Urteil des LG Frankfurt am Main vom 20.09.2006

LG Frankfurt Main: fristlose kündigung, dienstvertrag, ordentliche kündigung, rechtskräftiges urteil, aufsichtsrat, abfindung, zwangsvollstreckung, aufrechnung, geschäftsführer, form

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Gericht:
OLG Frankfurt 19.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
19 U 111/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 387 BGB, § 767 Abs 2 ZPO
(Vollstreckungsgegenklage: Beachtlichkeit einer
aufrechenbaren Gegenforderung des Schuldners)
Leitsatz
Die Vollstreckungsgegenklage kann wegen der Sperrwirkung des Abs. 2 dieser
Vorschrift auf Aufrechnung nur gestützt werden, wenn die aufzurechnende Forderung
erst nachträglich vom Schuldner erworben oder erst nachträglich fällig geworden ist.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts
Frankfurt am Main vom 03.05.2005 – Az.: 2/20 O 102/04 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, eine Zwangsvollstreckung des Beklagten durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren
Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110
% des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt mit seiner Klage, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des
Landgerichts Frankfurt am Main vom 04.07.2002 – Az.: 2/20 O 226/01 – für
unzulässig zu erklären und den Beklagten zu verurteilen, die diesem erteilte
vollstreckbare Ausfertigung des Urteils vom 04.07.2002 an den Kläger
herauszugeben.
Der Kläger wurde im Vorprozess (2/20 O 226/01) vor dem Landgericht Frankfurt
am Main durch rechtskräftiges Urteil vom 04.07.2002 verurteilt, an den Beklagten
357.904,31 EUR zuzüglich 5,84 % Zinsen hieraus seit dem 30.05.2001 zu zahlen.
Hiergegen hat der Kläger die Aufrechnung erklärt mit behaupteten
Schadensersatzforderungen nach dem Aktiengesetz sowie aus dem
Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung.
- Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand
des angegriffenen Urteils des Landgerichts vom 03.05.2005 gemäß § 540 Abs. 1
Nr. 1 ZPO verwiesen. –
Das Landgericht hat durch Urteil vom 03.05.2005 die Klage abgewiesen.
Gegen dieses ihm am 06.05.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 01.06.2005
Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist
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Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist
bis zum 06.08.2005 am 25.07.2005 begründet.
Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Er rügt zudem
eine unzureichende und falsche Tatsachenfeststellung sowie eine fehlerhafte
Rechtsanwendung. Er macht ferner geltend, soweit das Landgericht aus dem
Umstand, dass er, widerklagend, in einem anderen Rechtsstreit seine
Gehaltsansprüche durchsetze, geschlossen habe, er gehe selbst nicht davon aus,
dass von der A AG keine Befriedigung zu erlangen sei, so stelle diese vom
Landgericht gezogene Schlussfolgerung einen nicht gerechtfertigten
Erfahrungssatz auf. Er gehe nach wie vor davon aus, von der A AG keine
Befriedigung mehr erlangen zu können, wie sich aus den vorgetragenen
fruchtlosen Vollstreckungsversuchen ergebe. Außerdem folge aus der
gerichtlichen Geltendmachung seiner Gehaltsansprüche nicht, dass er von der
Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft ausgehe; vielmehr könne für ihn der
Zahlungstitel wegen der verlängerten Verjährung von Bedeutung sein.
Zu Unrecht sei das Landgericht auch von einer Präklusion seiner Einwendungen
ausgegangen.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom
03.05.2005 – Az.: 2/20 O 102/04 –
1.die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main
vom 04.07.2002 – Az.: 2/20 O 226/01 – für unzulässig zu erklären,
2.den Beklagten zu verurteilen, die ihm erteilte vollstreckbare Ausfertigung des
Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 04.07.2002 – Az. 2/20 O 226/01 –
an den Kläger herauszugeben,
3.das Urteil ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auch er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Er verteidigt das
Urteil des Landgerichts und macht weiter geltend, die A Holding AG i.L. sei nicht
zahlungsunfähig. Dies ergebe sich daraus, dass der Antrag auf Eröffnung des
Insolvenzverfahrens – unstreitig – im Herbst 2003 zurückgenommen worden sei,
das Amtsgericht habe dem zugestimmt. Nicht der Kläger sei Gläubiger der
Gesellschaft, sondern aufgrund einer Vielzahl von Zahlungstiteln sei er deren
Schuldner.
Wegen weiterer Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens im übrigen wird
ergänzend auf den vorgetragenen Inhalt der in beiden Rechtszügen gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung des Klägers ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht
eingelegt und begründet worden.
In der Sache konnte die Berufung jedoch keinen Erfolg haben.
Der Kläger kann weder im Wege der Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO)
gegenüber der im Rechtsstreit 2/20 O 226/01 Landgericht Frankfurt am Main durch
Urteil vom 04.07.2002 titulierten Forderung des Beklagten gegen ihn in Höhe von
357.904,31 EUR zuzüglich 5,84 % Zinsen hieraus seit dem 30.05.2001 mit gegen
den Beklagten persönlich aus dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung
gerichteten noch mit aktienrechtlichen Schadensersatzansprüchen aufrechnen;
auch kann er von dem Beklagten nicht die Herausgabe der vollstreckbaren
Ausfertigung des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom
04.07.2002 in dem Verfahren 2/20 O 226/01 verlangen.
Die Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) kann wegen der Sperrwirkung des Abs.
2 dieser Vorschrift auf Aufrechnung nur gestützt werden, wenn die aufzurechnende
Forderung erst nachträglich vom Schuldner erworben oder erst nachträglich fällig
geworden ist (OLG Düsseldorf MDR 1987 S. 682; Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., Rn.
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geworden ist (OLG Düsseldorf MDR 1987 S. 682; Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., Rn.
12). Der Schluss der mündlichen Verhandlung im Vorprozess 2/20 O 226/01 war
der 26.11.2002. Der geltend gemachte Anspruch in Form von Vorstandsvergütung
für die Zeit vom 01.11.2002 bis 30.11.2003 und auf Zahlung einer Abfindung
besteht in erst nach dem 26.11.2002 fällig gewordenem Entgelt für Leistungen des
Klägers in seiner Eigenschaft als Vorstand der A AG und auf Zahlung einer
Abfindung nach Ablauf seines Dienstvertrages. Mit diesen Ansprüchen ist der
Kläger mithin nicht wegen der zeitlichen Schranke des § 767 Abs. 2 ZPO
ausgeschlossen.
Zur Aufrechnung im Wege der Vollstreckungsgegenklage geeignete
Gegenansprüche können dem Kläger nur in Höhe von insgesamt 40.588,05 EUR
zustehen. In dieser Höhe hat der Kläger Anspruch gegen die A AG auf Zahlung
restlicher Vergütung als Vorstand für die Zeit vom 01.11.2002 bis 10.01.2003
einschließlich anteiliger Entschädigung für die Nichtbenutzbarkeit eines ihm nach
dem Dienstvertrag vom 13.11.1998 zustehenden Dienstwagens. Weitere zur
Aufrechnung geeignete Ansprüche sind nach dem dem Senat vorgetragenen
Sachverhalt jedoch nicht gegeben.
Der Vergütungsanspruch des Klägers gegen die A AG bestand nur für die Zeit vom
01.11.2002 bis 10.01.2003, weil nach diesem Zeitpunkt das Dienstverhältnis
aufgrund außerordentlicher Kündigung mit Schreiben vom 08.01.2003 (Bl. 778
d.A.) zum 10.01.2003 wirksam beendet worden war. Da der Dienstvertrag auf Zeit
geschlossen worden war, konnte sich die Gesellschaft nur durch außerordentliche
Kündigung vom Vertrag lösen. Der Dienstvertrag wurde aufgrund Beschlusses des
Aufsichtsrats vom 07.01.2003 (Bl. 780 d.A.), den der Kläger nicht beanstandet hat,
gekündigt. Gemäß § 112 AktienG ist der Aufsichtsrat zur Vertretung der
Gesellschaft gegenüber dem Vorstand und damit auch zur Kündigung von
Dienstverträgen mit Vorstandsmitgliedern berechtigt. Die außerordentliche
Kündigung ist auch begründet, weil der Kläger Ansprüche der Gesellschaft gegen
den Beklagten unter Ausnutzung seiner Stellung als Liquidator der Gesellschaft
am 17.12.2002 an sich selbst abgetreten hat (Bl. 186, 187 d.A.). Durch dieses
Verhalten hat der Kläger die ihm eingeräumte Stellung als Liquidator missbraucht,
um sich einen Vermögensvorteil zu verschaffen. Damit ist der Gesellschaft eine
weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger als Vorstand bzw. Abwickler der
Gesellschaft nicht länger zumutbar gewesen. Ohne Erfolg beruft sich der Kläger auf
zwei Entscheidungen des BGH (NJW 1993 S. 63 f., betrifft eine Sonderzahlung, NJW
2003 S. 431 f., 432 betrifft Spesen eines GmbH-Geschäftsführers). In diesen
Entscheidungen hat der BGH ausgeführt, dass eine außerordentliche Kündigung
wegen Entnahme von Spesen bzw. einer Sonderzahlung durch den
Geschäftsführer einer GmbH letzterer keinen Grund zur außerordentlichen
Kündigung biete, weil der Geschäftsführer offen vorgegangen sei und er sich offen
das genommen habe, worauf einen Anspruch zu haben er glaubte. Im Unterschied
zu den zitierten Entscheidungen des BGH, bei denen dem Geschäftsführer nach
seinem Geschäftsführervertrag gestattet war, sich selbst Spesen anweisen zu
lassen bzw. in dem im vorangegangenen Jahr die Gesellschaft es unbeanstandet
gelassen hatte, dass der Geschäftsführer sich eine ihm nach dem Vertrag
zustehende Sonderzahlung zur Hälfte selbst entnommen hatte, steht jedoch dem
Kläger im vorliegenden Falle nach seinem Dienstvertrag nicht die Berechtigung zu,
sein Geschäftsführergehalt sich selbst zu überweisen. Hinzu kommt, dass sein
Geschäftsführergehalt bereits seit dem Ende 1999 nicht mehr gezahlt wurde und
es Streit zwischen dem Kläger und der Gesellschaft gab, ob ihm dieses Gehalt
noch zustand. Unter diesen Umständen durfte sich der Kläger nicht im Wege der
Abtretung von Ansprüchen der Gesellschaft gegen den Beklagten selbst eine
Befriedigung seiner Vergütungsansprüche verschaffen bzw. versuchen, Befriedung
zu erlangen. Dass die Abtretung ohne Mitwirkung der beiden übrigen Liquidatoren
unwirksam war, ändert an der Beurteilung des Verhaltens des Klägers gegenüber
der Gesellschaft nichts.
Der Beklagte kann nicht mit Erfolg einwenden, der Dienstvertrag habe bereits
aufgrund des Kündigungsschreibens vom 04.12.2002 (Bl. 122 d.A.) sein Ende
gefunden. Der in diesem Schreiben angegebene Kündigungsgrund – das
Schreiben des Klägers vom 20.11.2002 (Bl. 179 d.A.) u.a. an den Beklagten und
das weitere Aufsichtsratsmitglied B - tragen eine außerordentliche fristlose
Kündigung nicht. Nachdem das Oberlandesgericht in seinem Urteil vom
08.11.2002 in dem Rechtsstreit 10 U 247/00 festgestellt hatte, dass sowohl der
Beklagte als auch das weitere Aufsichtsratsmitglied B eine unglaubhafte Aussage
gemacht hatten (Bl. 111 d.A.), konnte der Kläger im Schreiben vom 20.11.2002
erklären, dass die Gesellschaft unter Verletzung der Wahrheitspflicht im Prozess
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erklären, dass die Gesellschaft unter Verletzung der Wahrheitspflicht im Prozess
vorgetragen habe, es sich hierbei um bewusst wahrheitswidrigen Vortrag – der
einem Prozessbetrug gleichzusetzen sei – gehandelt habe und dass ihm, dem
Kläger, hierdurch ein Verlust entstanden sei. Wenn dann der Kläger für die
Unterbreitung eines konstruktiven Vorschlages eine Frist von neun Tagen setzt
und nach fruchtlosem Ablauf straf- und zivilrechtliche Konsequenzen in Aussicht
stellt, so handelt es sich hierbei nicht um eine Drohung mit einem empfindlichen
Übel, zu der der Kläger nicht berechtigt gewesen wäre. Auch stellt das Schreiben
des Klägers vom 27.11.2002 an die Anwaltskanzlei RA1, die
Prozessbevollmächtigten eines früheren Prozessgegners der A AG, die
Korrespondenz in dieser Sache ausschließlich über den Kläger und seine
Privatanschrift zu führen, keinen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar.
Eine derartige einmalige Anmaßung von Aufgaben durch ein Mitglied des
Vorstandes ist zwar beanstandungswürdig, jedoch kein Grund, um eine
Zusammenarbeit zwischen der Gesellschaft und ihrem Vorstand bzw. Abwickler bis
zum vertragsgemäßen Ende des Dienstverhältnisses als unzumutbar erscheinen
zu lassen.
Aus dem Dienstvertrag vom 13.11.1998 mit der Firma A (Bl. 97 f. d.A.) steht dem
Kläger gegen die Gesellschaft für die Zeit vom 01.11.2002 bis 10.01.2003 ein
Vergütungsanspruch in Höhe von insgesamt 39.395,04 EUR zu. Das Jahresgehalt
des Klägers betrug nach § 2 402.000,-- DM brutto = 205.539,39 EUR brutto,
zahlbar in 12 gleichen Monatsraten nachträglich zum Monatsende (Bl. 99 d.A.). Ein
Monatsgehalt betrug 17.128,28 EUR, für die Zeit vom 01.11.2002 bis 10.01.2003
ergibt dies 39.395,04 EUR.
Darüber hinaus kann der Kläger für die entgangene Nutzung des ihm nach § 2 Ziff.
4 Abs. 2 des Dienstvertrags zustehenden Dienstwagens gemäß seiner – insoweit
unbestritten gebliebenen - Berechnung auf S. 23 der Klageschrift (Bl. 23 d.A.), die
an § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG angelehnt ist, die Zahlung von 1.193,01 EUR verlangen.
Diese Nutzungsmöglichkeit war Teil seines Vergütungsanspruchs gegen die A AG
aus dem Dienstvertrag.
Jedoch steht dem Kläger keine Abfindung nach Beendigung seines Dienstvertrages
mit der A zu. Ein solcher Abfindungsanspruch ergibt sich insbesondere nicht aus §
5 Abs. 1 und Abs. 2 des Vertrages vom 13.11.1998 (Bl. 101 d.A.). Keiner der in
Abs. 1 der Vertragsbestimmung vorgesehenen Gründe für ein Ausscheiden des
Klägers aus der Gesellschaft liegt vor. Auch kann der Kläger einen
Abfindungsanspruch nicht auf Abs. 2 der Vertragsbestimmung stützen, die einen
Abfindungsanspruch in Höhe der Hälfte seines festen Jahresgehalts im Falle einer
Kündigung seines Anstellungsvertrages durch die Gesellschaft regelt. Denn diese
Regelung greift im hier vorliegenden Falle einer berechtigten außerordentlichen
Kündigung des Vertrages durch die Gesellschaft nicht ein. Zwar unterscheidet sie
nicht zwischen ordentlicher und außerordentlicher Kündigung. Wenn aber § 5 Abs.
1 c des Vertrages dem Kläger einen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung bereits
für den Fall versagt, dass der Vertrag nach Ablauf seiner vereinbarten Laufzeit am
30.11.2003 aus einem von ihm verschuldeten Grunde nicht verlängert wird, so ist
die Bestimmung in § 5 Abs. 2 dahin auszulegen, dass dem Kläger im Falle einer
vorzeitigen Beendigung seines Vertrages infolge einer berechtigten
außerordentlichen Kündigung von Seiten der Gesellschaft ebenfalls kein Anspruch
auf Zahlung einer Abfindung zuzubilligen ist. Hierfür spricht auch, dass gemäß § 2
Abs. 3 S. 3 des Vertrages (Bl. 99 d.A.) bei Vertragsbeendigung infolge Kündigung
von Seiten der Gesellschaft aus wichtigem Grunde ein Anspruch auf Zahlung einer
Tantieme ebenfalls nicht besteht.
Indessen stehen dem Kläger gegen den Beklagten aufrechenbare Ansprüche auf
Ersatz seines danach auf 40.488,05 EUR begrenzten Schadens aus keinem
rechtlichen Gesichtspunkt zu.
Die Voraussetzungen für Ansprüche gegen den Beklagten persönlich aus dem
Gesichtspunkt einer unerlaubten Handlung (§§ 823 Abs. 2 i.V.m. § 401 und § 400
Abs. 1 S. 1 AktienG sowie aus § 826 BGB) sind nicht dargetan.
Sowohl § 401 Abs. 1 als auch § 400 AktienG sind zwar Schutzgesetze im Sinne
vom § 823 Abs. 2 BGB (Münchner Kommentar zum Aktiengesetz/Schaal, § 401
AktienG Rn. 7 und Palandt/Sprau, BGB, 65. Auf., § 823 BGB Rn. 61). Soweit der
Kläger einen Schadensersatzanspruch darauf stützt, dass der Beklagte als
Aufsichtsratvorsitzender an der Rücknahme der Insolvenzanträge der A AG am
10.02.2000 und 26.09.2003 mitgewirkt habe (§§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 401 Abs.
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10.02.2000 und 26.09.2003 mitgewirkt habe (§§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 401 Abs.
1 Nr. 2 AktienG, 25 StGB), kann er damit keinen Erfolg haben, weil jedenfalls nicht
feststellbar ist, dass durch eine solche Handlung ein bei dem Kläger eingetretener
Schaden verursacht worden wäre. Denn wäre der Insolvenzantrag nicht am
10.02.2000 zurückgenommen worden, so wäre es nach Darstellung des Klägers
zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der A AG gekommen.
In diesem Falle aber ist es nicht ersichtlich, dass der Kläger in der Zeit von
November 2002 bis 10.01.2003 eine Vergütung als Vorstand der Gesellschaft
erhalten hätte.
Die Rücknahme des Insolvenzantrags vom 26.09.2003 kann bereits deshalb nicht
ursächlich für einen dem Kläger entstandenen Schaden geworden sein, weil
Vergütungsansprüche des Klägers – wie bereits ausgeführt – nur bis zum
10.01.2003 bestanden.
Auch soweit der Kläger einen Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten
darauf stützt, dass dieser in seiner Eigenschaft als Aufsichtsrat der A AG die
Verhältnisse der Gesellschaft, insbesondere ihre Insolvenzreife, gegenüber der
Hauptversammlung und in Darstellungen in den Jahresabschlüssen und Berichten
an Vorstand und Hauptversammlung verschleiert habe (§ 823 Abs. 2 BGB i.V. mit
§ 400 Abs. 1 Nr. 1 AktienG) kann ihm dies nicht zum Erfolg verhelfen. Wäre der
Insolvenzantrag bereits vor dem 24.12.1999 eingereicht worden, so wäre nach
Darstellung des Klägers das Insolvenzverfahren daraufhin eröffnet worden. Dann
aber wäre – wie bereits ausgeführt – an den Kläger für die Zeit von November
2002 bis 10.01.2003 keine Vergütung als Vorstand von der A AG entrichtet
worden.
Auch ist ein Schadensersatzanspruch des Klägers gegen den Beklagten aus dem
Gesichtspunkt der sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) nicht dargetan. Soweit
der Kläger dem Beklagten vorwirft, die fristlose Kündigung seines Dienstvertrages
am 25.10.1999 - wie wohl auch alle nachfolgenden außerordentlichen Kündigungen
– durch den Beklagten in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender der A habe
allein dem Zweck gedient, den Kläger als Vorstand zu verhindern und ihm seine
Ansprüche aus dem Dienstvertrag unbefugt zu entziehen, kann dies den Vorwurf
einer sittenwidrigen Schädigung nicht stützen.
Es kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob der A bei Ausspruch der
Kündigungen vom 25.10.1999 jeweils ein Grund zur fristlosen Kündigung gemäß §
626 BGB zur Seite stand oder nicht. Denn das Fehlen allein eines solchen
Kündigungsgrundes führt nicht zu der Annahme der Absicht einer vorsätzlichen
Schadenszufügung. Es genügt insoweit nicht, dass das Verhalten des Schädigers
gegen vertragliche Pflichten verstößt, als unbillig erscheint oder einen Schaden
hervorruft; hinzu treten muss nach der Rechtsprechung vielmehr eine besondere
Verwerflichkeit des Verhaltens, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten
Mitteln, der zutage tretenden Gesinnung oder den eintretenden Folgen ergeben
kann (BGH NJW 2004 S. 2664, 2668; Palandt/Sprau, BGB, 65. Aufl., § 826 Rn. 2).
Aus dem Gesamtzusammenhang ergibt sich, dass Gründe für die seit Oktober
1999 zutage getretene Absicht der insoweit durch den Aufsichtsrat vertretenen A
AG (§ 112 AktienG), sich von dem Kläger zu trennen, nicht eine
Schädigungsabsicht, sondern Meinungsverschiedenheiten und Unstimmigkeiten in
Fragen der Geschäftsführung waren. Es kann nicht als sittenwidrig bezeichnet
werden, wenn sich im Hinblick auf die besondere Vertrauensstellung, die der
Vorstand einer Aktiengesellschaft genießt, die Gesellschaft von diesem bei
Unstimmigkeiten trennen will und hierbei zu dem Mittel der außerordentlichen
Kündigung greift, wenn der Dienstvertrag mit dem Vorstandsmitglied befristet,
eine ordentliche Kündigung daher nicht möglich ist und aus Sicht des Aufsichtsrats
ein Grund zur außerordentlichen Kündigung des Dienstvertrages vorliegt.
Somit kommen zur Begründung eines Schadens, der bei dem Kläger in der Form
nicht gezahlter Vorstandsbezüge eingetreten ist, nur noch Ansprüche nach dem
Aktiengesetz in Betracht. Der Kläger stützt seine Schadenersatzansprüche zum
einen auf angebliche Pflichtverletzungen des Beklagten in dessen Eigenschaft als
Aufsichtsrat der A AG (§§ 116, 93 Abs. 5 AktienG), zum anderen auf verschiedene
Handlungen, die eine Verletzung der Leitungsmacht des Beklagten als
herrschendes Unternehmen im Sinne von § 311 AktienG beinhalten sollen (§ 317
Abs. 1, 4 i.V.m. 309 Abs. 4, 318 Abs. 2 und 4 i.V.m. § 309 Abs. 4 S. 3 AktienG).
Diese Ansprüche setzen jeweils voraus, dass der Gläubiger von der Gesellschaft
keine Befriedigung erlangen kann. Diese Voraussetzung ist indessen nicht erfüllt.
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keine Befriedigung erlangen kann. Diese Voraussetzung ist indessen nicht erfüllt.
Hierzu genügt es nicht, dass der Gläubiger von der Gesellschaft trotz Fälligkeit
seiner Forderung keine Zahlung erhalten hat; die Gesellschaft muss objektiv
unfähig sein, wegen Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung den Anspruch zu
befriedigen. Dass eine zahlungsfähige Gesellschaft nicht zahlen will, ist nicht
hinreichend. Es ist aber auch nicht nötig, dass der Gläubiger bereits die
Zwangsvollstreckung versucht oder gegen die Gesellschaft geklagt hat, die
Zahlungsunfähigkeit kann vielmehr in jedweder Weise nachgewiesen werden. Der
Gläubiger muss nachweisen, dass die Gesellschaft objektiv nicht in der Lage ist,
seine fällige Forderung zu begleichen. Das ist der Fall, wenn die Gesellschaft
zahlungsunfähig oder überschuldet ist, der Vorstand demnach nach § 92 Abs. 2
AktG verpflichtet ist, unverzüglich die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu
beantragen. Praktische Bedeutung kommt daher dem Zugriffsrecht der Gläubiger
im wesentlichen nur dann zu, wenn der Antrag auf Eröffnung des
Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist (Münchner Kommentar,
a.a.O. Rn. 142).
Den Beweis, dass die A AG nicht zahlen kann, hat der Kläger nicht geführt. Zwar
sind zwei Vollstreckungsversuche des Klägers vergeblich gewesen; in einem Falle
handelte es sich um ein Konto, das nicht mehr Gesellschaftskonto war, im zweiten
Fall um ein Konto, das nur ein geringes Guthaben aufwies. Auch hat der
Rechtsanwalt RA2 in seinem Bericht vom 08.08.2003 (Bl. 33 f. d.A.) festgestellt,
dass die Gesellschaft zahlungsunfähig und buchmäßig überschuldet ist (Bl. 34
d.A.). Indessen hat der Sonderprüfer C in seinem Schlussbericht (Anlagenband)
erklärt, dass möglicherweise noch Lizenzen vorhanden seien, die zu verwerten
sind. Ferner hat er auf Ansprüche hingewiesen, die der Gesellschaft gegen frühere
Vorstände, Liquidatoren und Aufsichtsräte zustehen könnten. Der Kläger selbst
legt auf S. 9 bis 20 der Klageschrift (Bl. 9 bis 20 d.A.) dar, dass der A AG gegen
den Beklagten als Aufsichtsrat Schadenersatzansprüche in Höhe von mehr als 8,5
Mio. Euro erwachsen sind.
Schadensersatzansprüche, die der Kläger als Aktionär der A AG gegen den
Beklagten geltend macht, weil es sich bei diesem um ein herrschendes
Unternehmen im Sinne von § 311 AktienG handle, der Maßnahmen zum Nachteil
der A AG getroffen und durch die dieser ihr einen Schaden zugefügt habe (§§ 317
Abs. 1 und 4, 309 Abs. 4 S. 1 AktienG) scheiden bereits deshalb aus, weil der
Aktionär nur Leistung an die Gesellschaft fordern kann (§ 309 Abs. 4 S. 2 AktienG).
Der Kläger verlangt jedoch Leistung an sich selber.
Da die Zwangsvollstreckung des Beklagten aus dem rechtskräftigen Urteil des
Landgerichts Frankfurt am Main vom 04.07.2002 – Az.: 2/20 O 226/01 – nicht für
unzulässig zu erklären war, ist der Beklagte auch nicht verpflichtet, die ihm erteilte
vollstreckbare Ausfertigung dieses Urteils an den Kläger herauszugeben.
Die Kosten des Berufungsverfahrens muss der Kläger tragen, weil sein
Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist (§ 97 Abs. 1 ZPO).Die Entscheidung zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Der Antrag des
Klägers, das Urteil ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären
(§ 710 ZPO) konnte keinen Erfolg haben, weil der Kläger Schuldner des
Kostenerstattungsanspruchs des Beklagten ist. Die Revision war nicht zuzulassen,
da die Voraussetzungen hierfür gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.