Urteil des LG Frankfurt am Main vom 16.03.2006

LG Frankfurt Main: zugang, gemeingebrauch, öffentliches recht, öffentliche sache, verkehrsmittel, hausrecht, zutritt, grundstück, eigenschaft, bauwerk

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Gericht:
OLG Frankfurt 1.
Strafsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 Ss 189/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 123 StGB, § 22 PBefG
(Hausfriedensbruch: Hausverbot für unterirdische
Fußgängerpassage zur U-Bahnstation)
Leitsatz
1. Ein Bauwerk wird nicht bereits deshalb zu einem befriedeten Besitztum i. S. des §
123 BGB, weil es unter dem Straßenniveau liegt und damit naturgemäß über
Abgrenzungen verfügt. Eine unterirdische Straßenverkehrsfläche ("B-Ebene"), die
ausschließlich dem Fußgängerverkehr als Straßenunterführung und als Zugang zu U-
und S-Bahnanlagen sowie zu Geschäftslokalen und sonstigen von der Öffentlichkeit
genutzten Einrichtungen dient, ist danach als befriedetes Besitztum anzusehen.
2. Zur tatrichterllichen Feststellung der materiellen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen
eines Hausverbots, das sich auf eine Allgemeinheit zugänglich gemachte Räumlichkeit
bezieht
Gründe
Mit Urteil vom 05.10.2004 hat das Amtsgericht Frankfurt am Main den
Angeklagten wegen Hausfriedensbruchs in zwei Fällen zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von vier Monaten und zwei Wochen verurteilt.
Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Berufung eingelegt.
Die Berufung des Angeklagten wurde vom Landgericht Frankfurt am Main mit
Urteil vom 09.02.2005 als unbegründet verworfen. Dagegen richtet sich die form-
und fristgerecht eingelegte Revision des Angeklagten, mit der die Verletzung
formellen und materiellen Rechts gerügt wird.
Das Rechtsmittel des Angeklagten führt mit der ordnungsgemäß erhobenen
allgemeinen Sachrüge zur Aufhebung des Urteils, so daß es nicht darauf
ankommt, ob die Verfahrensrüge in zulässiger Weise erhoben worden ist.
Die Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen Hausfriedensbruchs nicht.
Sie sind unvollständig und lückenhaft und erlauben dem Senat daher nicht die ihm
obliegende Nachprüfung, ob das Landgericht das sachliche Recht zutreffend
angewandt hat. Das Landgericht hat bereits nur unzureichende Feststellungen zu
den Örtlichkeiten der sog. B-Ebene getroffen.
Zu den durch § 123 StGB geschützten – hier in Betracht kommenden –
Örtlichkeiten gehören das befriedete Besitztum und abgeschlossene Räume, die
zum öffentlichen Verkehr bestimmt sind. Ein „befriedetes Besitztum" ist nach der
seit der Entscheidung des Reichsgerichts (Urteil vom 12.12.1884, RGSt. 11, 293 f.)
einhelligen Rechtsprechung und der übereinstimmenden Auffassung der Literatur
immer dann gegeben, wenn ein Grundstück von dem Berechtigten in äußerlich
erkennbarer Weise mittels zusammenhängender Schutzwehren gegen das
beliebige Betreten durch andere – wobei insoweit auf die Gegebenheiten zum
Tatzeitpunkt abzustellen ist (vgl. KG, Urteil vom 13.04.1927, JW 1927, 1713) –
gesichert ist. Dabei besteht seit der Entscheidung des Reichsgerichts vom 30. 10.
gesichert ist. Dabei besteht seit der Entscheidung des Reichsgerichts vom 30. 10.
1903 (RGSt 36, 395 ff.) auch Einigkeit darüber, daß bei einem in solcher Weise
„befriedigten“, eingehegten Grundstück die Anwendung der Vorschrift nicht von
weiteren Voraussetzungen abhängig ist, es insbesondere nicht etwa noch
zusätzlich eines Zusammenhangs des Besitztums mit einer unter dem Schutze
des Hausfriedens stehenden Wohnung oder eines Geschäftsraumes bedarf. In der
genannten Entscheidung hat das Reichsgericht unter Darlegung der
Entstehungsgeschichte dieser den Bestimmungen des preußischen
Strafgesetzbuches nachgebildeten Vorschrift und der dabei entstandenen
Gesetzesmaterialien klargestellt, daß jedem befriedeten Besitztum - d.h. jedem
„mit einer Einhegung, Einfriedung versehenen" Besitztum unabhängig von einem
etwaigen räumlichen oder sonstigen Zusammenhang mit einem anderen
Grundstück - der Schutz des § 123 StGB zukommen solle und zwar „gerade
deshalb, weil der Wille, jede Friedensstörung abzuwehren, kenntlich gemacht" sei;
die Vorschrift „verpöne gleicherweise die Verletzung des Rechtsfriedens in jeglicher
Liegenschaft, die - sofern sie nicht schon zufolge ihres erkennbaren
Zusammenhangs mit einer Wohnung oder einem Geschäftsraum als Teil dieser
Räume den Schutz derselben mitgenieße -, vom Besitzer erkennbar zu einer
befriedeten gemacht“ sei. Seither hat die in Rechtsprechung und Lehre
herrschende Auffassung ein tatbestandsmäßiges befriedetes Besitztum immer
dann für gegeben erachtet, wenn es entweder – ohne besondere Einfriedung –
wegen seines engen räumlichen und funktionalen Zusammenhangs für jedermann
erkennbar zu einer der sonst in § 123 StGB genannten Örtlichkeiten gehört, oder
wenn es – ohne eine solche räumliche Verbindung – vom berechtigten Inhaber in
äußerlich erkennbarer Weise mittels zusammenhängender Schutzwehren gegen
das willkürliche Betreten durch andere gesichert ist, wobei eine lückenlose
Abschließung oder eine tatsächlich wesentliche Erschwerung des Zugangs für nicht
erforderlich erachtet wird (vgl. etwa Schäfer in MK StGB, § 123, Rdnr. 14, 15;
Lenckner in Schönke/Schröder StGB, 26. Aufl., § 123 Rdnr. 6; Lilie in LK StGB, 11.
Aufl., § 123 Rdnr, 17; Tröndle/Fischer StGB, 52. Aufl., § 123, Rdnr. 8; Rudolphi/Stein
in SK StGB II, 53. Lieferung, 6. Aufl., § 123 Rdnr. 36 ff.). Jedoch darf durch etwa
vorhandene Lücken oder Unterbrechungen der Charakter einer äußerlich
erkennbar gewollten physischen Schutzwehr nicht verloren gehen (vgl. u.a. die
Nachweise bei Lenckner, a.a.O.). Andererseits ist anerkannt, daß unter befriedetes
Besitztum auch Gebäude fallen, die nicht Wohn- oder Geschäftszwecken oder dem
öffentlichen Dienst oder Verkehr dienen und sich den anderen
Tatbestandsalternativen nicht oder nicht ohne weiteres zuordnen lassen, und daß
die die verschiedenen Räumlichkeiten beschreibenden, einzelnen
Tatbestandsmerkmale des § 123 StGB sich überdecken und überschneiden, also
zum öffentlichen Verkehr bestimmte abgeschlossene Räume auch „befriedetes
Besitztum" sein können, es im Ergebnis dann auf eine exakte Abgrenzung nicht
ankommt (vgl. Lenckner, a.a.O., § 123 Rdnr. 6 und 7).Nach den bisherigen
Feststellungen kann die B-Ebene der Konstablerwache nicht als eine der
vorgenannten, durch § 123 StGB geschützte Örtlichkeit qualifiziert werden. Das
Landgericht hat zur Örtlichkeit folgendes ausgeführt (UA, Seite 11,12):„ Die
ausgesprochenen Hausverbote gegen den Angeklagten sind auch bezüglich der B-
Ebene der Konstablerwache wirksam. Bei der B-Ebene handelt es sich ebenso wie
der C-Ebene um ein Bauwerk der A. Dort befinden sich deren Ticketschalter mit
Informationsschalter und Fahrkartenautomaten. Am Ende der nach unten
führenden Treppen befindet sich dort am darüber befindlichen Bauwerk ein Hinweis
auf die A. Schon danach ist die B-Ebene den A deutlich zuzuordnen. Entgegen
dem Amtsgericht Frankfurt am Main in NStZ 82, 334 handelt es sich auch um
befriedetes Besitztum, auch wenn der Berechtigte es für den allgemeinen Verkehr
als Fußgängerunterführung und als Zugang zu den U- und S-Bahnen und
Ladengeschäften freigegeben hat. Geschützt können auch befriedete Flächen
sein, die gleichfalls dem öffentlichen Verkehr dienen (vgl. Nürnberg-Fürth, Beschl.
v. 16.11.92). Daß die B-Ebene nicht durch irgendwelche Absperrungen äußerlich
gesichert ist, steht der Befriedung nicht entgegen. Es reicht, wenn eine deutliche
Abhebung vom übrigen Verkehrsraum erkennbar ist. Dies ist hier der Fall. Durch
die durchgehende Absenkung der B-Ebene vom oberirdischen
Straßenverkehrsbereich ist eindeutig eine visuelle und taktile Begrenzung
gegenüber dem oberirdischen öffentlichen Raum gegeben. Die B-Ebene ist auch
nur durch abwärtsführende Treppen, Rolltreppen und Fahrstühle erreichbar, so daß
der Übergang vom ober- zum unterirdischen Raum deutlich erkennbar ist. Die A ist
auch befugt und in der Lage während der Nachtzeiten, wenn keine öffentlichen
Verkehrsmittel verkehren, den Zugang durch einzelne Rolltore an den jeweiligen
Treppen abzuschließen, hat also die Möglichkeit, die sonst von ihr zugelassene
Öffentlichkeit in dieser Zeit vollständig auszuschließen, was schon ein deutlicher
Hinweis für ihr Hausrecht ist, auch wenn es sich nur um wenige Stunden und noch
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Hinweis für ihr Hausrecht ist, auch wenn es sich nur um wenige Stunden und noch
dazu um eine Zeit mit wenig Publikumsaufkommen handelt.
Die A ist daher in der Lage, den sonst von ihr zugelassenen Durchgangsverkehr
einzuschränken. Auch wenn sie sonst außerhalb der Nachtzeiten bzw.
Morgenstunden den öffentlichen Durchgangsverkehr zugelassen hat, muß sie
nicht jede Nutzung hinnehmen. Es ist allgemein anerkannt, daß derjenige, der sein
Grundstück für die Benutzung durch die Allgemeinheit freigibt, durchaus die
Möglichkeit hat, eine bestimmte Art der Nutzung zu untersagen (siehe LG
Nürnberg-Fürth am 16.11.92). Zwar darf jeder im Rahmen der Freigabe das
Grundstück nutzen. Der Umfang der allgemeinen Zulassung wird aber
überschritten, wenn er dem Zweck der Überlassung widerspricht. Die
unterirdischen Verkehrsflächen dienen aber ausschließlich dem Fußgängerverkehr
als Straßenunterführung, als Zugang zu den Bahnstationen der öffentlichen
Verkehrsmittel sowie zu den in den Gebäuden befindlichen Geschäftslokalen und
sonstigen der Öffentlichkeit dienenden Einrichtungen, was in der Benutzerordnung
für die unterirdischen Verkehrsbauwerke der A ausdrücklich geregelt und auch für
jedermann erkennbarer Zweck des Bauwerkes ist.“
Diese Feststellungen rechtfertigen nicht die Annahme, die B-Ebene gehöre zu
einer der in § 123 StGB geschützten Örtlichkeiten. Sie belegen nicht, daß es sich
bei der B-Ebene um von der Vorschrift erfaßtes Besitztum handelt, sei es in Form
eines Gebäudes, eines abgeschlossenen, zum Verkehr bestimmten Raumes oder
um befriedetes Besitztum, das – ohne selbst eingefriedet zu sein – wegen seines
für Außenstehende erkennbaren räumlichen und funktionalen Zusammenhangs
mit dem zum öffentlichen Verkehr bestimmten Raum als zu diesem gehörend
erscheint. Das Landgericht führt in diesem Zusammenhang – wie dargestellt –
aus, daß die B-Ebene zwar nicht durch irgendwelche Absperrungen äußerlich
gesichert sei, bejaht jedoch die Eigenschaft eines befriedeten Besitztums mit der
Erwägung, durch die durchgehende Absenkung der B-Ebene vom oberirdischen
Straßenverkehrsbereich sei eindeutig eine visuelle und taktile Begrenzung
gegenüber dem oberirdischen öffentlichen Raum gegeben; die B-Ebene sei auch
nur durch abwärtsführende Treppen, Rolltreppen und Fahrstühle erreichbar, so daß
der Übergang vom ober- zum unterirdischen Raum deutlich erkennbar ist. Des
weiteren verweist das Landgericht auf die Befugnis der A während der Nachtzeiten,
wenn keine öffentlichen Verkehrsmittel verkehrten, den Zugang durch einzelne
Rolltore an den jeweiligen Treppen abzuschließen und die sonst von ihr
zugelassene Öffentlichkeit in dieser Zeit vollständig auszuschließen, was nach
Ansicht des Landgerichts schon ein deutlicher Hinweis für ihr Hausrecht sei. Ein
Besitztum wird jedoch nicht bereits deshalb zu einem befriedeten Besitztum, weil
es unter dem Straßenniveau liegt und damit naturgemäß über Abgrenzungen
verfügt. Nach einhelliger Meinung im Schrifttum wird eine unterirdische
Fußgängerpassage nicht als befriedetes Besitztum angesehen (vgl. vgl. etwa
Schäfer in MK StGB, § 123, Rdnr. 19; Lenckner in Schönke/Schröder StGB, 26.
Aufl., § 123 Rdnr. 9; Lilie in LK StGB, 11. Aufl., § 123 Rdnr, 17; Tröndle/Fischer StGB,
52. Aufl., § 123, Rdnr. 9; Rudolphi/Stein in SK StGB II, 53. Lieferung, 6. Aufl., § 123
Rdnr. 35b ff ).Diese Auffassung teilt der Senat. Eine Fußgängerpassage stellt
weder ein Gebäude, noch einen abgeschlossenen Raum dar, der zum öffentlichen
Verkehr bestimmt ist. Wesentlich für den Begriff des Gebäudes als ein zumindest
teilweise umschlossener Raum ist neben einer festen Verbindung mit Grund und
Boden, daß das Bauwerk zum Schutz gegen äußere Einflüsse bestimmt und
geeignet ist und auch den freien Zutritt Unbefugter zu verhindern vermag. Dazu
gehören ein Dach und Seitenwände. Daß alle Seiten durch Wände gegrenzt sind,
ist allerdings nicht erforderlich, sofern nur jene Zweckbestimmung noch gewahrt
werden kann (vgl. RGSt 54, 153 ff.). Eine solche Zweckbestimmung kommt der
durch die B-Ebene führenden Fußgängerpassage nach den Urteilsfeststellungen
jedoch nicht zu. Danach dienen die Verkehrsflächen der B-Ebene ausschließlich
dem Fußgängerverkehr als Straßenunterführung, als Zugang zu den U- und S-
Bahnstationen der öffentlichen Verkehrsmittel sowie zu den in den Gebäuden
befindlichen Geschäftslokalen und sonstigen der Öffentlichkeit dienenden
Einrichtungen. Fußgänger haben zu der Passage über Treppen, Rolltreppen und
Fahrstühle ungehinderten Zutritt; das Bauwerk dient also gerade nicht – auch –
dazu, den freien Zutritt Unbefugter zu verhindern. Die B-Ebene dient nach den
getroffenen Feststellungen auch nicht dem öffentlichen Verkehr. Zum öffentlichen
Verkehr bestimmt sind nur solche Räumlichkeiten, die dem allgemein
zugänglichen Personen- und Gütertransport – nicht dagegen einem Verkehr
anderer Art - dienen (vgl. Lenckner, a.a.O., § 123 Rdnr. 9). Dies trifft nach den
Urteilsfeststellungen auf die C-Ebene, in der sich die U- und S-Bahnstationen
befinden, zu, nicht aber auf die B-Ebene, in der nur Fußgängerverkehr stattfindet.
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Nach den bisher getroffenen Feststellungen kann auch nicht davon ausgegangen
werden, die Verkehrsflächen der B-Ebene gehörten wegen ihres engen räumlichen
und funktionalen Zusammenhangs für jedermann erkennbar zu einem dem
öffentlichen Verkehr dienenden abgeschlossenen Raum. Zum einen sind sie
bereits nicht als zu den abgegrenzten, unterhalb der B-Ebenen liegenden U- und
S-Bahnstationen zugehörig anzusehen (vgl. auch BayOblG, Urteil vom 26.04.1990,
VRS 79, 105 ff. ; Lilie a.a.O., § 123 Rdnr, 17). Das würde auch dann gelten, wenn
diese ausnahmslos nur über die Fußgängerpassage der B-Ebene zu erreichen
wären. Zum anderen ergibt sich aus den Feststellungen auch nicht, daß die U- und
S-Bahnstationen selbst als abgeschlossener Raum anzusehen sind. Dem Wortsinn
nach sind abgeschlossene Räume solche, die als bauliche Einheit erscheinen und
in einer dem befriedeten Besitztum entsprechenden Weise durch physische
Hindernisse gegen beliebiges Betreten geschützt sind (vgl. Lenckner, a.a.O., § 123
Rdnr. 7). Das Tatbestandsmerkmal „abgeschlossener Raum“ ist nicht anders zu
verstehen als das Merkmal des umschlossenen Raumes in § 243 Abs. 1 Nr. 1
StGB, in welchem der in Diebstahlsabsicht begangene Hausfriedensbruch gerade
als Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall des Diebstahls typisiert ist (vgl.
OLG Stuttgart, NStZ 1987, 121 f.). Umstritten ist lediglich, ob zumindest teilweise
eine Überdachung vorhanden sein muß (vgl. Lenckner, a.a.O., § 123 Rdnr.7 ). Als
für den Begriff des umschlossenen Raumes wesentlich angesehen hat das
Reichsgericht in einer Entscheidung vom 02.12.1920 (RGSt 54, 153 f.) in Bezug auf
eine Bahnhofshalle „ob die für den Schienenweg vorhandenen Durchlässe sich
überhaupt noch als „Lücken“ der allgemeinen Umfriedung im Sinn des
allgemeinen Sprachgebrauchs darstellen, oder ob umgekehrt die Hallenwände
ihrer Gestaltung nach nicht viel anderes sind als gemauerte Einfassungen des
durch die Halle hindurchführenden Teils des Bahndamms. Sind die Ausfahrtseiten,
etwa wegen zahlreicher Gleisanlagen so breit, daß für die natürliche Auffassung
von einem umschlossenen Raum nicht mehr gesprochen werden kann, so fehlt
auch strafrechtlich das Merkmal des umschlossenen Raumes. Ist aber das
Gesamtbild so beschaffen, daß die für die durchführenden Gleise offen gelassenen
Teile im Verhältnis zur ganzen Umfriedung nur als Durchlässe, gewissermaßen als
Einfahrtstore, anzusehen sind, so steht der Annahme eines umschlossenen
Raumes nichts entgegen.“ Diese Grundsätze sind – nur – auf die U- und S-
Bahnstationen der C-Ebene, in der sich die Gleisanlagen befinden, so daß eine
Vergleichbarkeit mit einer Bahnhofshalle naheliegt, zu übertragen. Wie diese
Örtlichkeiten im einzelnen beschaffen sind, wird in dem Urteil jedoch nicht
mitgeteilt.
Die Urteilsfeststellungen rechtfertigen auch nicht die Annahme eines sonstigen
befriedeten Besitztums. Daß die B-Ebene in äußerlich erkennbarer Weise mittels
zusammenhängender Schutzwehren gegen das willkürliche Betreten durch andere
gesichert sind, wird durch die Urteilsfeststellungen nicht belegt. Entgegen der
Ansicht des Landgerichts reicht hierfür die Tatsache, daß die B-Ebene abgesenkt
und nur über Treppen, Rolltreppen und Fahrstühle zu erreichen ist, sich dadurch
vom oberirdischen öffentlichen Raum absetzt und eine „visuelle und taktile
Begrenzung“ aufweist, nicht aus. Begrenzungen, die nicht die Bedeutung eines –
wenn auch nicht unüberwindlichen – körperlich wirkenden (physischen)
Hindernisses haben, machen das Besitztum nicht zu einem im Sinne des § 123
StGB befriedeten Besitztum (vgl. auch Lilie, a.a.O., § 123 Rdnr. 17). Treppen,
Rolltreppen und Fahrstühle stellen kein psychisches Hindernis gegen ein
willkürliches Eindringen dar. Absperrungen sind nach den Urteilsfeststellungen
nicht vorhanden. Das vom Landgericht zusätzlich herangezogene Argument, es
bestehe die Möglichkeit, den Zugang durch „einzelne Rolltore an den jeweiligen
Treppen abzuschließen“, rechtfertig ebenfalls nicht Annahme des Vorliegens eines
befriedeten Besitztums. Ungeachtet des Umstandes, daß das Landgericht bereits
nicht darlegt, ob sämtliche Zugänge auf diese Art verschlossen werden können,
reicht die Verschließbarkeit allein auch nicht aus. Ein Besitztum ist – wie unter
Hinweis auf die Entscheidung des Reichsgerichts in RGSt. 11, 293 f. dargelegt – nur
dann als „befriedet“ anzusehen, wenn es in äußerlich erkennbarer Weise mittels
zusammenhängender Schutzwehren gegen das beliebige Betreten durch andere
gesichert ist, wobei die Gegebenheiten zum Tatzeitpunkt maßgeblich sind. Den
Feststellungen läßt sich jedoch nicht einmal entnehmen, daß die Rollgitter
tagsüber überhaupt sichtbar sind bzw. deren Vorhandensein erkennbar ist. Es
kann daher auch nicht festgestellt werden, daß sich das Verkehrsbauwerk wegen
der Möglichkeit, daß es durch Rollgitter ( zum Teil ?; wo ? ) verschlossen werden
kann, für einen durchschnittlichen Passanten als mittels zusammenhängender
Schutzwehren nach außen gesichert darstellen kann. Die Verurteilung wegen
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Schutzwehren nach außen gesichert darstellen kann. Die Verurteilung wegen
Hausfriedensbruchs könnte vorliegend aber auch dann keinen Bestand haben,
wenn die Voraussetzungen eines befriedeten Besitztums mit den
Urteilsfeststellungen ausreichend belegt wären. Denn das Urteil enthält auch keine
Feststellungen dazu, ob es sich bei den Wegeflächen der B-Ebene nur um
tatsächlich öffentliche, dem Fußgängerverkehr zur Verfügung gestellte
Verkehrsflächen handelt, oder ob die Flächen dem Gemeingebrauch unterstellt
sind, wodurch die Erfüllung des Tatbestandes des Hausfriedensbruchs bei ihrer
Benutzung ausgeschlossen wäre. Geschütztes Rechtsgut des § 123 StGB ist das
Hausrecht, die Freiheit der Entscheidung darüber, wer zur Wohnung, zu
Geschäftsräumen oder zu einem befriedeten Besitztum Zutritt haben soll
(Lenckner in Schönke/Schröder, StGB, 26.Aufl., § 123 Rdn.1; BayOLG VRS 79,
105ff. ).Im Gegensatz zum Hausrecht steht der Gemeingebrauch. Der
Gemeingebrauch ist die jedermann gewährte Berechtigung, eine Sache ohne
besondere Zulassung zu benutzen. Solange der Gemeingebrauch eröffnet ist,
besteht ein subjektiv öffentliches Recht, die Straße ohne besondere Zulassung
bestimmungsgemäß zu benutzen. Zum öffentlichen Verkehr gehört dabei auch
der kommunikative Verkehr (vgl. auch Meyer/Stolleis, Hessisches Staats- und
Verwaltungsrecht, S. 336). Auf die Eigentumsverhältnisse kommt es in diesem
Zusammenhang nicht an.
Die Eigenschaft einer Sache, öffentliche Sache zu sein, setzt nicht das Eigentum
des Verwaltungsträgers voraus. Wird ein privates Grundstück dem öffentlichen
Verkehr gewidmet, entsteht darüber eine besondere öffentliche Sachherrschaft (
Meyer/ Stolleis, Hessisches Staats- und Verwaltungsrecht, S. 336; OLG Karlsruhe,
MDR 1979, S. 73), hinter der im Konkurrenzfall die Rechte aus Privatbesitz insoweit
zurücktreten, als sie mit der öffentlich-rechtlichen Zweckbestimmung unvereinbar
sind (vgl. auch OLG Oldenburg, NJW 1985, 1352; OLG Karlsruhe, MDR 1979, 73).Der
Gemeingebrauch verdrängt insoweit die Eigentümerrechte und mit ihnen auch das
Hausrecht. In den Grenzen des Gemeingebrauchs unterliegen daher
Räumlichkeiten, die zu öffentlichen Sachen im Gemeingebrauch gewidmet sind,
nicht dem Schutzbereich des § 123 StGB (Rudolphi/Stein in SK StGB § 123 Rdnr.
37; Schäfer in MK StGB § 123, Rdnr. 42; BayOLG VRS 79, 105ff.; OLG Karlsruhe,
MDR 1979, 73; LG Nürnberg-Fürth, Beschluß vom 16.11.1992, - 9 Qs 6/92). Dies
wäre vorliegend dann der Fall, wenn die Verkehrsflächen der B-Ebene aufgrund
einer Widmung, einer Widmungsfiktion oder nach bisherigem Recht die Eigenschaft
von öffentlichen Straßen im Sinne des § 2 HStrG besitzen sollten, deren
Nutzungsart der Gemeingebrauch ist (§ 14 HStrG). § 2 Abs. 1 Satz 1 HStrG stellt
den Grundsatz auf, daß Wege die Eigenschaft einer öffentlichen Straße durch
Widmung erhalten, d.h. durch Hoheitsakt für den öffentlichen Verkehr bestimmt
werden. Satz 2 statuiert den Ausnahmefall, daß die Öffentlichkeit einer Straße
auch ohne Widmungsverfügung begründet werden kann. Nach dieser Vorschrift gilt
eine öffentliche Straße mit der Verkehrsübergabe als gewidmet, wenn sie aufgrund
eines förmlichen Verfahrens nach einem anderen Gesetz gebaut worden ist; die
Fiktionswirkung tritt mit der Indienststellung ein. Der Erlaß eines Bebauungsplans
ist als förmliches Verfahren im Sinne dieser Bestimmung anzusehen (vgl. auch
VGH Kassel, NVwZ-RR 1990, 457 und NVwZ-RR 1992, 5). Die Festsetzung als
öffentliche Verkehrsfläche nach § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB führt dazu, daß der
betreffende Weg oder die Straße mit der Übergabe an den Verkehr als gewidmet
gilt. Schließlich läßt die Übergangsvorschrift des § 52 Abs. 2 Satz 2 HStrG es
genügen, daß eine Straße nach bisherigem Recht die Eigenschaft einer
öffentlichen Straße besitzt; öffentliche Straßen nach altem Recht bedürfen also
weder einer Widmung, noch der Fiktion einer Widmung. Welche Eigenschaften die
Verkehrsflächen der B-Ebene besitzen, wird in den Urteilsgründen nicht mitgeteilt.
Für den Fall, daß die B-Ebene der Konstablerwache nicht dem Gemeingebrauch
unterliegt und als befriedetes Besitztum anzusehen wäre, ist aber auch die
Annahme des Landgerichts, es habe ein wirksames Hausverbot bestanden, im
Rahmen der Beweiswürdigung nicht nachvollziehbar belegt. Die Urteilsgründe
belegen bereits die formellen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Hausverbote
nicht hinreichend. In den Feststellungen wird lediglich mitgeteilt, die – schriftlich
abgefaßten – Hausverbote seien durch die A verhängt worden; im folgenden wird
der Wortlaut der Hausverbote wiedergegeben. Nicht mitgeteilt wird jedoch, wer die
Verbote abgefaßt und ausgesprochen hat. Unter diesen Umständen ist für das
Revisionsgericht nicht nachprüfbar, ob die die Hausverbote abfassenden und
aussprechenden Personen vertretungsberechtigt waren, so daß auch insoweit eine
sachlich-rechtlich zu beanstandende Lücke vorliegt. Zudem reichen auch die
tatrichterlichen Feststellungen zu den materiellen
Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Hausverbote nicht aus.
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Die A mbH kann ihr Hausrecht nicht uneingeschränkt ausüben, sondern unterliegt,
wie alle privaten Hausrechtsinhaber, die ihre Räumlichkeiten der Allgemeinheit
zugänglich machen, bei der Erteilung von Zutrittsverboten allgemeinen
Beschränkungen. Die Verbote dürfen nicht gegen gesetzliche Gebote verstoßen (§
134 BGB) und nicht sittenwidrig sein (§ 138 BGB); bestimmte Personen dürfen
nicht diskriminiert werden und es ist ein berechtigtes Interesse an der Erteilung
eines Hausverbotes zu fordern (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg,
NStZ 2005, 276; Lenckner in Schönke/Schröder, StGB, 26.Aufl., § 123 Rdnr. 19).
Soweit es das Betreiben von öffentlichen Verkehrsmitteln anbelangt, ist das
Hausrecht der A mbH aufgrund der gesetzlichen Bestimmung des § 22 PBefG
beschränkt, weil eine Beförderungspflicht besteht. Das bedeutet, daß Personen,
die die Beförderungsleistungen in Anspruch nehmen wollen, der Zutritt nicht
verwehrt werden darf. Dem ist zwar in den schriftlich verfaßten Hausverboten
Rechnung getragen worden, denn der Zugang zu den öffentlichen Verkehrsmitteln
ist von dem Hausverbot ausdrücklich ausgenommen worden, wie das Landgericht
zutreffend ausgeführt hat. Soweit die Hausverbote allerdings nach dem im Urteil
wiedergegebenen Inhalt für diesen Fall vorsehen, daß sich der Betroffene „jedoch
auf kürzestem Wege unverzüglich zu den Zügen zu begeben“ habe, ist diese
Beschränkung nicht zulässig. Einem Reisewilligen, der ein Hausverbot zu beachten
hat, ist auch zu gestatten ist, sich angemessene Zeit vor Abfahrt der Züge bzw.
U-Bahnen einzufinden, die Wartezeit an einer beliebigen, dem Publikum
zugänglichen Stelle zu verbringen und dabei im Rahmen des üblichen die
Einrichtungen (Toiletten, Ladengeschäfte etc.) zu benutzen; er ist für die Dauer
einer angemessenen Wartezeit dann so zu behandeln wie jeder andere Reisende
auch (vgl. auch OLG Köln, VRS 90, 115 ff.). Entgegen der Ansicht des Landgerichts
kann dem Angeklagten zudem auch dann, wenn er keine Reiseabsichten hat, der
Durchgang durch die B-Ebene oder der Zugang zu den dort befindlichen
Geschäften und Einrichtungen nicht verwehrt werden. Dem Landgericht ist zwar
zuzustimmen, daß die A mbH nicht jede Nutzung hinnehmen muß. Gleichwohl ist
sie durch die Zweckbestimmungen, die sie den unterirdischen Verkehrsbauwerken
gegeben und in der Benutzungsordnung niedergelegt hat, gebunden.
Nach dem Inhalt der im Urteil (UA, Seite 12) wiedergegebenen
Benutzungsordnung der A mbH dienen die unterirdischen Verkehrsflächen für den
Fußgängerverkehr als Straßenunterführung, als Zugang zu den Bahnstationen der
öffentlichen Verkehrsmittel und als Zugang zu den in den Gebäuden befindlichen
Geschäftslokalen und sonstigen der Öffentlichkeit dienenden Einrichtungen. Die A
mbH gestattet damit generell und unter Verzicht auf die Prüfung im Einzelfall allen
Personen den Zutritt zu den Verkehrsbauwerken, die sich im Rahmen des
üblichen, den Zweckbestimmungen entsprechenden Verhaltens bewegen. Das
Hausverbot muß daher entgegen der Ansicht des Landgerichts auch den
Durchgang durch die B-Ebene und den Zugang zu den dort befindlichen
Geschäftslokalen und den sonstigen der Öffentlichkeit dienenden Einrichtungen
ausnehmen ( vgl. BGH, Urteil vom 20.01.2006 -V ZR 134/05- zur Frage der
Wirksamkeit eines Flughafenverbots; durch diese Entscheidung ist die ältere
Rechtsprechung – BayOLG, JZ 1977, 311; OLG Düsseldorf, VRS 57, 281; insoweit
auch OLG Köln, VRS 90, 115 – überholt). Die Zutrittsverbote könnten somit
strafrechtlich erst dann Bedeutung erlangen, wenn dem Angeklagten eine sonstige
unberechtigte Nutzung, insbesondere etwa der Aufenthalt zum Zweck der
Durchführung von Drogengeschäften, konkret vorzuwerfen wäre. Zudem müßten
sie aus anerkennenswerten Gründen ergangen sein. Nicht einmal das wird durch
die Urteilsfeststellungen belegt, so daß dem Revisionsgericht die Nachprüfung, ob
eine unzulässige Diskriminierung des Angeklagten auszuschließen ist und
überhaupt ein berechtigtes Interesse an der Erteilung der Hausverbote bestand,
nicht möglich ist. Das Urteil läßt offen, auf welchen konkreten Grund die
Hausverbote gestützt sind. Lediglich im Rahmen der Erörterungen zur
Verhältnismäßigkeit der Hausverbote wird mitgeteilt, der Angeklagte habe sich
„immer wieder im Kreise von Dealern“ aufgehalten und sei „auch schon in eine
tätliche Auseinandersetzung verwickelt“ gewesen. Diese Ausführungen lassen
jedoch ebensowenig wie die im Zusammenhang mit der Vorverurteilung des
Angeklagten geschilderte Beleidigung eines Sicherheitsbeamten der A mbH (UA S.
6) und die Feststellung, der Angeklagte sei „in der Vergangenheit immer wieder
mit Hausverboten wegen Störens belegt“ worden (UA, S. 13), erkennen, worauf
die im Jahre 2004 erteilten Hausverbote tatsächlich gestützt sind. Hinzu kommt,
daß die Urteilsfeststellungen auch nicht belegen, daß sich der Angeklagte an den
im Urteil genannten Tagen unberechtigt in der B-Ebene aufgehalten hat. Es wird
lediglich mitgeteilt, der Angeklagte habe sich am 10.07.2004 um 12.00 Uhr für den
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lediglich mitgeteilt, der Angeklagte habe sich am 10.07.2004 um 12.00 Uhr für den
Zeitraum von 15 Minuten zwischen den Münzfernsprechern und dem
Blumengeschäft aufgehalten; er habe in dieser Zeit keinerlei Anstalten gemacht,
öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Am 27.07.2004 habe er sich erneut in der B-
Ebene der Konstablerwache aufgehalten. Er sei dort ca. 20 Minuten lang von dem
Zeugen Z und seinem Kollegen beobachtet worden, wie er sich im Kreis von
Nordafrikanern, die nach Kenntnis der Polizeibeamten dem Drogenmilieu
zuzuordnen seien, aufgehalten habe, ohne auch nur die geringsten Anstalten zum
Benutzen der öffentlichen Verkehrsmittel zu machen. Damit ist auf der Basis der
vorstehenden Erwägungen eine unberechtigte Nutzung nicht dargetan.
Das angefochtene Urteil ist daher mit den zugrundeliegenden Feststellungen
aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über
die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere kleine Strafkammer des
Landgerichts Frankfurt am Main zurückzuverweisen (§§ 349 Abs. 4; 353; 354 Abs. 2
StPO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.