Urteil des LG Baden-Baden vom 26.04.2002

LG Baden-Baden: mangelhafte unterhaltung, naturereignis, bezirk, wind, ziegel, alter, entlastungsbeweis, vollstreckbarkeit, sanierung, zustand

LG Baden-Baden Urteil vom 26.4.2002, 2 S 14/02
Haftung des Grundstücksbesitzers: Anscheinsbeweis bei Ablösung eines Gebäudeteils während des Orkans "Lothar"
Tenor
1. Das Urteil des Amtsgerichts Rastatt vom 29.11.2001 (3 C 382/00) wird im Kostenpunkt aufgehoben und im übrigen wie folgt abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1 Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 a. F. abgesehen.
Entscheidungsgründe
2 Die Berufung ist zulässig und begründet.
3 Der Klägerin stehen gegen die Beklagte keine Ansprüche aus übergegangenem Recht (§ 67 VVG) gemäß § 836 Abs. 1 S. 1 BGB zu.
4 Wegen der Haftung der Beklagten gemäß § 836 Abs. 1 S. 1 BGB kann sie sich nicht auf einen Sachverhalt berufen, der dem ersten Anschein nach
für eine fehlerhafte Errichtung oder mangelhafte Unterhaltung spricht. Zwar ist insoweit allgemein anerkannt, dass bei Ablösung von
Gebäudeteilen, soweit lediglich gewöhnliche Witterungseinflüsse zu verzeichnen waren, von einem Anscheinsbeweis auszugehen ist, doch
handelte es sich bei dem Orkan "Lothar" um ein außergewöhnliches Naturereignis im Bezirk des Landgerichts Baden-Baden. Den ihr demgemäß
obliegenden Beweis für eine mangelhafte Unterhaltung und/oder eine fehlerhafte Errichtung hat die Klägerin nicht geführt (vgl. zur Beweislast
Palandt/Thomas, BGB, 61 A., § 836 Rn. 8).
5 Die Beklagte hat bereits in erster Instanz unter Beweisantritt behauptet, bei "Lothar" habe es sich um ein außergewöhnliches Naturereignis
gehandelt. In zweiter Instanz hat sie ein (Privat)Gutachten des DWD (Band II, AS. 47 ff) vorgelegt, aus dem sich die Besonderheit des Orkans
"Lothar" ergibt: An der Wetterstation Karlsruhe wurden zwischen 11.00 Uhr und 14.00 Uhr Windstärken mit Orkanstärke gemessen. In Lahr wurden
ebenfalls im gleichen Zeitraum Wind mit Orkanstärke dokumentiert (Bd. II As. 47 ff.). Zweifel an der Richtigkeit dieses Gutachtens hat die Klägerin
nicht vorgebracht, sondern lediglich bestritten, dass auch in Durmersheim Wind mit Orkanstärke auftrat, weil die Beklagte nicht konkret
vorgetragen haben, welche Schäden in der Nachbarschaft aufgetreten seien. Dieser Vortrag ist aber unbeachtlich. Durmersheim liegt nur wenige
Kilometer von Karlsruhe entfernt in der Rheinebene. Warum hier andere Witterungsverhältnisse geherrscht haben sollten ist nicht einsichtig und
widerspricht auch den gerichtsbekannten Schäden im streitgegenständlichen Bezirk des Landgerichts Baden-Baden. Darauf hat das Gericht auch
ausdrücklich verwiesen. Insoweit handelt es sich also nicht nur um auch bei üblichen Wetterverhältnissen auftretende Windböen mit Orkanstärke,
sondern um einen Orkan, der in den hiesigen Breitengraden als außergewöhnliches Naturereignis angesehen werden muss (vgl. zur Abgrenzung
gewöhnliche Witterungseinflüsse/außergewöhnliches Ereignis auch BGH NJW 1999, 2593).
6 Im übrigen hat die Klägerin den Beweis für eine mangelhafte Errichtung oder Unterhaltung des Daches der Beklagten nicht geführt. Soweit sie auf
den Zustand des Daches vor der Sanierung Bezug nimmt und auf die Zeugenaussagen I. Instanz verweist, ist dies kein schlüssiger Vortrag für das
Vorliegen der Haftung gem. § 836 Abs. 1 S. 1 BGB. Das Aussehen der Ziegel und deren Alter lassen keinen Rückschluß auf eine mangelhafte
Errichtung bzw. Unterhaltung zu. Zum Entlastungsbeweis war die Beklagte mangels schlüssigen Vortrags nicht gehalten (§ 836 Abs. 1 S. 2 BGB).
7 Auch im übrigen hat der Kläger keine Ansprüche gegen die Beklagte, insbesondere auch nicht gemäß § 823 Abs. 1 BGB.
8 Insoweit war die Klage auf die Berufung der Beklagten mit der Kostenfolge des § 91 ZPO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 N. 11, 711, 713 ZPO.
9 Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision beruht auf § 543 Abs. 2 ZPO.