Urteil des LG Aachen vom 09.04.2009

LG Aachen: treu und glauben, dachgeschoss, positive leistung, zustand, mietsache, vermieter, verzicht, beweisverfahren, lärm, auflage

Landgericht Aachen, 2 S 333/08
Datum:
09.04.2009
Gericht:
Landgericht Aachen
Spruchkörper:
2. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 S 333/08
Vorinstanz:
Amtsgericht Düren, 46 C 303/08
Normen:
BGB § 535 Abs. 1 S. 1, § 199 Abs. 1
Leitsätze:
Der Anspruch des Mieters auf Mangelbeseitigung ist während der
Mietzeit unverjährbar.
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 4. November 2008
verkündete Urteil des Amtsgerichts Düren – 46 C 303/08 – abgeändert
und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden verurteilt,
den Trittschallschutz der Böden in Küche und Diele der im
Dachgeschoss des Hauses C-Straße Nr. in E gelegenen Wohnung so
zu verbessern, dass die Normtrittlautstärke von maximal 85 phon, die
einem Ln,w von circa 63 dB entspricht, hergestellt wird;
die durch die WC-Spülung in der Dachgeschosswohnung des Hauses
C-Straße in E und das normale Auflegen des WC-Deckels in der
gleichen Wohnung verursachten Installationsgeräusche so zu
verbessern, dass der in der Wohnung der Klägerin, C-Straße Nr. in E, 2.
Obergeschoss, zu messende Schallpegel kleiner als 35 dB(A) ist.
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten als
Gesamtschuldnern auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten wird nachgelassen,
die Vollstreckung durch die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 4.400,00 € abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 4.400,00 € leistet.
Die Revision gegen das Urteil wird zugelassen.
Tatbestand
1
Die Klägerin ist seit 1959 Mieterin der im zweiten Obergeschoss des Objekts C-Straße
Nr. in E gelegenen Wohnung. Die Beklagten sind seit 1997 Eigentümer dieses Objekts.
Das über der Wohnung der Klägerin gelegene Dachgeschoss, von den Parteien auch
als 3. Obergeschoss bezeichnet, wurde im Jahr 1990 oder etwas später ausgebaut und
zu Wohnzwecken vermietet.
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Mit Schreiben des Mietervereins L vom 13. August 2002 wandte die Klägerin sich
erstmals an die Beklagten und begehrte die Herstellung einer ausreichenden
Schallschutzisolierung der über der von ihr bewohnten Wohnung liegenden
Dachgeschosswohnung. Nachdem die seinerzeitige Mieterin aus dieser Wohnung
ausgezogen war und die Intensität der Geräusche, die von den Nachmietern verursacht
wurden, von der Klägerin als weniger gravierend empfunden wurde, verfolgte die
Klägerin ihr Begehren zunächst nicht weiter. Erst mit Schreiben vom 16. Oktober 2006
wandte sich die Klägerin wieder an die Beklagten und bat erneut darum, die
Schallschutzisolierung der über ihrer Wohnung liegenden Wohnung zu erneuern, weil
diese unzureichend sei. Dieses Anliegen wiederholte sie mit Schreiben vom 28.
Oktober 2006 und mit Schreiben des Mietervereins L vom 31. Mai 2007. Die Beklagten
vertraten mit Schreiben des I & H E e.V. vom 4. September 2007 den Standpunkt, dass
die bauphysikalischen Schallschutzrichtlinien eingehalten worden seien, und stellten
der Klägerin die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens anheim.
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Auf Antrag der Klägerin vom 20. November 2007 wurde vor dem Amtsgericht Düren
unter dem Aktenzeichen 46 H 16/07 ein selbständiges Beweisverfahren durchgeführt.
Der Sachverständige Prof. Dr.-Ing. T kam in dem von ihm unter dem 12. April 2008
erstatteten Gutachten zu dem Ergebnis, dass die Trittschallpegel der Böden in Diele und
Küche der im Dachgeschoss gelegenen Wohnung unzulässig hoch sind und dass die
im Schlafraum der Wohnung der Klägerin gemessenen Installationsgeräusche, die
durch die Spülung und das Auflegen des WC-Deckels der in der
Dachgeschosswohnung befindlichen Toilette oberhalb der zulässigen Grenzwerte
liegen.
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Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt, die Beklagten zu verurteilen, den
Trittschallschutz der Böden in Küche und Diele der über der von ihr bewohnten
Wohnung liegenden Wohnung so zu verbessern, dass die Normtrittlautstärke von
maximal 85 phon hergestellt werde, und die durch die WC-Spülung im Dachgeschoss
und das normale Auflegen des WC-Deckels im Dachgeschoss des Hauses C-Straße
Nr. in E verursachten Installationsgeräusche so zu verbessern, dass der in der Wohnung
der Klägerin zu messende Schallpegel kleiner als 35 dB(A) ist, hilfsweise die Beklagten
zu verurteilen, durch geeignete Maßnahmen sicher zu stellen, dass die Klägerin in
ihrem Mitbesitz nicht durch die Trittschallgeräusche und durch die
Installationsgeräusche in einem Maße belästigt werde, das bei Einhaltung der
einschlägigen baujahrestypischen Richtlinien und Normen des Lärm- und
Schallschutzes nicht gegeben wäre.
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Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen. Sie haben die Einrede der
Verjährung erhoben und sich hilfsweise auf Verwirkung des Anspruchs berufen. Äußerst
hilfsweise haben sie sich darauf berufen, die Leistung verweigern zu können, weil die
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Mängelbeseitigung mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden sei.
Die Klägerin hat geltend gemacht, eine Verjährung ihres Anspruchs sei aufgrund des
Dauerschuldcharakters des Vertragsverhältnisses nicht eingetreten. Zudem hat sie die
Auffassung vertreten, es sei als Verzicht auf die Erhebung der Einrede der Verjährung
zu verstehen, dass die Beklagten ihr anheim gestellt haben, ein Beweisverfahren
durchzuführen.
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Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, ein
etwaiger Anspruch der Klägerin sei verjährt, da sie spätestens im Jahr 2002 Kenntnis
von den geltend gemachten Mängeln gehabt habe. Einen Verzicht auf die Erhebung der
Einrede der Verjährung hätten die Beklagten nicht erklärt, indem sie der Klägerin die
Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens anheim stellten. Auch sei der
Schuldner nicht verpflichtet, sofort die Verjährungseinrede zu erheben.
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Mit der Berufung verfolgt die Klägerin unter Wiederholung und Vertiefung ihrer
Ansichten ihre Klage weiter.
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Die Klägerin beantragt,
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1. unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Düren vom 04.11.2008 die
Beklagten zu verurteilen, den Trittschallschutz der Böden in Küche und Diele der
Wohnung im Dachgeschoss des Hauses E, C-Straße Nr., so zu verbessern, dass
die Normtrittlautstärke von maximal 85 phon, die einem Ln,w von circa 63 dB
entspricht, hergestellt wird;
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2. die Beklagten zu verurteilen, die durch die WC-Spülung im Dachgeschoss des
Hauses E, C-Straße Nr., und durch das normale Auflegen des WC-Deckels in der
gleichen Wohnung verursachten Installationsgeräusche so zu verbessern, dass
der in der Wohnung der Klägerin im zweiten Obergeschoss des Hauses E, C-
Straße Nr., zu messende Schallpegel kleiner als 35 dB(A) ist;
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hilfsweise
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3. die Beklagten zu verurteilen, durch geeignete Maßnahmen sicher zu stellen, dass
die Klägerin in ihrem Mitbesitz der Wohnung im zweiten Obergeschoss des
Hauses E, C-Straße Nr. nicht durch Trittschallgeräusche von Dielenboden und
Küchenboden der Wohnung im Dachgeschoss und durch Installationsgeräusche
der WC-Spülung im Dachgeschoss und das Auflegen des WC-Deckels im
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Dachgeschoss in einem Maße belästigt wird, das bei Einhaltung der
einschlägigen baujahrestypischen Richtlinien und Normen des Lärm- und
Schallschutzes nicht gegeben wäre.
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Die Beklagten beantragen,
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die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
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Die Beklagten verteidigen das erstinstanzliche Urteil.
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Entscheidungsgründe
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Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
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Die zulässige Klage ist begründet. Der Klägerin stehen gegen die Beklagten Ansprüche
auf Vornahme der Arbeiten wie mit den Anträgen zu 1) und 2) begehrt gemäß § 535
Abs. 1 Satz 2 BGB zu.
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Gemäß § 535 Abs. 1 Satz 1 BGB ist der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den
Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren. Diese
Hauptleistungspflicht wird in § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB dahingehend präzisiert, dass der
Vermieter die gemietete Sache dem Mieter in einem zu dem vertragsgemäßen
Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem
Zustand zu erhalten hat. Diese Unterhaltungspflicht betrifft insbesondere die
Instandhaltung und Instandsetzung der Mietsache sowie die Pflicht zur Unterlassung
und Abwehr von Störungen des Mietgebrauchs (Eisenschmid in: Schmidt-Futter,
Mietrecht, 9. Auflage 2007, § 535 Rn. 1). Der Mietgebrauch der Klägerin wird durch
unzureichende Lärm- und Schalldämmung der darüber liegenden Wohnung
beeinträchtigt. Dass der Trittschallschutz der Böden in Küche und Diele der über der
Wohnung der Klägerin im Dachgeschoss gelegenen Wohnung unzureichend ist und
dass die Geräusche, die durch die WC-Spülung und das Auflegen des WC-Deckels in
der Dachgeschosswohnung ausgehen, die zulässigen Werte übersteigen, hat der
Sachverständige Prof. Dr. T in seinem im selbständigen Beweisverfahren (Aktenzeichen
46 H 16/07) erstatteten Gutachten festgestellt. Dies wird von den Beklagten auch nicht in
Abrede gestellt. Diese Beeinträchtigungen sind die Beklagten abzustellen verpflichtet.
Sie haben geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um den Trittschallschutz der Böden in
Küche und Diele der Dachgeschosswohnung so zu verbessern, dass die
Normtrittlautstärke hergestellt wird, und um zu erreichen, dass die Geräusche, die durch
die Spülung und das Auflegen des WC-Deckels der in der Dachgeschosswohnung
befindlichen Toilette verursacht werden, die zulässigen Grenzwerte nicht überschreiten.
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Der Anspruch der Klägerin ist nach der von der Kammer vertretenen Auffassung nicht
verjährt.
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Grundsätzlich unterliegt jeder Anspruch der Verjährung, wenn nicht als gesetzliche
Ausnahme die Unverjährbarkeit angeordnet ist, § 194 BGB. Vorliegend ist mangels
einer spezielleren gesetzlichen Anordnung die dreijährige Regelverjährung des § 195
BGB maßgeblich. Es ist allerdings umstritten, wann der Anspruch des Mieters auf
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Beseitigung von die Mietsache beeinträchtigenden Mängeln entsteht, und damit
einhergehend, wann die Verjährungsfrist in Lauf gesetzt wird.
Nach einer Auffassung entsteht der Mängelbeseitigungsanspruch (einmalig) mit Eintritt
des Mangels, so dass die Kenntnis des Mieters von diesem Mangel für den Beginn des
Laufes der Verjährung maßgeblich sein soll (Lehmann-Richter in: NJW 2008, 1196;
Feuerlein in: WuM 2008, 385; im Ergebnis ebenso, wenn auch ohne nähere
Auseinandersetzung mit der Problematik: LG Berlin Grundeigentum 2008, 1196).
Dogmatisch wird dies zum Teil damit begründet, beim Anspruch auf
Gebrauchserhaltung handele es sich um ein auf die Dauer des Mietverhältnisses
angelegtes "Stammrecht"; dieses Stammrecht konkretisiere sich zu einzelnen
Ansprüchen, sobald sich ein bestimmter Mangel zeige (Lehmann-Richter in: NJW 2008,
1196). Diese konkreten Beseitigungsansprüche verjähren nach dieser Ansicht in drei
Jahren ab Kenntniserlangung von dem Mangel. Unter Zugrundelegung dieser
Auffassung wäre der Anspruch der Klägerin verjährt, da sie spätestens im Jahr 2002
Kenntnis von der unzureichenden Schallschutzisolierung hatte, so dass gemäß §§ 195,
199 BGB mit Ablauf des 31. Dezember 2005 Verjährung eingetreten wäre. Einen
Verzicht der Beklagten auf die Erhebung der Verjährungseinrede vermag die Kammer
dem Schreiben des I & H E e. V. vom 4. September 2007, in dem der Klägerin die
Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens anheim gestellt worden ist, nicht
zu entnehmen. Ein eindeutig auf einen Verzichtswillen der Beklagten hindeutender
Wortlaut ist nicht gegeben. Das Schreiben kann auch nicht als Erklärung eines
Verzichts auf die Erhebung der Verjährungseinrede ausgelegt werden. Bei der Frage,
ob eine Erklärung als Verzicht auf eine Rechtsposition auszulegen ist, muss das Gebot
einer interessengerechten Auslegung beachtet werden, weshalb insbesondere die der
Erklärung zugrundeliegenden Umstände zu berücksichtigen sind (vgl. BGH NJW 2002,
1044). Die Beklagten haben in dem Schreiben des I & H E e. V. vom 4. September 2007
unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, davon auszugehen, dass die
bauphysikalischen Schallschutzrichtlinien eingehalten worden seien. An der Einholung
eines Sachverständigengutachtens waren sie erkennbar selbst nicht interessiert. Davon,
dass sie auf die Erhebung der Verjährungseinrede verzichten wollten, um die Einholung
eines Sachverständigengutachtens zu ermöglichen, kann deshalb nicht ausgegangen
werden. Für die Feststellung, dass die Beklagten auf die Erhebung der
Verjährungseinrede verzichten wollten, hätte es daher weiterer Anhaltspunkte bedurft.
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Eine andere Auffassung nimmt an, der Anspruch auf Überlassung einer zum
vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Sache entstehe während der Dauer des
Mietverhältnisses ständig neu, so dass sich der Vermieter nicht auf Verjährung berufen
könne, soweit es um die Herstellung eines vertragsgemäßen Zustands gehe (Häublein
in: Münchener Kommentar, BGB, 5. Auflage 2008, § 535 Rn. 107). Nach dieser Ansicht
wären die Ansprüche der Klägerin nicht verjährt.
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Die Kammer folgt der letztgenannten Ansicht. Der Anspruch auf Herstellung eines zum
vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustandes der Mietsache ist ein echter
Erfüllungsanspruch, da die Überlassung und Erhaltung der Mietsache in
gebrauchsfähigem Zustand die vertragliche Gegenleistung zur Mietzahlung darstellt
(BGH NZM 2003, 472). Der sich aus § 535 Abs. 1 BGB ergebende Erfüllungsanspruch
des Mieters ist auf eine dauernde Leistung gerichtet. Mit dem Begriff "gewähren" in §
535 Abs. 1 Satz 1 BGB wird verdeutlicht, dass die Pflicht des Vermieters nicht nur in der
einmaligen Handlung des Überlassens besteht, sondern der Vermieter während der
gesamten Mietzeit dem Mieter den vertraglichen Gebrauch ermöglichen muss und
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erforderlichenfalls auch zu einem positiven Tun, nämlich der Erhaltung in einem zum
vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand verpflichtet ist (Eisenschmid in:
Schmidt-Futter, Mietrecht, 9. Auflage 2007, § 535 Rn. 1). Der Mieter, der die Herstellung
des vertragsgemäßen Zustands des Mietobjekts fordert, begehrt die (zukünftige)
vertragsgemäße Erfüllung. Der Anspruch auf Herstellung des vertragsgemäßen
Zustandes ist kein vom Erfüllungsanspruch losgelöster Anspruch, sondern vielmehr
eine präzisierte Ausprägung dessen. Die Erhaltungspflicht des Vermieters ist daher eine
sich über den Bestand des Mietverhältnisses erstreckende Dauerverpflichtung (BGH
a.a.O.). Dem steht auch der Zweck der Verjährungsvorschriften, den die Gegenansicht
heranzieht (Lehmann-Richter in: NJW 2008, 1196), nicht entgegen. Soweit diese
Ansicht damit argumentiert, dass die Verjährungsvorschriften dem Schutz vor
Inanspruchnahme aus unerwarteten Forderungen dienen, gegen die sich der Schuldner
wegen Zeitablaufs nicht mehr adäquat verteidigen kann (Beweisnot), besteht ein
solches Schutzbedürfnis nicht. Da es bei dem Anspruch auf Herstellung des
vertragsgemäßen Zustands um einen aktuellen Zustand geht und grundsätzlich der
Mieter beweisen muss, dass dieser vom vertraglich geschuldeten Zustand abweicht,
besteht für den Vermieter nicht die Gefahr, in eine auf Zeitablauf beruhende Beweisnot
zu geraten. Das Argument, die Verjährung solle Rechtsfrieden und Rechtssicherheit
herbeiführen, erscheint nur auf den ersten Blick überzeugend. Denn dem Mieter
verbliebe nur die Möglichkeit der Minderung. Es ergibt sich damit eine neue rechtliche
Problematik, bei der sich die Frage des Minderungsbetrages immer wieder neu stellen
kann, etwa wenn der Mangel der Mietwohnung Veränderungen unterliegt (zu denken
wäre beispielsweise an sich weiterentwickelnde Feuchtigkeit). Es ist zudem wenig
überzeugend, dem Mieter mit der Minderung ein Gewährleistungsrecht wegen der
Mangelhaftigkeit der überlassenen Sache zu gewähren, wenn er eine mangelfreie
Sache überhaupt nicht (mehr) fordern kann.
Die Auffassung der Kammer steht nicht in Widerspruch zu der von den Beklagten in
Bezug genommenen Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 26. April 1995,
Aktenzeichen XII ZR 105/93 (abgedruckt u.a. in NJW 1995, 2548). In dieser
Entscheidung hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass nach herrschender
Auffassung im Schrifttum die Vorschrift des § 198 Satz 2 BGB in seiner bis zum 31.
Dezember 2001 geltenden Fassung, deren Regelung sich nunmehr inhaltsgleich in §
199 Abs. 5 BGB findet und nach der die Verjährung eines auf Unterlassen gerichteten
Anspruchs erst mit der Zuwiderhandlung beginnt, entsprechend anzuwenden sein soll,
wenn es um die Verjährung eines auf eine dauernde positive Leistung gerichteten
Anspruchs gehe. Der Bundesgerichtshof musste diesen Aspekt indes nicht
abschließend erörtern, da selbst unter Zugrundelegung dieser Ansicht eine Verjährung
in dem von ihm zu entscheidenden Fall nicht eingetreten war.
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Die Klägerin ist nicht nach Treu und Glauben , § 242 BGB, gehindert, ihre Ansprüche
durchzusetzen. Der Rechtsgedanke der Verwirkung ist ein Unterfall der unzulässigen
Rechtsausübung aufgrund widersprüchlichen Verhaltens; danach ist ein Recht verwirkt,
wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht und der
Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und nach dem gesamten Verhalten des
Berechtigten auch darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht
geltend machen werde (BGH NJW 2006, 219). Dass die Klägerin über mehrere Jahre
die Verbesserung der Schallschutzisolierung nicht mehr begehrt hatte, reicht nicht aus,
um das Vertrauen der Beklagten zu rechtfertigen, die Klägerin werde dieses Recht auch
zukünftig nicht geltend machen, zumal für die Beklagten erkennbar war, dass durch
Wechsel der Mieter der Dachgeschosswohnung die Situation nicht gleichbleibend war.
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Den Beklagten steht kein Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 275 Abs. 2 BGB oder
§ 275 Abs. 3 BGB zu. Dass die von der Klägerin geforderten Maßnahmen einen
Kostenaufwand erfordern, der sich möglicherweise in der von den Beklagten genannten
Größenordnung bewegt, ist hierfür nicht ausreichend. Denn diesem Kostenaufwand
steht das zu berücksichtigende Interesse der Klägerin an einer Wohnung im
vertragsgerechten Zustand gegenüber. Überdies wären Kosten für eine etwaige
anderweitige Unterbringung der Mieter der Dachgeschosswohnung zu vermeiden
gewesen, wenn die Arbeiten vor Einzug der jetzigen Mieter vorgenommen worden
wären. Wie sich aus der vorliegenden vorgerichtlichen Korrespondenz ergibt,
bewohnten andere als die jetzigen Mieter die Dachgeschosswohnung, als die Klägerin
im Oktober 2006 eine fachgerechte Schallschutzisolierung forderte.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 709 ZPO.
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Die Kammer hat die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zugelassen, weil die
Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
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Berufungsstreitwert: 4.000,00 €
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Dr. X S G
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