Urteil des LG Düsseldorf vom 22.03.2007

LG Düsseldorf: treu und glauben, patient, behandlungsvertrag, versicherer, nebenpflicht, fälligkeit, vergütung, rückführung, herausgabe, rechnungsstellung

Landgericht Düsseldorf, 3 O 431/02
Datum:
22.03.2007
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Vors. Richter am LG Meurer, Richter am LG Fröml, Richterin Hörster
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 O 431/02
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.944,48 € nebst Zinsen aus
5.636,32 € in Höhe 10,5% p.a. vom 06.04.2002 bis zum 06.05.2002 und
aus 5.636,32 € in Höhe von 10,375% p.a. seit dem 04.07.2005 und aus
weiteren 308,16 € in Höhe von 10,375% p.a. seit dem 26.04.2006 sowie
aus 5.636,32 € in Höhe von 4,5% p.a. am 28.12.2005 und vom
29.12.2005 bis zum 03.01.2006 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage
abgewiesen.
Tatbestand
1
Der Kläger ist niedergelassener Zahnarzt. Der Beklagte, der bei der Streithelferin privat
krankenversichert war, befand sich beim Kläger in der Zeit vom 21.12.2001 bis zum
04.03.2002 in zahnärztlicher Behandlung.
2
Am 30.01.2002 erstellte der Kläger einen Heil- und Kostenplan über eine
langzeitprovisorische Versorgung der Zähne 14 bis 24 mit Zahnersatz nebst
zugehöriger Abdingungsvereinbarung gemäß § 2 Abs. 1, 2 GOZ (Anlage K1, Bl. 14 ff.
GA). Beide wurden von dem Beklagen am 05.02.2002 unterschrieben. Am 07.02.2002
begann der Kläger mit der Eingliederung des Langzeitprovisoriums gemäß des Heil-
und Kostenplanes vom 30.01.2002. Daneben erbrachte er noch weitere zahnärztliche
Leistungen.
3
Am 28.02.2002 stellte der Kläger dem Beklagten für die Leistungen, die gemäß des
Heil- und Kostenplanes erbracht wurden, 2.630,16 € in Rechnung. Am 06.03.2002
rechnete er für die übrigen Leistungen 3.006,16 € ab. Der Beklagte zahlte die
Rechnungen nicht.
4
Der Beklagte reichte die Rechnungen bei der Streithelferin zum Zwecke der Erstattung
ein. Eine Mitarbeiterin der Streithelferin rief am 13.03.2002 in der Praxis des Klägers an
und bat um Klärung einzelner Rechnungspositionen. Unter anderem fragte sie, warum
die Leistungen nach den Gebührenziffern 801, 802, 804, und 808 GOZ zweimal
innerhalb von zwei Tagen abgerechnet wurden. Der Kläger erläuterte seine
Rechnungen nicht.
5
Die Streithelferin teilte dem Beklagten daraufhin mit Schreiben vom 14.03.2002 mit,
6
dass eine Erstattung nicht erfolgen könne, da Überschneidungen in den
Behandlungsverfahren festzustellen seien, welche nicht nachvollziehbar seien und
deren medizinische Notwendigkeit nicht ersichtlich sei. Sie riet dem Beklagten, sich bei
dem Kläger über die Abrechenbarkeit der einzelnen im Schreiben aufgeführten
Gebührenziffern zu informieren. Wegen der weiteren Einzelheiten des Schreibens vom
14.03.2002 wird auf die Anlage K3, Bl. 45 GA Bezug genommen.
Der Beklagte übersandte dem Kläger eine Ablichtung des Schreibens. Mit Schreiben
vom 16.03.2002 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass er die Fragen der
Streithelferin beantworten werde, sobald dieser die offenen Rechnungen beglichen
habe. Am 05.04.2002 mahnte der Kläger die offenen Rechnungen an. Daraufhin rief der
Beklagte am 07.05.2002 in der Praxis des Klägers an und teilte mit, dass er nicht zahlen
werde, bis der Kläger das Schreiben der Streithelferin beantwortet habe.
7
Im Schriftsatz vom 31.03.2005 (Bl.35 ff. GA) und vom 15.06.2005 (Bl. 81 ff. GA), bei
Gericht eingegangen am 01.04.2005 und am 16.06.2005, hat der Kläger erstmals die
den Ansatz der Gebührenziffern erläutert. Wegen der Einzelheiten seiner Erklärung wird
auf den Inhalt der Schriftsätze Bezug genommen.
8
Am 03.03.2006 stellte der Kläger dem Beklagten weitere Eigenlaborkosten in Höhe von
308,16 € in Rechnung und forderte den Beklagten erfolglos zur Zahlung bis zum
30.03.2006 auf.
9
Der Beklagte trug das Langzeitprovisorium drei Jahre und ließ sich dann neu versorgen.
10
Der Kläger ist der Ansicht, bei der Behandlung am 05.02.2002 und am 07.02.2002 seien
die Gebührenziffern 800, 801, 802, 804 und 808 zulässigerweise nebeneinander
abgerechnet worden. Am 05.02.2002 sei die Gebühr Nr. 800 für die Erhebung eines
Funktionsstatus angesetzt worden und die Gebührenziffern 801, 802, 804 und 808 seien
im Rahmen der Diagnostik für die instrumentelle Funktionsanalyse berechnet worden.
Am 07.02.2002 seien die Gebühren 801, 802, 804 und 808 im Rahmen der Anfertigung
des Langzeitprovisoriums in Ansatz gebracht worden. Die Gebühr 203 sei für das Legen
von Retraktionsfäden der Größe 0 und 1 an den Zähnen 13, 14, 23 und 24 am 07.02.002
insgesamt achtmal und einmal für die Anwendung des Dentinadhäsivs Scotchblond in
Rechnung gestellt worden. Die Gebührenziffern 512, 514 seien für den Einsatz eines
einfachen Provisoriums am 07.02.2002 berechnet worden, mit welchem der Beklagte
bis zur Fertigstellung des Langzeitprovisoriums versorgt worden sei. Für den Einsatz
des Langzeitprovisoriums am 15.02.2002 seien zulässigerweise die Gebührenziffern
708, 709 in Rechnung gestellt worden. Der Kläger behauptet, er nehme bei seiner
Hausbank, der Deutschen Apotheker- und Ärztebank, ab einem früherem Zeitpunkt als
dem 31.03.2002 bis heute einen Geschäftskredit in einer die Klageforderung
überschreitenden Höhe in Anspruch, für den er die geltend gemachten Zinssätze zahlen
müsse. Weiter müsse er Überziehungszinsen in Höhe von 4,5% p.a. bei Überschreiten
der Kreditlinie zahlen. Wäre die Klageforderung rechtzeitig bezahlt worden, hätte der
Kläger sein Kontokorrent entsprechend zurückführen können.
11
Der Kläger beantragt,
12
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 5.944,48 € nebst Zinsen aus
2.630,16 € in Höhe von 10,5% p.a. vom 31.03.2002 bis zum 31.12.2002,
10,75% p.a. vom 01.01.2003 bis zum 30.06.2003 und 10,375% p.a. seit dem
13
01.07.2003, aus weiteren 3.006,16 € in Höhe von 10,5% p.a. vom 06.04.2002
bis zum 31.12.2002, 10,75% p.a. vom 01.01.2003 bis zum 30.06.2003,
10,375% p.a. seit dem 01.07.2003 und aus weiteren 308,16 € in Höhe von
10,375% seit dem 26.04.2006 sowie weitere Zinsen wegen der
Überschreitung der eingeräumten Kreditlinie in Höhe eines Betrages von
50.000,00 € seit dem 01.01.2002 und 25.000,00 € ab dem 01.03.2005 in Höhe
von weiteren 4,5% p.a.
vom 30. März bis zum 1. April 2002 aus 1.783,97 Euro
14
vom 2. April 2002 aus 2.417,48 Euro
15
vom 05. April bis zum 08. April 2002 aus 5.096,86 Euro
16
vom 9. April 2002 aus 110,25 Euro
17
vom 10. April 2002 aus 5.868,76 Euro
18
vom 11. April 2002 aus 6.045,34 Euro
19
vom 24. April bis zum 25. April 2002 aus 5.377,73 Euro
20
vom 30. April bis zum 1. Mai 2002 aus 8.861,46 Euro
21
vom 2. Mai 2002 aus 10.179,68 Euro
22
vom 3. Bis zum 5. Mai 2002 aus 9.538,49 Euro
23
vom 7. Mai 2002 aus 2.863,19 Euro
24
vom 8. Bis zum 12. Mai 2002 aus 3.789,19 Euro
25
am 16. Mai 2002 aus 1.877,05 Euro
26
am 23. Mai 2002 aus 4.086,80 Euro
27
vom 24.bis zum 26. Mai 2002 aus 4.090,80 Euro
28
am 3. Juni 2002 aus 3.370,80 Euro
29
am 4. Juni 2002 aus 816,84 Euro
30
am 5. Juni 2002 aus 6.585,35 Euro
31
am 6. Juni 2002 aus 2.708,96 Euro
32
am 17. Juni 2002 aus 133,10 Euro
33
vom 3. Bis zum 4. Juli 2002 aus 7.322,43 Euro
34
vom 5. Bis zum7. Juli 2002 aus 4.567,13 Euro
35
am 10. Dezember 2002 aus 2.316,43 Euro
36
am 11. Dezember 2002 aus 3.423,53 Euro
37
vom 12.bis zum 15. Dezember 2002 aus 3.181,63 Euro
38
am 16. Dezember 2002 aus 6.329,70 Euro
39
vom 17. bis zum 19. Dezember 2002 aus 6.225,08 Euro
40
vom 20. Bis zum 21. Dezember 2002 aus 5.591,34 Euro
41
vom 22. Bis zum 28. Dezember 2002 aus 4.179,28 Euro
42
am 29. Dezember 2002 aus 2.280,62 Euro
43
am 2. Januar 2002 aus 4.975,48 Euro
44
vom 3. bis zum 5. Januar 2002 aus 10.499,99 Euro
45
am 6. Januar 2003 aus 712,80 Euro
46
am 7. Januar 2003 aus 1.555,77 Euro
47
am 8. Januar 2003 aus 3.268,77 Euro
48
am 9. Januar 2003 aus 4.841,37 Euro
49
am 11. August 2003 aus 1.213,84 Euro
50
am 30. September 2003 aus 6.154,21 Euro
51
am 1. Oktober 2003 aus 7.611,29 Euro
52
vom 2. bis 5. Oktober 2003 aus 9.242,25 Euro
53
am 6. und 7. Oktober 2003 aus 9.775,74 Euro
54
am 8.Oktober 2003 aus 10.400,74 Euro
55
vom 9. bis zum 14. Oktober 2003 aus 14.918,03 Euro
56
am 15. Oktober 2003 14.927,81 Euro
57
am 16. Oktober 2003 14.618,71 Euro
58
vom 17. bis 19. Oktober 2003 aus 15.148,71 Euro
59
vom 20. bis zum 22.Oktober 2003 aus 5.438,03 Euro
60
am 23. Oktober 2003 aus 3.313,47 Euro
61
vom 30. Oktober bis zum 2. November 2003 aus 5.761,88 Euro
62
am 5. und 6. November 2003 aus 2.935,90 Euro
63
vom 14. Bis zum 16. November 2003 aus 2.669,84 Euro
64
am 26. November 2003 aus 5.599,57 Euro
65
am 27. November 2003 aus 6.286,15 Euro
66
vom 28. bis zum 30. November 2003 aus 6.335,12 Euro
67
am 1. Dezember 2003 aus 7.695,14 Euro
68
am 2. Dezember 2003 aus 8.021,83 Euro
69
am 3. Dezember 2003 aus 8.054,83 Euro
70
am 4. Dezember 2003 aus 7.692,83 Euro
71
vom 5. bis zum 7. Dezember 2003 aus 8.317,83 Euro
72
vom 8. bis zum 10. Dezember 2003 aus 9.687,29 Euro
73
vom 2. bis zum 5. Januar 2004 aus 1.122,37 Euro
74
am 3. Mai 2004 aus 1.028,20 Euro
75
am 4. und 5. Mai 2004 aus 1.282,72 Euro
76
am 6. Mai 2004 aus 1.336,41 Euro
77
am 7. und 8. Juni 2004 aus 2.517,58 Euro
78
am 9. bis zum 13. Juni 2004 aus 3.054,93 Euro
79
am 14. Juni 2004 aus 1.587,39 Euro
80
am 15. und 16. Juni 2004 aus 2.133,29 Euro
81
am 6. Juli 2004 aus 3.211,13 Euro
82
vom 12. bis zum 14. Juli 2004 aus 1.185,48 Euro
83
am 1. September 2004 aus 132,73 Euro
84
am 30. September 2004 aus 58,55 Euro
85
am 4. Oktober 2004 aus 2.167,87 Euro
86
am 5. Oktober 2004 aus 3.117,87 Euro
87
am 6. Oktober 2004 aus 3.214,93 Euro
88
am 7. Oktober 2004 aus 7.533,04 Euro
89
vom 8. bis zum 14. Oktober 2004 aus 8.453,19 Euro
90
vom 15. bis zum 20. Oktober 2004 aus 9.562,44 Euro
91
am 21. Oktober 2004 aus 9.007,53 Euro
92
am 15. November 2004 aus 171,36 Euro
93
vom 10. bis zum 15. Dezember 2004 aus 1.707,63 Euro
94
am 16. Dezember 2004 aus 1.105,15 Euro
95
vom 17. bis zum 19. Dezember 2004 aus 799,15 Euro
96
am 20. Dezember 2004 aus 5.434,31 Euro
97
am 21. Dezember 2004 aus 5.447,36 Euro
98
vom 22. bis 26. Dezember 2004 aus 5.947,36 Euro
99
am 27. Dezember 2004 aus 3.807,36 Euro
100
vom 30. Dezember 2004 bis zum 2. Januar 2005 aus 9.626,23 Euro
101
am 3. Januar 2005 aus 9.036,39 Euro
102
am 4. Januar 2005 aus 10.619,76 Euro
103
am 28. 12.2005 aus 6.761,39 EUR und
104
vom 29.12.2005 bis zum 03.01.2006 aus 7.827,34 EUR,
105
sowie 5,00 € außergerichtliche Mahnkosten zu zahlen.
106
Der Beklagte beantragt,
107
die Klage abzuweisen.
108
Die Streithelferin beantragt,
109
die Klage abzuweisen.
110
Der Beklagte behauptet, der ihm eingegliederte Zahnersatz in Form eines
Langzeitprovisoriums sei fehlerhaft. Anstelle von vier Frontzähnen im Oberkiefer habe
111
der Kläger nur drei ausarbeiten lassen, welche zu groß und zu breit seien. Er bestreitet
mit Nichtwissen, dass der Kläger ständig Bankkredite in Anspruch nimmt und dass er
hierfür die angegebenen Zinssätze zahle, sowie dass er bei früher Zahlung den Kredit
entsprechend zurückgeführt hätte. Er ist der Ansicht, ihm stünde ein
Zurückbehaltungsrecht zu, da der Kläger verpflichtet sei, gebührenrechtliche Fragen zu
erläutern.
Das Gericht hat Beweis erhoben aufgrund der Beweisbeschlüsse vom 13.07.2005 (Bl.
145 GA) und vom 17.03.2006 (Bl. 182 GA). Wegen des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen X vom 18.01.2006 (Bl.
152 ff. GA) und das Ergänzungsgutachten vom 12.10.2006 (Bl. 436 ff. GA) Bezug
genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug
genommen.
112
Entscheidungsgründe
113
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
114
Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 5.944,48 €
gemäß § 611 BGB.
115
Die Parteien haben einen Behandlungsvertrag über die am 28.02.2002 in Höhe von
2.630,16 €, am 06.03.2002 in Höhe von 3006,16 € und am 03.03.2006 in Höhe von
308,16 € in Rechnung gestellten zahnärztlichen Leistungen geschlossen.
116
Insbesondere haben die Parteien wirksam für die Leistungen, die gemäß des Heil- und
Kostenplanes vom 30.01.2002 erbracht worden sind, eine von der Gebührenordnung für
Zahnärzte abweichende Höhe der Vergütung vereinbart. Die schriftliche
Gebührenvereinbarung der Parteien vom 05.02.2002 genügt den Anforderung des § 2
Abs. 2 GOZ. Auch wurde der Heil- und Kostenplan sowie die Gebührenvereinbarung vor
dem Beginn der Arbeiten am 07.02.2002 erstellt und von dem Beklagten unterzeichnet.
117
Ferner steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer
fest, dass die in Rechnung gestellten Beträge den Vorschriften der Gebührenordnung für
Zahnärzte entsprechen.
118
Der Sachverständige X hat hierzu nachvollziehbar und widerspruchsfrei ausgeführt,
dass die Gebührenziffern 800, 801, 802, 804 und 808 für die Behandlungen am 05.02.
und 07.02.2002 zulässigerweise nebeneinander abgerechnet worden sind. Die
Leistungen am 05.02.2002 sind diagnostische Maßnahmen gewesen, deren
Durchführung zahnmedizinisch notwendig gewesen ist. Am 07.02.2002 ist laut dem
überzeugenden Gutachten mit der Herstellung des Langzeitprovisoriums begonnen
worden, wobei es sich um einen neuen Behandlungsabschnitt handelt. Die
funktionsanalytischen Leistungen sind – so der Sachverständige ausdrücklich – als
Therapiemaßnahme notwendig gewesen. Der Sachverständige hat insoweit
abschließend ausgeführt, dass es für die Notwendigkeit der Maßnahmen unerheblich
ist, in welchem zeitlichen Abstand die Leistungen erbracht worden sind.
119
Weiter ist laut dem Sachverständigengutachten die Gebührenziffer 203 am 07.02.2002
neunmal abrechenbar gewesen. Der Sachverständige hat detailliert und plausibel
120
erläutert, dass es sich beim Legen von Fäden bei der Nachpräparation und bei der
Adhäsivtechnik sowie vor der Abdrucknahme jeweils um verschiedenartige Leistungen
bzw. unterschiedliche Behandlungsphasen gehandelt hat, für welche die Ziffer 203
insgesamt fünfmal in Ansatz gebracht werden konnte. Auch die weitere viermalige
Berechnung der Gebührenziffer ist – wie der Sachverständige erläutert hat – im Hinblick
auf den zusätzlichen Aufwand, welcher der Steigerung der Qualität und Präzision sowie
einer optimalen Passform und einer langen Verweildauer gedient hat, gerechtfertigt
gewesen.
Schließlich hat der Sachverständige nachvollziehbar und widerspruchsfrei bekundet,
dass die Gebührenziffern Nr. 708 je Krone und 709 je Spange für die Behandlung am
15.02.2007 ordnungsgemäß in Ansatz gebracht worden sind. Hierzu hat er festgestellt,
dass die Anfertigung des Langzeitprovisoriums durch die Laborrechnung belegt ist und
das Einsetzen in der Kartei dokumentiert worden ist. Auch der Schutz der beschliffenen
Pfeiler nach der Nachpräparation am 07.02.2002 bis zur Versorgung am 15.02.2007 ist
zusätzlich notwendig gewesen.
121
Auch steht dem Beklagten kein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 611, 280 BGB
wegen der Mangelhaftigkeit des eingesetzten Langzeitprovisoriums gegen den Kläger
zu, durch den er von der Honorarverbindlichkeit befreit wird.
122
Bei völliger Wertlosigkeit der ärztlichen Leistung wegen einer vom Arzt zu vertretenden
Schlechtleistung ist der Patient berechtigt, im Umfang des fehlenden Interesses die
Bezahlung der Vergütung zu verweigern. Dem Patienten erwächst ein
Schadensersatzanspruch aus §§ 280, 611 BGB, der zur Befreiung von der
Verbindlichkeit führt, ohne dass es einer Aufrechnungserklärung bedarf (vgl. LG
Karlsruhe, Urteil vom 28.05.2005, Az.: 8 O 362/04; OLG Zweibrücken MedR 2002, 201;
OLG Düsseldorf VersR 1985, 456; a.A. OLGR München 1998, 247).
123
Ein Schadensersatzanspruch ist vorliegend nicht gegeben, da das eingegliederte
Langzeitprovisorium für den Kläger wegen der Ausarbeitung von nur drei Frontzähnen
im Oberkiefer nicht völlig wertlos und unbrauchbar gewesen ist. Der Kläger hat es
mehrere Jahre bis zur Neuversorgung getragen. Auch hat es sich nur um ein
Provisorium und nicht um einen endgültigen Zahnersatz gehandelt.
124
Der Kläger hat auch einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von Zinsen in
Höhe von 10,5% p.a. aus 2.630,16 € und aus 3006,16 € vom 06.04.2002 bis zum
06.05.2002 aus §§ 280 Abs. 1, 286, 288 Abs. 4 BGB. Seit dem 06.04.2002 hat sich der
Kläger in Verzug befunden. Die Forderungen des Klägers sind seit Rechnungsstellung
fällig gewesen. Mit der Mahnung vom 05.04.2002 ist Verzug eingetreten.
125
Auch das dem Beklagten zustehende Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB wegen
der nicht erteilten Auskünfte bezüglich seiner Gebührenrechnung, steht dem Verzug zu
diesem Zeitpunkt nicht entgegen, da der Beklagte es am 06.04.2002 noch nicht
ausgeübt hat. Ein bestehendes Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB hindert den
Verzugseintritt nur, wenn es vor oder bei Eintritt des Verzuges geltend gemacht wird.
Hier ist es jedoch erst zum 07.05.2002 ausgeübt worden.
126
Dem Kläger stehen auch die geltend gemachten Zinssätze zu. Insoweit hat die Kammer
eine Schätzung gemäß § 287 ZPO vorgenommen. Eine Schätzung konnte erfolgen, da
der Kläger im Schriftsatz vom 15.06.2005 sowie mit der überreichten Zinsbescheinigung
127
in der Anlage K6 (Bl. 119 GA) die notwendigen Schätzungsgrundlagen konkret
dargelegt hat.
Auch geht die Kammer davon aus, dass der Kläger den Kredit entsprechend
zurückgeführt hätte, wenn der Beklagte die Forderungen rechtzeitig getilgt hätte. Bei
einem Kaufmann oder einem Selbständigen besteht insoweit die Vermutung, dass er
eingehende Zahlungen zur Rückführung eines Kredites verwendet.
128
Der Kläger hat auch einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von Zinsen aus
2.630,16 € und aus 3.006,16 € in Höhe von 10,375% p.a. seit dem 04.07.2005 gemäß
§§ 280 Abs. 1, 2, 286, 288 Abs. 4 BGB.
129
Dem Kläger ist in dieser Höhe ein Verzugsschaden entstanden. Seit dem 04.07.2005
hat sich der Beklagte mit der Begleichung der Rechnungen vom 28.02.2002 und vom
06.03.2002 erneut in Verzug befunden. Da der Kläger mit Schriftsätzen vom 31.03.2005
(Bl.35 ff. GA) und vom 15.06.2005 (Bl. 81 ff. GA), bei Gericht eingegangen am
01.04.2005 und am 16.06.2005, erstmals den Ansatz der streitigen Gebührenziffern
erläutert hat und davon auszugehen ist, dass dem Beklagten der zweite Schriftsatz
spätestens am 03.07.2005 zugegangen ist, konnte der Beklagte sich jedenfalls seit dem
04.07.2005 nicht mehr auf ein ihm zustehendes Zurückbehaltungsrecht berufen.
130
Zur Höhe der geltend gemachten Zinssätze gilt das oben gesagte.
131
Weiter hat der Kläger einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zinsen in Höhe von
10,375% p.a. seit dem 26.04.2006 aus 308,16 € gemäß §§ 280 Abs. 1, 2, 286, 288 Abs.
4 BGB. Denn seit dem 26.04.2006 hat der Beklagte sich mit der weitergehenden
Forderung in Verzug befunden.
132
Schließlich steht dem Kläger ein Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 4,5%
p.a. aus 5.636,32 € am 28.12.2005 und vom 29.12.2005 bis zum 03.01.2006 aus §§ 280
Abs. 1, 2, 286, 288 Abs. 4 BGB zu. Dem Kläger ist insoweit ein Verzugsschaden
entstanden. Denn er musste in dieser Höhe Überziehungszinsen wegen Überschreitung
der ihm eingeräumten Kreditlinie zahlen. Auch insoweit hat die Kammer eine Schätzung
gemäß § 287 ZPO vorgenommen, nachdem der Kläger in der Anlage K5 (Bl. 90 ff. GA)
die Valutenstaffeln seiner Bank vorgelegt hat. Auch hier ist zu vermuten, dass
eingehende Zahlungen zur Rückführung des Kredites verwendet worden wären.
133
Dagegen konnte der Kläger die Überziehungszinsen nicht aus den geltend gemachten
höheren Beträgen verlangen. Denn die Hauptforderung ist zum 28.12.2005 nur in Höhe
von 5.636,32 € fällig gewesen.
134
Für die Zeit vor dem 06.04.2002 steht dem Kläger dagegen kein Anspruch auf Zahlung
von Zinsen aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286, 288 Abs. 4 BGB zu. Denn vor diesem Zeitpunkt
hat sich der Beklagte nicht in Verzug befunden. Die Vorschrift des 286 Abs. 3 BGB,
wonach Verzug 30 Tage nach Rechnungsstellung eintritt, findet keine Anwendung, da
der Beklagte Verbraucher ist und auf die Folgen in der Rechnung nicht besonders
hingewiesen worden ist.
135
Auch für die Zeit zwischen dem 07.05.2002 und dem 04.07.2005 hat der Kläger keinen
Anspruch auf Zahlung von Zinsen aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286, 288 Abs. 4 BGB. Innerhalb
dieses Zeitrahmens hat der Beklagte sich mit der Begleichung der Honorarforderungen
136
nicht in Verzug befunden.
Dem Beklagten hat ein Zurückbehaltungsrecht gegen die Ansprüche des Klägers
gemäß § 273 BGB zugestanden, weil dieser die erforderlichen Auskünfte bezüglich
seiner Gebührenrechnung nicht erteilt hat.
137
Der Beklagte hat einen fälligen Anspruch gegen den Kläger aus § 242 BGB i.V.m.
Behandlungsvertrag auf Erläuterung der Gebührenabrechnung gehabt.
138
Der Behandlungsvertrag steht wirtschaftlich unter der Rahmenbedingung, dass der
Patient Ausgleich seiner Aufwendungen bei seiner Krankenversicherung sucht. Der
Patient als Versicherungsnehmer hat gemäß §§ 34 VVG, 9 Abs. 2 MB/KK dem
Versicherer jede Auskunft zu erteilen, die zur Feststellung des Versicherungsfalles oder
der Leistungspflicht des Versicherers oder ihres Umfangs erforderlich ist. Der
Versicherer kann hierfür diejenigen Auskünfte verlangen, die er für notwendig erachtet.
Dazu gehört auch die Einsicht in die vollständigen Behandlungsunterlagen (BGH VersR
1984, 274). Vor Erteilung der Auskünfte oder Beiziehung der Krankenunterlagen ist die
Versicherungsleistung gemäß § 6 Abs. 1 MB/KK nicht fällig (LG Schweinfurt VersR
1990, 617).
139
Da allein der behandelnde Arzt in der Lage ist, die von der Versicherung zur Prüfung
ihrer Eintrittspflicht benötigten Angaben zu machen und der Patient auf diese
Informationen angewiesen ist, um eine Kostenerstattung zu erlangen, ist der Arzt aus
dem Behandlungsvertrag verpflichtet, dem privat versicherten Patienten alle
Informationen zur Verfügung zu stellen, welche dieser benötigt, um eine
Kostenerstattung von seinem Versicherer zu erlangen. Es handelt sich insoweit um eine
aus § 242 BGB herleitbare selbstständige Nebenpflicht des Arztes (BGH VersR 1984,
274). Die Erfüllung dieser Pflicht ist dem Arzt auch zumutbar. Denn er und kein anderer
Beteiligter hat die Leistungen erbracht und die Gebührenrechnung gestellt. Der Patient
als medizinischer Laie ist dagegen nicht in der Lage ohne die erforderliche
Unterstützung des Arztes seinen Verpflichtungen aus dem Versicherungsvertrag
nachzukommen.
140
Diese Nebenpflicht hat der Kläger zunächst nicht erfüllt. Die Streithelferin hat dem
Kläger telefonisch und dem Beklagten mit Schreiben vom 14.03.2002 mitgeteilt,
bezüglich welcher Gebührenziffern Zweifel an der medizinischen Notwendigkeit und der
Abrechenbarkeit bestehen würden. Weder die telefonische Nachfrage der Streithelferin
noch das Schreiben der Streithelferin vom 14.03.2002, das der Beklagte an den Kläger
weitergeleitet hat, hat dieser beantwortet. Auch nach der Mitteilung des Beklagten, dass
er die Rechnung erst bezahlen werde, wenn der Kläger die gewünschten Auskünfte
erteile, hat der Kläger seine Leistungen nicht näher erläutert. Erst im Laufe der
Prozesses mit Schriftsatz vom 31.03.2005 (Bl.35 ff. GA) und vom 15.06.2005 (Bl. 81 ff.
GA), bei Gericht eingegangen am 01.04.2005 und am 16.06.2005, hat der Kläger die
geforderten Auskünfte erteilt.
141
Der Anspruch auf Erläuterung der Gebührenrechnung hat auch unabhängig davon
bestanden, ob der Beklagte bzw. die Streithelferin konkrete Fragen an den Arzt
formuliert haben oder nicht. Der Patient kann die Herausgabe der gesamten
Behandlungsunterlagen an sich oder an seine Versicherung verlangen. Hieraus ergibt
sich, dass der Patient nicht darauf beschränkt sein kann, fest umrissene Fragen zu
stellen. Darüber hinaus ist dem Kläger von der Streithelferin telefonisch zumindest eine
142
konkrete Frage gestellt worden, nämlich warum die Leistungen nach den
Gebührenziffern 801, 802, 804, und 808 GOZ zweimal innerhalb von zwei Tagen
abgerechnet worden seien. Auch aus dem Schreiben vom 14.03.2002 ist eindeutig zu
erkennen gewesen, bei welchen Gebührenziffern Zweifel an der medizinischen
Notwendigkeit und deren Abrechenbarkeit bestanden haben.
Der Anspruch des Beklagten gegen den Kläger hat auch auf demselben rechtlichen
Verhältnis beruht. Der Honoraranspruch des Kläger und der Auskunftsanspruch des
Beklagten haben beide ihre Grundlage in dem Behandlungsvertrag.
143
Infolge der Nichterfüllung der Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag ist der
Beklagte berechtigt gewesen, sich auf ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB zu
berufen. Denn der Patient kann nicht darauf verwiesen werden, die Arztrechnung
umgehend zu bezahlen, obwohl er wegen der fehlenden Unterstützung des Arztes eine
Erstattung seiner Versicherung nicht erlangen kann. Dies würde dem Grundsatz von
Treu und Glauben widersprechen. Dem Patient ist es nicht zuzumuten, ohne Handhabe
gegen den Arzt die Rechnung zu bezahlen und den Arzt danach auf Herausgabe der
Krankenunterlagen oder Erteilung von näheren Auskünften verklagen zu müssen.
144
Dass sich der Patienten gegenüber dem Honoraranspruch auf ein
Zurückbehaltungsrecht berufen kann und er die Begleichung der Rechnung bis zur
Auskunftserteilung verweigern kann, ist dem Arzt auch zumutbar. Denn der Arzt kann
mühelos entweder die erforderlichen Auskünfte zu erteilen oder die
Behandlungsunterlagen herauszugeben.
145
Das dem Beklagten zustehende Zurückbehaltungsrecht aus § 273 BGB beseitigt zwar
nicht die Fälligkeit, seine Geltendmachung schließt jedoch den Schuldnerverzug aus. Ist
bereits vorher Verzug eingetreten, so wird der Verzug beendet, sobald der Schuldner
dieses ausübt und seine eigene Leistung Zug-um-Zug gegen Erfüllung des
Gegenanspruches anbietet (Heinrichs in Palandt § 273 Rn. 20, § 286 Rn. 35). Dies ist
vorliegend geschehen. Denn der Beklagte hat dem Kläger am 07.05.2002 erklärt, er
werde die Rechnungen begleichen, wenn der Kläger die geforderten Auskünfte erteilt.
146
Der Entscheidung der Kammer stehen auch nicht das vom Kläger vorgelegte Urteil des
Amtsgerichts Münchens vom 29.11.2003 (Anlage K 13) und das Urteil des BGH vom
21.12.2006, Az.: III ZR 117/06 (Anlage K 14) entgegen. Dem Urteil des Amtsgerichts
München lässt sich schon nicht entnehmen, ob es einen vergleichbaren Sachverhalt
betrifft. Die Entscheidung des BGH betrifft die Frage, wann die Fälligkeit eines
Gebührenanspruches gemäß § 12 GOÄ eintritt. Demgegenüber geht es im vorliegenden
Fall nicht um die Fälligkeit des klägerischen Honoraranspruches, sondern vielmehr um
die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechtes durch den Honorarschuldner.
147
Dem Kläger stehen auch keine Prozesszinsen seit Rechtshängigkeit gemäß § 291 BGB
zu. Denn die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrecht schließt auch den Anspruch
auf Prozesszinsen aus (Heinrichs in Palandt § 273 Rn. 20).
148
Ein Anspruch auf die geltend gemachten Mahnkosten in Höhe von 5,00 € besteht nicht.
Denn zum Zeitpunkt des Mahnschreibens hat sich der Beklagte noch nicht in Verzug
befunden. Er ist erst durch das Mahnschreiben vom 05.04.2002 in Verzug geraten.
149
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 S. 1, 101 Abs. 1 ZPO. Denn der Kläger
150
ist mit der geltend gemachten Zinsforderung in einem erheblichen Maße unterlegen und
die Zinsforderung hat 10 Prozent des fiktiven Streitwertes (Hauptforderung zuzüglich
Zinsen) überschritten. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus
§§ 708 Nr. 11, 709 S. 1, 2, 711 ZPO.
Der Streitwert wird auf 5.944,48 € festgesetzt.
151
Meurer Fröml Hörster
152
VorsRiLG RiLG Rin
153