Urteil des LG Aachen vom 06.04.2009

LG Aachen: gutgläubiger erwerb, gesellschafter, bedürfnis, belastung, zwischenverfügung, aktienregister, auszahlung, rechtssicherheit, handelsregister, vorschlag

Landgericht Aachen, 44 T 1/09
Datum:
06.04.2009
Gericht:
Landgericht Aachen
Spruchkörper:
4. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
44 T 1/09
Vorinstanz:
Amtsgericht Aachen, 73 HRB 14647
Tenor:
Auf die Beschwerde der Gesellschaft hin wird die Zwischenverfügung
des Amtsgerichts - Registergerichts - Aachen vom 15.01.2009 bezüglich
Punkt lit. b) aufgehoben und das Amtsgericht angewiesen, die
Eintragungsfähigkeit des Zusatzes der Belastung des Geschäftsanteils
mit einem Nießbrauchsrecht in die Gesellschafterliste nicht abzulehnen.
G r ü n d e
1
I.
2
Unter dem 15.01.2009 hat das Amtsgericht- Registergericht – folgende
Zwischenverfügung erlassen:
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b) In die Gesellschafterliste vom 23.12.2008 wurde ein Nießbrauch
eingetragen. Dies dürfte jedoch nicht möglich sein. Um Nachreichung
einer neuen Gesellschafterliste wird gebeten.
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Gegen diese Zwischenverfügung hat die Beteiligte mit Schreiben ihres
Verfahrensbevollmächtigten vom 19.01.2009 Beschwerde eingelegt und zur
Begründung ausgeführt, angesichts der großen Bedeutung der
Gesellschafterliste als Legitimations- und Rechtsscheingrundlage sei ein
Nießbrauchsrecht wenn nicht eintragungspflichtig, so doch zumindest
eintragungsfähig.
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Das Registergericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und ausgeführt, die
Belastung eines Geschäftsanteils mit einem Nießbrauchsrecht könne auf einer
Gesellschafterliste nicht vermerkt werden. Die Tatsachen, welche in die
Gesellschafterliste aufgenommen werden müssten, ergäben sich aus § 8 Abs. 1
Nr. 3 GmbHG. Dort sei die Belastung des Geschäftsanteils auch nach der
Änderung des GmbHG durch das MoMiG nicht aufgeführt. Es bestehe auch kein
erhebliches Bedürfnis des Rechtsverkehrs an einer Aufnahme des
Nießbrauchsrechts in die Gesellschafterliste, da der Nießbrauch nicht
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gutgläubig "wegerworben" werden könne, sofern er nicht in der Liste vermerkt
sei.
II.
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Die Beschwerde ist zulässig und in der Sache begründet.
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1.
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Die Belastung des GmbH- Geschäftsanteils mit einem Nießbrauchsrecht ist im
Hinblick auf die Gesellschafterliste eintragungsfähig. Ob sie auch
eintragungspflichtig ist, ist hier nicht zu entscheiden.
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Wie vom Registergericht zutreffend hervorgehoben, sind Tatsachen und
Rechtsverhältnisse auch ohne ausdrückliche gesetzliche Normierung
eintragungsfähig, wenn Sinn und Zweck des Handelsregisters ihre Eintragung
erfordern und für ihre Eintragung ein erhebliches Bedürfnis des Rechtsverkehrs
besteht. Nach diesen Maßstäben, die sich auf die Gesellschafterliste übertragen
lassen, ist die Eintragungsfähigkeit zu bejahen.
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Das erhebliche Bedürfnis des Rechtsverkehrs an der Eintragung des
Nießbrauchers leitet sich aus seiner Rechtsposition her. Die Einräumung eines
Nießbrauchs an einem Geschäftsanteil verschafft dem Nießbraucher eine
dingliche Berechtigung (BGH NJW 99, 571, 572), kraft derer er zusammen mit
dem Gesellschafter eine Rechtsgemeinschaft bildet. Nießbraucher und
Gesellschafter sind gemeinsam an dem Geschäftsanteil berechtigt; der
Nießbraucher wird in den Gesellschaftsverband einbezogen (OLG Düsseldorf,
DNotZ 1999, 440, 442). Die Gesellschafterrechte, insbesondere die
Verwaltungsrechte, werden zwischen dem Gesellschafter und dem
Nießbraucher aufgeteilt; dem Nießbraucher kann die Verwaltung insgesamt
übertragen werden (Palandt/Bassenge, BGB, 67. Aufl., § 1068 Rn. 3).
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Durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung
von Missbräuchen (MoMiG) ist die Gesellschafterliste zu einer allgemeinen
Legitimations- und Rechtsscheingrundlage aufgewertet worden. Gesellschafter
können ihre Rechte gegenüber der Gesellschaft nur noch dann wirksam
ausüben, wenn sie in die Gesellschafterliste eingetragen sind (Wachter,
Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen nach MoMiG, GmbHRundschau,
Sonderheft Oktober 2008, S. 51). Steht aber der Nießbraucher in der
geschilderten Weise in Rechtsgemeinschaft mit dem Gesellschafter, verfügt er
insbesondere regelmäßig über Nutzungs- und Verwertungsrechte, die er
eigenständig gegenüber der Gesellschaft geltend machen kann, so spricht dies
dafür, die Gesellschafterliste in gleicher Weise auch für ihn zur
Legitimationsgrundlage im Verhältnis zur Gesellschaft aufzuwerten. Zumindest
aber besteht ein anerkennenswertes erhebliches Bedürfnis des Rechtsverkehrs,
die Rechtsposition des Nießbrauchers in der Gesellschafterliste zu vermerken.
Sowohl für den Nießbraucher als auch für die Gesellschaft erleichtert seine
Eintragung in dieser Liste vor allem die Geltendmachung und Berücksichtigung
des Rechtes des Nießbrauchers auf Zuweisung des Gewinns (so auch
Reymann, Gutgläubiger Erwerb und Rechte an GmbH-Geschäftsanteilen, WM
2008, 2095, 2102). Das entspricht der Regelung bezüglich des Aktienregisters.
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Auch in § 67 Abs. 2 AktG ist ausdrücklich nur davon die Rede, dass der
Gesellschafter (Aktionär) in das Aktienregister einzutragen ist. Dennoch kann
nach h.M. das Nießbrauchsrecht in das Aktienregister eingetragen werden. Die
Eintragung sei, so lautet hier die Begründung, sowohl für die Aktiengesellschaft
als auch für den Nießbraucher von Vorteil und aus Gründen der
Rechtssicherheit gerechtfertigt, da sie z.B. den Streit über die Rechtmäßigkeit
einer Dividendenzahlung an den Nießbraucher vermeide und so verhindere,
dass die Gesellschaft das Risiko der unwirksamen Auszahlung tragen müsse
(Bayer in MünchKomm. z. AktG, 3. Aufl. 2008, § 67 Rn. 30; Hüffer, AktG, 8. Aufl.
2008, § 67 Rn. 9). Für den Nießbraucher bezüglich des GmbH-Geschäftsanteils
gilt Entsprechendes. Dass eine solche Eintragung die gebotene Klarheit der
Gesellschafterliste, auf die ähnlich dem Gebot der Registerklarheit Bedacht zu
nehmen ist, beeinträchtigen könnte, ist nicht ersichtlich.
2.
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Dass eine Ausweitung des gesetzlich vorgeschriebenen Inhalts der
Gesellschafterliste nicht zu eng zu handhaben ist, erhellt der Blick auf
Veränderungen bezüglich der Gesellschafter. Auch hier gilt, dass die Eintragung
solcher Veränderungen in die Gesellschafterliste nicht ausdrücklich
vorgeschrieben ist. Dennoch wird eine entsprechende Erweiterung in der Praxis
als sinnvoll und zulässig angesehen (Wachter ZNotP 2008, 378, 385 mit
Hinweis auf den Vorschlag des DAV, NZG 2007, 735, 738).
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3.
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Schließlich entspricht die Eintragungsfähigkeit des Nießbrauchs am GmbH-
Geschäftsanteil dem Grundsatz der Eintragungsfähigkeit des Nießbrauchs am
Kommanditanteil in das Handelsregister (vgl. hierzu Lindemeier RNotZ 2001,
155, 157; Kruse, RNotZ 2002, 69, 81; sowie LG Aachen, Beschl. v. 28.04.03 - 44
T 6/03)
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Aachen, den 06.04.2009
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