Urteil des LG Frankfurt am Main vom 06.02.2007

LG Frankfurt Main: squeeze out, eintragung im handelsregister, venire contra factum proprium, umwandlung der gesellschaft, hauptaktionär, kontrolle, rechtfertigung, glaubhaftmachung, prüfer

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Gericht:
OLG Frankfurt 5.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 W 46/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 327a AktG, § 327e AktG
Übertragungsbeschluss: Eintragung im Handelsregister bei
erhobenen Anfechtungsklagen; Registersperre bei
Verletzung der Rechte der Minderheitsaktionäre; sachliche
Rechtfertigung und materiell-rechtliche Kontrolle
Leitsatz
1. Das Gesetz lässt die Überwindung der Registersperre unter bestimmten
Voraussetzungen auch dann zu, falls im Einzelfall der Übertragungsbeschluss die
Rechte der Minderheitsaktionäre verletzt. Im Übrigen ist der Sinn und Zweck des
squeeze-out bewusst gegen die Minderheitsaktionäre gerichtet, deren Interessen
ausreichend durch das Gebot einer ausreichenden Barabfindung geschützt werden.
2. Der Übertragungsbeschluss bedarf keiner sachlichen Rechtfertigung und unterliegt
nicht der materiell-rechtlichen Kontrolle auf Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit.
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluss der 9. Kammer
für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main vom 22. November 2006
in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 12. Dezember 2006 wird
zurückgewiesen.
Die Antragsgegner haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme
der durch die Nebenintervention verursachten Kosten, die die Streithelferin zu
tragen hat, zu tragen.
Beschwerdewert: 115.900,-- € .
Gründe
I.
Die Antragstellerin ist eine gegenwärtig noch zum amtlichen Handel zum
geregelten Markt der Frankfurter Wertpapierbörse zugelassene, an der Börse
Berlin-Bremen im Freiverkehr notierte Aktiengesellschaft mit einem Grundkapital
von 7.669.378,22 €, das in drei Millionen nennwertlose auf den Inhaber lautende
Stückaktien (rechnerischer Anteil je Aktie: 2,56 €) eingeteilt ist.
Auf Verlangen der Hauptaktionärin beschloss die ordentliche Hauptversammlung
der Antragstellerin am 31. März 2006 mehrheitlich die Übertragung der Aktien der
Minderheitsaktionäre auf die Hauptaktionärin A AG gegen Gewährung einer
Barabfindung in Höhe von 11,50 € je Stückaktie.
Die Antragsgegner, die insgesamt 248 Aktien der Antragstellerin halten, haben
jeweils Anfechtungsklage gegen den Übertragungsbeschluss erhoben, die vom
Landgericht Frankfurt am Main im Verfahren 3-9 O 80/06 mit Urteil vom 22.
November 2006 abgewiesen worden ist, gegen das zu Aktenzeichen 5 U 184-06
beim erkennenden Senat Berufung eingelegt worden ist.
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Die Antragstellerin – Beklagte des Hauptsacheverfahrens – betreibt vorliegendes
Freigabeverfahren gemäß §§ 327e Abs. 2, 319 Abs. 6 AktG mit dem Ziel, die
Eintragung des Übertragungsbeschlusses im Handelsregister trotz der erhobenen
Anfechtungsklagen zu erreichen.
Sie hat die Anfechtungsklagen für offensichtlich unbegründet gehalten und ein
vorrangiges Vollzugsinteresse an der Eintragung wegen ihr anderenfalls bei
Zuwarten bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache entstehender
erheblicher Nachteile geltend gemacht.
Die Antragsgegner haben Zurückweisung des Antrags begehrt.
Mit der angefochtenen, ebenfalls am 22. November 2006 verkündeten
Entscheidung (Bl. 244 bis 265 d. A.), auf die auch zur Ergänzung des
erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verwiesen wird, hat das Landgericht die
begehrte Feststellung getroffen, ein vorrangiges Vollzugsinteresse der
Antragstellerin bejaht und zur weiteren Begründung ausgeführt, die erhobenen
Anfechtungsklagen seien darüber hinaus auch offensichtlich unbegründet, die
Vorschriften der §§ 327a ff AktG verfassungsgemäß. Der sofortigen Beschwerde
der Antragsgegner hat es mit Beschluss vom 12. Dezember 2006 (Bl. 296 bis 298
d. A.) nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
In der bis zum 9. Januar 2007 gesetzten Frist zur Begründung der Beschwerde hat
die Antragsgegnerin zu 1) (im folgenden nur: Antragsgegnerin) die Beschwerde
begründet, wegen der Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung vom 5.
Januar 2007 (Bl. 313 bis 331 d. A.) und den Schriftsatz vom 31. Januar 2007 (Bl.
346 bis 354 d. A.) Bezug genommen.
Die Antragsgegner (zu 2. bis 4. unter der für den angefochtenen Beschluss
unrichtigen Angabe des Entscheidungsdatums (18. Oktober 2006))beantragen,
unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses den Freigabeantrag auf
Feststellung nach §§ 327e Abs. 2, 319 Abs. 6 AktG vom 29. Juni 2006
zurückzuweisen,
die Antragsgegnerin zu 1. beantragt darüber hinaus hilfsweise,
das vorliegende Verfahren bis zu einer einzuholenden Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts, dass gerade dann, wenn die Enteignung von
Minderheitsaktionären deutscher Aktiengesellschaften gemäß den §§ 327a ff AktG
grundsätzlich mit Art 14 GG vereinbar ist, jedenfalls die Regelung des § 327e Abs.
2 AktG über die Entrechtung der Minderheitsaktionäre in einem Eilverfahren nach
der Art der vorläufigen Besitzeinweisung des öffentlichen Enteignungsrechts mit
dem Grundgesetz unvereinbar und deshalb nichtig ist, auszusetzen.
Die Antragstellerin hat keinen konkreten Antrag gestellt.
Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss, wegen weiterer Einzelheiten wird auf
den Schriftsatz vom 23. Januar 2007 (Bl. 339 bis 343 d. A.) Bezug genommen.
II.
Die sofortigen Beschwerden sind statthaft (§§ 327e Abs. 2, 319 Abs 6 Satz 5
AktG), form- und fristgerecht eingelegt ( § 569 Abs. 1, 2 ZOI) und auch sonst
zulässig.
Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet.
Zu Recht und mit im Ergebnis zutreffender Begründung hat das Landgericht nach
freier Überzeugung angenommen, dass das alsbaldige Wirksamwerden der
Übertragung der Aktien auf den Hauptaktionär unter Berücksichtigung der
Schwere der mit der Klage geltend gemachten Rechtsverletzungen zur Abwendung
der von der Antragstellerin dargelegten wesentlichen Nachteile für die Gesellschaft
und ihre Aktionäre vorrangig erscheint (§§ 327e Abs. 2, 319 Abs. 6 Satz 2, 3.
Fallgruppe AktG).Der Aufschub der Eintragung muss mit wesentlichen Nachteilen
verbunden, der Ausschluss also eilbedürftig sein, wobei dahinstehen kann, ob bei
der Interessenabwägung im Rahmen der – wie hier – sinngemäßen Anwendung der
Vorschrift in § 319 Abs. 6 AktG allein auf das Interesse des Hauptaktionärs (so
Hüffer, AktG, 7. Auflage, § 327f, Rz. 3 b; LG Saarbrücken, NZG 2004, 1012, Juris-
Rz. 66 ), oder daneben auch auf das Interesse der Gesellschaft abzustellen ist, weil
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Rz. 66 ), oder daneben auch auf das Interesse der Gesellschaft abzustellen ist, weil
das Interesse der Gesellschaft bei ins Feld geführten Kostennachteilen
wirtschaftlich auf den Hauptaktionär durchschlägt.
Wegen der Eigenschaft der A AG als Hauptaktionär wird auf die zutreffenden
Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen und lediglich
ergänzend angemerkt, dass die Übertragung eines verpfändeten Rechts, anders
als die Aufhebung oder inhaltliche Änderung, der Zustimmung des
Pfandgläubigers nicht bedarf (vgl. Palandt/Bassenge, BGB, 66. Aufl., § 1276, Rz. 1;
§ 1071, Rz. 1). Dem ist die Antragsgegnerin lediglich allgemein mit dem Hinweis
auf ihr Vorbringen im Hauptsacheverfahren und die angekündigte
Berufungsbegründung ohne weitere inhaltliche Auseinandersetzung mit der
Entscheidung des Landgerichts entgegen getreten, die hiernach nicht in
erheblicher Weise in Frage gestellt ist.
Nachteile der Antragstellerin liegen hier in Gestalt der ohne das Wirksamwerden
der Übertragung gegebenen Notwendigkeit, eine weitere Hauptversammlung als
börsennotierte Gesellschaft einschließlich der damit verbundenen
Veröffentlichungen vorbereiten zu müssen, und der Verpflichtung, als
börsennotierte Gesellschaft den Konzernabschluss nach IFRS aufstellen zu müssen
(Art. 58 Abs. 3 EGHGB, § 291 Abs. 3 HGB), vor (a. A. LG Frankfurt am Main, AG
2005, 740; LG Frankfurt NZG 2003, 371).
Die externen Kosten für die Durchführung der letztjährigen Hauptversammlung
sind mit 34.000,-- €, weitere hierdurch veranlasste interne Kosten mit 11.900,-- €
durch eidesstattliche Versicherung der Justiziarin B der Antragstellerin (Anl. A 15
zur Antragsschrift) glaubhaft gemacht. Die Kosten für die Aufstellung des
Konzernabschlusses sind mit 70.000,-- € durch eidesstattliche Versicherung des
Vorstandsmitglieds C der Hauptaktionärin glaubhaft gemacht (Anl. A 24 zur
Antragsschrift).Zu Unrecht macht die Antragsgegnerin demgegenüber geltend,
die Antragstellerin habe nicht behauptet, künftig nicht nach IFRS bilanzieren zu
wollen, die entsprechende Behauptung ist dem Vorbringen der Antragsschrift (dort
S. 39 unten, Bl. 39 d. A.) ohne weiteres zu entnehmen. Weitergehender
Glaubhaftmachung bedurfte es insoweit nicht, weil es nach § 319 Abs. 6 Satz 2, 4
AktG ausreicht, die wesentlichen Nachteile glaubhaft zu machen, was geschehen
ist, während keine Glaubhaftmachung dahin verlangt wird, der Antragsteller
beabsichtige, diese Nachteile abzuwenden, die Eintragung des
Übertragungsbeschlusses also zu seinem Vorteil fruchtbar zu machen, weil sich
dieses Ziel des Antragstellers zwanglos bereits aufgrund des Umstandes der
Einleitung des Verfahrens nach §§ 327e Abs.2, 319 Abs. 6 AktG ergibt.
Dass eine Hauptversammlung zu nennenswert geringeren Kosten durchgeführt
werden könnten, hat die Antragsgegnerin mit dem Hinweis auf einen alternativen
Veranstaltungsort - die Kantine der Antragstellerin - und vermeidbar aufwändige
Präsentationen nicht plausibel aufgezeigt.
Dass die Antragstellerin bis zum auf Übertragung der Aktien der
Minderheitsaktionäre zielenden, im Hauptsacheverfahren angegriffenen Beschluss
der Hauptversammlung nichts unternommen hat, die genannten Nachteile
abzuwenden, kann ihr nicht entgegengehalten werden, weil dies die Antragstellerin
und/oder den Hauptaktionär nicht verpflichtet, diese Nachteile mit Rücksicht auf
die Minderheitsaktionäre unbeschränkt hinzunehmen.
Diese Kostennachteile von über 115.000,-- € – ohne dass es auf den im Verfahren
vor dem Landgericht, nicht hingegen in der Beschwerdeinstanz noch geltend
gemachten Verlust eines gewerbesteuerrechtlichen Verlustvortrags wegen der
Änderung des Umwandlungssteuerrechts ankäme - rechtfertigen jedenfalls im hier
gegebenen Fall die Annahme des Vorrangs der Eintragungsinteressen, weil das
Interesse an der Vermeidung der genannten Kosten die Interessen der
Antragsgegner weit überwiegt.
Unstreitig repräsentieren die Antragsgegner nur ein Gesamtinvest von 2.852,-- €
(248 Aktien bei beschlossener Barabfindung von 11,50 € je Aktie). Da die
Barabfindung als solche nicht im Streit ist, die Antragsgegner nicht dargelegt
haben, dass und um welchen Betrag diese Bewertung des Aktienwerts zu niedrig
sei, ist ein bei den Antragsgegnern als Kleinaktionären, um die es sich bei ihnen
vorliegend angesichts der sehr geringen Beteiligung handelt, vermögensmäßiges
Interesse, die Übertragung zu verhindern, nicht festzustellen, abgesehen davon,
dass die Anfechtung des Übertragungsbeschlusses bereits nicht darauf gestützt
werden könnte, dass die festgelegte Barabfindung nicht angemessen sei (§ 327f
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werden könnte, dass die festgelegte Barabfindung nicht angemessen sei (§ 327f
Satz 1 AktG), ein hiermit begründetes Interesse der Antragsgegner also bei der
Abwägung außer Betracht zu bleiben hätte, was die Antragsgegnerin in der
Beschwerdebegründung auch nicht verkennt.
Das mitgliedschaftliche Bestandsinteresse der Kleinaktionäre, das von begrenzter
Bedeutung ist, während bei ihm letztlich die Vermögenskomponente im
Vordergrund steht, hindert die Annahme vorrangiger, auch ökonomisch
begründeter Interessen des Hauptaktionärs nicht (vgl. OLG Düsseldorf, AG 2004,
207, Juris-Rz. 20 ff).
Demgegenüber folgt der Senat nicht der Ansicht, das typische Interesse – hier an
der Vermeidung von Kosten, die bei Weiterführung der Antragstellerin als
börsennotierte Gesellschaft anfallen -, genüge im Rahmen der
Interessenabwägung deshalb nicht, weil der Gesetzgeber im Grundsatz für die
Dauer des Anfechtungsverfahrens die Registersperre vorgesehen habe (vgl. OLG
Saarbrücken, AG 2005, 366, Juris-Rz. 12¸Krieger, BB 2002, 53, 60; ähnlich
MünchKommAktG/Grunewald, § 327e, Rz. 7; Gassmann-Nuissl, WM 2002, 1203,
1211). Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, dass es sich bei den in die Abwägung
einzubeziehenden Nachteile nicht auch um typische, mit dem Umstand der
Börsennotierung einhergehende handeln dürfe.
Das Interesse an der Eintragung des Übertragungsbeschlusses überwiegt, weil die
von den Antragsgegnern geltend gemachten Rechtsverstöße bezüglich des
Zustandekommens des angefochtenen Übertragungsbeschlusses, so sie
vorliegen sollten, eine massive Verletzung ihrer Aktionärsrechte nicht darstellen
würden.
In diesem Zusammenhang wird von der Antragsgegnerin angeführt, der
angefochtene Beschluss befasse sich gezielt missverstehend mit dem
wesentlichen Klagegrund, nämlich, dass nur ein vom Konzernherren selbst
ausgewählter Sachverständiger tätig geworden sei, wobei nicht die Parallelprüfung
gerügt werde, sondern gesetzwidrig und verfassungswidrig sei, dass sich der
Hauptaktionär den Prüfer bei Barabfindung selbst aussuchen dürfe, hier selbst
ausgewählt habe, dass der Prüfer mit dem vom Hauptaktionär verpflichteten
Dienstleister zusammen an dem arbeite, was der Hauptaktionär als Abfindung
festsetze und dann so nichtssagend berichte, dass erkennbar werde, die Arbeit
des Dienstleisters nur wohlwollend begleitet zu haben.
Das greift nicht durch.
Mängel der Ordnungsgemäßheit des Auswahlverfahrens und der
Auswahlentscheidung gemäß §§ 327c Abs. 2, 293c Abs. 1 Satz 3 bis 5 AktG sind
bereits nicht nachvollziehbar aufgezeigt, denn dass dem Beschluss des
Landgerichts Frankfurt vom 22.12.2005, mit dem ein Prüfer der Barabfindung der
Minderheitsaktionäre bestellt worden ist, ein Vorschlag des Hauptaktionärs
zugrunde gelegen haben mag, ist nach Sinn und Zweck des Gesetzes nicht
verboten, es sei denn, das Landgericht habe sich gesetzwidrig an den Vorschlag
gebunden gefühlt (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2006 – II ZR 225/04, AG
2006, 887, Juris-Rz. 13), was die Antragsgegner allerdings nicht aufzeigen. Die in
der soeben genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofes ausdrücklich als
zulässig bestätigte sogenannte Parallelprüfung (a. a. O., Juris Rz. 14) wird von der
Antragsgegnerin erklärtermaßen nicht in Zweifel gezogen. Ihre Rüge, der
Prüfungsbericht sei nichtssagend und von Wohlwollen getragen, greift bereits
deshalb nicht durch, weil die Kausalität eines etwaigen Pflichtenverstoßes für das
Ergebnis des Prüfberichts nicht ersichtlich ist, nachdem die Antragsgegner gerade
nicht geltend machen, die Ihnen zustehende Barabfindung müsse höher ausfallen,
der zu prüfende schriftliche Bericht des Dienstleisters des Hauptaktionärs sei also
zu einem unzutreffenden Ergebnis gelangt, was bei gehöriger Prüfung festgestellt
worden wäre.
Der Senat sieht keine Veranlassung, auf den Hilfsantrag der Antragsgegnerin das
Verfahren auszusetzen und die Sache dem Bundesverfassungsgericht zur
Entscheidung der Verfassungsmäßigkeit der Regelung in § 327e Abs. 2 AktG über
die „Entrechtung der Minderheitsaktionäre in einem Eilverfahren“ vorzulegen.
Zu Recht geht die Beschwerde zunächst grundsätzlich von der
Verfassungsmäßigkeit der §§ 327a ff. AktG aus. Dieser vom Senat geteilte Ansatz
entspricht gesicherter höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom
18. September 2006 – II ZR 225/04, AG 2006, 887, Juris-Rz. 8 m. w. N.) und gilt
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18. September 2006 – II ZR 225/04, AG 2006, 887, Juris-Rz. 8 m. w. N.) und gilt
auch für die von der Antragsgegnerin als verfassungswidrig erachtete Regelung
des § 327e Abs. 2 AktG und die von der Antragsgegnerin in Zweifel gezogenen
gesetzlich normierten Voraussetzungen der Entscheidung im Freigabeverfahren
auf Grundlage von eidesstattlichen Versicherungen zur Glaubhaftmachung. Denn
die gesetzliche Regelung in ihrer Gesamtheit gewährleistet hinreichend, dass die
heraus gedrängten Aktionäre dafür wirtschaftlich “voll“ entschädigt werden (vgl.
BVerfG, 1. Senat 1. Kammer, Beschluss vom 23.08.2000 - 1 BvR 68/95, 1 BvR
147/97, AG 2001, 42, Juris-Rz. 14 ff; BGH, Beschluss vom 25. Juli 2005 – II ZR
327/03, AG 2005, 921, Juris-Rz. 2), die vorrangige Berücksichtigung der Interessen
des Hauptaktionärs ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn dies mit
hinreichenden Schutzrechten auch für die Minderheitsaktionäre verbunden ist,
wobei dies auf die Vermögenskomponente der Beteiligung konzentriert werden
kann (vgl. BVerfG, a. a. O., Juris-Rz. 16).
Die Ansicht der Beschwerde, der angegriffene Beschluss halte die Wegnahme des
Aktieneigentums der Minderheitsaktionäre im Wege des einstweiligen
Rechtsschutzes auch dann für gesetzmäßig, wenn überhaupt keine
durchgreifenden Gründe für einen Schnellzugriff auf dieses Aktieneigentum
geltend gemacht seien, trifft nach dem Vorgesagten bereits nicht zu. Ihre Rüge,
ein Rechtsmissbrauch mit der Entrechtungsbefugnis müsse ausgeschlossen sein,
verkennt, dass das Gesetz die Überwindung der Registersperre unter bestimmten,
hier bejahten Voraussetzungen auch dann zulässt, falls im Einzelfall der
Übertragungsbeschluss die Rechte der Minderheitsaktionäre verletzt. Im übrigen
ist der Sinn und Zweck des squeeze-out bewusst gegen die Minderheitsaktionäre
gerichtet, deren Interessen ausreichend durch das Gebot einer ausreichenden
Barabfindung geschützt werden, der Übertragungsbeschluss bedarf keiner
sachlichen Rechtfertigung und unterliegt nicht der materiell-rechtlichen Kontrolle
auf Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit (vgl. OLG Düsseldorf, Ag 2004, 207,
Juris-Rz. 29 m. w. N.), zumal die Übertragung der Aktien durch squeeze-out nicht
grundsätzlich unumkehrbar ist, sollte die Anfechtungsklage Erfolg haben, weil
dann, so zwischenzeitlich nicht eine Umwandlung der Gesellschaft erfolgt ist, den
Minderheitsaktionären die Aktien wieder zustehen, ob ipso jure oder im Sinne
eines auf Naturalrestitution - Rückübereignung – gehenden
Schadensersatzanspruches nach §§ 327e Abs. 2, 319 Abs. 6 Satz 6 AktG bedarf
keiner Entscheidung (vgl. OLG Stuttgart, AG 2005, 662, Juris-Rz. 18). Soweit die
Anfechtung des Ausschließungsbeschlusses wegen Rechtsmissbrauchs gleichwohl
erwogen wird (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2006, a. a. O., Juris-Rz. 11; OLG
Düsseldorf, a. a.O., Juris-Rz. 30 ff), fehlt es bereits an konkretem Vortrag der
Antragsgegnerin zum Vorliegen der in Betracht kommenden Fallgestaltungen –
nur vorübergehender Erwerb der Mehrheitsbeteiligung zum Zwecke der
Durchsetzung des Ausschlussverfahrens, treuwidriges venire contra factum
proprium bezüglich des Beitritts der Minderheitsaktionäre, Zuwiderhandlung gegen
mit dem Minderheitsaktionär getroffene Absprachen – unbeschadet der Frage, ob
darin ein Rechtsmissbrauch letztlich gefunden werden könnte. Die
Antragsgegnerin beschränkt sich auf unzureichende Mutmaßungen zu Absprachen
der “materiell wirklich Beteiligten“ über die von ihr so bezeichnete Aufteilung der
“Beute“. Demgegenüber ist von der Stellung der A AG als Hauptaktionärin
auszugehen, die Bezeichnung des Übertragungsbeschlusses als
”Enteignungscoup” ersetzt konkreten Vortrag nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 101 Abs. 1 ZPO, die
Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf § 3 ZPO unter Berücksichtigung
des zu bewertenden Interesses der Antragstellerin an der Überwindung der
Registersperre.
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil sie in Freigabeverfahren
ausgeschlossen, also bereits nicht statthaft ist (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Mai
2006 – II ZB 5/06, BGHZ 168, 48, Juris-Rz. 15).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.