Urteil des LG Düsseldorf vom 09.11.2007

LG Düsseldorf: erwerb eigener aktien, satzung, bekanntmachung, entlastung, geschäftsjahr, gesetzliche frist, veröffentlichung, anfechtbarkeit, auslage, anfechtung

Landgericht Düsseldorf, 39 O 33/07
Datum:
09.11.2007
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
9. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
39 O 33/07
Rechtskraft:
nein
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu
vollstrecken-den Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
1
Die Klägerin ist Aktionärin der beklagten Aktiengesellschaft und wendet sich gegen
Beschlüsse der Hauptversammlung vom 21.02.2007. Sie war bereits vor
Veröffentlichung der Einladung zur Hauptversammlung im elektronischen
Bundesanzeiger am 12.01.2007 Aktionärin der Beklagten. Nach Ziffer 2 der Satzung der
Beklagten war Gegenstand des Unternehmens die Beteiligung an Unternehmen
jedweder Art, die ihren Sitz vornehmlich innerhalb der Grenzen des ehemaligen Rates
für gegenseitige Wirtschaftshilfe haben, der An- und Verkauf von Wertpapieren
einschließlich der Teilnahme an Börsentermin- und Differenzgeschäften. Ende 2005
kaufte sie das österreichische Unternehmen Aaaaaaaaaaaaaa, um mit deren Lizenz in
Deutschland Wetten anbieten zu können. Die Beklagte ist nicht börsennotiert. Ihre
Aktien sind an den Börsen von Frankfurt, Stuttgart, Berlin und Bremen in den
Freiverkehr einbezogen und werden im Xetra-System gehandelt. Wegen der Satzung
der Beklagten wird auf die von der Klägerin zu den Akten gereichten Kopie (Bl. 16 ff.
GA) Bezug genommen.
2
Der Vorstand der Beklagten lud die Aktionäre mit einer am 12.01.2007 im
elektronischen Bundesanzeiger veröffentlichten Einladung zur Hauptversammlung vom
21.02.2007 ein. Wegen der Einzelheiten, insbesondere zur Tagesordnung und zu den
Teilnahmebedingungen wird auf die zu den Akten gereichte Kopie der
Bekanntmachung (Bl. 25 ff. GA) verwiesen. Die Klägerin ließ sich in der
Hauptversammlung von dem weiteren Aktionär der Beklagten Bbbbbbbbbbbbbbb
vertreten. Die Hauptversammlung fasste die in der Bekanntmachung von Vorstand und
3
Aufsichtsrat vorgeschlagenen Beschlüsse, unter anderem zu
TOP 2: Beschlussfassung über die Entlastung des Vorstands für das Geschäftsjahr
2004
4
TOP 3: Beschlussfassung über die Entlastung des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr
2004
5
TOP 5: Beschlussfassung über die Entlastung des Vorstands für das Geschäftsjahr
2005
6
TOP 6: Beschlussfassung über die Entlastung des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr
2005
7
TOP 7: Wahl der Aufsichtsratsmitglieder
8
TOP 8: Beschlussfassung über die Änderung der Firma
9
TOP 10: Beschlussfassung über die Ergänzung des Geschäftsgegenstands
10
TOP 11: Beschlussfassung über die Neueinteilung des Grundkapitals
11
TOP 13: Beschlussfassung über die Aufhebung und Schaffung eines genehmigten
Kapitals und Änderung von Ziffer 4.4. der Satzung
12
TOP 14: Beschlussfassung über die Ermächtigung zum Erwerb eigener Aktien
13
TOP 15: Beschlussfassung über die Veräußerung eigener Aktien in anderer Weise als
durch Angebot an alle Aktionäre oder über die Börse.
14
Die Klägerin, vertreten durch den Aktionär Bbbbbbbbbbbbbbb erklärte Widerspruch zu
den Tagesordnungspunkten 7., 11., 13., 14. und 15. Wegen der Einzelheiten zur
Hauptversammlung und der Beschlüsse wird auf das Protokoll des Notars Brünger
(Anlage B 4) Bezug genommen. Inzwischen ist die in der Hauptversammlung
beschlossene Änderung des Firmennamens von Cccccccccccccc in
DDDDDDDDDDDDDD und des Geschäftsgegenstands im Handelsregister
eingetragen.
15
Mit der am 21.03.2007 per Fax bei Gericht eingegangenen Anfechtungs- und
Nichtigkeitsklage wendet sich die Klägerin gegen die Beschlüsse zu den oben
wiedergegebenen Tagesordnungspunkten. Sie macht geltend, die Einberufung sei nicht
ordnungsgemäß gewesen, weil sie nicht nur im elektronischen Bundesanzeiger,
sondern auch in der Papierausgabe des Bundesanzeigers hätte veröffentlicht werden
müssen. Bei den Teilnahmebedingungen habe die Beklagte zu Unrecht eine
Hinterlegungsfrist bestimmt. Die Satzung sehe eine Hinterlegungsfrist nicht vor.
Außerdem sei ein Fristende an einem Samstag nicht satzungsgemäß. Die Beklagte
habe die Vorbereitung der Teilnahme der Klägerin an der Hauptversammlung vereitelt,
indem sie trotz Anforderungen der Klägerin die Jahresabschlüsse für die Geschäftsjahre
2004 und 2005, den Lagebericht sowie Berichte des Aufsichtsrats über die
Geschäftsjahre 2004 und 2005 nicht übersandt und Herrn Bbbbbbbbbbbbbbb die
Berichte des Vorstands zu den Tagesordnungspunkten 13. und 15. nicht übersandt
16
habe. Als Herr Bbbbbbbbbbbbbbb die Geschäftsräume der Beklagten aufgesucht habe,
habe dort lediglich der Geschäftsbericht für das Jahr 2005 aufgefunden werden können.
In der Bekanntmachung sei der Bericht des Vorstands zu den Tagesordnungspunkten
13. und 15. nur auszugsweise mitgeteilt worden. Der Vorstand habe entgegen Ziffer
22.1 der Satzung für das Geschäftsjahr 2005 keinen Prüfbericht eines Wirtschaftsprüfers
vor der Feststellung des Jahresabschlusses durch Vorstand und Aufsichtsrat vorgelegt.
Die Wahl der Mitglieder des Aufsichtsrats leide daran, dass im Rahmen der Einladung
zur Hauptversammlung die von den Kandidaten jeweils ausgeübten Berufe nicht
mitgeteilt worden seien. Außerdem sei der Name des Kandidaten Eeeeeeeee falsch
geschrieben worden, nämlich "Ffffffffffff". Darüber hinaus habe Herr Bbbbbbbbbbbbbbb
für die Klägerin eine Reihe von Fragen in Bezug auf die Entlastung von Vorstand und
Aufsichtsrat gestellt. Eine Großzahl der Fragen sei dabei unbeantwortet geblieben. Die
unbeantwortet gebliebene Frage nach den wirtschaftlichen Kennzahlen des
Geschäftsjahres 2006 sei für die beschlossenen Kapitalmaßnahmen bedeutsam
gewesen.
Die Klägerin beantragt,
17
1.
18
festzustellen, dass der Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der
Beklagten vom 21.02.2007 zum Tagesordnungspunkt 2.
19
"Beschlussfassung über die Entlastung des Vorstands für das Geschäftsjahr
2004"
20
nichtig ist;
21
2.
22
festzustellen, dass der Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der
Beklagten vom 21.02.2007 zum Tagesordnungspunkt 3.
23
"Beschlussfassung über die Entlastung des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr
2004"
24
nichtig ist;
25
3.
26
festzustellen, dass der Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der
Beklagten vom 21.02.2007 zum Tagesordnungspunkt 5.
27
"Beschlussfassung über die Entlastung des Vorstands für das Geschäftsjahr
2005"
28
nichtig ist;
29
4.
30
festzustellen, dass der Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der
31
Beklagten vom 21.02.2007 zum Tagesordnungspunkt 6.
"Beschlussfassung über die Entlastung des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr
2005"
32
nichtig ist;
33
5.
34
die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder xxxxxxxx, xxxxxxxx und Frau xxxxxxx wird für
nichtig erklärt;
35
6.
36
festzustellen, dass der Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der
Beklagten vom 21.02.2007 zum Tagesordnungspunkt 8.
37
"Beschlussfassung über die Änderung der Firma"
38
nichtig ist;
39
7.
40
festzustellen, dass der Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der
Beklagten vom 21.02.2007 zum Tagesordnungspunkt 10.
41
"Beschlussfassung über die Ergänzung des Geschäftsgegenstands"
42
nichtig ist;
43
8.
44
den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 21.02.2007
zum Tagesordnungspunkt 11.
45
"Beschlussfassung über die Neueinteilung des Grundkapitals"
46
für nichtig zu erklären;
47
9.
48
den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 21.02.2007
zum Tagesordnungspunkt 13.
49
"Beschlussfassung über die Aufhebung und Schaffung eines genehmigten
Kapitals und Änderung von Ziffer 4.4. der Satzung";
50
für nichtig zu erklären;
51
10.
52
den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 21.02.2007
zum Tagesordnungspunkt 14.
53
"Beschlussfassung über die Ermächtigung zum Erwerb eigener Aktien";
54
für nichtig zu erklären;
55
11.
56
den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 21.02.2007
zum Tagesordnungspunkt 15.
57
"Beschlussfassung über die Veräußerung eigener Aktien in anderer Weise als
durch Angebot an alle Aktionäre oder über die Börse";
58
für nichtig zu erklären;
59
12.
60
hilfsweise
61
festzustellen, dass die in den Hauptanträgen 5., 8. – 11. benannten Beschlüsse
nichtig sind.
62
Die Beklagte beantragt,
63
die Klage abzuweisen.
64
Die Beklagte macht geltend, die Bekanntmachung der Einladung im elektronischen
Bundesanzeiger sei ausreichend gewesen. Die bestimmte Hinterlegungsfrist
entspreche dem Gesetz. Ein etwaiger Verstoß sei für die angefochtenen Beschlüsse
nicht relevant geworden, weil 45,01 % des Kapitals erschienen sei. Ein Verlangen der
Klägerin zur Übersendung der Jahresabschlüsse 2004 und 2005 sei nicht bei der in der
Bekanntmachung genannten Adresse eingegangen. Außerdem hätten die Unterlagen in
den Gesellschaftsräumen und am Tag der Hauptversammlung ausgelegen. Sie seien
am Tag vor der Hauptversammlung und am Tag der Hauptversammlung an den
Aktionär Bbbbbbbbbbbbbbb übergeben worden. Darüber hinaus seien die
Jahresabschlüsse, Lageberichte, Berichte des Aufsichtsrats sowie die Berichte des
Vorstands zu den Tagesordnungspunkten 13. und 15. in die Homepage der Beklagten
eingestellt und herunterladbar gewesen. Der Bericht des Vorstands zu den
Tagesordnungspunkten 13. und 15. sei in der Einladung vollständig bekannt gemacht
worden. Die Berufsangabe der Aufsichtsratskandidaten in der Einladung zur
Hauptversammlung sei ausreichend gewesen. Darüber hinaus hätten sich die
Kandidaten in der Hauptversammlung vorgestellt und ihren beruflichen Werdegang
geschildert. Soweit in der Hauptversammlung Fragen nicht beantwortet worden seien,
seien diese nicht relevant gewesen.
65
Die Klägerin bestreitet, dass die Jahresabschlüsse der Gesellschaft und die sonstigen
Unterlagen in den Gesellschaftsräumen auslagen. Weiter bestreitet sie mit Nichtwissen,
dass die Unterlagen sowie der Bericht des Vorstands zum download verfügbar gewesen
seien. Ihr sei die Internetseite der Beklagten nicht bekannt.
66
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
67
Entscheidungsgründe:
68
Die Klage hat keinen Erfolg, weil die angegriffenen Beschlüsse weder nichtig noch
anfechtbar sind.
69
A. Anträge 1. – 4., 6. – 7.
70
Hinsichtlich dieser Beschlüsse macht die Klägerin nach Rücknahme der Hauptanträge
noch die Nichtigkeit geltend.
71
I.
72
Die Beschlüsse sind nicht nach § 241 Nr. 1 AktG nichtig. Danach sind Beschlüsse
nichtig, die in einer Hauptversammlung gefasst worden sind, die unter Verstoß gegen §
121 Abs. 2 und 3 oder 4 einberufen war. Solche Einberufungsmängel liegen nicht vor.
Nach § 121 Abs. 2 AktG wird die Hauptversammlung durch den Vorstand einberufen.
Diese Voraussetzung ist erfüllt, weil die im elektronischen Bundesanzeiger
veröffentlichte Einladung im Namen des Vorstands erfolgt ist (Bl. 36 GA).
73
Die Einberufung ist durch die Veröffentlichung im elektronischen Bundesanzeiger
ordnungsgemäß gem. § 121 Abs. 3 AktG bekannt gemacht worden. Die inhaltlichen
Anforderungen an die Bekanntmachung gem. § 121 Abs. 3 AktG sind erfüllt, was auch
die Klägerin nicht in Abrede stellt. Die Veröffentlichung im elektronischen
Bundesanzeiger war ausreichend, weil dieser das (einzige) Gesellschaftsblatt der
Beklagten war. Nach § 25 AktG in der Fassung ab 01.01.2003 ist eine
Bekanntmachung, die durch die Gesellschaftsblätter erfolgen soll, in den elektronischen
Bundesanzeiger einzurücken. Daraus, dass in Ziffer 3 der Satzung der Beklagten der
elektronische Bundesanzeiger nicht erwähnt ist, sondern nur vom "Bundesanzeiger" als
Gesellschaftsblatt die Rede ist, folgt keine Pflicht zur Veröffentlichung der
Bekanntmachung in der Papierausgabe. Regelt nämlich die Satzung einer
Aktiengesellschaft, die vor dem 01.01.2003 (Neufassung des § 25 AktG) bestand,
allgemein, dass Veröffentlichungen im Bundesanzeiger zu erfolgen hat, ist damit seit
dem 01.01.2003 der elektronische Bundesanzeiger gemeint (Hüffer, AktG, 7. Auflage, §
25 Rn. 6; Braunfels in Heidel, AktG, 2. Auflage, § 25 Rn. 2). Weitere Gesellschaftsblätter
sind in Ziffer 3 der Satzung nicht genannt.
74
II.
75
Weitere im Gesetz genannten Nichtigkeitsgründe liegen nicht vor; nach dem
eindeutigen Wortlaut des § 241 Nr. 1 führen etwaige sonstige Einberufungsmängel nicht
zur Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse.
76
III.
77
Die Klägerin kann die vorgenannten Beschlüsse nicht gem. § 245 Abs. 1 Nr. 1 AktG
anfechten, weil sie insoweit in der Hauptversammlung keinen Widerspruch eingelegt
hat.
78
B. Anträge 5., 8., 9., 10., 11
79
Die Klägerin ist gem. § 245 Abs. 1 Nr. 1 AktG zur Anfechtung dieser Beschlüsse befugt,
weil die Klage innerhalb der Monatsfrist bei Gericht eingegangen ist und die Klägerin in
der Hauptversammlung Widerspruch eingelegt hat. Die Klage ist jedoch unbegründet,
weil die angefochtenen Beschlüsse weder Gesetz noch Satzung verletzen (§ 243 AktG)
und auch kein Nichtigkeitsgrund vorliegt.
80
I.
81
Der Beklagten sind keine Verfahrensfehler bei der Einberufung und Vorbereitung der
Hauptversammlung, die zur Anfechtbarkeit der Beschlüsse führen würden, unterlaufen.
82
1.
83
Einberufungsmängel liegen nicht vor.
84
a)
85
Die Einberufung zu Hauptversammlung ist ordnungsgemäß veröffentlich worden (siehe
oben A. I.)
86
b)
87
Die Teilnahmebedingungen, insbesondere die Bestimmung einer Hinterlegungsfrist
nebst der Fristdauer und der Frist zur Vorlage der Hinterlegungsbescheinigung
entsprechen Gesetz und Satzung.
88
Die Beklagte durfte in der Einladung eine Hinterlegungsfrist bestimmen. Ihre Satzung
enthält zwar keine Regelung einer Hinterlegungsfrist, geht aber davon aus, dass eine
solche zu bestimmen ist, wie sich aus Ziffer 18 Satz 3 ergibt, wonach im Fall der
Hinterlegung der Aktien bei einem Notar die Hinterlegungsbescheinigung spätestens
einen Tag nach Ablauf der Hinterlegungsfrist einzureichen ist. Wenn die Satzung keine
Regelung der Dauer der Hinterlegungsfrist enthält, gilt die gesetzliche Frist (vgl. Kubis in
Münchener Kommentar zum AktG, § 123 Rn. 29).
89
Die Dauer der Hinterlegungsfrist – Hinterlegung bis Freitag, 16.02.2007, d.h. 5 Tage vor
der Hauptversammlung – ist nicht zu beanstanden. Gemäß dem hier einschlägigen §
123 AktG a.F. genügt es nämlich, wenn die Aktien spätestens am siebten Tag vor der
Hauptversammlung hinterlegt werden. Mit der festgesetzten Frist von 5 Tagen ist die
Beklagte zugunsten der Aktionäre hiervon abgewichen. Eine solche Abweichung
zugunsten der Aktionäre begründete keine Anfechtung (vgl. Kubis aaO Rn. 29). Die Frist
zur Vorlage der Hinterlegungsbescheinigung entspricht der Satzung, nämlich ein Tag
nach Ablauf der Hinterlegungsfrist. Es ist unerheblich, dass diese Frist auf einen
Samstag fällt. Hierdurch wurden die Aktionäre begünstigt, da die Hinterlegungsfrist zu
ihren Gunsten verlängert wurde. Abweichungen von der im Gesetz vorgesehen
Hinterlegungsfrist zugunsten der Aktionäre begründen nicht die Anfechtbarkeit von
Beschlüssen (Kubis aaO Rn. 48 und § 121 Rn. 42).
90
2.
91
Etwaige Mängel bei der Auslage der Jahresabschlüsse, Lageberichte und Berichte des
Aufsichtsrats für die Jahre 2004 und 2005 führen nicht zur Anfechtbarkeit der
Beschlüsse. Die Parteien streiten darüber, ob die Unterlagen in den Geschäftsräumen
der Beklagten auslagen und ob die Beklagte einem ordnungsgemäßen Verlangen der
Klägerin auf Erteilung von Abschriften nicht nachgekommen ist. Unabhängig davon, ob
der Vortrag der Klägerin insbesondere zur Anforderung der Unterlagen hinreichend
substantiiert ist, rechtfertigen etwaige Mängel bei der Übersendung von Unterlagen und
deren Auslage nicht die Anfechtung der Beschlüsse.
92
Zum einen war nämlich die Beklagte nach dem seit dem 01.01.2007 geltenden § 175
Abs. 2 Satz 4 AktG weder zur Auslage noch zur Übersendung der Unterlagen
verpflichtet, weil sie die betreffenden Dokumente auf ihrer Homepage eingestellt hat.
Dies hat die Klägerin nicht wirksam bestritten. Ein Bestreiten mit Nichtwissen ist im
vorliegenden Fall nicht zulässig. Es mag zwar insoweit an eigenen Wahrnehmungen
der Klägerin – bzw. ihres Geschäftsführers – fehlen, wenn ihr die Homepage der
Beklagten nicht bekannt ist, wie sie behauptet. Damit ist allerdings unvereinbar, dass sie
auf Seite 6 der Klageschrift aus der Homepage der Beklagten zitiert. Ihr Bestreiten mit
Nichtwissen ist jedenfalls missbräuchlich und daher unbeachtlich, denn die Klägerin
weiß nach eigenen Angaben nur deshalb nicht, ob die Informationen in die Homepage
eingestellt worden sind, weil sie die Möglichkeit zur Einsicht in die Homepage nicht
genutzt hat. Wer eine ihm zumutbare und vom Gesetz als ausreichend angesehene
Möglichkeit zur Informationsbeschaffung nicht nutzt und deshalb nicht über das
erforderliche Wissen verfügt, kann die entsprechende Behauptung der Gegenseite nicht
mit Nichtwissen bestreiten. Konkrete Anhaltspunkte, dass die Beklagte die
entsprechenden Berichte tatsächlich nicht veröffentlicht hat, hat die Klägerin nicht
vorgetragen.
93
Zum anderen sind etwaige Mängel bei der Auslage bzw. Veröffentlichung der
erwähnten Unterlagen für die zu beurteilenden Beschlüsse nicht relevant. Ein
Verfahrensverstoß ist dann relevant, wenn der Verstoß bei einer wertenden, am
Schutzzweck der Norm orientierten Betrachtung die Rechtfolge der Anfechtbarkeit
rechtfertigt (BGH NJW 2005, 828, 830). Die angeblich der Klägerin vorenthaltenen
Unterlagen rechtfertigen die Anfechtbarkeit nicht, denn sie waren zur Vorbereitung der
Beschlüsse, um die es hier geht nicht von Bedeutung. Die Jahresabschlüsse nebst den
dazugehörigen Unterlagen mögen für die Feststellung der Jahresabschlüsse sowie der
Entscheidung über die Entlastung der Personen, die die Jahresabschlüsse zu
verantworten haben, von Bedeutung sein. Die anfechtbaren Beschlüsse betreffen
jedoch Themen, die damit nichts zu tun haben. Sie sind weder für die Wahl des
Aufsichtsrats noch für die Kapitalmaßnahmen relevant. Bei den Kapitalmaßnahmen
handelt es sich ohnehin nach den Ausführungen des Vorstands zu
Tagesordnungspunkt 13. um Vorratsbeschlüsse, mit denen nicht auf gegenwärtige oder
frühere Geschäftsergebnisse reagiert werden soll, sondern der Vorstand in die Lage
versetzt werden soll, künftige Geschäftsmöglichkeiten auszunutzen. Dementsprechend
hat die Klägerin auch nicht zu begründen vermocht, weshalb sie auf die Informationen
zur Vorbereitung der Beschlussfassung angewiesen war.
94
II.
95
Die einzelnen Beschlüsse sind auch nicht aus sonstigen Gründen anfechtbar.
96
1.
97
Die Wahl des Aufsichtsrats gemäß Tagesordnungspunkt 7. (Antrag 5) ist nicht wegen
Verstoß gegen § 124 Abs. 3 Satz 3 AktG unwirksam. Allerdings hat die Beklagte in der
Bekanntmachung gegen § 124 Abs. 3 Satz 3 AktG verstoßen, weil die ausgeübten
Berufe der Aktionäre nicht angegeben sind. Zu veröffentlichen ist nämlich die konkret
ausgeübte Tätigkeit unter Angabe des Unternehmens, in dem sie ausgeübt wird (Kubis
aaO, § 124 Rn. 57; Hüffer, AktG, § 124 Rn. 12). Hiergegen hat die Beklagte verstoßen,
indem sie lediglich die berufliche Qualifikation der Aufsichtsratskandidaten angegeben
hat. Fehler bei der Angabe des Berufs rechtfertigen aber nicht die Anfechtung von
Beschlüssen; unzureichende Angaben können nämlich durch die Ausübung des
Fragerechts in der Hauptversammlung präzisiert werden (vgl. Kubis aaO Rn. 67; Hüffer
aaO Rn. 18; OLG Frankfurt ZIP 2007, 232 ff.).
98
Ebenso wenig rechtfertigt die falsche Schreibweise des Namens des
Aufsichtsratskandidaten Eeeeeeeee (Ffffffffffff) die Anfechtung. Die Klägerin hat nicht
aufzuzeigen vermocht, dass durch diesen offensichtlichen Schreibfehler eine Unklarheit
über die vorgeschlagene Person bestand. Diese ist vielmehr auszuschließen, weil der
Name in der Einleitung zum Tagesordnungspunkt richtig geschrieben war.
99
2.
100
Eine etwaige unzureichende oder unterbliebene Beantwortung von Fragen des
Aktionärs Bbbbbbbbbbbbbbb führt nicht zur Anfechtbarkeit der Beschlüsse der
Hauptversammlung. Um welche Frage es sich dabei gehandelt haben soll, trägt die
Klägerin nicht vor. Soweit der Vorstand der Beklagten in der Hauptversammlung
ausweislich S. 8 des Protokolls der Hauptversammlung Fragen zu Geschäftszahlen der
Beklagten im Jahr 2006 und der xxxxxxx GmbH für die Jahre 2005 und 2006 nicht
beantwortete, ist eine Relevanz der Fragen für die Entscheidung über die
streitgegenständlichen Beschlüsse nicht erkennbar. Die Geschäftszahlen für die Jahre
2005 und 2006 haben mit der Wahl des Aufsichtsrats nichts zu tun. Für die Beurteilung
der Kapitalmaßnahmen gemäß den Anträgen 8. – 11. sind sie ebenfalls ohne
Bedeutung. Die Beschlüsse sind nämlich ausweislich des Vorstandsberichts zu
Tagesordnungspunkt 13. reine Vorratsbeschlüsse. Danach bestehen nämlich "konkrete
Erwerbsvorhaben, zu deren Durchführung in Ausnutzung des genehmigten Kapitals das
Kapital ... erhöht werden soll, ... zur Zeit nicht". Die Kapitalmaßnahmen sind mithin keine
Reaktion auf die gegenwärtige oder frühere wirtschaftliche Situation, für deren
Beurteilung die Kenntnis der Ergebnisse des Jahres 2006 notwendig gewesen wäre.
101
3.
102
Die Beschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 13. und 15. sind schließlich nicht
wegen Mängeln bei der Veröffentlichung des Vorstandsberichts zu diesem
Tagesordnungspunkt anfechtbar. Zum einen sind die Berichte nach dem nicht
substantiiert bestrittenen Vortrag der Beklagten (siehe oben) auf der Homepage der
Beklagten veröffentlich worden, so dass gem. § 175 Abs. 2 Satz 4 AktG eine Auslage
oder Übersendung an die Aktionäre nicht erforderlich war. Zum anderen waren etwaige
Verstöße gegen die Informationspflicht für die Beschlussfassung nicht relevant, weil die
Berichte in der Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger vom 12.01.2007
vollständig abgedruckt waren, die Klägerin mithin über alle zur Entscheidung
notwendigen Informationen verfügte. Die Klägerin will aus der Einleitung zur
103
Wiedergabe des Berichts des Vorstands in der Einladung "der Bericht, ... wird mit
seinem wesentlichen Inhalt wie folgt bekannt gemacht" schließen, dass er nur
auszugsweise veröffentlicht wurde. Nach der Vorlage der Originalberichte (Anlage B 7)
steht jedoch fest, dass die Vorstandsberichte in der Bekanntmachung vollständig
abgedruckt worden sind. In der Veröffentlichung fehlt lediglich der Einleitungssatz "der
Vorstand erstattet hiermit der für den 21. Februar 2007 einberufenen Hauptversammlung
zu Punkt ... der Tagesordnung gem. § ... den folgenden schriftlichen Bericht über den
Grund für die Ermächtigung ...".
III.
104
Der Hilfsantrag der Klägerin, mit dem diese die Feststellung der Nichtigkeit der
Beschlüsse begehrt, ist ebenfalls unbegründet. Nichtigkeitsgründe liegen hier ebenso
wenig wie bei den unter A. geprüften Beschlüssen der Hauptversammlung vor. Wegen
der Einzelheiten wird auf die Ausführung zu A. verwiesen.
105
C.
106
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
107
Streitwert: 50.000,00 €
108