Urteil des LG Frankfurt am Main vom 23.11.2005

LG Frankfurt Main: unerlaubte handlung, hersteller, gemeinsamer markt, einwirkung, endprodukt, auflage, mangelhaftigkeit, produkthaftung, abtretung, einbau

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Gericht:
OLG Frankfurt 17.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
17 U 218/04
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 823 Abs 2 BGB, § 2 BauO HE
2002, § 1 ProdHaftG, § 4
ProdHaftG
Produkthaftung; unerlaubte Handlung:
Schadensersatzanspruch auf Grund des Einbaus
mangelhaften natürlichen Dämmmaterials
Leitsatz
Zu Schadensersatzansprüchen aufgrund von im Hausbau eingesetzten natürlichen
Dämmmaterials (hier: Mottenbefall an Schafswolle)
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main
vom 22.09.2004 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsmittels hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden,
wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des
zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aufgrund von im Hausbau
eingesetzten natürlichen Dämmmaterials.
Die Klägerin und XY waren zusammen in einer GbR verbunden und errichteten als
solche das streitgegenständliche Haus auf dem im Eigentum der GbR stehenden
Grundstück in O1, auf den entsprechenden Grundbuchauszug (Blatt … des
Grundbuchs von O1, Bl. 126 d. A.) wird verwiesen.
Als Dämmstoff verwendeten sie dabei Schafswolle, welche durch den vormaligen
Beklagten zu 3 eingebaut wurde. Die Schafswolle wurde vom früheren
Mitgesellschafter Y in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer einer B GmbH vom
Beklagten zu 2 erworben, hergestellt hatte die Schafswolle der Beklagte zu 1. Die
Schafswolle hat keine Zulassung als Bauprodukt des Deutschen Instituts für
Bautechnik.
Im Frühjahr 2000 kam es zu einem Mottenbefall der Schafswolle. Aufgrund dessen
musste bereits eine Teilsanierung des Hauses durchgeführt werden.
Der Mottenbefall der Schafswolle war Gegenstand eines selbständigen
Beweisverfahrens vor dem Landgericht Frankfurt am Main, die Akten 2-23 OH 2/01
des Landgerichts Frankfurt am Main wurden hinzugezogen. Auf das in diesem
Verfahren eingeholte Gutachten der Dipl.-Min. Dr. A vom 27.03.2002 wird
vollumfänglich verwiesen.
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Im Jahre 2001 schied der Gesellschafter Y aus der GbR aus. Der Gesellschafter Y
trat durch Abtretungsvereinbarung vom 18./20.01.2001 seine Ansprüche aus dem
Schädlingsbefall an die Klägerin ab, dies erfolgte auch, soweit solche Ansprüche
der GbR zustanden. Auf die Abtretungsurkunde wird insoweit verwiesen (Bl. 127 d.
A.). Die Klägerin ist der Ansicht, die Schafswolle sei schadhaft gewesen,
insbesondere nicht ausreichend gegen Mottenbefall geschützt. Deswegen sei der
Beklagte zu 1 als Hersteller und der Beklagte zu 2 als Händler ihr gegenüber zum
Schadensersatz verpflichtet. Dieser umfasse insbesondere auch die zur
Mängelbeseitigung erforderlichen Kosten, welche in einer Komplettsanierung
bestünden. Hierfür seien EUR 72.000 aufzuwenden.
Der Beklagte zu 1 behauptet, der Fehler sei erst entstanden, nachdem er die
Schafswolle ausgeliefert habe, diese sei nämlich beim Beklagten zu 3 nicht
ordnungsgemäß gelagert worden. Der Beklagte zu 2 behauptet weiterhin, die
unstreitig nicht eingebaute Dampfsperre sei ebenfalls für den Mangel der
Schafswolle verantwortlich.
In erster Instanz hat die Klägerin mit dem vormaligen Beklagten zu 3 einen
gerichtlichen Vergleich geschlossen, demzufolge die streitgegenständlichen
Ansprüche der Klägerin gegen den vormaligen Beklagte zu 3 durch Zahlung eines
Betrages von EUR 17.000,00 abgegolten sind (Bl. 134/135 d. A.).
Hinsichtlich des übrigen Vorbringens erster Instanz kann auf den Tatbestand des
Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 22.09.2004 verwiesen werden (Bl.
186 ff d. A.).
Das Landgericht hat durch dieses Urteil, der Klägerin zugestellt am 24.09.2004 (Bl.
203 d. A.), die Klage gegen die beiden Beklagten zu 1 und 2 abgewiesen.
Dabei hat das Landgericht bereits den Schutzbereich des §§ 1, 4 ProdHaftG als
nicht betroffen angesehen, da lediglich die Schafswolle selbst als hergestelltes
Produkt mangelhaft gewesen sei, hierdurch aber keine Schäden an anderen Teilen
des Bauwerks verursacht worden seien.
Ein Anspruch gemäß § 823 Abs. 1 BGB scheide ebenfalls aus, da die Klägerin zu 1
nie Eigentümerin eines mangelfreien Hauses gewesen sei und daher eine
Eigentumsverletzung nicht vorliegen könne. Auch ein sogenannter
„weiterfressender Mangel“ liege nicht vor, da vorliegend von der Stoffgleichheit
des eingetretenen Schadens mit dem Minderwert auszugehen sei.
Für einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 20 HBO fehle es bereits an der
Verletzung des Schutzbereiches der bauordnungsrechtlichen Norm, diese schütze
nicht Vermögensinteressen des Bauherrn.
Entsprechend sei auch der auf die zukünftigen Schäden gerichtete
Feststellungsantrag mangels Bestehen etwaiger Schadensersatzansprüche
jedenfalls unbegründet.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin vom 22.10.2004 (Bl. 217 d. A.),
bei Gericht eingegangen am gleichen Tag. Mit dieser verfolgt die Klägerin ihr Ziel
der vollumfänglichen Verurteilung der beiden Beklagten nach den erstinstanzlichen
Anträgen weiter.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des am 22.09.2004 verkündeten Urteil des Landgerichts
Frankfurt am Main, 1. die Beklagten zu 1 und 2 als Gesamtschuldner zu
verurteilen, an die Klägerin EUR 72.000,-- nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, davon
EUR 1.559,38 gesamtschuldnerisch mit der ehemaligen Beklagten zu 3; 2.
festzustellen, dass die Beklagten zu 1 und 2 gesamtschuldnerisch verpflichtet
sind, der Klägerin jeden weiteren Schaden zu ersetzen, der aus der Verwendung
der als Baustoff nicht zugelassenen Schafwolle im Haus …-Straße … in O2 noch
entsteht.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
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Der Senat hat die Klägerin als Partei zur Eigentumssituation des
streitgegenständlichen Hauses vernommen, hinsichtlich des Ergebnisses der
Beweisaufnahme kann auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom
21.09.2005 (Bl. 369 d. A.) verwiesen werden.
II.
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Der Klägerin steht zunächst kein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB zu. Ein solcher
Anspruch könnte sich nur aus abgetretenem Recht ergeben, denn Eigentümerin
des Hauses zum Zeitpunkt seiner Errichtung war die GbR und nicht die Klägerin
selbst. Die auch im Rahmen der Parteivernehmung der Klägerin geäußerte Ansicht
der Klägerin, derzufolge sie mit Herrn Y je zu einer ideellen Hälfte Miteigentümerin
des Hauses gewesen sei, wird durch den Grundbuchauszug vom 07.01.2003 (Bl.
126 d. A.) widerlegt. Die Klägerin selbst war nie Eigentümerin eines mangelfreien
Hauses und auch nicht der mangelfreien Schafswolle.
Die der GbR zustehenden Ansprüche sind aufgrund der Abtretungserklärung vom
18./20.01.2001 an die Klägerin abgetreten worden, diese hat die Abtretung auch
angenommen. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob die Abtretung wirksam war
oder wegen Verstoßes gegen die Vorschrift des § 181 BG schwebend unwirksam,
denn auch der GbR als Eigentümerin des Hausgrundstücks standen keine
Ansprüche gegen die Beklagten zu. Die Abtretung geht insoweit ins Leere.
Die Klägerin macht gegen die verbliebenen Beklagten Forderungen geltend, die
ihrem Wesensgehalt nach vertragliche, dem Gewährleistungsrecht zuzurechnende
Ansprüche darstellen, die richtigerweise gegen den vormaligen Beklagten zu 3 zu
richten gewesen wären. Es ist zu keinem Zeitpunkt das Eigentum der GbR durch
die Beklagten gemäß § 823 Abs. 1 BGB beschädigt worden.
Dabei ist zunächst eine Substanzverletzung des Eigentums nicht vorgetragen.
Lediglich die gelieferte und eingebaute Schafswolle ist mangelhaft, sonstige Teile
des Hauses sind nicht verletzt worden. Nach dem im Rahmen des selbständigen
Beweisverfahrens eingeholten Gutachten der Sachverständigen A ist nur von einer
Beeinträchtigung der Schafswolle auszugehen. Die Holzkonstruktion des Hauses
ist nicht betroffen. Bereits im erstinstanzlichen Urteil wurde dargestellt, dass
lediglich die gelieferte Schafswolle mangelhaft ist, jedoch keine weiteren Teile des
Hauses durch die mangelhafte Schafswolle beschädigt sind. Eine
Tatbestandsberichtigung wurde nicht beantragt.
Auch im Rahmen der Berufung wurde nicht vorgetragen, dass andere Bauteile als
die Schafswolle selbst bereits beschädigt wurden. Anhaltspunkte für eine bereits
jetzt vorliegende Schädigung der Holzkonstruktion ergeben sich keine. Eine bloße
Gefahr der Schädigung, auch durch die erst in 2. Instanz vorgetragene Gefahr des
Pilzbefalls – wobei die Verspätung dieses Vortrages dahingestellt bleiben kann -
kann nicht zum Schadensersatz wegen einer Eigentumsverletzung führen.
Die mangelhafte Schafswolle ist in das Haus eingebaut worden, als die GbR
Eigentümerin des noch nicht fertiggestellten Hauses war. Die Verschaffung eines
mit Mängeln behafteten Bauwerks ist keine Verletzung schon vorhandenen
Eigentums (siehe BGHZ 39, 366, 367), dies gilt gleichermaßen für die Verbindung
eines mit Mängeln behafteten Teiles eines Bauwerks mit einem bereits
bestehenden, im Eigentum des Bestellers stehenden Bauwerks (BGH, NJW 1985,
194; NJW 1981, 2248, 2249).
Auch nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen des
„weiterfressenden Schadens“ kann kein Schadensersatzanspruch in Rede stehen.
Unabhängig davon, dass sich der Schaden der Schafswolle noch nicht
„weitergefressen“ hat, finden diese Grundsätze nur dann Anwendung, wenn ein
Mangel an einem abgrenzbaren Teil der gelieferten Sache vorliegt und dieser
Fehler nach der Eigentumsübertragung die Beeinträchtigung der im übrigen
einwandfreien Sache verursacht (siehe Rolland, Produkthaftungsrecht, § 1 Rdnr.
44). Dies betrifft die Fälle, in welchen ein mit diesem mangelhaften Teil versehenes
Endprodukt übereignet (Maschine mit defektem Schwimmerschalter, BGHZ 67,
359) wird oder ein solches Endprodukt hergestellt (Pkw mit defektem Gaszug,
BGHZ 86, 256 = NJW 1983, 810) und nachher als solches übereignet wird (siehe
auch BGH, NJW-RR 2001, 459). Vorliegend ist die Schafswolle aber bereits vor
Einbau übereignet bzw. durch den Einbau ins Eigentum der GbR übergegangen.
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Einbau übereignet bzw. durch den Einbau ins Eigentum der GbR übergegangen.
Die Sachgesamtheit „Haus“ ist nicht als Endprodukt mit dem Mangel an einem
abgrenzbaren Teil an die GbR übertragen worden.
Die höchstrichterliche Rechtsprechung grenzt die Fälle des „weiterfressenden
Mangels“ durch die jeweilige Schutzrichtung der deliktischen und der vertraglichen
Bestimmungen voneinander ab. Die deliktischen Schutz- und Verkehrspflichten
sind nicht darauf gerichtet, die Erwartungen des Käufers bzw. Bestellers zu
schützen und Wert und Nutzungsmöglichkeit einer mangelhaften Sache zu
erhalten. Der Schutz dieser Erwartungen ist regelmäßig alleine Aufgabe der
Vertragsordnung (Nutzungs- und Äquivalenzinteresse). Die deliktischen Verkehrs-
und Schutzpflichten sind vielmehr darauf gerichtet, dass durch die von dem
Hersteller in den Verkehr gegebene Sache nicht das Eigentum oder der Besitz
gestört wird (Integritätsinteresse) (BGH, NJW 1983, 810, 811, so auch Möschel, Der
Schutzbereich des Eigentums nach § 823 Abs. 1 BGB, JuS 1977, 1, 5).
Danach ist eine deliktische Haftung nur anzunehmen, wenn keine „Stoffgleichheit“
zwischen dem geltend gemachten Schaden und dem Unwert, der der Sache
wegen ihrer Mangelhaftigkeit bereits bei Erwerb anhaftete, vorliegt. Im anderen Fall
sind nämlich nur enttäuschte Vertragserwartungen berührt, für deliktische
Schadensersatzansprüche ist dann kein Raum (BGH, a.a.O.).
Von dieser Stoffgleichheit ist vorliegend auszugehen. Der Unwert, der der Sache
wegen ihrer Mangelhaftigkeit bereits bei Erwerb anhaftete, kann nämlich nicht nur
der Minderwert der Sache an sich sein (das heißt, die Wertminderung der Sache
aufgrund der Mangelhaftigkeit), sondern es sind auch die Kosten zu
berücksichtigen, die im direkten Zusammenhang mit der Mangelhaftigkeit der
Sache stehen. Dies sind die Aufwendungen, die getätigt werden müssen, um die
mangelhafte Sache zu beseitigen. Es kann dabei keinen Unterschied machen, ob
der Geschädigte zur Reparatur bzw. Erneuerung der Sache Kosten wie das
Verbringen eines Fahrzeuges zur Reparaturwerkstatt und Ausbau verschiedener
Teile des Fahrzeuges zur Erneuerung des Gaszuges aufwenden muss (siehe BGH,
a.a.O.) oder für den Ausbau der mangelhaften Sache Aufwendungen zur
Freilegung der Wärmedämmung erbringen muss. Fehlende Stoffgleichheit wäre
entsprechend der Entscheidung BGH, a.a.O., nur dann anzunehmen, wenn durch
die mangelhafte Wärmedämmung das übrige Haus beschädigt oder zerstört
worden wäre. Hiervon ist aber nicht auszugehen. Allerdings ist nicht nur eine – hier
nicht vorliegende - Substanzverletzung als Eigentumsverletzung einzuordnen,
sondern auch eine Beeinträchtigung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs der
Sache wird als Eigentumsverletzung gemäß § 823 Abs. 1 BGB angesehen (BGH
NJW-RR 1995, 342, 343; NJW 1994, 517, 518; 1990, 1172). Dies ist dann
anzunehmen, wenn eine Einwirkung auf die Sache erfolgt, durch die deren
bestimmungsgemäße Brauchbarkeit nicht nur geringfügig beeinträchtigt wird.
Zwar muss es grundsätzlich der Vertragshaftung vorbehalten bleiben, das
Interesse des Verbrauchers oder Benutzers an der Gebrauchstauglichkeit eines
Produktes zu schützen. Allerdings sind bei Produkten, die nach ihrem
Verwendungszweck der Bearbeitung oder Einwirkung auf im Eigentum des
Verwenders oder Dritter stehender Sachen dienen, die Gebrauchserwartungen, die
der Rechtsverkehr an eine gefahrlose Anwendung des Produktes knüpft, auch nach
allgemeinen deliktsrechtlichen Grundlagen geschützt (BGH, NJW 1994, a.a.O.).
Hiervon ist vorliegend nicht auszugehen. Die Schafswolle ist nicht zur Bearbeitung
oder Einwirkung auf im Eigentum der Klägerin stehende Sachen gedacht (wie dies
z.B. bei einem Gewindeschneidemittel im Hinblick auf die zu schneidenden
Leitungen der Fall ist, siehe BGH, NJW-RR 1995 a.a.O.; NJW 1994 a.a.O.).
Darüber hinaus kann eine Gebrauchseinwirkung auch dann als
Eigentumsverletzung angesehen werden, wenn die Beeinträchtigung der
Brauchbarkeit von der Intensität mit einer Substanzverletzung vergleichbar sind.
Eine solche Beeinträchtigung ist nicht vorgetragen. Das Haus der Klägerin kann
nach wie vor bewohnt werden, es kann auch beheizt werden. Dass die Heizkosten
durch die mangelhafte Wärmedämmung höher sind als im Normalfall mit
funktionierender Wärmedämmung – was die Klägerin in der Berufung vorträgt -
bedeutet nicht, dass die Brauchbarkeit wesentlich beeinträchtigt wird. Eine
übermäßige Nässe der Wände, welche ein Bewohnen des Hauses unzumutbar
machen würden, wurden von der Klägerin nicht vorgetragen. Auch die Situation in
den von der Klägerin angeführten Nachkriegsbauten führte nicht zur
Unbewohnbarkeit der Häuser.
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Es ergibt sich weiterhin auch kein Anspruch der Klägerin aus Vorschriften des
ProdHaftG, weder originär, noch aus abgetretenem Recht.
Dabei ist eine Haftung des Beklagten zu 2 nach den Vorschriften des ProdHaftG
bereits deswegen nicht anzunehmen, da er kein Hersteller im Sinne von § 4
ProdHaftG ist. Danach ist Hersteller eines Produktes nur, wer das Endprodukt,
einen Grundstoff oder ein Teilprodukt hergestellt hat. Dies ist jedoch lediglich der
Beklagte zu 1. Der Beklagte zu 2 hat lediglich den Vertrieb der Schafswolle
übernommen. Dies ist kein Herstellen im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 ProdHaftG.
Dass der Beklagte zu 2 sich durch Anbringen von Namen oder Marken als
Hersteller ausgegeben hätte (§ 4 Abs. 1 Satz 2 ProdHaftG), wurde nicht
vorgetragen. Auch aus § 4 Abs. 2 ProdHaftG lässt sich die Herstellereigenschaft
nicht entnehmen, der Beklagte zu 2 hat die Schafswolle nicht in den
Geltungsbereich des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum
eingeführt oder verbracht, die Schafswolle wurde stattdessen vom in Deutschland
ansässigen Beklagten zu 2 von dem ebenfalls in Deutschland ansässigen
Beklagten zu 1 bezogen.
Da der Hersteller (bei natürlichen Produkten ist dies derjenige, der das Produkt
gewonnen hat bzw. in den Verkehr bringt, siehe Palandt-Sprau, BGB, 64. Auflage, §
4 ProdHaftF, Rdnr. 2) bekannt ist, entfällt auch die Haftung des Beklagten zu 2
gemäß § 4 Abs. 3 ProdHaftG.
Ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten zu 1 scheitert daran, dass kein
anderes Produkt als das hergestellte – die Schafswolle – mangelhaft ist. Gemäß §
1 Abs. 1 Satz 2 ProdHaftG ist die Haftung wegen Sachbeschädigung nur auf
andere Sachen, als das hergestellte fehlerhafte Produkt, beschränkt. Mangelhaft
ist allerdings nur die Schafswolle, nicht aber andere Teile des Hauses.
Diesbezüglich kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.
Ob im Rahmen der Vorschriften des ProdHaftG auch der Schaden durch einen
„weiterfressenden Mangel“ ersetzt wird, kann dahingestellt bleiben (siehe dazu
Münchener Kommentar/Wagner, BGB, 4. Auflage, § 1 ProdHaftG, Rdnr. 10 ff;
Katzenmeier, Produkthaftung und Gewährleistung des Herstellers teilmangelhafter
Sachen, NJW 1997, 486, 492; Rolland, § 1 ProdHaftG Rdnr. 44, jeweils mit weiteren
Nachweisen), da kein solcher „weiterfressender Mangel“ vorliegt. Der Hersteller
der Schafswolle hat nicht etwa eine Sachgesamtheit hergestellt, von der die
Schafwolle ein abgrenzbarer, mangelhafter Teil war, sondern hat ein Produkt
hergestellt, welches von einem anderen in eine andere Sachgesamtheit eingebaut
wurde.
Auch aus der Haftung des Herstellers von Teilen gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1, 3. Alt.
ProdHaftG ergibt sich keine Haftung des Beklagten zu 1 als Hersteller der
Schafswolle. Ist die Schafswolle als selbständiges Teil der Sachgesamtheit Haus
anzusehen, so fehlt es an der Beschädigung anderer selbständiger Teile des
Hauses. Ist die Schafswolle unselbständiger Teil der Sache Haus, so ist das
gesamte Haus Gegenstand der Produkthaftung und es fehlt die Beschädigung
einer anderen Sache als das mangelhafte Haus.
Es kann ebenfalls dahingestellt bleiben, ob die Rechtsprechung zum Schutzbereich
des Eigentums aus § 823 Abs. 1 BGB, welches eine Eigentumsbeeinträchtigung
auch dann annimmt, wenn eine Einwirkung auf die Sache erfolgt, durch die deren
bestimmungsgemäße Brauchbarkeit nicht nur geringfügig beeinträchtigt wird
(siehe oben), auch auf den Begriff der Beschädigung einer Sache nach § 1
ProdhaftG anzuwenden ist (dies hat der BGH in einem obiter dictum angedeutet,
NJW-RR 1995, 342, 343; gleichermaßen MünchKomm/Wagner, Rdnr. 7; ablehnend
aber Graf von Westphalen, Produkthaftungs-Handbuch, Band 2, § 59 Rdnr. 26;
Rolland, Produkthaftungsrecht, § 1 ProdHaftG, Rdnr. 40, jeweils mit weiteren
Nachweisen). Es ist nämlich nicht vorgetragen, dass das Haus in seiner
bestimmungsmäßigen Brauchbarkeit nicht nur geringfügig beeinträchtigt wird
(siehe oben). Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m.
Schutzvorschriften der Hessischen Bauordnung (HBO).
Der insoweit einschlägige § 20 HBO a. F. (nun wortgleich § 16 HBO n. F.) ist kein
Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB.
Dabei kann dahingestellt bleiben, inwieweit die Vorschriften der Hessischen
Bauordnung, die zunächst vordringlich lediglich den Zweck haben, das Bauen in
öffentlich-rechtlich geordnete Bahnen zu lenken und daher dem öffentlichen
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öffentlich-rechtlich geordnete Bahnen zu lenken und daher dem öffentlichen
Interesse der Gefahrenabwehr dienen, allerdings nicht darauf abzielen, den
Bauherrn vor Vermögensschäden durch vertragswidrige Leistung zu bewahren
(BGH NJW 1965, 534, Schmalzl, Haftung des „verantwortlichen Bauleiters“ im
Sinne der Landesbauordnungen, NJW 1970, 2265, 2269) grundsätzlich
Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB sein können (siehe zu einzelnen
Bauordnungsvorschriften Staudinger-Hage, BGB (1999), § 823 Rdnr. G 61;
Ermann/Schiemann, BGB, 9. Auflage, § 823 Rdnr. 163; Palandt-Bassenge, BGB, §
823 Rdnr. 72; § 903 Rdnr. 17).
§ 16 HBO ist in seiner konkreten Ausgestaltung nämlich kein Schutzgesetz im
Sinne von 823 Abs. 2 HBO. § 16 HBO (bzw. der wortgleiche § 20 HBO a. F.) dient
vornehmlich der Umsetzung der Bauproduktenrichtlinie der Europäischen
Wirtschaftsgemeinschaft (Richtlinie 89/106/EWG), die sicherstellen will, dass ein
gemeinsamer Markt für Bauprodukte in der Europäischen Gemeinschaft entstehen
kann und der freie Warenverkehr in der Europäischen Union entsprechend den
Vorgaben des Bauproduktengesetzes gesichert wird (siehe Hornmann, HBO, 1.
Auflage, vor § 16 Rdnr. 3). Weiterhin soll dieses Gesetz bewirken, dass durch die
Verwendung sicherer Bauprodukte die Sicherheit im Bauwesen gewährleistet wird
(Hornmann, a.a.O., Rdnr. 5). Dieser Schutz vor Gefahren unerprobter Bauprodukte
und Bauarten stellt einen vernünftigen Allgemeinwohlbelang dar, der die in § 16
HBO normierten Einschränkungen für Hersteller und Bauherren rechtfertigt
(Hornmann, a.a.O., Rdnr. 4, 6).
Die primäre Zielrichtung des Gesetzes, die Umsetzung einer europäischen
Richtlinie zur Herstellung des freien Warenverkehrs, führt nicht zu einer
Schutzgesetzeigenschaft des § 16 HBO.
Aber auch der sekundäre Zweck des Gesetzes führt nicht zu einer in § 823 Abs. 2
BGB geforderten Schutzrichtung. Ein solches Schutzgesetz liegt nämlich nach
ständiger Rechtsprechung nur dann vor, wenn die Norm nach Zweck und Inhalt
wenigstens auch auf den Schutz von Individualinteressen vor einer näher
bestimmten Art ihrer Verletzung ausgerichtet ist. Es genügt nicht, dass der
Individualschutz durch Befolgung der Norm als ihr Reflex objektiv erreicht werden
kann, er muss im Aufgabenbereich der Norm liegen (BGH, MDR 1993, 540).
Dies ist immer dann der Fall, wenn die durch die Norm ausgelöste Schutzfunktion
für den einzelnen schon erkennbar in die Zielsetzung der Norm aufgenommen ist
(BGHZ 66, 388, 390). Dies ist bei Bestimmungen über den Grenzabstand wie auch
bei den Bestimmungen zum Schutz von Nachbargebäuden und öffentlichen
Einrichtungen gegen Beschädigungen und Lärmemissionen (zu letzterem BGH,
MDR a.a.O.) ohne weiteres der Fall.
In Grenzfällen ist die Prüfung des Schutzgesetzcharakters immer direkt auf die
Frage auszurichten, ob die Schaffung eines individuellen
Schadensersatzanspruches in diesen Fällen sinnvoll und im Lichte des
haftpflichtrechtlichen Gesamtsystems tragbar erscheint. Dabei ist zu
berücksichtigen, dass der Gesetzgeber grundsätzlich sich gegen eine allgemeine
Haftung für Vermögensschäden in § 823 BGB entschieden hat. Die zunehmende
Tendenz, Ansprüche auf § 823 Abs. 2 BGB zu stützen, könnte zu einer
gegenläufigen Entwicklung führen (BGHZ a.a.O.). Der Schutz des einzelnen
bedeutet hierbei nach Auffassung des Bayerischen Obersten Landesgerichts (NJW
1972, 1085), dass sein Interessenbereich nicht nur durch Maßnahmen der
Behörden nach Maßgabe ihrer rechtlichen Beurteilung geschützt sein sollen,
sondern dass vielmehr dem einzelnen selbst die Rechtsmacht in die Hand
gegeben sein soll, diesen Bereich unmittelbar gegen denjenigen, der diese Norm
verletzt zu schützen. Dies setzt voraus, dass das geschützte Interesse, die Art
seiner Verletzung und der Kreis der geschützten Personen hinreichen klargestellt
und bestimmt seien (BayObLG, a.a.O., 1086).
Daher ist gerade bei den bauordnungsrechtlichen Vorschriften, die grundsätzlich
zunächst dem öffentlichen Interesse der Gefahrenabwehr dienen, diese
Schutzgesetzeigenschaft besonders in diesem Lichte zu prüfen. Das
Baugenehmigungsverfahren ist nämlich nicht dazu bestimmt, dem Bauherrn die
Verantwortung für eine einwandfreie Durchführung seines Bauvorhabens
abzunehmen. Wenn sich durch dieses Genehmigungsverfahren für den Bauherrn
die erfreuliche Nebenwirkung des Schutzes ergibt, so folgt hieraus regelmäßig
nicht eine auch hierauf gerichtete Schutzfunktion (siehe auch BGH NJW 1963,
1821, 1823).
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Der Schutz von Individualinteressen ist kein gesetzgeberisches Anliegen des § 16
HBO. Weder ist der Personenkreis, der durch diese Vorschrift individuell geschützt
werden soll, bestimmt (wie dies beispielsweise bei Grenzabstandsregelungen der
Fall ist, die die konkreten Nachbarn des Bauwerks schützen), noch stellt sich die
Norm als auf den Schutz des einzelnen gerichtete Bestimmung dar. Der Schutz
der Benutzer eines Hauses aufgrund der Verwendung nur erprobter Bauprodukte
stellt sich vielmehr lediglich als Reflex der Gefahrenabwehrvorschrift des § 16 HBO
dar (im Ergebnis ähnlich für Schutzvorschriften gegen Feuchtigkeit, Art. 16 –
vormals 15 – BayBO, OLG München, NJW 1977, 438 unter Hinweis auf BayObLG,
a.a.O.), wobei dieser Gefahrenabwehrcharakter aufgrund der europäischen
Richtlinie nur sekundären Charakter hat.
Daher kann dahingestellt bleiben, ob es nicht weiterhin auch an der erforderlichen
unmittelbaren Schädigung der Klägerin fehlt. Ersatzberechtigt ist nämlich nur der,
dessen Schutz das verletzte Gesetz dienen soll. Dies kann bei
bauordnungsrechtlichen Vorschriften der Bauherr sein. Bauherr war allerdings die
von der Klägerin selbst mit dem Mitgesellschafter Y gebildete Gesellschaft
bürgerlichen Rechts.
Die Ausführungen des Landgerichts zum Feststellungsantrag sind infolgedessen
nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung folgt § 97 ZPO.
Der Ausspruch zur vor läufigen Vollstreckbarkeit folgt §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, Zulassungsgründe gemäß § 543 Abs. 2 ZPO
liegen keine vor.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.