Urteil des LG Duisburg vom 10.12.2008

LG Duisburg: geschäftsjahr, entlastung, sonderprüfer, aufsichtsrat, auflage, zustellung, unternehmen, stimmrecht, beruf, geschäftsbericht

Landgericht Duisburg, 25 O 81/07
Datum:
10.12.2008
Gericht:
Landgericht Duisburg
Spruchkörper:
5. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
25 O 81/07
Tenor:
1)
Der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 5. Juli 2007
zu Tagesordnungspunkt 2, mit dem die Hauptversammlung dem
Vorstand Entlastung für das Geschäftsjahr 2006 erteilt hat, wird für
nichtig erklärt.
2)
Der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 5. Juli 2007
zu Tagesordnungspunkt 2, mit dem die Hauptversammlung die
Bestellung eines Sonderprüfers abgelehnt hat, wird für nichtig erklärt.
3)
Es wird festgestellt, dass die Hauptversammlung der Beklagten vom 5.
Juli 2007 zu Tagesordnungspunkt 2 folgenden Beschluss gefasst hat:
„1. Es soll eine Sonderprüfung stattfinden zur Untersuchung der Vor-
gänge im Zusammenhang mit der im Geschäftsjahr 2006 mit der
erfolgten Zusammenarbeit der
sowie ihrer Tochtergesellschaften betreffend die Hotels
auf Gran Canaria in den Bereichen Catering, Hotelwäscherei und
Einkauf, und zwar insbesondere zu folgenden Fragen:
a) Hat die Zusammenarbeit mit der hinsichtlich der kanarischen Hotels
zu einem Schaden der Gesellschaft oder ihrer Tochterunternehmen
geführt, insbesondere weil die von der erbrachten Leistungen im
Vergleich mit Drittanbie¬tern überteuert waren? Hat der Vorstand im
Bereich des Einkaufs dafür Sorge getragen, dass die von den
Zulieferern gewährten Men¬genrabatte und ähnliche Mengenvorteile in
anteilig korrekter Höhe der oder ihren Tochterunternehmen zugute
kamen? Dauert die Schadenszufügung in diesem Zusammenhang noch
an?
b) Wie hoch sind diese Schäden zu beziffern?
c) Konnte sich der Vorstand im Rahmen der Vereinbarung dieser Zu-
sammenarbeit mit der auf sachlich rechtfertigende Gründe berufen? Sind
vorab zum Vergleich Angebote von Drittan¬bietern außerhalb des
eingeholt worden?
2. Zum Sonderprüfer wird die
, bestellt. Der
Sonderprüfer kann die Unterstützung von fachlich qualifiziertem
Personal, insbesondere von Personen mit Kenntnissen der Branche
der Gesellschaft heranziehen.“
4)
Der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 5. Juli 2007
zu Tagesordnungspunkt 3, mit dem die Hauptversammlung dem
Aufsichtsrat Entlastung für das Geschäftsjahr 2006 erteilt hat, wird für
nichtig erklärt.
5)
Der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 5. Juli 2007
zu Tagesordnungspunkt 3, mit dem die Hauptversammlung die
Bestellung eines Sonderprüfers abgelehnt hat, wird für nichtig erklärt.
6)
Es wird festgestellt, dass die Hauptversammlung der Beklagten vom 5.
Juli 2007 zu Tagesordnungspunkt 3 folgenden Beschluss gefasst hat:
„1. Es soll eine Sonderprüfung stattfinden zur Untersuchung der Vor-
gänge im Zusammenhang mit der im Geschäftsjahr 2006 mit der
Gruppe erfolgten Zusammenarbeit der
sowie ihrer Tochtergesellschaften betreffend die Hotels
auf Gran Canaria in den Bereichen Catering, Hotelwäscherei und
Einkauf, und zwar insbesondere zu der Frage, ob die Mitglieder des
Aufsichtsrates ihren diesbezüglichen Überwachungspflichten in um-
fassender Form nachgekommen sind, so dass potentielle Schäden
vor der Gesellschaft und ihren Tochtergesellschaften abgewendet
wurden.
2. Zum Sonderprüfer wird die
, bestellt. Der
Sonderprüfer kann die Unterstützung von fachlich qualifiziertem
Personal, insbesondere von Personen mit Kenntnissen der Branche
der Gesellschaft heranziehen.“
7)
Die Wahlbeschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 5. Juli
2007 zu Tagesordnungspunkt 5, mit denen die Hauptversammlung der
Be¬klagten die Herren im Wege der Einzel¬wahl zu Mitgliedern des
Aufsichtsrates bestellt hat, wird für nichtig erklärt.
8)
Der Wahlbeschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 5. Juli
2007 zu Tagesordnungspunkt 5, mit dem die Hauptversammlung der
Beklagten die (Block-)Wahl von zu Mitgliedern des Aufsichtsrates
abgelehnt hat, wird für nichtig erklärt.
9)
Es wird festgestellt, dass die Hauptversammlung der Beklagten vom 5.
Juli 2007 zu Tagesordnungspunkt 5 die Herren für eine volle
Amtsperiode gemäß § 10 Abs. 2 der Satzung zu Mitgliedern des
Aufsichts¬rates der Beklagten bestellt hat.
10)
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der
Kosten der Streithelfer der Klägerin.
11)
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils
zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
1
Die Beklagte ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Duisburg. Die Klägerin ist Aktionärin
der Beklagten mit einer Beteiligung von ca. 23,52 % am Grundkapital.
Mehrheitsaktionärin der Beklagten ist die mit Sitz in Las Palmas, Gran Canaria (im
weiteren ), mit einem Anteil von ca. 51,35 % am Grundkapital. Wegen der Beteiligungen
an der , insbesondere der (im weiteren ) und des wird auf das Schaubild auf Seite 7 der
Klageschrift verwiesen.
2
Am 5.7.2007 fand eine Hauptversammlung der Beklagten statt. Mit den Stimmen der
Mehrheitsaktionärin, der ., und gegen die Stimmen der Klägerin wurden dem Vorstand
und dem Aufsichtsrat der Beklagten die Entlastung für das Geschäftsjahr 2006 erteilt,
Beschlussvorschläge der Klägerin auf Bestellung eines Sonderprüfers zu Vorgängen im
Geschäftsjahr 2006 abgelehnt, Aufsichtsratsmitglieder bestellt und davon abweichende
Wahlvorschläge der Klägerin abgelehnt.
3
Die Klägerin trägt vor, die gefassten, in den Anträgen näher bezeichneten Beschlüsse
seien wegen Verstoßes gegen § 130 Abs. 2 AktG anfechtbar. Die habe ihre
Stimmrechte nicht wirksam ausüben können, weil nicht sämtliche die die
beherrschenden Unternehmen, nämlich , die notwendigen Stimmrechtsmeldungen im
Sinne der §§ 21, 22, 41 WpHG (Wertpapierhandelsgesetz) in Verbindung mit der WpAIV
(Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverordnung) abgegeben hätten. Die Beschlüsse
zur Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat verstießen zudem gegen § 161 AktG, weil
die Beklagte von den Soll-Vorgaben des abgewichen sei, ohne dass dies in einer
Entsprechenserklärung nach § 161 AktG offen gelegt worden sei. Der Beschluss zur
Entlastung des Aufsichtsrats verstieße zusätzlich gegen § 136 AktG, wonach niemand
für sich oder einen anderen das Stimmrecht darüber ausüben dürfe, ob er zu entlasten
ist. Hiergegen sei verstoßen worden, weil 4 im Geschäftsjahr 2006 amtierende
Aufsichtsratsmitglieder der Beklagten (namentlich benannt auf Seite 22 der Klageschrift)
die Stimmenmehrheit im Geschäftsführungsorgan der besessen und aufgrund dessen
maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidung der gehabt hätten, wie diese ihre
Stimmrechte bei der Beschlussfassung über die Entlastung des Aufsichtsrats und damit
zugleich über die Entlastung der 4 streitbefangenen Aufsichtsratsmitglieder ausübt.
Dieses Abstimmverbot habe auch bei der Abstimmung über den Antrag der Klägerin auf
Bestellung eines Sonderprüfers betreffend den Aufsichtsrat (Antrag zu 5.) gegolten. Die
Beschlüsse zu TOP 5, mit denen Aufsichtsratsmitglieder gewählt wurden, sei im
Hinblick auf die Wahl des wegen eines Verstoßes gegen § 124 Abs. 3 Satz 3 AktG
anfechtbar. Denn in dem veröffentlichten Beschlussvorschlag sei der ausgeübte Beruf
des Vorgeschlagenen nicht genannt worden. Weil die ablehnenden Beschlüsse
bezüglich der Vorschläge der Klägerin nur unter rechtswidriger Mitzählung der Stimmen
der zu Stande gekommen seien, ohne die Stimmen der die Vorschläge der Klägerin
beschlossen worden wären, sei schließlich festzustellen, dass die in der
Hauptverhandlung beantragten Beschlüsse zu Stande gekommen sind.
4
Die Klägerin beantragt,
5
wie erkannt.
6
Der Streithelfer der Klägerin haben sich diesen Anträgen angeschlossen.
7
Die Beklagte beantragt,
8
die Klage abzuweisen.
9
Die Beklagte trägt vor, die nach §§ 110 ff ZPO nötige Prozesskostensicherheit sei nicht
wirksam gestellt worden. Denn Klägerin sei eine Inc., während sich die gestellte
Sicherheit auf ein Verfahren beziehe, welches von einer Inc. Betrieben werde.
10
Unabhängig davon sei die Klage zum Teil schon unzulässig (Anträge zu 3. und 6.), weil
die Anträge nicht bestimmt genug seien. Denn es sei unklar, was unter " Gruppe" zu
verstehen sei. Ein Sonderprüfer wisse deshalb nicht konkret, welche genauen Vorgänge
er prüfen solle. Für die Anträge zu 3., 8. und 9. fehle des Rechtsschutzbedürfnis.
11
Die Klage sei auch unbegründet. Die als Klägerin auftretende Gesellschaft existiere
nicht, eine bloße Rubrumsberichtigung komme nicht in Betracht. Weiter sei die
Anfechtungsfrist des § 246 Abs. 1 AktG nicht eingehalten worden.
12
In der Sache sei kein Verstoß gegen § 130 Abs. 2 AktG gegeben. Denn auch die und
hätten die nach dem WpHG nötigen Meldungen gemacht, § 41 Abs. 4 a WpHG sei nicht
anwendbar. Ein Verstoß gegen
13
§ 161 AktG sei nicht gegeben, weil sowohl der Geschäftsbericht, die Tagesordnung und
die nötige Entsprechenserklärung auf der Internetseite der Beklagten veröffentlicht
worden sei. Für die habe kein Stimmverbot bestanden, weil die 4 streitbefangenen
Aufsichtsratsmitglieder der Beklagten nicht, wie erforderlich, das
Geschäftsführungsorgan (Verwaltungsrat) der rechtlich beherrschten. Denn in diesem
Organ habe mit Herr nur ein Aufsichtsratsmitglied der Beklagten gesessen. Die weiteren
3 Aufsichtsratsmitglieder seien dort nur Repräsentanten, d.h. Boten der 3 juristischen,
zum Verwaltungsrat gehörenden Personen gewesen. Zudem hätten die 7
Verwaltungsratsmitglieder ihre Vertretungsbefugnis auf die S.A. übertragen, diese
wiederum auf die , die ihrerseits durch den alleinvertretungsberechtigten vertreten
werde. Dieser habe also darüber entschieden, wie die Stimmen der abgegeben wurden.
Der gerügte Verstoß gegen § 124 Abs. 3 Satz 3 AktG sei irrelevant, weil in der
vergangenen Amtsperiode bereits Aufsichtsratsmitglied gewesen sei, so dass der
Versammlung sein Beruf bekannt gewesen sei. Im übrigen sei er auf der Webseite der
Beklagten unter Angabe seines Berufs als Aufsichtsratsmitglied aufgeführt.
14
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
15
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
16
A.
17
Die Klage ist zulässig.
18
I.
19
Die Anträge zu 3. und 6. sind hinreichend bestimmt. Denn einem Sonderprüfer ist
erkennbar, welche konkreten Vorgänge er prüfen soll, wenn Vorgänge in der genannten
Geschäftstätigkeit der Beklagten im Zusammenhang mit der " Gruppe" ( zu prüfen sind.
Es ist erkennbar, dass mit dem begehrten Beschluss die Gesellschaften gemeint sind,
die unter der Leitung der geführt werden; nicht irgend welche anderen Gesellschaften,
die möglicherweise auch den Begriff " " benutzen, aber nicht mit der verwoben sind. Im
spanischen Handelsregister wird die . mit dem Zusatz geführt (Anlage K 5 b, Bl. 43 GA).
Die Gruppe betreibt einen eigenen Internetauftritt unter (Startseite Anlage
20
K 13, Bl. 211 GA). Der Geschäftsbericht der für das Geschäftsjahr 2005 führt aus, dass
diese Gesellschaft an der Spitze einer Gruppe von Gesellschaften steht, die ihre
Aktivitäten im Bereich Immobilien, Hochbau, Tourismus und in andere Bereiche
entwickeln und die alle zusammen das bilden, was als bekannt ist (Anlage K 14, Bl.
212; Übersetzung auf Seite 3 des Schriftsatzes der Klägerin vom 12.2.2008, Bl. 201
GA). Die dazu gehörenden Gesellschaften werden zudem in diesem Geschäftsbericht
benannt (Anlage K 15, Bl. 213 ff GA). Den Kreis der betroffenen Gesellschaften zu
ermitteln, ist Aufgabe des Sonderprüfers.
21
II.
22
Das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag zu 3. ist gegeben. Auch wenn wegen
Ausscheidens der Vorstandsmitglieder keine personellen Konsequenzen mehr gezogen
werden können, könnten sich haftungsrechtliche Folgen ergeben. Verjährung ist
insofern nicht gegeben. Denn Ansprüche gegen die Vorstandsmitglieder wegen
Pflichtverletzungen gemäß § 93 AktG verjähren gemäß § 93 Abs. 6 AktG in 5 Jahren.
23
III.
24
Das Rechtsschutzbedürfnis für die Anträge zu 8. und 9. fehlt nicht. Bezüglich des
Antrags zu 8. hat die Beklagte diesen Vortrag auch auf den Hinweis der Klägerin nicht
begründet und es ist auch sonst nicht ersichtlich, woraus sich das fehlende
Rechtsschutzbedürfnis ergeben soll. Bezüglich des Antrags zu 9. fehlt das
Rechtsschutzbedürfnis nicht deshalb, falls die Klägerin bei ihren in der
Hauptversammlung abgegebenen Vorschlägen zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern
nicht den Anforderungen des § 124 Abs. 3 Satz 3 AktG entsprochen haben sollte. Denn
diese Vorschrift begründet eine Pflicht des Aufsichtsrats, wenn er Vorschläge zur Wahl
von Aufsichtsratsmitgliedern macht (vgl. Hüffer, Kommentar zum AktG, 7. Auflage, § 124,
Randnummer 16), nicht eine Pflicht von Aktionären. Dahin stehen kann deshalb, ob die
Klägerin bei ihrem Vorschlag die Berufe und die Wohnorte der von ihr Vorgeschlagenen
hinreichend angegeben hat.
25
B.
26
Die Begründetheit der Klage:
27
I.
28
Die Begründetheit entfällt nicht, weil eine nicht existente Klägerin die Klage erhoben
hat. Vielmehr war eine Rubrumsberichtigung dahin vorzunehmen, dass Klägerin nicht
die " ." ist, sondern die " .". Ungenaue oder unrichtige Parteibezeichnungen sind
unschädlich und können jederzeit von Amts wegen berichtigt werden, wenn die Identität
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der Partei gewahrt bleibt. Bei unrichtiger Parteibezeichnung ist grundsätzlich die Person
als Partei anzusehen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen sein soll
(vgl. Zöller, Kommentar zur ZPO, 26. Auflage, vor § 50, Randnummer 7 mit weiteren
Nachweisen). Erkennbar war die " " gemeint. Denn nur sie und nicht eine nicht existente
" " war bei Klageerhebung Aktionärin der Beklagten mit einem Anteil von ca. 23,52 %.
Die in diesem Zusammenhang vorgelegte Anlage K 2 (Blatt 35 GA) gibt zudem den
Namen der Klägerin korrekt wieder. Die Berichtigung ist bereits mit Beschluss vom
28.5.2008 erfolgt und wird mit dem Urteil fortgesetzt. Folglich ist auch die
Prozesskostensicherheit gemäß §§ 110 ff ZPO wirksam gestellt worden.
II.
30
Die Anfechtungsfrist des § 246 Abs. 1 AktG von einem Monat nach der
Beschlussfassung ist gewahrt. Die Klage wurde am 3.8.2007, also vor Ablauf der
Monatsfrist, bei dem Landgericht Duisburg eingereicht. Die Zustellung der Klageschrift
an den Vorstand und das erste Aufsichtsratsmitglied am 31.8.2007 erfolgte "demnächst"
im Sinne des § 167 ZPO, so dass maßgeblich für die rechtzeitige Hemmung der
Verjährung das Datum der Klageeinreichung bei Gericht ist. Bei § 167 ZPO ist darauf
abzustellen, ob die Zustellung in nicht allzu erheblichen zeitlichen Abstand vom Frist-
31
ablauf erfolgt und der Zustellungsbetreiber alles ihm Zumutbare für eine alsbaldige
Zustellung getan hat. Das ist zu bejahen. Eine Fristüberschreitung von weniger als
32
4 Wochen ist nicht allzu erheblich. Die Klägerin auch alles ihr Zumutbare für eine
alsbaldige Zustellung getan. Am 20.8.2007 ging der Klägerin die Aufforderung des
Gerichts auf Einzahlung eines restlichen, nach dem Streitwertbeschluss vom 7.8.2007
noch erforderlichen Vorschusses zu (Anlage K 16, Bl. 218 GA), bereits am 21.8.2007
gingen die restlichen 427,50 € bei Gericht ein (Anlage IV GA).
33
III.
34
Antrag zu 1.:
35
Dieser Antrag ist begründet.
36
Es besteht ein Anfechtungsrecht gemäß §§ 243 Abs. 1, 130 Abs.2 AktG, weil der
Versammlungsleiter das Ergebnis der Abstimmung unzutreffend festgestellt hat . Das ist
auch dann der Fall, wenn ungültige Stimmen mitgezählt werden, etwa wegen Verstoßes
gegen Mitteilungspflichten des WpHG (vgl. Münchener Kommentar zum AktG, 2.
Auflage, § 243, Randnummer 41). Dies ist der vorliegend Fall. Zu Unrecht hat der
Versammlungsleiter die Stimmen der mitgezählt. Denn gemäß § 28 WpHG besteht kein
Stimmrecht aus Aktien, die einem Meldepflichtigen gehören oder aus denen ihm
Stimmrechte gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder 2 zugerechnet werden für die Zeit, für
welche die Mitteilungspflichten nach § 21 Abs. 1 WpHG nicht erfüllt wurden. Nach § 41
Abs. 4 a Satz 1 WpHG hat derjenige, der am 20.1.2007, auch unter Berücksichtigung
des § 22, einen mit Aktien verbundenen Stimmrechtsanteil hält, der die Schwelle von
15, 20 oder 30 Prozent erreicht, überschreitet oder unterschreitet, dem Emittenden
(Beklagte) spätestens am 20.3.2007 seinen Stimmrechtsanteil mitzuteilen. Dies gilt
gemäß § 41 Abs. 4 a Satz 2 WpHG dann nicht, wenn er bereits vor dem 20.3.2007 eine
gleichwertige Mitteilung gemacht hat. Der Inhalt der Meldung richtet sich nach § 21 Abs.
1 WpHG in Verbindung mit der WpAIV. Nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 WpAIV sind auch der
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Name des Dritten, aus dessen Aktien dem Mitteilungspflichtigen Stimmrechte
zugerechnet werden, mitzu-
teilen, wenn dessen zugerechneter Stimmrechtsanteil jeweils 3 % oder mehr beträgt.
Unter dieser Voraussetzung sind nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 WpAIV die Namen der
kontrollierten Unternehmen anzugeben, über die die Stimmrechte tatsächlich gehalten
werden.
38
Dem entsprechen die von der Beklagten vorgelegten Mitteilungen der und des nicht
(Anlagen B 7 bis B 10). Es ist nicht angegeben, von welchem Dritten oder welchem
kontrollierten Unternehmen die Anzeigenden die insgesamt 69,25 % der
Stimmrechtsanteile an der Beklagten herleiten. Zu recht weist die Klägerin darauf hin,
dass deshalb nicht nachvollziehbar sei, aus welchem Grund die Stimmrechtsanteile der
und des an der Beklagten größer sind als die der Mehrheitsaktionärin mit ca.
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51,35 %. Dahinstehen kann, ob die möglicherweise am 10.7. 2008 erfolgten geänderten
Mitteilungen den Vorschriften des WpHG entsprechen (vgl. Anlage K 21, Bl. 280 GA).
Für die Versammlung vom 5.7.2007 kamen sie jedenfalls zu spät.
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Folge dessen ist, dass auch die ihr Stimmrecht gemäß § 28 WpHG verloren hat. § 28
WpHG begründet einen konzernweiten Rechtsverlust (vgl. Kölner Kommentar zum
WpHG, § 28, Randnummer 35 f; Assmann/Schneider, WpHG,
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4. Auflage, § 28, Randnummer 43 f). Unwidersprochen und bestätigt durch das Protokoll
über die Hauptversammlung (Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 10.9.2007) hat
die Klägerin vorgetragen, dass ohne die Stimmen der der Beschluss nicht gefasst
worden wäre. Auf die weitere Streitfrage, ob der Beschluss außerdem auch wegen
Verstoßes gegen § 161 Aktiengesetz anfechtbar ist, kommt es nicht an.
42
§ 41 Abs. 4 a WpHG ist anwendbar. In Umsetzung der Transparenzrichtlinie
2004/109/EG vom 15.12.2004 ist diese Vorschrift am 20.1.2007 in Kraft getreten.
Zutreffend ist zwar, dass § 41 Abs. 4 a WpHG keine generelle
Bestandsmitteilungspflicht für alle zum 20.1.2007 gehaltenen Beteiligungen eingeführt
hat (vgl. auch Bundestagsdrucksache 16/2498, Seite 48). Denn nach § 41 Abs. 4 a Satz
2 Halbsatz 1 WpHG besteht dann keine Mitteilungspflicht, wenn der Mitteilungspflichtige
bereits vor dem 20.1.2007 eine Mitteilung "mit gleichwertigen Informationen" an den
Emittenden gerichtet hat. Wann eine solch gleichwertige Mitteilung vorliegt, ergibt
43
sich aus § 41 Abs. 4 a Satz 2 Halbsatz 2 WpHG. Dort heißt es, dass sich der Inhalt der
Informationen nach der WpAIV richtet. Eine Mitteilung mit geringerem Inhalt, wie hier
von den Mitteilungspflichtigen bereits im Jahre 2004 abgegeben, genügt nicht der von
der Transparenzrichtlinie geforderten zusätzlichen Transparenz gegenüber den bis
dahin gegebenen Anforderungen, ist also nicht gleichwertig.
44
Die Beklagte kann sich für ihre gegenteilige Meinung nicht mit Erfolg auf die genannte
Bundestagsdrucksache berufen. Fraglich ist bereits, ob die Zitatstelle tatsächlich dahin
zu verstehen ist, dass eine frühere nicht gleichwertige Mitteilung ausreichen soll oder ob
nicht nur im Gegensatz zur Regelung mit § 41 Abs. 2 WpHG zum 1.4.2002 (BGBl. I Seite
3822) diejenigen von einer erneuten Mitteilungspflicht ausgenommen wurden, die
bereits vorher freiwillig eine gleichwertige Mitteilung gemacht hatten, damit die
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vor einer erneuten Papierflut verschont
45
wurde. Jedenfalls aber würde die fragliche, nicht eindeutige Äußerung des
Gesetzgebers in einer Bundestagsdrucksache die Gerichte nicht binden, wenn, wie hier,
die von der Beklagten gewollte Auslegung keinen Niederschlag im Gesetzestext
gefunden hat und auch nicht der EG-Richtlinie zu entnehmen ist, die mit dem Gesetz
umgesetzt werden sollte (vgl. BGH Beschluss vom 26.5.2008 – II ZB 23/07; LG
Frankfurt, BB 2008, 2035 mit weiteren Nachweisen).
Anträge zu 2, 4, 5, 7 und 8:
46
Aus den Gründen zu Antrag 1.
und bestätigt durch das Protokoll über die Hauptversammlung (Anlage zum Schriftsatz
der Klägerin vom 10.9.2007) hat die Klägerin auch insofern vorgetragen, dass ohne die
Stimmen der die angefochtenen Beschlüsse nicht gefasst worden wären. Auf die
Streitfragen, ob der Antrag zu 4. außerdem wegen Verstoßes gegen § 161 AktG
und/oder § 136 AktG anfechtbar ist, kommt es nicht an. Nicht zu entscheiden war
deshalb auch, ob der neue Vortrag der Beklagten mit Schriftsatz vom 8.10.2008 zur
Frage des Verstoßes gegen § 136 AktG wegen Verstoßes gegen die
Prozessförderungspflicht als verspätet zurückzuweisen ist. Dahinstehen kann auch, ob
der Antrag zu 7. zusätzlich wegen eines Verstoßes gegen
47
§ 124 Abs. 3 Satz 3 AktG anfechtbar ist, weil bei dem Vorschlag, den in den Aufsichtsrat
zu wählen, dessen Beruf nicht genannt war, oder ob dies ein irrelevanter Verstoß ist.
48
Antrag zu 3, 6 und 9:
49
Diese Feststellungsanträge sind ebenfalls begründet.
50
Hat ein Versammlungsleiter die Ablehnung von Anträgen zu Unrecht festgestellt und die
Feststellung gemäß § 130 Abs. 2 AktG in das Verhandlungsprotokoll aufgenommen, ist
der ablehnende Beschluss anfechtbar. Die erfolgreiche Anfechtung beseitigt aber nur
den ablehnenden Beschluss. Nach ganz herrschender Meinung darf der
Anfechtungsantrag deshalb um den Feststellungsantrag ergänzt werden, dass ein
Beschluss mit näher bezeichnetem Inhalt zu Stande gekommen ist (Hüffer, § 246 AktG,
Randnummer 42 mit weiteren Nachweisen).
51
IV.
52
Aufgrund der nicht nachgelassenen Schriftsätze der Beklagten vom 19.11.2008 und
09.12.2008 bestand weder Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen
Verhandlung, noch zur Aussetzung des Rechtsstreits bis zur Entscheidung in dem
Verfahren 24 O 84/08 LG Duisburg.
53
V.
54
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 101 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
55