Urteil des LG Düsseldorf vom 27.03.2003

LG Düsseldorf: beweis des gegenteils, stand der technik, firma, werk, gemeindeverwaltung, produktion, form, widerklage, erfindung, vorbenutzung

Landgericht Düsseldorf, 4 O 587/99
Datum:
27.03.2003
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 O 587/99
Tenor:
I.
Die Widerklage wird abgewiesen.
II.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten, auch soweit der
Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt
wurde, auferlegt.
III.
Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung von 31.000 €
vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheit kann auch durch die
selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik
Deutschland ansässigen Großbank oder öffentlich rechtlichen
Sparkasse erbracht werden.
IV.
Der Streitwert wird auf 1.000.000,00 DM ( 511.291,88 €) festgesetzt.
Tatbestand:
1
Die Klägerin stellt her und vertreibt unter anderem Kaffeeautomaten nebst Zubehör.
Insbesondere vertreibt sie Filterpapiereinsätze für den gewerblichen Bereich, die sie
von der Firma "T2" herstellen läßt.
2
Im Jahr 1999 hat sie für von ihr vertriebene Kaffeeautomaten die Filterpapierbehälter
vom Typ X konstruktiv abgeändert. Diese Ausführung entspricht der technischen Lehre
des europäischen Patents 0 ####2, dessen Inhaberin eine Schwestergesellschaft der
Klägerin ist. Hierfür mußten auch die zunächst hergestellten und vertriebenen
Filterpapiereinsätze modifiziert werden, da an dem neuen Filterpapierbehälter – im
3
Filterpapiereinsätze modifiziert werden, da an dem neuen Filterpapierbehälter – im
Vergleich zu seinem Vorgängermodell - die Ecken abgeschrägt sind. Die abgeänderten
Filterpapiereinsätze erhielten in der Folge die Typenbezeichnung "XY". Diese neuen
Filterpapiereinsätze konnten in der Übergangsphase sowohl in den alten Filterbehältern
wie auch den neuen Filterbehältern verwendet werden.
Der Beklagte ist Inhaber der in Dänemark ansässigen Firma J, die ebenfalls
Filterpapiereinsätze für Filterbehälter, insbesondere Kaffeefilter, herstellt und eine
Wettbewerberin der Klägerin ist.
4
Er ist Inhaber des am 16.07.1999 angemeldeten und am 09.12.1999 bei dem Deutschen
Patent- und Markenamt eingetragenen Gebrauchsmusters Nr. 199 ####1 (Anlage K 5,
Widerklagegebrauchsmuster), dessen Schutzanspruch folgenden Wortlaut hat:
5
Ein im wesentlichen rhombenförmiger Filterpapiereinsatz (20) zur
Verwendung in einem im wesentlichen pyramidenförmigen Filterbehälter, bei
dem die Innenecken zwischen den Seiten abgefast oder abgeschrägt sind,
wobei der Filterpapiereinsatz (20) zwei Schichten aus Filterpapier aufweist,
das entlang einer Faltungslinie (11) gefaltet ist, und mit einer Naht (13)
versehen ist, welche die zwei Schichten aneinander befestigt sowie mit der
Faltungslinie (11) einen stumpfen Winkel bildet, wobei die Faltungslinie (11)
und die Naht (13) zwei benachbarte Seiten des Rhombus bilden und die
Spitze des Filterpapiereinsatzes (20) darstellen, und wobei die zwei
gegenüberliegenden Seiten des Rhombus freie Ränder (12, 22) sind, an
denen die zwei Schichten des Filterpapiers getrennt werden können und wo
die drei Ecken (21 a, 21 b, 21 c) an den freien Rändern (12, 22) abgeschnitten
sind entsprechend den abgeschrägten Innenecken des Filterbehälters, um
sicherzustellen, dass beim Anordnen des Filterpapiereinsatzes (20) in dem
Filterbehälter und beim Kontakt mit dessen Innenseiten die freien Ränder des
Filterpapiereinsatzes (20) sich im wesentlichen in einer einzigen Ebene
befinden,
6
dadurch gekennzeichnet,
7
dass an der Spitze ein Teil (23) vorliegt, der von der Naht (13) vorsteht sowie
eine Größe und eine Form aufweist, die zu der abgeschnittenen Ecke (21 c)
am gegenüberliegenden Ende der Faltungslinie (11) komplementär ist.
8
Die nachfolgende Abbildung (Figur des Widerklagegebrauchsmusters, Anlage K 5)
verdeutlicht den Gegenstand der Erfindung. Nachfolgend wird das in der Zeichnung mit
der Bezugsziffer 23 bezeichnete Teil mit "Zwickel" bezeichnet:
9
Der Beklagte vertreibt die dem Widerklagegebrauchsmuster entsprechenden
Filterpapiereinsätze unter der Bezeichnung "X1".
10
Die von der Klägerin mit der Typenbezeichnung "XY" vertriebenen Filterpapiereinsätze
haben in zusammengelegtem Zustand das folgende Aussehen:
11
Die Klägerin hat zunächst beantragt,
12
I.
13
festzustellen, dass die Klägerin durch das Herstellen, Anbieten,
Inverkehrbringen, Gebrauchen oder das zu den genannten Zwecken
Einführen oder Besitzen von Filterpapiereinsätzen mit den nachstehenden
Merkmalen und nach Maßgabe der Anlage K 1 die Rechte des Beklagten aus
dem deutschen Gebrauchsmuster G 229 ####1 nicht verletzt:
14
(1) Ein im wesentlichen rhombenförmiger Filterpapiereinsatz zur
Verwendung in einem im wesentlichen pyramidenförmigen Filterbehälter,
15
(2) bei dem die Innenecken zwischen den Seiten abgefast und
abgeschrägt sind,
16
(3) wobei der Filterpapiereinsatz zwei Schichten aus Filterpapier
aufweist;
17
(4) das Filterpapier ist entlang einer Faltungslinie gefaltet und mit einer
Naht versehen;
18
(5) die Naht befestigt die zwei Schichten aneinander und bildet mit der
Faltungslinie einen stumpfen Winkel;
19
(6) die Faltungslinie und die Naht bilden zwei benachbarte Seiten des
Rhombus und stellen die Spitze des Filterpapiereinsatzes dar;
20
(7) die zwei gegenüberliegenden Seiten des Rhombus sind freie Ränder,
21
(8) an denen die zwei Schichten des Filterpapiers getrennt werden
können und wo die drei Ecken an den freien Rändern abgeschnitten
sind, entsprechend den abgeschrägten Innenecken des Filterbehälters,
um sicherzustellen, dass beim Anordnen des Filterpapiereinsatzes in
dem Filterbehälter und beim Kontakt mit dessen Innenseiten die freien
Ränder des Filterpapiereinsatzes sich im wesentlichen in einer einzigen
Ebene befinden;
22
(9) an der Spitze liegt ein Teil vor, der von der Naht vorsteht sowie eine
Größe und eine Form aufweist, die zu der abgeschnittenen Ecke am
gegenüberliegenden Ende der Faltungslinie komplementär ist.
23
Der Beklagte hat zunächst beantragt,
24
die Klage abzuweisen.
25
Widerklagend beantragt er,
26
I.
27
1.
28
die Klägerin zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall
der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu DM
500.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder einer
29
Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu
insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,
einen im wesentlichen rhombenförmigen Filterpapiereinsatz zur Verwendung
in einem im wesentlichen pyramidenförmigen Filterbehälter,
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herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen, oder zu gebrauchen oder zu
den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
31
bei welchem die Innenecken zwischen den Seiten abgefast oder abgeschrägt
sind, welcher Fiterpapiereinsatz zwei Schichten aus Filterpapier aufweist, das
entlang einer Faltungslinie gefaltet ist, und mit einer Naht versehen ist, welche
die zwei Schichten aneinander befestigt sowie mit der Faltungslinie einen
stumpfen Winkel bildet, bei welchem die Faltungslinie und die Naht zwei
benachbarte Seiten des Rhombus bilden und die Spitze des
Filterpapiereinsatzes darstellen, bei welchem die zwei gegenüberliegenden
Seiten des Rhombus freie Ränder sind, an denen die zwei Schichten des
Filterpapiers getrennt werden können und wo die drei Ecken an den freien
Rändern abgeschnitten sind entsprechend den abgeschrägten Innenecken
des Filterbehälters, um sicherzustellen, dass beim Anordnen des
Filterpapiereinsatzes in dem Filterbehälter und beim Kontakt mit dessen
Innenseiten die freien Ränder des Filterpapiereinsatzes sich im wesentlichen
in einer einzigen Ebene befinden, und bei welchem an der Spitze ein Teil
vorliegt, der von der Naht vorsteht sowie eine Größe und eine Form aufweist,
die zu der abgeschnittenen Ecke am gegenüberliegenden Ende der
Faltungslinie komplementär ist.
32
2.
33
dem Beklagten unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses
darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziff. I 1
bezeichneten Handlungen seit dem 09.01.2000 begangen haben und zwar
unter Angabe
34
a)
35
der Herstellungsmengen und –zeiten, oder, falls die Klägerin und
Widerbeklagte nicht Herstellerin ist,
36
der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und
Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
37
b)
38
der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen,
Liefermengen, Lieferzeiten und Lieferpreisen sowie den Namen und
Anschriften der Abnehmer,
39
c)
40
der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen,
41
Angebotsmengen, Angebotsdaten und Angebotspreisen sowie den Namen
und Anschriften der Angebotsempfänger,
d)
42
der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren
Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
43
e)
44
der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten
und des erzielten Gewinns,
45
3.
46
die im unmittelbaren und mittelbaren Besitz oder Eigentum der Klägerin
befindlichen, unter Ziffer I.1. beschriebenen Erzeugnisse zu vernichten oder
nach der Wahl der Klägerin an einem von ihm zu benennenden Treuhänder
zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Klägerin herauszugeben,
47
II.
48
festzustellen, dass die Klägerin verpflichtet ist,
49
dem Beklagten allen Schaden zu ersetzen, der ihm durch die zu der Ziffer I.1.
bezeichneten, seit dem 09.01.2000 begangenen Handlungen entstanden ist
und noch entstehen wird.
50
51
Nachdem der Beklagte die Widerklage erhoben hat, haben die Parteien in dem Termin
zur mündlichen Verhandlung am 01.02.2000 den Rechtsstreit hinsichtlich der von der
Klägerin erhobenen negativen Feststellungsklage übereinstimmend für erledigt erklärt.
52
Die Klägerin beantragt nunmehr,
53
die Widerklage abzuweisen.
54
Der Beklagte macht geltend: Er habe bereits im Dezember 1998 Überlegungen
angestellt, wie der neue Filterpapiereinsatz produktionstechnisch günstiger hergestellt
werden könne, da ihm aufgrund seiner langjährigen Erfahrung klar gewesen sei, dass
das Abschneiden des "Zwickels" zu Störungen des Produktionsablaufs führen könne. In
diesem Monat habe er von einem Kunden einen Filterpapiereinsatz der Klägerin
erhalten, der dem des Ausführungsbeispiels in dem Europäischen Patent 0 ####2
entsprochen habe, ohne dass dort der "Zwickel" vorhanden gewesen sei. Er habe für
seine Erfindung bereits im Januar 1999 Konstruktionszeichnungen angefertigt und die
Herstellung entsprechender Schneidwalzen in Auftrag gegeben. Von den
Filterpapiereinsätzen nach der neuen Ausführungsart habe er Abbildungen
entsprechend den zur Akte gereichten Anlagen B 12a und B 13a auf der in Frankfurt in
dem Zeitraum vom 30.01.1999 bis 03.02.1999 stattfindenden Messe "P1" von den
Firmen Fa1 und Fa2 auf deren Messeständen ausstellen lassen, weswegen er eine
55
Ausstellungspriorität für diesen Zeitpunkt in Anspruch nehmen könne. Auch habe er ein
solches Exemplar von der Firma Fa3 S.p.A. anläßlich der Messe "I1" in Düsseldorf in
der Zeit vom 06. – 12.05.1999 ausstellen lassen. Eine diesbezügliche
Ausstellungspriorität macht er hilfsweise geltend.
Die Klägerin tritt dem Vorbringen des Beklagten entgegen und trägt hierzu ergänzend
vor: In der mit der Produktion der streitgegenständlichen Filterpapiereinsätze befaßten
Firma "T2" seien bereits im Jahr 1998 Produktionsversuche für die neuen
Filterpapiereinsätze "XY" durchgeführt worden, bei denen zunächst der "Zwickel"
abgeschnitten worden sei. Bei der Herstellung hätten sich Probleme mit den
Schneidwerkzeugen ergeben, da die Schneide in dem fraglichen Bereich - vermutlich
aufgrund zu hoher Druckkräfte - öfters ausgebrochen sei. Dies sei ebenfalls bei einem
erneuten Versuch am 23.02.1999 geschehen. Daraufhin habe man sich dazu
entschlossen, den "Zwickel" an der Filtertüte zu belassen, nachdem man festgestellt
habe, dass dies keine negativen Auswirkungen mit sich bringe. Die diesbezüglich
abgeänderte Schneidwalze sei am 15.03.1999 in die Produktionsmaschine eingebaut
worden und seit dem 16.03.1999 der neue Filterpapiereinsatz mit "Zwickel" produziert
worden.
56
Solche Filterpapiereinsätze seien dann in der Folge auch an die Kunden ausgeliefert
worden. Unter anderem habe die Gemeindeverwaltung C2 am 23.04.1999 eine
Lieferung von 30 Packungen erhalten.
57
Der Beklagte könne sich – nach Auffassung der Klägerin - auch nicht auf die von ihm
geltend gemachte Ausstellungspriorität berufen, da die rechtlichen Voraussetzungen
hierfür nicht gegeben seien.
58
Der Beklagte bestreitet den von der Klägerin behaupteten Produktionsbeginn sowie die
von ihr vorgetragenen Lieferungen im April des Jahres 1999.
59
Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß den Beweisbeschlüssen vom 07.12.2000 (Bl.
122,123 GA), 12.01.2001 (Bl. 131 GA), 18.01.2001 (Bl. 182 – 184 GA), 16.08.2001 (Bl.
232 GA), 23.08.2001 (Bl. 256, 257 GA) sowie vom 27.09.2001 (Bl. 328, 329 GA). Wegen
des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften
vom 29.03.2001 (Bl. 137 – 167 GA), 16.08.2001 (Bl. 207 – 230 GA), 27.09.2001 (Bl. 289
– 307 GA), vom 07.05.2002 (Bl. 371 – 411 GA) sowie vom 01.10.2002 (Bl. 470 – 484
GA) Bezug genommen.
60
Wegen des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der
zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie der zu den Akten gereichten
Unterlagen verwiesen.
61
Entscheidungsgründe:
62
Die zulässige Widerklage bleibt in der Sache ohne Erfolg.
63
I.
64
Die Erfindung nach dem Widerklagegebrauchsmuster betrifft einen Filtereinsatz für
Kaffeefilter, wobei der Filtereinsatz in einem Filterbehälter eingesetzt wird, der einen
sich nach oben öffnenden Hohlraum aufweist, der im wesentlichen die Form einer
65
Pyramide hat. Ein solcher Filterbehälter ist aus dem europäischen Patent 0 ####2
bekannt, dessen Inhaberin eine Schwestergesellschaft der Klägerin ist. Bei diesen
Filterbehältern sind die vier inneren Ecken zwischen den Seiten des pyramidenförmigen
Filterbehälters abgefast oder abgeschrägt, so dass der Filterbehälter vier große
dreieckige Seiten und vier kleine dreieckige Seiten, jeweils mit einem spitzen Winkel,
aufweist. Der Filter hat Faltungslinien entsprechend den Ecken, die zwischen den
dreieckigen Seiten des Filterbehälters ausgebildet sind.
Wegen der vier kleineren dreieckigen Seiten des Filterbehälters werden die vier Ecken
am oberen Rand des Filters (nach der bis dahin im Stand der Technik bekannten und in
der Gebrauchsmusterschrift gewürdigten Druckschrift DE ... ) angehoben und ragen über
den Rand des Filterbehälters hinaus.
66
Um eine perfekte Anpassung an den Filterbehälter zu ermöglichen, ist es erforderlich,
dass der obere Rand des Filterpapiereinsatzes an den oberen Ecken abgeschnitten
wird. Das Abschneiden von Ecken bedeutet Abfallpapier, das wiederverwendet werden
kann. Der vorliegenden Erfindung liegt nach dem Wortlaut der
Widerklagegebrauchsmusterschrift daher die Aufgabe zugrunde, den Abfall aus der
Filterherstellung zu minimieren.
67
Zur Lösung dieser Aufgabe sieht der Schutzanspruch des Widerklagegebrauchsmusters
einen Filterpapiereinsatz mit der Kombination folgender Merkmale vor:
68
1. Ein im wesentlichen rhombenförmiger Filterpapiereinsatz zur
Verwendung in einem im wesentlichen pyramidenförmigen Filterbehälter,
69
2. bei dem die Innenecken zwischen den Seiten abgefast oder
abgeschrägt sind,
70
3. wobei der Filterpapiereinsatz zwei Schichten aus Filterpapier aufweist;
71
4. das Filterpapier ist entlang einer Faltungslinie gefaltet und mit einer
Naht versehen;
72
5. die Naht befestigt die zwei Schichten aneinander und bildet mit der
Faltungslinie einen stumpfen Winkel;
73
6. die Faltungslinie und die Naht bilden zwei benachbarte Seiten des
Rhombus und stellen die Spitze des Filterpapiereinsatzes dar;
74
7. die zwei gegenüberliegenden Seiten des Rhombus sind freie Ränder,
75
8. an denen die zwei Schichten des Filterpapiers getrennt werden
können und wo die drei Ecken an den freien Rändern abgeschnitten
sind, entsprechend den abgeschrägten Innenecken des Filterbehälters,
um sicherzustellen, dass beim Anordnen des Filterpapiereinsatzes in
dem Filterbehälter und beim Kontakt mit dessen Innenseiten die freien
Ränder des Filterpapiereinsatzes sich im wesentlichen in einer einzigen
Ebene befinden;
76
9. an der Spitze liegt ein Teil vor, der von der Naht vorsteht sowie eine
77
Größe und eine Form aufweist, die zu der abgeschnittenen Ecke am
gegenüberliegenden Ende der Faltungslinie komplementär ist.
Bei der Herstellung der Filterpapiereinsätze nach dem Widerklagegebrauchsmuster
wird die Anzahl der aus den Filterpapierbahnen auszuschneidenden Ecken von zwei
auf eine reduziert, was zum einen den Anfall von Abfall reduziert, zum anderen
ermöglicht, dass eine hohe Herstellungsgeschwindigkeit beibehalten werden kann und
ferner durch das Belassen des kleinen dreieckigen Teils ("Zwickel") an dem Filter das
Schneidwerkzeug weniger kompliziert ist.
78
II.
79
Dass die Klägerin mit den von ihr vertriebenen Filterpapiereinsätzen des Typs "XY"
sämtliche Merkmale des Widerklagegebrauchsmusters wortsinngemäß verwirklicht,
steht zwischen den Parteien zu Recht außer Streit.
80
III.
81
Der Beklagte kann von der Klägerin gleichwohl die von ihm begehrten Rechtsfolgen
(Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung und Schadensersatz) nicht verlangen,
da die Klägerin sich auf eine offenkundige Vorbenutzung berufen kann. Dem gegenüber
steht dem Beklagten die von ihm beanspruchte Ausstellungspriorität für den 30.01.1999
nicht zu.
82
1.
83
Dem Schutzrecht des Beklagten aus dem Widerklagegebrauchsmuster fehlt es an der
Schutzfähigkeit, da die Klägerin dessen Gegenstand vor dem für den Zeitrang der
Anmeldung maßgeblichen Tag (16.07.1999) durch Benutzung der Öffentlichkeit
zugänglich gemacht hat, § 3 Abs. 1 GebrMG.
84
Dies steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer fest.
Die Klägerin hat behauptet, sie habe aufgrund wiederholt auftretender Probleme in der
Produktion des neuen Filterpapiereinsatzes "XY", bei dem zunächst der "Zwickel"
abgeschnitten werden sollte, Ende Februar 1999 beschlossen, diesen Teil an den
Filterpapiereinsätzen zu belassen. Diese Entscheidung sei gefallen, nachdem
festgestellt worden sei, dass der "Zwickel" keine negativen Auswirkungen auf den
Brühvorgang des Kaffees habe. In der Folge sei dann bei dem die Filterpapiereinsätze
herstellenden Werk "T2" am 15.03.1999 eine entsprechend überarbeitete Schneidwalze
in die Produktionsmaschine eingebaut und mit der Produktion der
streitgegenständlichen Filterpapiereinsätze begonnen worden. Diese seien dann in der
Folge ab dem 22.03.1999 auch an die Kunden ausgeliefert worden. So habe es unter
anderem ausweislich der Anlage K 21 die unter dem 23.04.1999 in Rechnung gestellte
Lieferung von 30 Packungen à 100 Stück des "Pyramidenfilterpapiers XY" an die
Gemeindeverwaltung C2 gegeben. Der Klägerin ist der Beweis für diese Behauptungen
gelungen.
85
a)
86
Der Zeuge C, der als Entwicklungsingenieur bei der Klägerin für die Entwicklung der
streitgegenständlichen Filterpapiereinsätze verantwortlich war, hat in seiner Aussage in
87
sich schlüssig und widerspruchsfrei geschildert, dass bereits im Jahr 1998 mit der
Entwicklung dieser Einsätze begonnen wurde. Es habe jedoch
Herstellungsschwierigkeiten dergestalt gegeben, dass der Zwickel nicht entfernt werden
konnte. Zunächst habe man jedoch davon abgesehen, diesen an den
Filterpapiereinsätzen zu belassen, da man befürchtete, dieser könne von dem an dem
Filterpapierbehälter befindlichen Verschlussstab erfasst werden. In weiteren
Versuchsläufen seien dann Filtereinsätze ohne "Zwickel" produziert worden, so dass
32.260 Packungen nach Dänemark geliefert worden seien. Nachdem die
Produktionsschwierigkeiten jedoch nicht hätten beseitigt werden können, habe man sich
– nachdem am 23.02 1999 erneut eine Beschädigung an dem maßgeblichen Teil der
Schneidwalze aufgetreten sei – seitens der Klägerin dazu entschlossen, den "Zwickel"
an dem Filtereinsatz zu belassen. Bei Versuchen in der technischen Produktabwicklung
der Klägerin sei nach dem 24.02.1999 festgestellt worden, dass der Zwickel auch nicht
hinderlich sei. Es sei dann in der Folge die Schneidwalze entsprechend abgeändert
worden und diese sei am 15.03.1999 in die Produktionsmaschine in dem Werk "T2"
eingebaut worden, so dass ab dem 16.03.1999 die Produktion angelaufen sei und diese
Filterpapiereinsätze von April 1999 an ausgeliefert worden seien. An der Glaubhaftigkeit
dieser Aussage bestehen keine Zweifel, da der Zeuge anhand seiner zeitnah erstellten
Unterlagen dazu in der Lage war, die von ihm benannten Daten und
Geschehensabläufe nachzuvollziehen. Es ist auch durchaus plausibel, dass der Zeuge
C, der als Erfinder im europäischen Patent 0 ####2 benannt ist und bei der Klägerin für
die Entwicklung des neuen Filterpapiereinsatzes zuständig war, auch zweieinhalb
Jahre nach den Abläufen noch über ein umfangreiches Detailwissen verfügte.
Die Aussage des Zeugen C wurde von dem Zeugen S2 in dessen Aussage vom
01.10.2002 bestätigt. Der Zeuge S2 ist als technischer Leiter bei der Firma "T2"
beschäftigt, die ein von der Klägerin unabhängiges Unternehmen darstellt. Die Aussage
des Zeugen ist glaubhaft gewesen. Er hat nachvollziehbar geschildert, dass er sich
aufgrund seines Aufgabengebietes erst zu einem Zeitpunkt mit der Angelegenheit näher
befaßte, als die Firma "T2" Gefahr lief, die Lieferverbindlichkeiten nicht erfüllen zu
können. Zuvor bestand für ihn, der für das gesamte Werk die Verantwortung trug, keine
Notwendigkeit, sich über die übliche Kompetenzverteilung hinaus mit dieser
Angelegenheit zu befassen. Auch der Zeuge S war in der Lage, die Geschehensabläufe
widerspruchsfrei so darzustellen, wie sie bereits von dem Zeugen C geschildert wurden,
wobei auch dieser Zeuge die von ihm angegebenen genauen Daten anhand des von
ihm in dieser Sache selber vorgenommenen Schriftverkehrs nachvollziehen konnte. Wie
der Zeuge C hat der Zeuge S ausgesagt, dass die Abtrennung des "Zwickels" an den
Filterpapiereinsätzen am 23.02.1999 eingestellt worden sei, nachdem ein weiteres Mal
die maßgebliche Schneidenecke ausgebrochen sei. Danach habe man, nach
Überarbeitung der gebrauchten Walze, den "Zwickel" an den Filterpapiereinsätzen
belassen. Für die Glaubhaftigkeit der Aussage spricht weiter, dass der Zeuge in seiner
Aussage keine erkennbare Tendenz hatte, zugunsten der Klägerin auszusagen. So hat
er nur die Tatsachen bekundet, die er selber wahrgenommen hat. Zu den für die
Klägerin günstigen Fragen hinsichtlich der Auslieferung der streitgegenständlichen
Filterpapiereinsätze hat der Zeuge ausgesagt, dass er hierzu nichts sagen könne, und
keine Mutmaßungen angestellt.
88
Auch die weiteren Aussagen der Zeugen I, Z1 und Z2 bestätigen die von den Zeugen C
und S2 bekundeten Tatsachen, dass ab dem 16.03.1999 in dem Werk in W1 die
Filterpapiereinsätze mit einer neu überarbeiteten Schneidwalze so ausgeschnitten
wurden, dass der "Zwickel" in der Folge entsprechend dem Merkmal 9 des
89
Widerklagegebrauchsmusters an dem Filterpapiereinsatz belassen wurde. Alle diese
Zeugen sind Mitarbeiter der Firma "T2" und waren zu der fraglichen Zeit mit der
Produktionsumstellung befaßt. Die Zeugen haben übereinstimmend die Daten bestätigt,
die auch von den beiden zuvor benannten Zeugen mitgeteilt worden waren. Sie haben
dies auch jeweils anhand der von ihnen seinerzeit angefertigten Unterlagen verifizieren
können.
Dass die Aussage der Zeugin L5 für die Erbringung des Beweises unergiebig war,
ändert nichts an der Überzeugung der Kammer, dass die von der Klägerin behauptete
Tatsache als erwiesen anzusehen ist. Die Zeugin L5 – eine Arbeiterin an der
Produktionsmaschine in dem Werk W1 - konnte sich letztlich nach zweieinhalb Jahren
nicht genau festlegen, wann mit der Produktion der Filtertüten mit "Zwickel" begonnen
wurde. Zwar hat sie zunächst ausgesagt, dass jedenfalls länger als zwei Monate vor
dem Tag der offenen Tür in dem Werk (am 25.07.1999) die Produktion begonnen habe,
auf Nachfrage wurde sie diesbezüglich jedoch unsicher und wollte sich nicht mehr
genau festlegen. Hieraus folgt aber nicht, dass die Glaubhaftigkeit der Aussagen der
zuvor benannten Zeugen in Frage gestellt wird.
90
Auch die Aussage des Zeugen M4 ist vor diesem Hintergrund nicht geeignet, die
Kammer von der Unrichtigkeit des Sachvortrags der Klägerin zu überzeugen. Der Zeuge
M4 hat in seiner Aussage bekundet, dass er am 25.07.1999 in Begleitung des Beklagten
das Werk in W1 anläßlich eines Tages der offenen Tür besucht habe und dort von einer
Mitarbeiterin der Firma in einem zwanglosen Gespräch in Erfahrung gebracht habe,
dass die neuen Filterpapiereinsätze erst seit ungefähr 6 bis 8 Wochen vor dem
25.07.1999 produziert würden. Der Zeuge glaubte, dass es sich bei der Mitarbeiterin um
die Zeugin L5 gehandelt habe, die ihrerseits angab, den Zeugen M4 nicht zu kennen.
Aber selbst wenn dem so gewesen sein sollte, so ist aufgrund der Aussage des Zeugen,
der lediglich vom Hörensagen berichten konnte, nicht erwiesen, dass die anderen
Zeugen alle falsch ausgesagt haben. Es kann ersichtlich nicht für den Beweis des
Gegenteils genügen, wenn eine Mitarbeiterin, bei der es sich um einfache Arbeiterin
gehandelt haben soll, einem ihr unbekannten Menschen in einem zwanglosen
Gespräch einen Zeitpunkt benennt, der ohnehin schon nur vage angegeben wird mit ca.
6 – 8 Wochen. Hierzu hätte es der Befragung einer kompetenten Person bedurft, der
auch klar gewesen sein müßte, dass die Beantwortung der an sie gerichteten Frage
einige Bedeutung zukommt. So, wie der Zeuge M4 das von ihm geführte Gespräch
bekundete, kommt dem kein Beweiswert zu.
91
b)
92
Die Vorbenutzung durch die Klägerin war auch offenkundig. Eine offenkundige
Benutzungshandlung liegt vor, wenn die in Frage stehende Benutzungshandlung es
ermöglicht hat, dass beliebige, zur Geheimhaltung nicht verpflichtete Dritte vom
beanspruchten Gegenstand zuverlässige Kenntnis erlangen konnten (vgl. Benkard,
Patentgesetz, 9. Aufl., § 3 GebrMG, RN 7). Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob
die Offenkundigkeit der Vorbenutzung bereits dadurch gegeben ist, dass die
Filterpapiereinsätze in der – von der Klägerin rechtlich unabhängigen – Firma "T2"
hergestellt wurden, da der Klägerin auch der Beweis dafür gelungen ist, dass auch
andere Dritte von der Vorbenutzungshandlung Kenntnis erlangt haben. Auch hiervon ist
die Kammer nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme überzeugt. Hierfür genügt, da
eine absolute Gewißheit nicht zu erreichen ist, ein für das praktische Leben brauchbarer
Grad von Gewißheit, ein für einen vernünftigen, die Lebensverhältnisse klar
93
überschauenden Menschen so hoher Grad von Wahrscheinlichkeit, dass er den
Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl. BGH 53, 245,256).
Den obigen Ausführungen unter a) folgend steht fest, dass ab dem 16.03.1999 die
Filterpapiereinsätze in dem Werk "W1" mit dem "Zwickel" produziert wurden.
Die Zeugin I2, die als Regionalbetreuerin bei der Klägerin für die Auftragsbearbeitung
tätig ist, hat glaubhaft bekundet, dass der neue Filterpapiereinsatz ab April 1999 bei der
Klägerin in der EDV eine neue Artikelnummer erhalten habe, die sich von dem
Vorgängermodell unterscheide. An der Wahrheit dieser Aussage besteht kein Zweifel,
da die Zeugin – ohne eine die Klägerin begünstigende Tendenz erkennen zu lassen –
in der Folge zu den entscheidenden Punkten einräumte, dass sie dazu nichts sagen
könne, beispielsweise wie der Filterpapiereinsatz im April im Detail ausgesehen habe.
94
Der Zeuge L2, der ebenfalls in der Auftragsbearbeitung der Klägerin beschäftigt ist, hat
seinerseits bekundet, dass der Auftrag die Gemeindeverwaltung C2 betreffend, gemäß
Anlage K 21 ausgeführt wurde. In den diesbezüglichen Unterlagen ist die von der
Zeugin I2 bestätigte neue Artikelnummer aufgeführt.
95
Schließlich hat der Zeuge I3, der als Hausmeister bei der Gemeindeverwaltung C2
beschäftigt ist, bestätigt, dass eine solche Lieferung dort in der Gemeindeverwaltung
eingetroffen sei. Dass er sich zum Zeitpunkt seiner Vernehmung am 27.09.2001, mithin
mehr als zwei Jahre nach der fraglichen Lieferung, nicht mehr an deren Umfang
erinnern konnte, ist nachvollziehbar und läßt keinen Zweifel an der Glaubhaftigkeit
seiner Aussage aufkommen. Nach den Bekundungen des Zeugen hat er ein Paket
dieser Lieferung auf Anforderung der Klägerin an diese zurückgesandt und hierfür im
August einen Ersatz von 5 neuen Kartons erhalten.
96
Der Notar Q hat im Auftrag der Klägerin am 17.09.2001 die in der Gemeindeverwaltung
C2 befindlichen Kartons mit den streitgegenständlichen Filterpapiereinsätzen im
Beisein des Zeugen I3 sichergestellt. Hierbei handelte es sich um sieben Kartons, von
denen sechs den Herstellungscode ####3 eingeprägt hatten und ein Karton den Code
####4. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin bedeutet dies, dass sechs dieser
Kartons am dritten Tag der elften Kalenderwoche des Jahres 1999 hergestellt wurden,
einer dieser Kartons am ersten Tag der elften Kalenderwoche 2000. Daraus folgt
weiterhin, dass – da insgesamt sieben Kartons vorgefunden wurden – aber nur fünf
Kartons neu geliefert wurden, jedenfalls ein Karton, der der Lieferung aus dem Monat
April 1999 gemäß Anlage K 21 entstammte, ebenfalls in der elften Kalenderwoche des
Jahres 1999 hergestellt wurde, also im März 1999.
97
Die von dem Beklagten hiergegen vorgebrachten Argumente, mit denen er die
dargelegte Beweiskette der Klägerin unterbrechen will, überzeugen nicht. Es ist
aufgrund der Aussage des Zeugen I3 davon auszugehen, dass nicht zwischenzeitlich
weitere Bestellungen erfolgten, da der Bedarf an Filterpapiereinsätzen – nach dem
Bekunden des Zeugen – nicht so hoch war, dass dies erforderlich gewesen wäre. Es ist
auch nicht wahrscheinlich, dass die Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung C2 von
außerhalb Filterpapiereinsätze in die Gemeindeverwaltung mitbringen und dort ihrem
Dienstherrn zur Verfügung stellen.
98
Auch soweit der Beklagte behauptet, bei dem von dem Zeugen C überreichten Muster
eines Filterpapiereinsatzes könne es sich ausweislich eines von ihm in Auftrag
gegebenen Privatgutachtens nicht um einen von einer neuen Schneidwalze
99
ausgeschnittenen Filterpapiereinsatz handeln, weswegen der Vortrag der Klägerin und
die Aussagen der Zeugen nicht zutreffend sein könnten, ist dies nicht geeignet, den
Beweis des Gegenteils zu erbringen. Die Klägerin hat bestritten, dass es sich bei dem in
dem Gutachten untersuchten Filterpapiereinsatz um das von dem Zeugen C überreichte
Muster handele. Dem ist der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht
mehr entgegengetreten, so dass eine diesbezügliche Beweiserhebung eine
unzulässige Ausforschung eines Beweismittels darstellen würde.
Auf die weiteren von der Klägerin behaupteten Lieferungen im April 1999 mit neuen
streitgegenständlichen Filterpapiereinsätzen kommt es nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme nicht mehr an.
100
2.
101
Der Beklagte kann sich gegenüber der neuheitsschädlichen offenkundigen
Vorbenutzung durch die Klägerin nicht auf eine Ausstellungspriorität vom 30.01.1999
berufen.
102
Das Gebrauchsmuster genießt den Schutz des Ausstellungsgesetzes vom 18.03.1904,
dessen Nr. 2 Satz 2 eine Schaustellungspriorität gewährt. Danach bleibt eine
zwischenzeitliche - d.h. nach zur Schau Stellung der Erfindung und vor deren
Anmeldung zur Eintragung als Gebrauchsmuster - Veröffentlichung oder Anmeldung als
Stand der Technik außer Betracht, wie auch nach dem Beginn der Schaustellung der
Erwerb eines Vorbenutzungsrechtes nicht mehr möglich ist (Benkard, a.a.O., RN 13; § 3
PatG, RN 140).
103
Der zwischen den Parteien diskutierte Streit, ob der Beklagte die gesetzlichen
Voraussetzungen erfüllt hat, um in den Genuß einer Ausstellungspriorität zu kommen,
braucht nicht entschieden zu werden. Dem Beklagten ist schon nicht der Beweis für die
von ihm behauptete Tatsache dafür gelungen, die Firmen "Fa1" und "Fa2" hätten die als
Anlagen B 12a und B 13a zur Akte gereichten laminierten Tafeln – die jeweils den
Filterpapiereinsatz mit "Zwickel" abbildeten - auf ihren Messeständen der Fachmesse
"P1" in Frankfurt am Main in dem Zeitraum vom 30.01.1999 bis 03.02.1999 ausgestellt.
104
Zwar haben die von dem Beklagten benannten Zeugen M2 und T2 jeweils bekundet,
dass sie – wie von dem Beklagten behauptet – ohne ihn zuvor gekannt zu haben, sich
dazu bereit erklärt hatten, die Tafeln auf ihren Ständen aufzuhängen, und dies auch
getan haben wollen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist die Kammer von der
Wahrheit dieser Bekundungen aber nicht überzeugt.
105
Hiergegen spricht bezüglich der Aussage des Zeugen M2 bereits der Umstand, dass die
Zeugin M3, die ebenfalls mit ihrer Firma "Fa4" auf der Fachmesse für Postkarten etc.
vertreten war und ihren Stand in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem Stand des Zeugen
M2 hatte, bekundete, dass sie die fragliche Tafel auf dem Stand nicht gesehen habe.
Zudem hat die Zeugin Lichtbilder von dem Stand der Firma des Zeugen M2 vorgelegt,
auf denen die Darstellung des streitgegenständlichen Filterpapiereinsatzes nicht an der
von dem Zeugen M2 zuvor angegebenen Stelle zu finden ist. In Anbetracht dieser
Tatsache kann das Gericht der Aussage des Zeugen, er habe die Darstellung auf
seinem Messestand aufgehängt bzw. ausgestellt, keinen Glauben schenken, da es nicht
wahrscheinlich ist, dass ein Unternehmer, der Postkarten auf einem Messestand
präsentiert, dort auch Zeichnungen eines Gegenstandes aufhängt, die mit seinem
106
Warenangebot keinerlei Berührungspunkt haben, zumal der Stand auch optisch
offensichtlich so gestaltet ist, dass die Postkarten auf die bestmögliche Weise
präsentiert werden. Der Zeuge M2 vermochte nicht zu erklären, wieso die Lichtbilder der
Zeugin M3 nicht die Zeichnung zeigten, die er angeblich aufgehängt haben will.
Jedenfalls belegen diese Lichtbilder, dass der Stand so weit eingerichtet war, dass er
den Messekunden präsentiert werden konnte: Es sind Blumen aufgestellt und die Wege
zwischen den Ständen sind gereinigt und aufgeräumt, was darauf hindeutet, dass die
Lichtbilder jedenfalls nicht am Aufbautag entstanden sind, sondern an einem Messetag.
Bei der mit Schriftsatz des Beklagten vom 06.01.2003 vorgetragenen ergänzenden
schriftlichen Aussage der Ehefrau des Zeugen M2, die die Widersprüchlichkeit der
Aussage ihres Ehemannes erläutern will, handelt es sich nicht um ein geeignetes
Beweismittel oder einen zulässigen Beweisantritt, der Anlaß dazu geben könnte, die
Überzeugung des Gerichts zu begründen, dass es eine solche Ausstellung der Tafeln
tatsächlich gegeben hat.
107
Die Kammer ist von der Richtigkeit der Behauptung des Beklagten auch nicht im
Hinblick auf die Aussage des Zeugen T2 überzeugt, der ebenfalls bekundet hat, dass er
die Darstellung des Filterpapiereinsatzes auf Bitten des Beklagten auf der Messe "P1"
in Frankfurt ausgestellt habe. Zwar hat der Zeuge T2 einen Schriftwechsel mit dem
Beklagten vorgelegt, aus dem sich ergeben soll, dass dieser ihn gebeten habe, die
Zeichnung des Filterpapiereinsatzes auszustellen. Ob dieser Schriftwechsel tatsächlich
zu diesem Zeitpunkt entstanden ist, kann dahingestellt bleiben. Selbst wenn dies der
Fall ist, was zugunsten des Beklagten angenommen werden kann, belegt der
Schriftwechsel nicht, dass die Zeichnung von dem Zeugen T2 tatsächlich aufgehängt
wurde. Dem Zeugen war es offensichtlich bekannt, dass er nach den
Messebedingungen nicht berechtigt ist, für andere Unternehmen Produkte auszustellen.
Aus diesem Grund hat er bei seiner Aussage stets betont, er habe die Zeichnungen nur
aufgehängt und nicht ausgestellt. Es ist nicht auszuschließen, dass der Zeuge zwar
gegenüber dem Beklagten seine Bereitschaft erklärt hat, die Zeichnung aufzuhängen,
letztlich aber tatsächlich darauf verzichtet hat, weil er bei Verstößen gegen die
Messeregularien sicherlich mit Konsequenzen zu rechnen hatte. Es ist nicht
anzunehmen, dass die Messeveranstalter die Ausstellung von Gegenständen dritter
Unternehmen durch einen anderen Aussteller akzeptieren, denn dadurch erspart sich
das Drittunternehmen einen eigenen Stand auf der Messe.
108
Bei einem für den Beklagten derart wichtigen Tatbestand hätte es zudem nahegelegen,
die Zeugen um eine Dokumentation des Ausstellens der Zeichnungen, z.B. durch
Anfertigung von Fotografien, und nicht nur um eine schriftliche Bestätigung zu bitten.
109
Im übrigen spricht auch das eigene Prozessverhalten des Beklagten gegen die
Richtigkeit seiner Behauptung, dass das Widerklagegebrauchsmuster eine
Ausstellungspriorität vom 30.01.1999 in Anspruch nehmen kann, denn in der Replik hat
der Beklagte sich zunächst nicht auf eine solche berufen.
110
Auf die von dem Beklagten hilfsweise geltend gemachte Ausstellungspriorität für die
Messe "I1" in Düsseldorf vom 06. – 12.05.1999 kommt es nach alledem nicht mehr an,
da die offenkundige Vorbenutzung der Klägerin dieser Schaustellung voraus ging, so
dass diese dem Beklagten keine Ausstellungspriorität mehr begründen kann.
111
IV.
112
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 ZPO, 91 a ZPO. Soweit die Parteien
den Rechtsstreit hinsichtlich der von der Klägerin zunächst erhobenen negativen
Feststellungsklage übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war nur noch nach
billigem Ermessen über die Kosten zu entscheiden. Dies führte zur Auferlegung der
Kosten auch hinsichtlich des erledigten Teils des Rechtsstreits auf den Beklagten, da er
den obigen Ausführungen zur Unbegründetheit der Widerklage folgend, aller
Voraussicht nach unterlegen wäre.
113
Die Anordnung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709, 108 ZPO.
114