungen. Dabei geht z. B. aus § 347
Abs. 2 S. 2 BGB hervor, dass Bereicherungsansprüche und
Aufwendungsersatzansprüche einander begrifflich nicht ausschließen, sondern
dass eine Aufwendung – gerade wenn sie den Anspruchsgegner bereichert hat –
auszugleichen sein kann, weshalb die von der Gegenmeinung vertretene
Auffassung, dass Aufwendungsersatzansprüche und Bereicherungsansprüche
verschiedenen Verjährungsregeln unterworfen seien (nämlich
Bereicherungsansprüche der dreijährigen Regelverjährung), auch aus diesem
Grund nicht überzeugt. Der Wortlaut der Norm spricht daher nach Ansicht der
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Grund nicht überzeugt. Der Wortlaut der Norm spricht daher nach Ansicht der
Kammer für eine Anwendung des § 548 Abs. 2 BGB auf den streitgegenständlichen
Anspruch.
Systematische Auslegung
§ 548 BGB ist eine Sonderregelung im Mietvertragsrecht zu §§ 194 ff. BGB,
weshalb man annehmen könnte, dass entsprechend dem allgemeinen Grundsatz,
dass Sonderregelungen eher eng auszulegen sind, zu den in § 548 Abs. 2 BGB
aufgeführten Aufwendungsersatzansprüchen nur spezifisch mietrechtliche
Ansprüche (z. B. aus §§ 536a, 539 BGB) zählen und nicht solche aus besonderen
gesetzlichen Schuldverhältnissen (z. B. § 812 BGB). Das spricht für die
Gegenauffassung, die für den vorliegenden Fall von der regelmäßigen
Verjährungsfrist von 3 Jahren (§ 195 BGB) ausgeht.
Historische Auslegung
Den bei Wiek, WuM 2010, 535 ff., zitierten Gesetzesmaterialien kann die Kammer,
anders als Wiek, nichts Entscheidendes für die Gegenansicht entnehmen. Richtig
dürfte zwar sein, dass § 558 BGB a. F. in erster Linie auf die
Verwendungsersatzansprüche des Mieters auf § 547 BGB a. F. und sein
Wegnahmerecht aus § 547a BGB a. F. abzielte und dass der Wechsel von
„Verwendungen“ zu „Aufwendungen“ in § 548 Abs. 2 BGB lediglich eine
Anpassung an die geänderte Fassung der §§ 539, 536a Abs. 2 BGB ist (vgl. BT-Drs.
14/4553, S. 45). Es ist jedoch unstreitig, dass der Gesetzgeber mit den
Verjährungsvorschriften den Zweck verfolgt, eine rasche Auseinandersetzung
zwischen den Mietvertragsparteien zu gewährleisten und eine beschleunigte
Klarstellung derjenigen Ansprüche, die vom Zustand der überlassenen Mietsache
bei Rückgabe abhängen, zu erreichen (vgl. Prot II 177, 194, zitiert nach BGH, NJW
1967, 980 [981] sowie BT-Drs. 14/4553, S. 45), was, wie gleich darzulegen sein
wird, für die Richtigkeit der hier vertretenen Auffassung streitet.
Teleologische Auslegung
Weil der Sinn und Zweck des § 548 BGB darin liegt, dass die wechselseitigen
Ansprüche der Mietvertragsparteien, die vom Zustand der Mietsache zur Zeit der
Rückgabe abhängen, nach Beendigung des Mietverhältnisses möglichst rasch
abgewickelt werden sollen, ist allgemein anerkannt, dass § 548 BGB bzw. § 558
BGB a. F. – trotz der Gesetzessystematik – grundsätzlich weit auszulegen sind
(vgl. BGHZ 135, 152 [155]; BGHZ 98, 235 [237]; BGH, NJW 1987, 187 [188]); BGH,
NJW 1967, 980 [981]; Bamberger/Roth-Ehlert, a.a.O., § 548 Rdnr. 2;
Schmidt/Futterer-Gather, Mietrecht, 9. Auflage München 2007, § 548 Rdnr. 29).
Der Sinn und Zweck der Norm gebietet es, die kurze Verjährungsfrist auch auf
Bereicherungsansprüche wegen wie hier rechtsgrundlos durchgeführter
Renovierungsarbeiten anzuwenden, weil der Grundgedanke, dass sichere
Feststellungen zur Anspruchshöhe mit dem Zeitablauf immer schwieriger werden,
da der vor der Übergabe bestehende und der bei der Übergabe geschaffene
Zustand der Mietsache immer schlechter zu ermitteln sind, auch hier
grundsätzlich greift. Es ist vorliegend nur auf eine Sonderkonstellation
zurückzuführen, dass die Klageforderung der Höhe nach schlüssig dargelegt
werden konnte, weil nämlich die Beklagte vor Ort selbst in Anwesenheit des
Zeugen „…“ den zu leistenden Renovierungsumfang bestimmt hat und weil sie
selbst mitgeteilt hat, dass in diesem Umfang Renovierungsbedarf bestand und
dass der Zeuge „…“ ihr als zuverlässig und solide bekannt ist, weshalb sie ihn
auch hinzugezogen hatte. In einem „Normalfall“, bei dem der Mieter, etwa weil er
erst später in der Zeitung gelesen hat, dass die mietvertragliche
Renovierungsklausel unwirksam war, seinen Bereicherungsanspruch nach z. B. 2,5
Jahren geltend macht, werden kaum Feststellungen – und in der Regel auch keine
gemeinsame Feststellungen – zum Renovierungsbedarf getroffen worden sein, so
dass der Mieter im Nachhinein substantiiert dartun müsste, wie der Zustand der
Wohnung vor der Renovierung war und welche Arbeiten im einzelnen erforderlich
gewesen sind; ferner, dass die Arbeiten entsprechend durchgeführt worden sind
und dass der von ihm beauftragte Handwerker ortsüblich abgerechnet hat. Das
wird nur in den allerseltensten Fällen möglich sein und zeigt, wie sinnvoll eine
sechsmonatige Verjährungsfrist gerade auch für die hier in Rede stehenden
Bereicherungsansprüche ist.
Daher gelangt die Kammer unter zusammenfassender Würdigung der
verschiedenen Auslegungskriterien zu dem Ergebnis, dass Wortlaut, Wille des
Gesetzgebers und Sinn und Zweck des Gesetzes die entsprechende Anwendung
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Gesetzgebers und Sinn und Zweck des Gesetzes die entsprechende Anwendung
des § 548 Abs. 2 BGB auf den streitgegenständlichen Bereicherungsanspruch
gebieten und demgegenüber die Argumentation der Gegenauffassung, das auf
Grund einer unwirksamen Renovierungsklausel Geleistete sei wie eine nicht
geschuldete Mietzahlung zu behandeln, für die ebenfalls die dreijährige
Verjährungsfrist gelte, weil es um einen Fall der Leistungskondiktion gehe, der
grundsätzlich der Regelverjährung unterliege, nicht überzeugt, da sie Wortlaut und
Sinn und Zweck des § 548 BGB nicht hinreichend würdigt. Soweit damit
argumentiert wird, dass die Rechtsfolge des § 548 BGB nicht passe, wenn der
Mieter erst lange nach Beendigung des Mietverhältnis erfahre, dass die
entsprechende Mietvertragsklausel unwirksam war (so Jacoby in seinem Referat
vom 27.2.2010, S. 7), ist dem wiederum entgegenzuhalten, dass genau dies der
Wille des Gesetzgebers ist: die Dinge sollen in überschaubarer Zeit nach
Beendigung des Mietverhältnis abschließend geregelt sein und danach soll
Rechtsfrieden einkehren. Für die hier vertretene Ansicht sprechen nach Ansicht der
Kammer auch die Ausführungen des BGH in BGHZ 108, 256 [267], wonach
Bereicherungsansprüche aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB dann der kurze Verjährung
(des § 558 BGB a. F.) unterfallen, wenn sie „eine Notordnung darstellen, die bei
Fehlen einer vertraglichen Regelung einen gerechten Ausgleich sicherstellen“
sollen und dass für sie demgegenüber dann die Regelverjährung gelten soll, wenn
sie „von den mietrechtlichen Beziehungen der Beteiligten unabhängig“ sind.
Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Klage auch hinsichtlich der
Nebenforderungen (Zinsen und Freistellungsanspruch hinsichtlich der
vorgerichtlichen Anwaltskosten, die im übrigen offenbar wegen eines
Schreibfehlers um 30 Cent überhöht geltend gemacht worden sind) unbegründet
ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 S.
1, 2, 709 S. 2 ZPO.
Die Revision wird zugelassen, weil zu erwarten ist, dass die Verjährungsproblematik
bei Bereicherungsansprüchen infolge trotz zunächst unbekannt gebliebener
Unwirksamkeit einer Renovierungsklausel durchgeführter Schönheitsreparaturen in
einer unbestimmten Vielzahl von Fällen entscheidungserheblich sein wird und eine
höchstrichterliche Entscheidung hierzu noch nicht ergangen ist; die Rechtssache
hat damit grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.