Urteil des LG Karlsruhe vom 16.12.2014

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LG Karlsruhe Urteil vom 16.12.2014, 11 S 14/14
Wohnungseigentum: Anspruch eines Wohnungseigentümers auf Wärmedämmung bei
Schimmelbefall
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 20.12.2013, Az. 45 C 87/13,
wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
1 Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das Amtsgericht die angefochtene Entlastung der
Verwaltung sowie die angefochtene Ablehnung einer Innendämmungsmaßnahme in der Wohnung der Kläger
für ungültig erklärt und einen entsprechenden Beschluss der Eigentümer zur Innendämmung der
Außenwände der Wohnung der Kläger nach den Empfehlungen des Sachverständigen Brand ersetzt.
2 1. Zutreffend hat das Amtsgericht erkannt, dass die Wohnung der Kläger instandsetzungsbedürftig ist und
die Kläger gemäß § 21 Absatz 4 und Absatz 5 Nummer 2 WEG einen Anspruch auf Instandsetzung im
Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung der Gemeinschaft haben. Denn nach den genannten
Vorschriften hat jeder Wohnungseigentümer einen Anspruch darauf, dass das Gemeinschaftseigentum in
einem einwandfreien Zustand gehalten oder - falls ein solcher niemals bestanden hat - erstmals in einen
ordnungsgemäßen Zustand versetzt wird (BGH, Urteil vom 17. Oktober 2014 - V ZR 9/14 - MDR 2015, 16).
Dazu gehört auch, dass die Wärmedämmung, die gemäß § 5 Absatz 2 WEG stets im Gemeinschaftseigentum
steht (KG Berlin, Beschluss vom 22. September 2008 - 24 W 83/07 - ZMR 2009, 135), in den Zustand
versetzt wird, der zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes den geltenden technischen Anforderungen
entspricht. An spätere, höhere technische Anforderungen muss sie nicht angepasst werden. Eine
Instandsetzungspflicht scheidet daher aus, wenn das Haus auch hinsichtlich seiner Wärmedämmung
ursprünglich einwandfrei errichtet wurde (OLG Hamburg, Beschluss vom 20. Januar 1998 - 2 Wx 61/95 -
WuM 1999, 55; jurisPK-BGB/Reichel-Scherer 7. Auflage 2014 § 21 Rn. 279).
3 In nicht zu beanstandender Weise hat das Amtsgericht festgestellt, dass die Außenwände der Wohnung der
Kläger im Sockelbereich hinsichtlich der Wärmedämmung instandsetzungsbedürftig sind. Zutreffend hat es
sich bei dieser Feststellung auf das Gutachten des Sachverständigen Brand aus dem zwischen den Klägern
und ihrem Mieter geführten selbständigen Beweisverfahren vor dem Amtsgericht Heidelberg - 27 H 5/12 -
gestützt, in dem die Kläger den Beklagten den Streit verkündet haben. In dem Gutachten kommt der
Sachverständige zu der nachvollziehbaren und plausiblen Feststellung, dass im Sockelbereich der
Außenwände wegen des geringen Dämmwertes der Stahlbetondecke und Stahlbetonkellerwand eine
ausgeprägte Wärmebrücke vorhanden ist und der gemäß DIN 4108 in der zum Errichtungszeitpunkt des
Gebäudes geltenden Fassung gebotene Mindestwärmedurchlasswiderstand bei weitem unterschritten wird.
Das Gebäude genügt daher in diesem Teil nicht den technischen Anforderungen und muss instand gesetzt
werden.
4 Soweit die Beklagten im Berufungsverfahren erstmals das Gutachten mit dem Vorwurf angreifen, der
Sachverständige sei von einem falschen Baujahr ausgegangen, denn das Gebäude sei bereits im Juli 1969
errichtet worden, so ist dieser Vortrag gemäß §§ 529 Absatz 1, 531 Absatz 2 ZPO unbeachtlich. Bis zum
Berufungsverfahren war es unstreitig, dass das Gebäude Anfang der Siebziger Jahre des vorigen
Jahrhunderts errichtet wurde, entsprechend haben auch die Beklagten in erster Instanz ausdrücklich
vorgetragen (Schriftsatz vom 31. Oktober 2013, Akten erster Instanz Seite 441). Wenn sie nun anderes
behaupten wollen, dürfen sie dies nur unter den Voraussetzungen des § 531 Absatz 2 ZPO, die indessen
nicht vorliegen. Insbesondere ist nicht zu erkennen, dass die Beklagten gehindert waren, schon in erster
Instanz das Baujahr des Gebäudes zu ermitteln und dazu in der Weise vorzutragen, wie sie es nun erstmals
in zweiter Instanz tun. Der Sachverständige musste daher die DIN 4108 in der seit August 1969 gültigen
Fassung zugrunde legen.
5 Entsprechendes gilt für die im Berufungsverfahren erstmals vorgetragene Vermutung, die
Stahlbetonelemente der Kellerwände und -decke könnten eine Kerndämmung enthalten. Auch hier gilt, dass
das Gutachten des Sachverständigen bereits in erster Instanz mit dieser Behauptung hätte angegriffen
werden müssen. In zweiter Instanz ist dieser neue Vortrag gemäß §§ 529 Absatz 1, 531 Absatz 2 ZPO
unzulässig. In erster Instanz gingen die Beklagten selbst noch von „Stahlbetondecken“ aus, ohne die
Möglichkeit einer Kerndämmung auch nur anzudeuten (Schriftsatz vom 31. Oktober 2013, Seite 3, Akten
erster Instanz Seite 443).
6 Das unzureichende Heiz- und Lüftungsverhalten der damaligen Mieter der Kläger hat der Sachverständige
hinreichend berücksichtigt. Da nach den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des
Sachverständigen selbst bei ordnungsgemäßem Wohn- und Nutzungsverhalten Tauwasser im Sockelbereich
der Außenwände entstehen würde, waren weitere Ermittlungen zum Heiz- und Lüftungsverhalten nicht
erforderlich. Der Sachverständige hat in einer Beispielsrechnung dargelegt, dass bei dem vorhandenen
Wärmeübergangswiderstand im Sockelbereich der Außenwände an deren Innenseite der kritische
Temperaturwert von 12,6 °C deutlich unterschritten wird und deshalb auch bei geringer Luftfeuchtigkeit
von 50 Prozent und ausreichender Innentemperatur von 20 °C dort mit Tauwasserbildung zu rechnen ist.
Dabei hat er entgegen der Meinung der Beklagten nicht die DIN 4108 in der seit dem Jahr 2003 geltenden
Fassung angewendet, auch nicht mittelbar. Die ungenügende Dämmung stützt er allein auf den nach DIN
4108 in der Fassung 1969 vorgeschriebenen Wärmedurchlasswert, der im Sockelbereich der Außenwände
aufgrund der baulichen Ausführung nicht eingehalten wird. Berechnungswerte aus der DIN 4108 2003 zieht
er nur heran, um zu illustrieren, dass Bewohner der Wohnung der Kläger auch bei richtigem Wohnverhalten
Tauwasserbildung nicht verhindern können. Damit stellt er aber keine höheren technischen Anforderungen
an das Gebäude, als es in der DIN 4108 1969 getan wird.
7 Die in zweiter Instanz wiederholte Einrede der Verjährung greift nicht durch. Wie das Amtsgericht
zutreffend ausgeführt hat, unterliegt der Anspruch auf ordnungsgemäße Verwaltung nicht der Verjährung.
Die Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung ist eine Dauerverpflichtung und kann deshalb nicht verjähren
(BGH, Urteil vom 27. April 2012 - V ZR 177/11 - MDR 2012, 834). Entgegen der Ansicht der Beklagten gilt
auch nicht anderes, weil im Jahr 1999 neue Fenster eingebaut worden sind. Zwar mögen die neuen Fenster
die Problematik verschärft haben, sie sind aber nicht ursächlich für die Schimmelbildung; die Ursache liegt
nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen in der nicht ausreichenden Dämmung der
Außenwände. Deshalb hat die Pflicht zur ordnungsgemäßen Instandsetzung auch schon vor dem
Fenstertausch bestanden; diese Pflicht wird nicht durch eine andere Baumaßnahme inhaltlich verändert oder
plötzlich der Verjährung unterworfen.
8 2. Nach dem überzeugenden Sachverständigengutachten steht folglich fest, dass die Wohnung der Kläger
instandsetzungsbedürftig ist und die Dämmung im Sockelbereich ertüchtigt werden muss. Der ablehnende
Beschluss unter TOP 8 der Eigentümerversammlung vom 24. Juli 2013 entspricht daher nicht
ordnungsgemäßer Verwaltung und ist deshalb für ungültig zu erklären. Ebenso konnte die unter TOP 7
erteilte Entlastung keinen Bestand haben. Eine Entlastung des Verwalters entspricht nicht einer
ordnungsgemäßen Verwaltung, wenn mögliche Ansprüche gegen den Verwalter im Raum stehen. Das ist
hier der Fall, wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, weil der Verwalter wegen der verzögerten
Instandsetzung des Gebäudes auf Schadensersatz haften könnte. Denn zu seinen Aufgaben gehört es, den
Zustand des Gebäudes zu überwachen und zu kontrollieren. Die Versäumung dieser Pflichten kann zu
Schadensersatzansprüchen der Wohnungseigentümer gegen diesen führen (OLG München, Beschluss vom
15. Mai 2006 - 34 Wx 156/05 - ZMR 2006, 716).
9 3. Zutreffend hat das Amtsgericht die Beklagten zu einer Innendämmung entsprechend den Empfehlungen
des Sachverständigen in seinem Gutachten verurteilt. Allerdings haben die Wohnungseigentümer bei der
Bestimmung von Art und Zeitpunkt der Instandsetzungsmaßnahme einen Gestaltungsspielraum und dürfen
dabei Kosten und Nutzen gegeneinander abwägen (BGH, Urteil vom 17. Oktober 2014 - V ZR 9/14 - MDR
2015, 16). Jedoch besteht nach der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung die Pflicht zur
unverzüglichen Instandsetzung, wenn die Nutzung des vom Mangel des Gemeinschaftseigentums
betroffenen Sondereigentums unmöglich gemacht wird. Vorliegend kommt es durch die zu schwache
Wärmedämmung auch bei ordnungsgemäßen Nutzungsverhalten zu Schimmelbefall in der Wohnung der
Kläger, die wegen der damit eingehergehenden erheblichen Gesundheitsgefahren nicht mehr bewohnbar ist.
Die Beklagten waren daher verpflichtet, ohne weiteres Zögern zur Instandsetzung zu schreiten. Da sie ein
Tätigwerden aber ablehnten, hat das Gericht im Rahmen einer Ermessensentscheidung gemäß § 21 Absatz
8 WEG den Beschluss zu ersetzen.
10 Ermessensfehlerfrei hat das Amtsgericht in dem beschlussersetzenden Urteilsausspruch die Innendämmung
angeordnet. Denn zur Innendämmung lag bereits eine sachverständige Einschätzung über deren
Tauglichkeit und voraussichtliche Kosten vor. Die Außendämmung wurde von keiner Seite ins Spiel gebracht,
weil die Beklagten grundsätzlich die Instandsetzungspflicht bestritten. Die Außendämmung hätte zunächst
eine weitere Beweiserhebung über ihre Tauglichkeit erfordert, die wiederum weitere Kosten verursacht
hätte.
11 Erfolglos wenden die Beklagten ein, eine Innendämmung stehe stets im Sondereigentum des
Wohnungseigentümers und könne daher grundsätzlich nicht Angelegenheit der Gemeinschaft sein. Die
Isolierschichten in Wänden und Boden sind - unabhängig von ihrer Position in der Wand - immer
Gemeinschaftseigentum (vgl. zum Fußbodenbelag Bärmann/Armbrüster WEG 12. Auflage 2013 § 5 Rn. 81,
92). Erst der Wandbelag - Tapeten o.ä. - sind Sondereigentum.
12 Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Anspruch der Kläger auf ordnungsgemäße Verwaltung in Form
der ausreichenden Wärmeisolierung der Außenwände ihrer Wohnung nicht durch die zwischenzeitlich
aufgebrachte Außendämmung erfüllt. Zutreffend wenden die Kläger ein, dass der Verwalter diese
Maßnahme eigenmächtig ohne die erforderliche Befassung der Wohnungseigentümerversammlung
durchgeführt hat. Das Ob und Wie der Instandsetzung muss von den Wohnungseigentümern beschlossen
werden und kann nicht dem Verwalter überlassen bleiben (Bärmann/Merle WEG 12. Auflage 2013 § 21 Rn.
107, § 27 Rn. 38 ff.). Eigenmächtig kann der Verwalter nur kleinere Maßnahmen des laufenden Betriebs
veranlassen; eine Außendämmung gehört dazu ohne Zweifel nicht, auch angesichts der Größe der
Gemeinschaft und des Kostenumfangs nicht. Da einzelne Eigentümer deshalb die Rückgängigmachung der
Maßnahme verlangen können, ist deren Bestand nicht gesichert. Schon deshalb kann die tatsächlich
ausgeführte Außendämmung keine Erfüllung des Anspruchs der Kläger darstellen.
13 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Absatz 1 ZPO.
14 Eine Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ist im Hinblick auf § 62 Absatz 2 WEG entbehrlich.
15 Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, da die Sache weder grundsätzliche
Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Absatz 2 Satz 1 ZPO).