Urteil des LG Frankfurt am Main vom 23.07.2008

LG Frankfurt Main: akteneinsicht, präsident, firma, einsichtnahme, versicherungsprämie, ermessensausübung, versicherungsvertrag, justizbehörde, abtretung, prozessgegenstand

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Gericht:
OLG Frankfurt 20.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
20 VA 3/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 4 InsO, § 299 Abs 2 ZPO
(Akteneinsicht in die Insolvenzakte: Vorliegen eines
rechtlichen Interesses)
Leitsatz
Ein rechtliches Interesse im Sinne von § 299 II ZPO ist regelmäßig gegeben, wenn die
erstrebte Kenntnis von dem Inhalt der Akten zur Verfolgung von Rechten oder zur
Abwehr von Ansprüchen erforderlich ist, nicht dagegen, wenn es lediglich darum geht,
aus den Akten tatsächliche Informationen zur Durchsetzung eigener, in keinem
rechtlichen Bezug zu dem Prozessgegenstand stehender bzw. mit dem Streitstoff nicht
zusammenhängender Ansprüche zu gewinnen.
Tenor
Der Beschluss des Präsidenten des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom
14.02.2008 wird aufgehoben.
Der Antragsgegner wird angewiesen, den Antrag der Antragstellerin auf
Akteneinsicht unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu
bescheiden.
Der Geschäftswert dieses Verfahrens beträgt 3.000,-- EUR.
Außergerichtliche Kosten werden in diesem Verfahren nicht erstattet.
Gründe
I. Die Antragstellerin – ein Versicherungsunternehmen - begehrt Akteneinsicht in
die Gerichtsakte des Insolvenzverfahrens des Amtsgerichts Frankfurt am Main, Az.
81 IN 898/05 G, über das Vermögen des A.
Zur Begründung hat sie mit Schreiben vom 31.07.2007 zunächst vorgetragen, sie
sei Versicherer des Gemeinschuldners und benötige die Akteneinsicht zur Prüfung
der „Aktivlegitimation des Insolvenzverwalters bzw. von Gläubigern“. Nachdem ihr
die Akteneinsicht zunächst versagt worden war, hat sie mit weiterem Schreiben
vom 23.01.2008 mitgeteilt, zwischen der Firma B und ihr sei ein Rechtsstreit vor
dem Landgericht Frankfurt am Main, Az. 2-08 O 198/07, anhängig, in dem es um
Ansprüche aufgrund einer Brandstiftung gehe und die B sich auf eine Abtretung
des Gemeinschuldners berufe. Die Einsichtnahme in die Insolvenzakte sei
erforderlich, da die wirtschaftlichen Verhältnisse des Gemeinschuldners eine
maßgebliche Indizwirkung für das Vorliegen einer Eigen- bzw.
Auftragsbrandstiftung im Sinne des § 61 VVG darstellen könnten. Wegen der
weiteren Einzelheiten wird auf die Schreiben der Antragstellerin vom 31.07.2007
(Bl. 68 ff. d. A.) und 23.01.2008 (Bl. 70 ff. d. A.) verwiesen.
Durch den angefochtenen Beschluss (Bl. 72 ff. d. A.), auf dessen Einzelheiten
ebenfalls verwiesen wird, hat der Präsident des Amtsgerichts das
Akteneinsichtsgesuch der Antragstellerin abgelehnt. Zur Begründung hat er im
Wesentlichen ausgeführt, dass der Antrag abzulehnen sei, da das hierfür
erforderliche rechtliche Interesse im Sinne der §§ 4 InsO, 299 Abs. 2 ZPO fehle. Die
Antragstellerin sei weder Gläubigerin des Schuldners noch sonst am
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Antragstellerin sei weder Gläubigerin des Schuldners noch sonst am
Insolvenzverfahren beteiligt. Ziel der Antragstellerin sei es, aus den Akten
Informationen zu erhalten, um Ansprüche der – am Insolvenzverfahren ebenfalls
nicht beteiligten – Firma B GmbH Co. KG abzuwehren. Dies vermöge zwar ein
wirtschaftliches, aber noch kein rechtliches Interesse im Sinne des § 299 Abs. 2
ZPO zu begründen.
Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin mit am 07.03.2008 beim
Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz Antrag nach den §§ 23 ff. EGGVG
gestellt. Sie rügt im Wesentlichen, dass der Präsident des Amtsgerichts ein
rechtliches Interesse im Sinne des § 299 Abs. 2 ZPO zu Unrecht verneint habe. Die
behauptete Schuldnerstellung der Antragstellerin schaffe eine unmittelbare
rechtliche Beziehung zum Insolvenzschuldner, die für das erforderliche rechtliche
Interesse hinreichend sei. Die Abtretung des Anspruchs durch den
Insolvenzschuldner an die Firma B GmbH Co. KG sei insoweit unerheblich;
letztendlich handele es sich bei der von dieser gegen die Antragstellerin geltend
gemachten Forderung um eine solche des Insolvenzschuldners. Die von der
Antragstellerin in diesem Zivilprozess geltend zu machenden Einwendungen
bezögen sich auch auf die Person des Insolvenzschuldners. Der rechtliche Bezug
zum Streitstoff der einzusehenden Insolvenzakte sei darin zu sehen, dass es um
Indizien gehe, die im Rahmen dieses bereits anhängigen Zivilrechtsstreites von
rechtlicher Bedeutung seien. Die darin behaupteten Ansprüche ergäben sich aus
dem zwischen den Beteiligten geschlossenen Versicherungsvertrag und die
Maßgeblichkeit dieser Umstände aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
zu § 61 VVG. Die erforderliche Rechtsverteidigung gegen diese Ansprüche
begründeten - so die Antragstellerin - das erforderliche rechtliche Interesse.
Darüber hinaus hat die Antragstellerin im Schriftsatz vom 26.05.2008 erstmals
den Anspruch auf Einsichtnahme in die Insolvenzakte hilfsweise damit begründet,
dass die Versicherungsprämie vom Insolvenzschuldner nicht beglichen worden sei,
so dass die Antragstellerin, was die nicht gezahlte Versicherungsprämie angehe,
ohnehin Gläubigerin des Insolvenzschuldners sei.
Sie beantragt, den Beschluss des Antragsgegners vom 14.02.2008 aufzuheben
und den Antragsgegner anzuweisen, der Antragstellerin Akteneinsicht in die
Insolvenzakte des A beim Amtsgericht Frankfurt am Main (Az.: 810 IN 898/05 G-5)
zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt, den Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG auf Akteneinsicht
zurückzuweisen.
Er vertritt die Auffassung, dass der Präsident des Amtsgerichts das Gesuch der
Antragstellerin mit zutreffender Begründung zurückgewiesen habe. Es fehle am
rechtlichen Interesse im Sinne des § 299 Abs. 2 ZPO. Die Antragstellerin sei keine
Gläubigerin des Schuldners, sondern Schuldnerin einer behaupteten Forderung,
die dem Schuldner nicht einmal zustehe. Ihr Interesse sei lediglich darauf
gerichtet, einzelne, möglicherweise in den Insolvenzakten enthaltene
Informationen zu ermitteln, um sich in einem mit einem Dritten geführten
Rechtsstreit besser verteidigen zu können. Es fehle mithin sowohl an einer
unmittelbaren rechtlichen Beziehung zum Schuldner – der Versicherungsvertrag
sei beendet; der Anspruch auf die Versicherungsleistung werde nicht vom
Schuldner erhoben – als auch an einem unmittelbaren Bezug zum Streitstoff des
Insolvenzverfahrens. Ergänzend wird auf den Inhalt der Verfügung vom 30.04.2008
(Bl. 77 ff. d. A.) verwiesen.
II. Der auch ansonsten zulässige, so insbesondere gemäß § 26 Abs. 1 EGGVG
fristgerecht eingegangene Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gemäß § 23
Abs. 1 EGGVG statthaft. Bei dem Beschluss des Präsidenten des Amtsgerichts
vom 14.02.2008 handelt es sich um eine Verfügung, die von einer Justizbehörde
zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Zivilprozesses
getroffen wurde, mithin um einen Justizverwaltungsakt im Sinne der zuletzt
genannten Vorschrift. Darin liegt ein hoheitliches Handeln einer Justizbehörde zur
Regelung einer einzelnen Angelegenheit auf dem Gebiet des Zivilprozesses, das
geeignet ist, den Betroffenen in seinen Rechten zu verletzen (vgl. Senat ZIns0
2005, 1327).
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist auch in dem aus dem Tenor
ersichtlichen Umfang begründet.
Nach § 4 InsO in Verbindung mit § 299 Abs. 2 ZPO kann der Vorstand des Gerichts
ohne die Einwilligung der Parteien die Einsicht in die Akten nur gestatten, wenn ein
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ohne die Einwilligung der Parteien die Einsicht in die Akten nur gestatten, wenn ein
rechtliches Interesse glaubhaft gemacht wird. Selbst wenn diese Voraussetzung
erfüllt ist, steht die Gewährung der Akteneinsicht an Dritte sodann im
pflichtgemäßen Ermessen des Vorstands des Gerichts und hat der Dritte nicht
etwa ein gesetzliches Einsichtsrecht, wie es in § 299 Abs. 1 ZPO den
Prozessparteien eingeräumt wird. Die Entscheidung der Gerichtsverwaltung liegt
sodann vielmehr in deren pflichtgemäßen Ermessen (Kissel/Mayer, GVG, 5. Aufl., §
12 GVG Rz. 110, 114; Senat ZIns0 2005, 1327) unter Berücksichtigung der
informationellen Selbstbestimmung der Beteiligten und dem „Vorrecht des
Spruchrichters“ (Kissel/Mayer, a.a.O., § 12 GVG Rz. 110). Im Rahmen dieser
Ermessensentscheidung sind dann die Akten dahingehend zu untersuchen, ob
durch die Kenntnisnahme Dritter schutzwürdige Interessen der Parteien bzw.
Verfahrensbeteiligten verletzt werden können. In diesen Fällen ist bei der
Ermessensentscheidung des Gerichtsvorstands das Gemeinhaltungsbedürfnis der
Parteien bzw. Verfahrensbeteiligten mit dem Informationsbedürfnis des Dritten
abzuwägen. Bei besonderem Parteiinteresse können etwa Namen geschwärzt
oder besonders geheimhaltungsbedürftige Aktenteile von der Einsichtnahme aus
den Akten entnommen werden. Die Ermessensausübung des Gerichtsvorstands
beginnt allerdings überhaupt erst nach der Feststellung eines rechtlichen
Interesses im Sinne des § 299 Abs. 2 ZPO (vgl. Senat, Beschluss vom 01.02.2007,
20 VA 13/06 und 20 VA 14/06 = BeckRS 2007 03745 unter Hinweis auf BGH KTS
1998, 581; OLG Saarbrücken NJW-RR 2001, 931 und m. w. N.).
Die Einwilligung in die Einsichtnahme der Akten liegt hier nicht vor.
Der Senat geht aber anders als der Präsident des Amtsgerichts davon aus, dass
die Antragstellerin ein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht hinreichend
dargelegt und auch glaubhaft gemacht hat.
Das erforderliche rechtliche Interesse muss sich unmittelbar aus der
Rechtsordnung ergeben. Es setzt ein auf Rechtsnormen beruhendes oder durch
solche geregeltes, gegenwärtig bestehendes Verhältnis einer Person zu einer
anderen Person oder zu einer Sache voraus. Ein rechtliches Individualinteresse an
der Akteneinsicht liegt vor, wo irgendwelche persönlichen Rechte des
Antragstellers durch den Akteninhalt auch nur mittelbar berührt werden können,
sofern ein rechtlicher Bezug zu dem Streitstoff der einzusehenden Akte besteht.
Dazu gehören auch rechtlich begründete wirtschaftliche Interessen, sofern diese
Interessen einen rechtlichen Bezug zum Streitstoff der Akten haben; es muss der
Interessenkreis des Antragstellers durch das Verfahren konkret berührt werden
(vgl. die Nachweise bei Senat ZIns0 2005, 1327, und Senat, Beschluss vom
01.02.2007, 20 VA 13/06 und 20 VA 14/06 = BeckRS 2007 03745) und zwar durch
das Verfahren selbst oder wenigstens durch den diesem zugrunde liegenden
Sachverhalt (vgl. OLG Dresden ZinsO 2003, 1148, zur Einsichtnahme in
Insolvenzakten m. w. N.). Ein rein wirtschaftliches oder gesellschaftliches Interesse
genügt also nicht. Ein rechtliches Interesse ist aber regelmäßig gegeben, wenn die
erstrebte Kenntnis von dem Inhalt der Akten zur Verfolgung von Rechten oder zur
Abwehr von Ansprüchen erforderlich ist, nicht dagegen, wenn es lediglich darum
geht, aus den Akten tatsächliche Informationen zur Durchsetzung eigener, in
keinem rechtlichen Bezug zu dem Prozessgegenstand stehender bzw. mit dem
Streitstoff nicht zusammenhängender Ansprüche zu gewinnen (vgl. die Nachweise
bei Senat, Beschluss vom 01.02.2007, 20 VA 13/06 und 20 VA 14/06 = BeckRS
2007 03745; KTS 1997, 671).
Für die Einsicht in Insolvenzakten ist in diesem Zusammenhang weiter davon
auszugehen, dass auch potentielle Insolvenzgläubiger während des laufenden
Insolvenzverfahrens grundsätzlich einen Anspruch auf Einsicht in die
Insolvenzakten haben können. Der Darlegung eines besonderen Interesses bedarf
es dann nicht. Allein die anstehende Entscheidung, ob am Verfahren überhaupt
teilgenommen werden soll, rechtfertigt das Einsichtsgesuch. Grundsätzlich besteht
nämlich im eröffneten Insolvenzverfahren kein schützenswertes Interesse des
Schuldners oder anderer Beteiligter – auch nicht des Insolvenzverwalters -, die
näheren Umstände des Verfahrens vor den Gläubigern geheim zu halten, weil die
Verfahrensabwicklung im Interesse der Gläubiger stattfindet (vgl. Senat ZIns0
2005, 1327; Beschluss vom 29.05.2008, 20 VA 5/08).
Ausgehend von den zuletzt genannten Erwägungen steht der Antragstellerin hier
allerdings ein Anspruch auf Akteneinsicht nicht bereits im Hinblick auf die im
Schriftsatz vom 26.05.2008, am Ende, erstmals behauptete eigene Forderung auf
eine „nicht gezahlte Versicherungsprämie“ gegen den Schuldner zu. Aus der von
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eine „nicht gezahlte Versicherungsprämie“ gegen den Schuldner zu. Aus der von
der Antragstellerin im vorliegenden Verfahren selber mehrfach aufgeführten und
zitierten Entscheidung des Senats vom 27.06.2005 in ZIns0 2005, 1327, ist zu
entnehmen, dass eine solche Forderung hätte glaubhaft gemacht werden müssen.
Da die Befugnis eines Gläubigers, Insolvenzantrag zu stellen, nicht die Titulierung,
sondern die Glaubhaftmachung seiner Forderung voraussetzt, muss das auch im
Rahmen des § 299 Abs. 2 ZPO genügen. Diese ist aber auch erforderlich. Daran
fehlt es hier. Im Gegenteil hat der Antragsgegner Unterlagen vorgelegt, aus denen
sich ergibt, dass die Antragstellerin bereits erklärt hatte, aus dem
Versicherungsvertrag mit dem Schuldner würde keine Forderung mehr bestehen.
Letzteres korrespondiert auch mit den Angaben in der mit der Antragsschrift
vorgelegten Klageerwiderung vom 19.09.2007, in der mehrfach (etwa Seiten 2 und
29) vorgetragen worden ist, dass der Schuldner zumindest die
Versicherungsprämie sofort gezahlt habe. Welcher Art also die „nicht gezahlte
Versicherungsprämie“ sein soll, lässt sich dem Vorbringen der Antragstellerin in
keiner Weise entnehmen und kann mithin eine Einsicht in die Insolvenzakten
erkennbar nicht rechtfertigen.
Das erforderliche rechtliche Interesse der Antragstellerin an der Akteneinsicht im
Sinne des § 299 Abs. 2 ZPO ergibt sich zur Überzeugung des Senats jedoch
vorliegend aus ihrem Rechtsverteidigungsinteresse im Verfahren Landgericht
Frankfurt am Main, Az. 2-08 O 198/07.
Der Präsident des Amtsgerichts hat allerdings zutreffend darauf hingewiesen, dass
das Interesse eines Dritten, durch die Akteneinsicht Tatsachen zu erfahren, die es
ihm erleichtern, einen Anspruch geltend zu machen oder abzuwehren, der in
keinem rechtlichen Bezug zu dem Verfahrensgegenstand steht, für das rechtliche
Interesse im Sinne des § 299 Abs. 2 ZPO grundsätzlich nicht genügt (vgl. insofern
weiter: OLG Köln OLGR 2008, 191, zitiert nach Juris, m. w. N.; vgl. auch Senat,
Beschluss vom 29.05.2008, 20 VA 5/08). Insofern verweist der Antragsgegner
weiter zu Recht darauf, dass die Antragstellerin Schuldnerin einer behaupteten
Forderung ist, die dem Schuldner nicht (mehr) zusteht, sondern allenfalls der im
Zivilprozess klagenden Firma B GmbH Co. KG. Das Interesse der Antragstellerin ist
hier auch tatsächlich darauf gerichtet, möglicherweise in den Insolvenzakten
enthaltene Informationen zu ermitteln, um sich in einem mit einem Dritten - der
Firma B GmbH Co. KG - geführten Rechtsstreit verteidigen zu können. Nach der
vom Antragsgegner zutreffend zitierten Rechtsprechung genügt das Interesse, das
lediglich auf die Ermittlung einzelner, in der Akte möglicherweise enthaltener
Fakten gerichtet ist, nicht jedoch auf Erlangung umfassender Kenntnis von dem
Verfahren als solchen und dem ihm zugrunde liegenden Sachverhalt, nicht für das
erforderliche rechtliche Interesse im Sinne des § 299 Abs. 2 ZPO.
In Bezug auf Letzteres ergibt sich zwar aus der von der Antragstellerin vorgelegten
Klageerwiderung vom 19.09.2007, Seiten 2 ff., dass ihr die wirtschaftlichen
Verhältnisse des Schuldners auch ohne Akteneinsicht bereits im erheblichem
Umfang bekannt sind. Es kann ihr hier allerdings nicht angesonnen werden, weiter
darzulegen, was sie über diese Kenntnisse hinaus an Informationen über die
wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners aus den Insolvenzakten zu
entnehmen beabsichtigt, da ihr die Kenntnis dieser Tatsachen ja gerade fehlt.
Deren Erlangung ist gerade das Ziel der begehrten Akteneinsicht. Es ist auch nicht
ausgeschlossen, dass die in das landgerichtliche Verfahren von der hiesigen
Antragstellerin eingeführten Tatsachen von dem dortigen Gericht als nicht
hinreichend erachtet werden.
Im Übrigen handelt es sich vorliegend ohne Zweifel durchaus um ein
„Ausforschungsinteresse“ der Antragstellerin, das darauf gerichtet ist, sich mit
den aus den Insolvenzakten gewonnenen Informationen in einem Prozess mit
einem Dritten verteidigen zu können. Dabei kann vorliegend aber zur
Überzeugung des Senats nicht unberücksichtigt bleiben, dass es sich bei dem von
der Klägerin im bezeichneten Klageverfahren - der Firma B GmbH Co. KG - geltend
gemachten Anspruch um einen vom Schuldner an diese abgetretenen Anspruch
handelt. Zwar ergibt sich aus dem weiteren Umstand, dass der Insolvenzverwalter
den Anspruch freigegeben hat (vgl. das Schreiben vom 10.04.2007, Bl. 36 d. A.),
dass dieser gerade nicht mehr Gegenstand des Insolvenzverfahrens ist, so dass
aus dieser Erwägung heraus ein rechtlicher Bezug zum Streitstoff der
Insolvenzakten nicht bestehen kann. Beim Insolvenzverfahren geht es um die
gleichmäßige Verteilung des verwertbaren Vermögens, also um die Interessen der
Gläubigergemeinschaft, vgl. § 1 Satz 1 InsO. Es dient der Befriedigung der
Insolvenzgläubiger, zu denen – jedenfalls im Hinblick auf die im Zivilprozess
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Insolvenzgläubiger, zu denen – jedenfalls im Hinblick auf die im Zivilprozess
streitgegenständliche Forderung - offensichtlich weder die Klägerin des Verfahrens
vor dem Landgericht noch die Antragstellerin gehören (vgl. hierzu OLG Köln OLGR
2008, 191; Senat, Beschluss vom 29.05.2008, 20 VA 5/08). Wenn diese
abgetretene Forderung also auch nicht mehr Gegenstand des Insolvenzverfahrens
ist, kann doch nicht verkannt werden, dass das Bestehen von Forderungen und
Ansprüchen, die dem Schuldner zustanden bzw. gegen diesen gerichtet waren,
was jedenfalls zum Streit- und Erkenntnisstoff des in der Insolvenzakte
zusammengefassten Insolvenzverfahrens gehört, und dessen daraus herleitbare
wirtschaftliche Verhältnisse für die Berechtigung der in dem bezeichneten
Zivilprozess gegen die Antragstellerin geltend gemachten – ehemals dem
Schuldner zustehenden – Forderung von direkter und maßgeblicher Bedeutung
sind. Auf diese Angaben ist die Antragstellerin zur Rechtsverteidigung angewiesen;
die dem zugrunde liegenden Rechtsgründe und deren mutmaßliche Relevanz für
den bezeichneten Zivilprozess hat sie unter Bezugnahme auf die einschlägige
Rechtsprechung nachvollziehbar hergeleitet und begründet. Wie bereits oben
dargelegt, muss der Interessenkreis der Antragstellerin durch das
Insolvenzverfahren selbst oder durch den diesem zugrunde liegenden Sachverhalt
konkret berührt werden. Wenigstens Letzteres ist hier gegeben; hieraus resultiert
der rechtliche Bezug zum Streit- und Erkenntnisstoff der einzusehenden
Insolvenzakte. Dieses Interesse geht auch über die bloße Ausforschung
wirtschaftlicher Verhältnisse des Schuldners hinaus. Es geht gerade nicht lediglich
um die Erlangung von tatsächlichen Informationen aus der Insolvenzakte zur
Abwehr von in keinem rechtlichen Bezug zu dem Inhalt der Insolvenzakte
stehender bzw. mit diesem nicht zusammenhängender Ansprüche. Die erstrebte
Kenntnis von dem Inhalt der Insolvenzakte ist im oben beschriebenen Sinn zur
Abwehr von an die Antragstellerin bereits im Wege der Klage herangetragenen
Ansprüchen, die aus einem Vertragsverhältnis mit dem Schuldner herrühren,
erforderlich.
Ein auf Rechtsnormen beruhendes oder durch solche geregeltes, gegenwärtig
bestehendes Verhältnis einer Person zu einer anderen Person im oben
beschriebenen Sinne, das ein rechtliches Individualinteresse der Antragstellerin
begründen kann, leitet sich hier im Übrigen aus dem (auch) mit dem Schuldner
begründeten Versicherungsvertragsverhältnis her. Dabei kommt es – wie bereits
erwähnt - nicht darauf an, ob die Antragstellerin daraus noch Ansprüche herleiten
kann, worauf im Ergebnis der Präsident des Amtsgerichts lediglich abgestellt hat.
Sie selber wird vielmehr daraus in Anspruch genommen. Aus dem Gesichtspunkt,
dass der Schuldner den bezeichneten Anspruch abgetreten hat und mithin nicht
Partei des Klageverfahrens ist bzw. sein kann, kann zur Überzeugung des Senats
nicht bereits auf ein diesbezüglich fehlendes rechtliches Interesse der
Antragstellerin an der Akteneinsicht geschlossen werden. Umgekehrt kann der
bloße Umstand, dass die Parteirollen des Klageverfahrens lediglich wegen der
Abtretung verändert wurden und der Schuldner mithin an diesem Verfahren nicht
beteiligt ist, nicht dazu führen, dass dadurch ein ansonsten bestehendes
rechtliches Interesse aufgehoben würde. Maßgeblich für die Begründetheit dieses
Anspruchs sind nämlich mit der Person des Schuldners und dessen wirtschaftlicher
Situation zusammenhängende tatsächliche Gesichtspunkte; auf die Person der
Abtretungsempfängerin - die Firma B GmbH Co. KG - kommt es in diesem
Zusammenhang nicht an. Insoweit verbleibt es bei einem rechtlich untrennbaren
Zusammenhang mit der Person des Schuldners. Ob sich dieser auch auf noch aus
dem Versicherungsvertragsverhältnis herrührende etwaige Aufklärungs- und
Mitwirkungsobliegenheiten des Schuldners gründen lässt, kann dahinstehen.
Der Präsident des Amtsgerichts hat, da er schon das rechtliche Interesse verneint
hat, von seinem Standpunkt aus konsequent die ihm nach § 299 Abs. 2 ZPO
obliegende Ermessensentscheidung nicht getroffen. Die diesbezügliche
Entscheidung der Gerichtsverwaltung über die Akteneinsicht liegt in deren
pflichtgemäßem Ermessen. Der Senat hat ebenfalls bereits oben dargelegt, dass
die Ermessensausübung des Gerichtsvorstands überhaupt erst nach der
Feststellung eines rechtlichen Interesses beginnen kann. Diese zu treffende
Ermessensentscheidung ist aber ausschließlich Sache der Verwaltungsbehörde.
Keinesfalls darf das Gericht sein eigenes Ermessen an die Stelle des Ermessens
der Behörde setzen (vgl. Senat, Beschluss vom 01.02.2007, 20 VA 13/06 und 20
VA 14/06 = BeckRS 2007 03745, mit vielfältigen weiteren Nachweisen). Der Senat
ist gemäß § 28 Abs. 3 EGGVG vielmehr lediglich zur eingeschränkten Überprüfung
der Ermessensausübung berechtigt, nämlich dahingehend, ob die Behörde die
gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens eingehalten hat und von dem Ermessen in
einer dem gesetzlichen Zweck entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Ein
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einer dem gesetzlichen Zweck entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Ein
Sonderfall dahingehend, dass sich die Ermessensentscheidung zu einer einzigen
richtigen Entscheidung verdichtet hätte, liegt hier nicht vor. Damit ist die
Ermessensentscheidung nachzuholen, die Sache ist nicht spruchreif, §§ 28 Abs. 2,
Abs. 3 EGGVG. Auch eine nicht begründete Ermessensentscheidung wäre überdies
aufzuheben, weil ansonsten die gerichtliche Nachprüfung, welche Überlegungen
die Justizbehörde bei der Ausübung des Ermessens angestellt hat, gar nicht
möglich wäre. Damit ist die behördliche Entscheidung aufzuheben und die Sache
zur erneuten Bescheidung an die Behörde zurück zu geben (Senat, Beschluss vom
01.02.2007, 20 VA 13/06 und 20 VA 14/06 = BeckRS 2007 03745 mit vielfältigen
weiteren Nachweisen).
Eine Beteiligung der Beteiligten des Insolvenzverfahrens, also etwa des dortigen
Schuldners und des Insolvenzverwalters, vor dem Oberlandesgericht an dem
hiesigen Verfahren auf gerichtliche Entscheidung durch den Senat bedurfte es
nicht. Deren berechtigte Interessen sind im Rahmen der vom Gesetz zu ihrem
Schutz vorgesehenen und von der Justizverwaltung zu treffenden
Ermessensentscheidung zu berücksichtigen. Dort sind sie zur Wahrung ihrer
Rechte gegebenenfalls zu beteiligen (vgl. Senat, Beschluss vom 01.02.2007, 20 VA
13/06 und 20 VA 14/06 = BeckRS 2007 03745, unter Hinweis auf BGH KTS 1998,
581; WM 2006, 1435; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 66. Aufl., §
299 Rz. 23, 24). Eine derartige Entscheidung hat der Senat jedoch – wie ausgeführt
– im vorliegenden Verfahren nicht zu treffen und auch nicht getroffen.
Eine Entscheidung über Gerichtsgebühren hat der Senat nicht zu treffen, weil
solche überhaupt nur bei Zurückweisung oder Zurücknahme des Antrags erhoben
werden, §§ 30 EGGVG, 131 Abs. 4 Satz 3 KostO.
Für die Anordnung einer Erstattungsfähigkeit außergerichtlicher Kosten gemäß §
30 Abs. 2 EGGVG hat der Senat keine Veranlassung gesehen. Der Umstand, dass
der Antrag der Antragstellerin (vorerst) Erfolg hatte, reicht für eine Überbürdung
außergerichtlicher Kosten nicht aus. Eine offensichtliche und besonders schwere
Rechtsverletzung durch die Justizbehörden ist angesichts der vorliegend
maßgeblichen und durch den Senat lediglich anders als durch den Präsidenten des
Amtsgerichts beurteilten Rechtsfragen keinesfalls ersichtlich (vgl. hierzu ebenfalls
Senat, Beschluss vom 01.02.2007, 20 VA 13/06 und 20 VA 14/06 = BeckRS 2007
03745).
Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf den §§ 30 Abs. 3 EGGVG, 30 Abs.
2 Satz 1 KostO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.