Urteil des LG Frankfurt am Main vom 07.08.2007

LG Frankfurt Main: treu und glauben, auskunft, geschäftsführer, zwangsvollstreckung, ausschluss, einsichtsrecht, sicherheitsleistung, informationsrecht, gestatten, geschäftsjahr

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Gericht:
OLG Frankfurt 20.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
20 W 104/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 273 Abs 1 BGB, § 51a
GmbHG, § 51b GmbHG
(GmbH: Zurückbehaltungsrecht gegenüber dem
Auskunftsanspruch eines Gesellschafters)
Leitsatz
Die GmbH kann sich gegenüber dem Anspruch eines Gesellschafters auf Auskunft über
konkrete Angelegenheiten der Gesellschaft und Einsicht in bestimmte Unterlagen nicht
auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen etwaiger eigener Auskunfts- oder
Zahlungsansprüche berufen, weil dem die Funktion des Auskunftsanspruches entgegen
steht.
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die notwendigen Auslagen des
Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Beschwerdewert: 10.000,-- EUR.
Gründe
I. Die Antragstellerin ist als Gesellschafterin mit 50% am Stammkapital der
Antragsgegnerin beteiligt. Über die von der Antragsgegnerin gegen die
Antragstellerin erhobene Klage auf Ausschluss aus der Gesellschaft ist noch nicht
rechtskräftig entschieden.
Der Mitgesellschafter und frühere Geschäftsführer der Antragstellerin A hat gegen
die Antragsgegnerin vor dem Landgericht Frankfurt am Main und dem
Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteile erwirkt, durch welche die
Antragsgegnerin zur Zahlung von Gehältern für dessen frühere Tätigkeit als
Geschäftsführer der Antragsgegnerin verurteilt wurde. Über die hiergegen
gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde der Antragsgegnerin hat der
Bundesgerichtshof noch nicht entschieden, jedoch zwischenzeitlich bis zu seiner
Entscheidung die Zwangsvollstreckung seitens Herrn A ohne Sicherheitsleistung
eingestellt.
Die Antragsgegnerin hat gegen Herrn A vor dem Landgericht Wiesbaden ein Urteil
erwirkt, mit dem dieser zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von ca.
435.000,-- EUR sowie Auskunft über im Geschäftsbereich der Antragsgegnerin
durchgeführte Geschäfte verurteilt wurde. Hintergrund dieser Entscheidung ist,
dass Herr A in seiner Eigenschaft als früherer Geschäftsführer der Antragsgegnerin
veranlasst hatte, dass die Postbank Honorare für von Mitarbeitern der
Antragsgegnerin erbrachte Leistungen nicht an die Antragsgegnerin, sondern die
Antragstellerin gezahlt hat. Die hiergegen gerichtete Berufung des Herrn A wurde
zwischenzeitlich durch Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 01.
Mai 2007 ( Az. 10 U 268/06 ) zurückgewiesen.
Nachdem die Antragsgegnerin durch Beschluss der Gesellschafterversammlung
vom 24. April 2006 ein entsprechendes Auskunftsverlangen der Antragstellerin
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vom 24. April 2006 ein entsprechendes Auskunftsverlangen der Antragstellerin
abgelehnt hatte, entschied das Landgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom
13. Februar 2006 (richtig wohl: 13. Februar 2007), dass die Antragsgegnerin der
Antragstellerin
a) Auskunft darüber zu erteilen hat, welche Umsätze in welcher Höhe in den Jahren
2005 sowie 2006 von der Antragsgegnerin getätigt worden sind, insbesondere
welche wesentlichen Leistungs- und Lieferungsbeziehungen zwischen ihr und ihren
Kunden im abgelaufenen Geschäftsjahr bestanden haben und im laufenden
Geschäftsjahr bestehen sowie
b) Einsicht in die Bücher und Schriften der Gesellschaft der Jahre 2005 sowie 2006
zu gestatten hat, insbesondere in die vorgenannten Leistungs- und
Lieferungsbeziehungen betreffende Unterlagen (Geschäftsbriefe, Kontoauszüge,
Verträge).
Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit der vom Landgericht
zugelassenen sofortigen Beschwerde, mit der sie insbesondere geltend macht,
das Beschwerdeverfahren sei im Hinblick auf die anhängige Ausschlussklage
auszusetzen. Im Übrigen sei sie zur Auskunftsverweigerung berechtigt, da die
Verwendung der begehrten Auskünfte zu gesellschaftsfremden Zwecken zu
befürchten sei. Es müsse nämlich davon ausgegangen werden, dass Herr A die
begehrten Auskünfte zum Zwecke der Zwangsvollstreckung in
Gläubigerforderungen aus dem von ihm erstrittenen Titel verwenden werde, was
im Hinblick auf dessen Vermögenslosigkeit zu einem unwiederbringlichen Schaden
bei der Antragsgegnerin führen könne. Im Übrigen stehe dem Auskunftsanspruch
auch das von ihr geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht entgegen, da sie
selbst ebenfalls Auskunfts- und Zahlungsansprüche auch gegen die Antragstellerin
geltend machen könne, da durch die Manipulationen des Herrn A die der
Antragsgegnerin zustehenden Honorarzahlungen auf die Konten der
Antragstellerin geflossen seien.
Die Antragstellerin verteidigt die angefochtene Entscheidung des Landgerichts.
II. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin erweist sich kraft Zulassung im
angefochtenen Beschluss als statthaft und ist auch im Übrigen zulässig,
insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§§ 51 b Satz 1 GmbHG, 132 Abs. 3
Satz 1 und 2, 99 Abs. 3 Satz 2, 4 und 5 AktG). In der Sache führt das Rechtsmittel
nicht zum Erfolg, da die Antragsgegnerin dem Auskunftsanspruch der
Antragstellerin weder einen Verweigerungsgrund nach § 51 a Abs. 2 Satz 1
GmbHG noch ein Zurückbehaltungsrecht entgegen halten kann.
Das Landgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die
Antragsgegnerin der Antragstellerin als Mitgesellschafterin zur Erteilung der
Auskunft und Gewährung von Einsicht in die Bücher in dem vom Landgericht
angeordneten Umfang verpflichtet ist. Es entspricht einhelliger Auffassung in der
obergerichtlichen Rechtsprechung, der sich der Senat bereits früher mehrfach
angeschlossen hat, dass § 51 a Abs. 1 GmbHG jedem Gesellschafter ein
umfassendes Informationsrecht hinsichtlich aller Angelegenheiten der Gesellschaft
zubilligt, das nicht von dem Nachweis eines besonderen Informationsbedürfnisses
abhängig gemacht werden kann und seine Schranken nur aus dem Verbot des
rechtsmissbräuchlichen Verhaltens, des Verstoßes gegen Treu und Glauben sowie
durch Sinn und Zweck des Informationsrechtes und das gesetzliche
Auskunftsverweigerungsrecht des § 51 b Abs. 2 GmbHG erfährt (vgl. KG ZIP 1988,
714; OLG Stuttgart GmbHR 1983, 242; OLG Köln NJW-RR 1987, 99; OLG Düsseldorf
NJW-RR 1991, 620; OLG Frankfurt am Main FGPrax 1995, 245 und 1996, 33;
Hachenburg/Hüffer GmbHG, 8. Aufl., § 51a Rn. 35; Balser/Bokelmann/ Piorreck, Die
GmbH, 13. Aufl., Rn. 267 jeweils m. w. N).
Das bei Gericht anhängige Verfahren auf Ausschluss der Antragstellerin als
Gesellschafterin der Antragsgegnerin steht dem Auskunftsbegehren nicht
entgegen. Das Informationsrecht ist Ausfluss der gegenwärtigen
Gesellschafterstellung (vgl. OLG Frankfurt am Main FGPrax 96, 33) und damit bis
zum endgültigen Ausscheiden eines Gesellschafters gegeben. Deshalb vermag die
anhängige Ausschlussklage, über die noch nicht rechtskräftig entschieden ist,
auch keine Aussetzung des vorliegenden Verfahrens zu rechtfertigen.
Des Weiteren kann die Antragsgegnerin die ihr durch die Entscheidung des
Landgerichts auferlegte Gewährung der Auskunft und Einsicht nicht nach § 51 a
Abs. 2 GmbHG verweigern. Ein Auskunftsverweigerungsrecht nach dieser
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Abs. 2 GmbHG verweigern. Ein Auskunftsverweigerungsrecht nach dieser
Vorschrift würde die Besorgnis voraussetzen, dass die Antragstellerin als
Gesellschafterin die zu erteilenden Informationen zu gesellschaftsfremden
Zwecken verwenden und dadurch der Antragsgegnerin einen nicht unerheblichen
Nachteil zufügen würde. Dies ist vorliegend nicht gegeben. Insbesondere reicht
hierzu die Annahme der Antragsgegnerin, Herr A könne Informationen über
Forderungen der Gesellschaft erlangen, die ihm für die Zwangsvollstreckung aus
dem erstrittenen Titel zur Durchsetzung seiner Vergütung als früherer
Geschäftsführer dienen könnten, nicht aus. Zwar erscheint es naheliegend, dass
durch die Erteilung der Auskunft an die Antragstellerin auch deren
Mitgesellschafter A Kenntnis von den derzeitigen Kunden und somit Schuldnern
der Antragsgegnerin erlangen könnte, soweit ihm diese nicht bereits aufgrund
seiner früheren Tätigkeit als Geschäftsführer der Antragsgegnerin bekannt sind, da
es sich bei den übrigen Mitgesellschaftern und der jetzigen Geschäftsführerin der
Antragstellerin jeweils um seine Familienangehörige handelt. Soweit die
Antragsgegnerin jedoch meint, dass ihr hierdurch ein derart gravierender
finanzieller Nachteil entstehen könnte, dass der Ausschluss des
Informationsrechtes der Mitgesellschafterin gerechtfertigt erscheint, ist dem nicht
zu folgen. Das Landgericht ist diesem Einwand bereits zutreffend mit dem Hinweis
entgegen getreten, dass die Antragsgegnerin ihrerseits die Möglichkeit hat, dies
durch die Pfändung der titulierten Gehaltsforderung des Herrn A aufgrund des von
ihr gegen ihn erstrittenen Urteils auf Schadensersatzzahlung zu verhindern. Hinzu
kommt, dass besondere Nachteile für die Antragsgegnerin nunmehr trotz der
geltend gemachten Vermögenslosigkeit des Herrn A nicht zu befürchten sind, da
der Bundesgerichtshof zwischenzeitlich die Zwangsvollstreckung seitens des Herrn
A ohne Sicherheitsleistung eingestellt hat und die Antragsgegnerin diese titulierte
Forderung aufgrund des von ihr erstrittenen Urteils mittlerweile nach eigenen
Angaben auch gepfändet hat. Soweit die Antragsgegnerin geltend macht, es seien
gleichwohl weitere Zwangsvollstreckungsmaßnahmen seitens des Herrn A zu
befürchten, so muss sie sich darauf verweisen lassen, hiergegen mit den
gesetzlich vorgesehenen Rechtsbehelfen im Rahmen der Zwangsvollstreckung
vorzugehen.
Des Weiteren kann die Antragsgegnerin sich gegenüber dem Auskunfts- und
Einsichtsrecht der Antragstellerin als Mitgesellschafterin nicht auf ein
Zurückbehaltungsrecht berufen. Dabei kann dahinstehen, ob – wie das
Landgericht angenommen hat – es an dem in § 273 BGB statuierten Erfordernis
der Konnexität fehlt, weil die gegenseitigen Ansprüche nicht auf demselben
rechtlichen Verhältnis beruhen. Denn selbst wenn man das Fehlverhalten des
Herrn A der Antragstellerin aufgrund dessen früherer Stellung als Geschäftsführer
und jetzigem Mitgesellschafter sowie aufgrund der Vereinnahmung der von der
Postbank geleisteten Zahlungen der Antragstellerin zurechnen würde, steht einem
Zurückbehaltungsrecht hier die Natur des Gläubigeranspruches entgegen. Es ist in
der Rechtsprechung anerkannt, dass gegenüber einem Anspruch auf Auskunft
oder Rechenschaftslegung das Zurückbehaltungsrecht ausgeschlossen ist (vgl.
RGZ 102, 110; BGH NJW 1978, 1157; Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 273 Rn.
17). Den Ansprüchen auf Auskunft oder Rechenschaftslegung ist immanent, dass
sie nicht isoliert betrachtet werden können, sondern der Information des
Gläubigers und häufig gerade der Vorbereitung der Geltendmachung eventueller
materieller Ansprüche dienen. Diese Funktion des Auskunfts- oder
Rechnungslegungsanspruches erfordert nach Treu und Glauben grundsätzlich,
dass diese Verpflichtungen ohne Rücksicht auf etwaige Gegenansprüche des
Verpflichteten zu erfüllen sind. Dies gilt auch für das in § 51 a GmbHG verankerte
Auskunfts- und Einsichtsrecht des Gesellschafters, welches gerade dazu dient,
jedem Gesellschafter eine sachgemäße Ausübung seiner auf der
Gesellschafterstellung beruhenden Rechte zu ermöglichen (vgl. Amtliche
Begründung zu § 51 a GmbHG, BT-Drucks. 8/1347, S. 44); KG ZIP 1988, 714). Erst
durch die Ausübung dieses Informationsrechtes wird der einzelne Gesellschafter
häufig in der Lage sein, die Tätigkeit der Geschäftsführung der Gesellschaft
wirksam zu kontrollieren und gegebenenfalls eigene Ansprüche geltend zu
machen. Dies gilt insbesondere dann, wenn -wie auch im vorliegenden Fall-
zwischen den einzelnen Gesellschaftern Konflikte bestehen und
Rechtsstreitigkeiten anhängig sind. Gerade in dieser Situation würde es dem Sinn
und Zweck des Auskunfts- und Einsichtsrechtes des Gesellschafters
widersprechen, wenn er sich bezüglich dessen Ausübung auf die vorherige
Erfüllung etwaiger Gegenansprüche verweisen lassen müsste. Dies hat auch im
Wortlaut der Vorschrift des § 51 a Abs. 2 BGB Anklang gefunden, in dem dort
vorgeschrieben wurde, dass die Auskunft und die Einsicht unverzüglich zu geben
bzw. zu gestatten ist. Besondere Anhaltspunkte, die die Ausübung des
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bzw. zu gestatten ist. Besondere Anhaltspunkte, die die Ausübung des
Informationsrechtes des Gesellschafters ausnahmsweise als treuwidrig oder
rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen würden, sind hier nicht gegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 51 b Satz 1 GmbHG, 132 Abs. 5 Satz 7
AktG, 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG. Die Festsetzung des Beschwerdewertes ergibt sich
aus §§ 51 b Satz 1 GmbHG, i.V.m. 132 Abs. 5 Satz 6 AktG, 30 Abs. 2 KostO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.