Urteil des LG Frankfurt am Main vom 08.12.2008

LG Frankfurt Main: vollmacht, daten, aufsichtsrat, handelsregister, datum, untergesellschaft, nichtigkeitsklage, meinung, vertretung, anfechtungsklage

1
2
3
4
5
6
Gericht:
OLG Frankfurt 5.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 W 31/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 135 AktG, § 246a AktG
Freigabe im Verfahren gemäß § 246 a Abs. 2 AktG bei
vorrangigem Vollzugsinteresse des Antragstellers
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin zu 2. (A1 GmbH) gegen den Beschluss des
Landgerichts Frankfurt am Main vom 23. September 2008 (Az.: 3/05 0 203/08) in
der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 11. November 2008 wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragsgegnerin zu 2. zu tragen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 25.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I. Mit Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger am 23.04.2008 lud die
Antragstellerin zu ihrer ordentlichen Hauptversammlung am 05. Juni 2008 ein.
Hinsichtlich des Nachweises der Aktionärsstellung enthielt die Einladung u.a.
folgenden Hinweis: „Der Nachweis hat sich auf den Beginn des 21. Tages vor der
Hauptversammlung zu beziehen. Die Anmeldung sowie der Nachweis müssen der
Gesellschaft bis zum 7. Tag vor der Hauptversammlung … zugehen.“ Hinsichtlich
des Stimmrechts enthielt die Einladung folgenden Hinweis: „Das Stimmrecht in
der Hauptversammlung kann auch durch einen Bevollmächtigten – auch eine
Vereinigung von Aktionären – ausgeübt werden. Die Vollmacht muss schriftlich
erteilt und der Gesellschaft vorgelegt werden.“ Für die weiteren Einzelheiten der
Einladung wird auf Blatt 111 ff. der beigezogenen Akte im Hauptsacheverfahren
Landgericht Frankfurt am Main 3-05 0 113/08 Bezug genommen.
Hinsichtlich der Ausübung des Stimmrechts durch Bevollmächtigte enthält die
Satzung der Antragstellerin – Stand 30. Januar 2008 – in § 17 Abs. 2 folgende
Bestimmung: „Es kann durch schriftlich Bevollmächtigte ausgeübt werden.“
Auf der Hauptversammlung am 05.06.2008 wurde zu Top 5 ein Beschluss gefasst
über die Zustimmung zum Abschluss eines Gewinnabführungsvertrages mit einer
100 %-igen Tochter der Antragstellerin, der A2 GmbH als Untergesellschaft.
Die Antragsgegner haben Anfechtungs-/Nichtigkeitsklage gegen diesen sowie
andere Beschlussfassungen der Hauptversammlung erhoben. Diese Verfahren
sind zum führenden Aktenzeichen 3-05 0 113/08 des Landgerichts Frankfurt am
Main zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung mit noch anderen Klagen
gegen andere Hauptversammlungsbeschlüsse verbunden worden.
Mit am 28.08.2008 eingegangener Antragsschrift vom 22.08.2008 hat die
Antragstellerin und Beklagte im Hauptsacheverfahren das Freigabeverfahren zu
dem Gewinnabführungsvertrag nach § 246 a AktG eingeleitet.
Die Antragstellerin hat die Meinung vertreten, dass die von den Antragsgegnern
erhobenen Klagen gegen die Beschlussfassung zu Top 5 offensichtlich
unbegründet seien. Es liege kein Gesetzes- oder Satzungsverstoß vor. Ein
Bekanntmachungsmangel hinsichtlich der Teilnahmebedingungen und des
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
Bekanntmachungsmangel hinsichtlich der Teilnahmebedingungen und des
Stimmrechts sei nicht gegeben. Zudem bestehe ein vorrangiges Vollzugsinteresse
der Antragstellerin, da sie infolge des abzuschließenden
Gewinnabführungsvertrages steuerliche Vorteile in Höhe von 120.000,00 € für das
Jahr 2008 erwarten könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Antragstellerin wird auf die
Antragsschrift vom 22.08.2008 (Bl. 1 ff. d.A.) sowie den Schriftsatz ohne Datum,
eingegangen am 22.09.2008 (Bl. 76/77 ff. d. A.) Bezug genommen.
Die Antragstellerin hat beantragt festzustellen,
dass die Erhebung der von den Antragsgegnern erhobenen Anfechtungs- und
Nichtigkeitsklagen gegen den Beschluss der Hauptversammlung der
Antragstellerin vom 05.06.2008 zur Zustimmung zum Gewinnabführungsvertrag
(Top 5) der Eintragung des Zustimmungsbeschlusses in das Handelsregister beim
Amtsgericht Königstein nicht entgegensteht und Mängel des
Hauptversammlungsbeschlusses die Wirkung der Eintragung unberührt lassen.
Die Antragsgegner haben beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Antragsgegner haben die Auffassung vertreten, dass der
Hauptversammlungsbeschluss wegen Einberufungsmängeln nichtig sei und bereits
daher eine Freigabe ausscheide. Die Nichtigkeit folge daraus, dass nach der
Einladung im elektronischen Bundesanzeiger die Stimmrechtsausübung für
Bevollmächtigte auch von Kreditinstituten und geschäftsmäßig Handelnden i. S. v.
§ 135 AktG von der Vorlage einer schriftlichen Vollmacht abhängig gemacht werde.
Hinzu komme, dass hinsichtlich des „record dates“ und der Frist zum Nachweis
des Aktienbesitzes lediglich die gesetzliche Bestimmung, nicht jedoch die
konkreten Daten angegeben worden seien. Darüber hinaus bestehe kein
vorrangiges Vollzugsinteresse der Antragstellerin. Der behauptete Steuervorteil ist
von den Antragsgegnern bestritten worden.
Für das weitere Vorbringen der Antragsgegner wird auf deren Schriftsätze vom
08.09.2008 (Bl. 53 ff. d.A., Antragsgegner zu 1.) und 15.09.2008 (Bl. 62 ff. d.A.,
Antragsgegner zu 2.) sowie deren Vorbringen im Hauptsacheverfahren Bezug
genommen.
Mit Beschluss vom 23.09.2008 hat das Landgericht dem Freigabeantrag
stattgegeben. Seine Entscheidung begründet es mit dem Vorliegen eines
vorrangigen Vollzugsinteresses auf Seiten der Antragstellerin. Für die Einzelheiten
der Begründung des Beschlusses wird auf Blatt 71 ff. d. A. Bezug genommen.
Gegen den ihr am 09.10.2008 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin zu
2. am 23.10.2008 sofortige Beschwerde eingelegt, ohne diese allerdings zu
begründen.
Mit Beschluss vom 11. November 2008 hat das Landgericht der sofortigen
Beschwerde nicht abgeholfen und dem Oberlandesgericht zur Entscheidung
vorgelegt.
Der Senat hat die Akten des Hauptsacheverfahrens 3-05 0 113/08 Landgericht
Frankfurt am Main beigezogen. In diesem sind mit Urteil vom 28. Oktober 2008
sämtliche Klagen gegen die Beschlüsse der streitgegenständlichen
Hauptversammlung abgewiesen worden.
II. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zu 2. ist zulässig, insbesondere
wurde sie form- und fristgerecht eingelegt. In der Sache hat sie jedoch keinen
Erfolg.
Der Antrag der Antragstellerin auf „Freigabe“ des Beschlusses zum Abschluss des
Gewinnabführungsvertrages ist zulässig. Nach ständiger Rechtsprechung des
Senats (z.B. Beschluss vom 13.03.2008, Az.: 5 W 4/08, z. nach Juris, Rn. 20;
Beschluss vom 12.09.2008, Az.: 5 W 21/08) wird die Gesellschaft im
Freigabeverfahren nach § 246 a AktG anders als im Anfechtungsverfahren selbst
nur von ihrem Vorstand vertreten. Bei dem Freigabeverfahren handelt es sich um
ein Verfahren, das selbständig zu führen ist, und nicht um ein Verfahren innerhalb
des Hauptsacheverfahrens. Dennoch schadet es nicht, dass vorliegend die
20
21
22
23
24
25
26
des Hauptsacheverfahrens. Dennoch schadet es nicht, dass vorliegend die
Antragstellerin von Vorstand und Aufsichtsrat vertreten wird, da jedenfalls eine
Vertretung durch den Vorstand vorliegt.
Der Antrag der Antragstellerin ist auch begründet. Hierbei kann im Ergebnis – der
Begründung der angefochtenen Entscheidung folgend – dahinstehen, ob bereits
eine offensichtliche Unbegründetheit der von dem Beschwerdeführer erhobenen
Anfechtungsklage vorliegt. Dies könnte im Hinblick auf die Frage zweifelhaft sein,
ob die in § 135 Abs. 1 S. 1 AktG festgelegte Formfreiheit hinsichtlich der
Bevollmächtigung eines Kreditinstituts zwingend (so z.B. Schmidt/Lutter/Spindler,
AktG, § 135 Rn. 7) oder dispositiv ist (so z.B. Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 135 Rn. 6).
Denn jedenfalls besteht – wie bereits vom Landgericht dargelegt – ein vorrangiges
Vollzugsinteresse der Antragstellerin gemäß § 246 a Abs. 2 Alt. 3 AktG. Bei der im
Rahmen dieser Vorschrift vorzunehmenden Abwägung sind die Interessen der
Antragstellerin und ihrer Aktionäre am alsbaldigen Wirksamwerden der
beschlossenen Maßnahme auf der einen Seite und das Interesse des
Beschwerdeführers am Aufschub auf der anderen Seite abzuwägen. Hierbei ist
nach der Regierungsbegründung zu § 246 a AktG (BtDrucks. 15/5092, S. 29) ein
Erfolg der Klage im Hauptsacheverfahren zu unterstellen. Entsprechend sind
abwägungsrelevant auch die Nachteile, welche für die Antragstellerin bei
erfolgreicher Klage einträten (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 08.02.2006,
12 W 185/05, zitiert nach Juris Rn. 157; Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 246 a Rn. 9 m.w.N.).
Auf Seiten der Antragstellerin sind dabei vor allem quantifizierbare, erhebliche
finanzielle Belastungen zu berücksichtigen (Hüffer, a.a.O.), auf Seiten des
Antragsgegners hingegen auch die Schwere des behaupteten Rechtsverstoßes.
Insbesondere bei massiver Verletzung elementarer Aktionärsrechte kommt eine
Versagung der Freigabe in Betracht (vgl. Regierungsbegründung a.a.O.).
Die nach diesen Kriterien vorzunehmende Abwägung führt im Ergebnis zu einem
vorrangigen Vollzugsinteresse der Antragstellerin. Denn diese hat jedenfalls in
ihrem am 22.09.2008 eingegangenen Schriftsatz substantiiert dargestellt, dass ihr
voraussichtlich ein Steuernachteil in Höhe von 120.000,00 € für das Jahr 2008
entstehen wird, wenn es nicht bis zum Jahresende 2008 zur Eintragung des
Gewinnabführungsvertrages kommt. Das entsprechende pauschale Bestreiten der
Beschwerdeführerin reicht angesichts der detaillierten Ausführungen unter Vorlage
einer Gewinn- und Verlustrechnung für das erste Halbjahr 2008 und der Kopie
einer steuerlichen Stellungnahme vom 18.09.2008 nicht aus.
Finanzielle Nachteile des Beschwerdeführers oder anderer Minderheitsaktionäre
sind demgegenüber nicht ersichtlich. Vielmehr wird auch der Wert ihrer Aktien bzw.
ihrer Dividende steigen, wenn die Antragstellerin den genannten Betrag an
Steuern sparen kann und so ihr Gewinn erhöht wird. Die rein theoretische
Möglichkeit, dass die Antragstellerin künftig einen Verlust der A2 GmbH
ausgleichen müsste, kann hieran nichts ändern. Hinzu kommt schließlich, dass die
Beschwerdeführerin lediglich über eine Aktie verfügt, ihr ökonomisches Interesse
daher in jedem Fall äußerst gering ist.
Auch stellen die vorgetragenen Einberufungsmängel jedenfalls keine massive
Verletzung elementarer Aktionärsrechte dar. Dies gilt zunächst für die Angabe des
Gesetzestextes hinsichtlich des „record dates“ und der Anmeldefrist. Denn
aufgrund dieser konnten die Aktionäre ohne weiteres die zutreffenden Fristen
berechnen. Es gilt jedoch auch hinsichtlich des geltend gemachten Verstoßes
gegen § 135 Abs. 1 S. 1 AktG (Erfordernis der Vorlage einer schriftlichen Vollmacht
seitens Kreditinstituten oder geschäftsmäßig Handelnder). Denn insoweit hat die
Beschwerdeführerin nicht vorgetragen, dass durch den entsprechenden Hinweis in
der Einladung entweder sie selbst oder irgendein anderer Aktionär bzw.
Bevollmächtigter an der Hauptversammlung wegen des Hinweises nicht
teilnehmen oder abstimmen konnte. Auch sprechen die Mehrheitsverhältnisse
(über 50 % der Aktien befinden sich in der Hand der Hauptaktionärin B AG, O1 (vgl.
Bl. 325 d.A. 3-5 0 113/08 LG Frankfurt am Main) dafür, dass der angefochtene
Beschluss in der nächsten Hauptversammlung ohne Bekanntmachungsmangel
erneut gefasst werden wird.
Nach alledem erscheint das alsbaldige Wirksamwerden des angefochtenen
Hauptversammlungsbeschlusses vorrangig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Der Beschwerdewert entspricht der
erstinstanzlichen Wertfestsetzung.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.