Urteil des LG Aachen vom 08.06.2009

LG Aachen: treu und glauben, zwangsvollstreckung, neues vorbringen, kaufvertrag, zivilprozessordnung, präsidium, vertretung, kaufpreis, sicherheitsleistung, zwangsversteigerung

Landgericht Aachen, 3 T 47/09
Datum:
08.06.2009
Gericht:
Landgericht Aachen
Spruchkörper:
3. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
3 T 47/09
Vorinstanz:
Amtsgericht Aachen, 18 K 246/07
Schlagworte:
Präsidium, Rechtspfleger, Verteilung der Geschäfte,
Geschäftsverteilung, gesetzlicher Rechtspfleger
Normen:
ZVG § 95; ZVG § 100; GVG § 21 e; GG Art. 101 Abs. 1
Leitsätze:
Die Vorschriften üer das Präsidium sind auf die Verteilung der Geschäfte
der Rechtspfleger nicht entsprechend anwendbar.
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird zurückgewiesen.
Der Beteiligte zu 1) hat die gerichtlichen Kosten und Auslagen des
Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
1
I.
2
Auf Antrag der Beteiligten zu 2) ordnete das Amtsgericht Aachen mit Beschluss vom
7. September 2007 (Bl. 4 d.A.) die Zwangsversteigerung der oben näher bezeichneten
Immobilie des Beteiligten zu 1) wegen dinglichen Anspruches aus der zu Gunsten der
Beteiligten zu 2) unter Nr. III/21 im Grundbuch (über einen Betrag von 1.800.000,00 €
nebst 18 % Jahreszinsen seit dem 2. September 2003) eingetragenen Grundschuld an.
Die Beteiligte zu 2) betreibt insoweit die Zwangsvollstreckung aus einer dem Beteiligten
zu 1) am 24. Januar 2004 zugestellten vollstreckbaren Ausfertigung der Urkunde des
Notars XXXXX in Aachen vom 2. September 2003 – UR.-Nr.: XXX (Bl. 207 d.A.). Der
Anordnungsbeschluss wurde dem Beteiligten zu 1) zusammen mit einer
Rechtsmittelbelehrung am 15. September 2007 zugestellt (Bl. 6 d.A.). Im Rahmen des
Verfahrens zur Bestimmung des Verkehrswerts der Immobilie beauftragte das
Amtsgericht durch Beschluss vom 17. Oktober 2007 den Sachverständigen Dipl.-Ing.
XXXXX aus Düren mit der Erstellung eines Verkehrswertgutachtens. Der
Sachverständige legte sein Gutachten unter dem 18. Dezember 2007 (Bl. 26 – 88 d.A.)
vor und schätzt darin den Wert der Immobilie einschließlich Zubehör auf insgesamt
3
1.718.600,00 €. Entsprechend den gutachterlichen Feststellungen setzte das
Amtsgericht den Verkehrswert durch Beschluss vom 29. Januar 2008 auf 1.715.000,00 €
zuzüglich 3.660,00 € Zubehör fest (Bl. 92 d.A.). Die hiergegen gerichtete sofortige
Beschwerde des Beteiligten zu 1) wies das erkennende Beschwerdegericht durch
Beschluss vom 28. März 2008 zurück (Bl. 109 ff. d.A.). Unter dem 9. Juli 2008 bestimmte
das Amtsgericht Aachen Termin zur Zwangsversteigerung auf Dienstag, den 11.
November 2008 – 11:00 Uhr (Bl. 121 d.A.). Die Terminsbestimmung wurde dem
Beteiligten zu 1) ausweislich entsprechender Postzustellungsurkunde am 12. Juli 2008
im Wege der Ersatzzustellung durch Einwurf in den Briefkasten zugestellt (Bl. 130 d.A.).
Die Terminsbestimmung wurde ferner öffentlich bekannt gemacht durch Aushang an
Gerichts- und Gemeindetafel sowie im Internet, eingestellt spätestens seit dem 15. Juli
2008 (Bl. 125 d.A.). Unter dem 14. Oktober 2008 verfügte die Rechtspflegerin im
Übrigen Mitteilungen nach § 41 ZVG an die Beteiligten (Bl. 135 d.A.). Unter dem 7.
November 2008, eingehend am 10. November 2008 stellte der Beteiligte zu 1) unter
Hinweis auf den Versteigerungstermin vom 11. November 2008 Antrag auf Gewährung
von Vollstreckungsschutz mit der Begründung, durch die Versteigerung verliere er seine
Existenz (Bl. 143 f. d.A.). Es stehe im Übrigen ein Käufer bereit, dem innerhalb kürzester
Frist eine Finanzierungszusage gemacht werden könne; aus dem Erlös werde eine
höhere Befriedigung der Gläubigerin erzielt werden als im Falle der Versteigerung.
Durch weiteres Schreiben vom 7. November 2008, eingehend am 10. November 2008
(Bl. 145 – 147 d.A.) stellte der Beteiligte zu 1) im Übrigen Antrag auf "vorsorgliche
Belehrung über die Verpflichtung zur Beachtung der §§ 59, 66, 78 ZVG". Er bestehe auf
einem ordentlichen Verfahren und der Einhaltung der genannten Vorschriften. Durch
weiteres Schreiben vom 7. November 2008, eingehend am 10. November 2008 (Bl. 148
f. d.A.) erklärte der Beteiligte zu 1), er optiere dahingehend, dass er auf die
Steuerbefreiung verzichte und der Grundstückserwerb damit mehrwertsteuerpflichtig sei.
Im Versteigerungstermin vom 11. November 2008, der von der geschäftsplanmäßig in
erster Linie zuständigen Rechtspflegerin, Frau XXXXX XXXXX, durchgeführt wurde,
erschienen sodann u.a. der Beteiligte zu 1) in Begleitung seines
Verfahrensbevollmächtigten, Terminsvertreter der Beteiligten zu 2), der
Zwangsverwalter, ferner Herr XXXXX XXXXX mit Bietungsvollmacht für den Beteiligten
zu 3) und Frau XXXXX mit Bietungsvollmacht für Herrn Dr. XXXXX aus Heidelberg. Die
Versteigerungsbedingungen, wegen deren Einzelheiten auf das
Versteigerungsprotokoll (Bl. 150 – 172 d.A.) ergänzend Bezug genommen wird, sahen
für das geringste Gebot keine bestehen bleibenden Rechte Dritter und einen durch
Zahlung zu berichtigenden Betrag von 60.000,00 € vor. Im Termin legte der Beteiligte
zu 1) weitere 8 Antrags- bzw. Rechtsmittelschriftsätze vor (Bl. 173 ff. d.A.). Darin rügte er
unter anderem, er habe keine Mitteilung über die Terminsbestimmung erhalten; er
erhebe die Einrede der Verjährung; er erhebe Vollstreckungserinnerung und stelle
Antrag nach § 765a ZPO; er verliere seine Existenz durch die Versteigerung, er verliere
seine Erwerbsgrundlage und stelle Antrag nach § 765a ZPO; die Versteigerung
verstoße gegen das BSHG; es sei im nicht bekannt, wann die Judikative in Deutschland
ihre Macht erhalten habe; es müsse festgestellt werden, dass diverse Tatsachen
"offenkundig" seien. Ferner erklärte der Beteiligte zu 1) dem Gericht schriftsätzlich
ausführlich seine Weltanschauung zum Thema des seines Erachtens in Deutschland
anwendbaren Rechts und legte Vollstreckungserinnerung ein, da zum einen über eine
Feststellungsklage noch nicht entschieden sei und da im Hinblick auf seine
vorangegangenen Ausführungen alle gerichtlichen Handlungen nichtig seien. Das
Gericht forderte sodann um 11:12 Uhr zur Abgabe von Geboten auf. Bis zum Ende der
Versteigerung um 11:59 Uhr blieb der Beteiligte zu 3), vertreten durch Herrn XXXXX,
Meistbietender mit einem durch Zahlung zu berichtigenden Betrag von 1.200.000,00 €.
Das höchste im Termin abgegebene Gebot von Herrn Dr. XXXXX hatte 1.090.000,00 €
betragen (Bl. 162 d.A.). Das Amtsgericht Aachen beraumte nach Schluss der
Versteigerung im Hinblick auf die Eingaben des Beteiligten zu 1) Termin zur
Verkündung der Entscheidung über den Zuschlag an auf den 25. November 2008. Die
Rechtspflegerin half den Vollstreckungserinnerungen des Beteiligten zu 1) im Übrigen
nicht ab. Die Beteiligte zu 2) trat den Anträgen des Beteiligten zu 1) durch Schriftsatz
vom 24. November 2008 ausführlich begründet entgegen. Durch Beschluss vom 13.
November 2008 wies der Richter bei dem Vollstreckungsgericht Aachen die
Erinnerungen des Beteiligten zu 1) zurück (Bl. 209 ff. d.A.).
Im Termin vom 25. November 2008 erschienen der Beteiligte zu 1) und sein
Verfahrensbevollmächtigter. Sie legten im Original einen Kaufvertrag, beurkundet durch
Notar Dr. XXXXX XXXXX in Düsseldorf am 19. November 2008 – UR.-Nr.: 3532/08 –
vor (Bl. 215 – 225, 255 d.A.), ausweislich dessen der Beteiligte zu 1) das
verfahrensgegenständliche Objekt Herrn Dr. XXXXX in Heilbronn zum Preis von
1.240.000,00 € verkaufte. Dieser Kaufvertrag sieht die Ablösung der aktuell unter III Nr.
21, 22 und 23 eingetragenen Grundpfandrechte vor. Die Fälligkeit des Kaufpreises
hängt unter anderem von der Eintragung einer Auflassungsvormerkung zugunsten des
Erwerbers und dem Vorliegen der Löschungsbewilligungen der
Grundpfandrechtsgläubiger ab. Die Treuhandauflagen der Gläubiger der Rechte III Nr.
22 und 23 sehen vor, dass vom Kaufpreis 10.000,00 € an die Gläubigerin des Rechts III
Nr. 22 und 57.690,25 € an die Gläubigerin des Rechts III Nr. 23 gezahlt werden müssen,
von beiden Gläubigerinnen liegen Löschungsbewilligungen bereits vor. Eine
Löschungsbewilligung der Beteiligten zu 2) fehlt indes. Diese ist nach dem Vertrag auch
nur dann vorgesehen, wenn die Beteiligte zu 2) sich mit einem Ablösungsbetrag von
1.172.309,75 € zufrieden gibt. Der Beteiligte zu 1) gab an, die Löschungsbewilligung
werde alsbald nachgereicht und der gesamte Kaufpreis bis zum 2. Dezember 2008
gezahlt werden. Das Vollstreckungsgericht vertagte den Verkündungstermin daraufhin
bis zum 2. Dezember 2008. Die Beteiligte zu 2) weigerte sich allerdings ausdrücklich,
die Löschung zu bewilligen und begehrt, dass der Zuschlag an den Beteiligten zu 3)
erteilt werde. Sie wies darauf hin, dass der Schuldner zwar noch keine Eintragung einer
Auflassungsvormerkung zugunsten des Erwerbers XXXXX beantragt habe, wohl aber
die Eintragung einer Eigentümergrundschuld mit einem Betrag von 50.000,00 €, so dass
er jederzeit die Durchführung des Kaufvertrages verhindern könne; auch gebe es keine
gesicherte Finanzierungszusage. Unter dem 1. Dezember 2008 erhob der Beteiligte zu
1) sofortige Beschwerde (Bl. 268 d.A.) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Aachen
vom 13. November 2008 und lehnte die Rechtspflegerin des Amtsgerichts unter dem 2.
Dezember 2008 wegen Besorgnis der Befangenheit ab (Bl. 269 d.A.). Die
Rechtspflegerin vertagte den Verkündungstermin auf den 7. Januar 2009, später auf den
20. Januar 2009. Am 12. Dezember 2008 wurde sodann die beantragte
Eigentümergrundschuld zugunsten des Beteiligten zu 1) unter III Nr. 24 im Grundbuch
eingetragen. Zwischenzeitlich hatte der Richter bei dem Vollstreckungsgericht das
Ablehnungsgesuch durch Beschluss vom 3. Dezember 2008 zurückgewiesen (Bl. 274 ff.
d.A.). Auch hiergegen erhob der Beteiligte zu 1) sofortige Beschwerde unter dem 23.
Dezember 2008 (Bl. 289 d.A.). Das erkennende Beschwerdegericht wies beide
sofortigen Beschwerden des Beteiligten zu 1) durch Beschlüsse vom 16. Januar 2009 (3
T 423/08, Bl. 299 ff. d.A., und 3 T 459/08, Bl. 304 f. d.A.) zurück. Eine gegen den in dem
Beschwerdeverfahren 3 T 423/08 gefassten Beschluss erhobene Anhörungsrüge des
Beteiligten zu 1) verwarf das erkennende Beschwerdegericht durch Beschluss vom 9.
März 2009 (Bl. 370 f. d.A.). Der Beteiligte zu 1) legte dem Vollstreckungsgericht vor dem
Termin vom 20. Januar 2009 eine Mitteilung des beurkundenden Notars Dr. XXXXX
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vom 16. Januar 2009, der zufolge bis auf die von der Beteiligten zu 2) zu erteilende
Löschungsbewilligung und Antragsrücknahme alle Fälligkeitsvoraussetzungen
vorlägen. Durch am 20. Januar 2009 durch Herrn XXXXX XXXXX verkündeten
Beschluss (Bl. 332 ff. d.A.) erteilte das Amtsgericht Aachen gleichwohl dem Beteiligten
zu 3) den Zuschlag über die verfahrensgegenständliche Immobilie für einen durch
Zahlung zu berichtigenden Betrag von 1.200.000,00 €, zu verzinsen bis zum
Verteilungstermin mit 4 % Jahreszinsen. In dem Beschluss weist das Gericht die auf
§ 765a ZPO gestützten Anträge des Beteiligten zu 1) vom 7. November 2008 und aus
dem Versteigerungstermin zurück. Hintergrund der Vertretung war, dass Frau XXXXX
XXXXX dienstunfähig erkrankt war. Der Geschäftsverteilungsplan des Amtsgerichts
Aachen für die in Zwangsversteigerungssachen tätigen Rechtspfleger sieht eine
Vertretung nur für den Fall des Erholungsurlaubs oder einer Fortbildung vor,
wohingegen außerplanmäßige Vertretungen durch besondere Verfügung des
Gruppenleiters geregelt werden. Der Gruppenleiter, Herr XXXXX selbst, hatte die
Vertretung dahingehend geregelt, dass er Frau XXXXX in der krankheitsbedingten
Fehlzeit ab dem 16. Januar 2009 in den Sachen mit der Endziffer 6 vertritt.
Gegen den seinem Verfahrensbevollmächtigten am 22. Januar 2009 zugestellten
(Bl. 341 d.A.) Zuschlagsbeschluss legte der Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz vom
2. Februar 2009, eingegangen bei Gericht am 3. Februar 2009 (Bl. 346 d.A.) sofortige
Beschwerde ein. Zur Begründung führt er aus, der Zuschlagsbeschluss sei unter
Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters zustande gekommen. Das
Amtsgericht Aachen verfüge schon nicht über einen Geschäftsverteilungsplan im Sinne
von §§ 21e ff. GVG; ferner sei sein Vollstreckungsschutzantrag zu Unrecht abgelehnt
worden, sei doch zwischenzeitlich ein Kaufvertrag zu einem höheren Kaufpreis
abgeschlossen worden, als in der Versteigerung an Erlös erzielt, hinsichtlich dessen
Durchführung es lediglich noch an der Freigabe der Beteiligten zu 2) fehle; diese
Freigabe verweigere die Beteiligte zu 2) wider die guten Sitten sowie Treu und Glauben;
Herr Dr. XXXXX habe durch Hinterlegung einer Sicherheitsleistung im Termin seine
Bonität erkennen lassen; der Vollstreckungstitel erfasse schließlich gar nicht das
Versteigerungsobjekt, sondern nur ein Objekt an der XXXXX Straße 27; fehlerhaft sei es
auch gewesen, die Anträge des Beteiligten zu 1) im Termin nicht vollständig zu
verlesen, sondern nur dem wesentlichen Inhalte nach bekannt zu geben und die
Einsichtnahme zu ermöglichen; auch hätten die Anträge des Beschwerdeführers noch
im Termin beschieden werden müssen; ferner sei ein zweifelsfreier Nachweis zu führen,
ob ZVG und ZPO anwendbar seien, fehle es der ZPO doch seit Streichung von § 1
EGZPO an einem Anwendungsbereich. Das Beschwerdegericht hat eine
Stellungnahme der Direktorin des Amtsgerichts Aachen zu der Frage eingeholt, welcher
Rechtspfleger zuständig gewesen sei. Die Direktorin hat unter dem 23. März 2009
Stellung genommen (Bl. 420 – 422 d.A.).
5
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
6
II.
7
Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist gemäß §§ 95 ZVG, 793, 567 ff. ZPO,
11 Abs. 1 RPflG statthaft und auch im Übrigen in formeller Hinsicht unbedenklich.
8
In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Gemäß § 100 Abs. 1 ZVG kann die
sofortige Beschwerde gegen einen Zuschlagsbeschluss nur darauf gestützt werden,
dass eine der Vorschriften der §§ 81, 83 - 85 a ZVG verletzt oder dass der Zuschlag
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unter anderen als den der Versteigerung zugrunde gelegten Bedingungen erteilt worden
ist. Diese Aufzählung der Beschwerdegründe ist erschöpfend. Deshalb dürfen nur sie
vom Beschwerdegericht nachgeprüft werden, wobei eine Verletzung der §§ 81, 83 Nr. 1
- 5, 84 - 85 a ZVG zusätzlich nur dann zu beachten ist, wenn eine entsprechende
Rechtsverletzung von dem Beschwerdeführer ausdrücklich gerügt worden ist. Lediglich
die in § 83 Nr. 6 und Nr. 7 ZVG bezeichneten Versagungsgründe hat das
Beschwerdegericht von Amts wegen zu berücksichtigen (§ 100 Abs. 3 ZVG). Eine den
genannten Grundsätzen entsprechende Überprüfung des angefochtenen Beschlusses
lässt jedoch keine Rechtsfehler zum Nachteil des Beschwerdeführers erkennen.
(1) Zu Unrecht rügt der Beschwerdeführer, der Zuschlagsbeschluss sei unter Verstoß
gegen sein Grundrecht auf den gesetzlichen Richter zustande gekommen, Art. 101 GG.
Der angefochtene Zuschlagsbeschluss ist insoweit nicht unter Verletzung der gemäß
§ 100 Abs. 3 ZVG von Amts wegen zu beachtenden Bestimmung des § 83 Nr. 6 ZVG
erfolgt. Zutreffend ist zwar, dass der Schuldner weder dem gesetzlichen Richter, noch
seinem gesetzlichen Rechtspfleger entzogen werden darf und dass solche
Entscheidungen, die nicht von lediglich untergeordneter Bedeutung sind, nicht durch
einen unzuständigen Rechtspfleger getroffene werden dürfen (vgl. Stöber, ZVG, 18.
Auflage 2006, Einl. 47.2.). Ein solcher Verstoß lag aber nicht vor.
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Das Amtsgericht Aachen hat entgegen den Ausführungen des Beteiligten zu 1) einen
Geschäftsverteilungsplan für die Geschäfte der Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger,
der den gesetzlichen Anforderungen genügt. Soweit der Schuldner rügt, er habe nicht
feststellen können, dass das Amtsgericht Aachen einen nach den Vorschriften der §§
21e ff GVG zustande gekommenen Geschäftsverteilungsplan habe, ist darauf
hinzuweisen, dass das Präsidium eines Gerichts (§§ 21 a ff. GVG) die richterlichen
Geschäfte verteilt, nicht die Geschäfte der Rechtspfleger und sonstigen Beamten oder
Justizbeschäftigten, und zwar auch dann nicht, wenn sie der Sache nach richterliche
Aufgaben wahrnehmen. Die Vorschriften über das Präsidium sind auf die Verteilung der
Geschäfte der Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger nicht entsprechend anwendbar,
diese Geschäfte werden vielmehr durch das zuständige Justizverwaltungsorgan
bestimmt (vgl. Zöller-Lückemann, GVG § 21e Rdn. 33 a.E.; BVerwGE 19, 112;
Dallmeyer-Eickmann, RPflgG, 1996, § 1 Rdn. 82; zweifelnd Arnold/ Meyer-Stolte,
RPflgG, 6. Auflage 2002, § 2 Rdn. 27, 30). Soweit der Beschwerdeführer rügt, dass
aufgrund der Annäherung des Rechtspflegers als solchem an die Position des Richters
aufgrund der Wahrnehmung materieller Rechtsprechungsaufgaben auch die Geschäfte
der Rechtspfleger durch ein eigens hierfür zu bildendes Präsidium zu verteilen seien,
anderenfalls der Anspruch auf den gesetzlichen Rechtspfleger in Gefahr sei, vermag
sich die Kammer dem de lege lata nicht anzuschließen.
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Die nach dem Vorgesagten erforderliche Bestimmung der Geschäftsverteilung durch die
Justizverwaltung erfolgt in Nordrhein Westfalen nach Maßgabe der AV des
Justizministeriums über die Geschäftsverteilung unter den Rechtspflegern vom 13.
Oktober 1976 (3012 - I B. 11) - JMBl. NW S. 242 – dergestalt, dass der jeweilige
Präsident oder Direktor des Gerichts jedem Rechtspfleger einen genau abgegrenzten
Bereich der Rechtspflegergeschäfte zuweist (Geschäftsverteilung). Die
Geschäftsverteilung wird dabei grundsätzlich für die Dauer eines Geschäftsjahres
vorgenommen; einer erneuten Geschäftsverteilung bedarf es nicht, wenn keine
Änderungen vorgesehen sind. Nach Ziffer 2. der genannten AV ist im Rahmen der
Geschäftsverteilung für den Fall der Verhinderung eines Rechtspflegers eine
Vertretungsregelung zu treffen. Soweit aber im Einzelfall eine weitere
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Vertretungsregelung erforderlich wird, obliegt diese dem Präsidenten oder dem Direktor
des Gerichts. Zutreffend ist, dass die Krankheitsvertretung vorliegend nicht durch die
Direktorin selbst geregelt wurde, sondern durch den geschäftsplanmäßig für
Immobiliarzwangsvollstreckungssachen bestellten Gruppenleiter JOAR XXXXX.
Allerdings sieht der Geschäftsverteilungsplan des Amtsgerichts Aachen unter
"B. Justizverwaltung – VI. Gruppenleitungen" vor, dass die Regelung der Krankheits-
und Urlaubsvertretung (soweit nicht gruppenübergreifend) dem Gruppenleiter obliege.
Ausweislich der durch das Beschwerdegericht auf die Rüge des Beschwerdeführers
eingeholten Stellungnahme der Direktorin des Amtsgerichts Aachen vom 23. März 2009
sieht im Übrigen der (öffentlich einsehbare) Geschäftsverteilungsplan des Amtsgerichts
Aachen für Zwangsversteigerungsverfahren mit der Aktenzeichen-Endziffer 6
grundsätzlich die Zuständigkeit der Frau XXXXX XXXXX, vertreten durch Frau XXXXX
XXXXX, vor. Frau XXXXX hat auch den Versteigerungstermin durchgeführt.
Geschäftsplanmäßiger Vertreter der Rechtspflegerin ist grundsätzlich Frau XXXXX
XXXXX. Ausweislich der Stellungnahme der Direktorin des Amtsgerichts Aachen erfasst
die geschäftsplanmäßige Vertretung allerdings ausschließlich reguläre
Verhinderungsfälle wie Erholungsurlaub oder Tagungen (Bl. 421 d.A.). Im Zeitpunkt der
Verkündung des Zuschlagsbeschlusses lag allerdings ein außerordentlicher
Vertretungsfall in Gestalt der Erkrankung der zuständigen Rechtspflegerin vor. Die
Vertretung wurde daher durch besondere Verfügung des Gruppenleiters, Herrn XXXXX
XXXXX, durch E-Mail vom 16. Januar 2009 (Bl. 422 d.A.) geregelt. Soweit der
Beschwerdeführer sich auf ein Schreiben der Direktorin des Amtsgerichts Aachen vom
10. Februar 2009 beruft, in dem es heißt, zuständig sei Frau XXXXX, so folgt hieraus
nichts Gegenteiliges. Dieses Schreiben beantwortet ersichtlich nichts weiter als die vom
Beteiligten zu 1) zuvor aufgeworfene Frage, wer in erster Linie für das fragliche
Verfahren zuständig war, nicht hingegen die Frage, ob ein (regulärer) Vertretungsfall
vorlag.
13
Dass schließlich ein anderer Rechtspfleger als derjenige, der den Versteigerungstermin
durchgeführt hat, den Zuschlag verkündet hat, steht der Wirksamkeit und der
Gesetzmäßigkeit des Zuschlagsbeschlusses ebenfalls nicht entgegen. Die Kammer hält
an ihrer Rechtsprechung fest, dass dies grundsätzlich zulässig ist, weil der
Zuschlagsbeschluss anders als ein Urteil nicht aufgrund des Versteigerungstermins
ähnlich einer mündlichen Verhandlung ergeht, sondern lediglich nach dem
Versteigerungstermin und aufgrund des Versteigerungsprotokolls (vgl. Kammer,
Rechtspfleger 1986, 59; Stöber, ZVG, § 87 Rdn. 3.10).
14
(2) Der angefochtene Zuschlagsbeschluss ist ferner auch nicht im Hinblick auf die Rüge
des Beschwerdeführers, sein Vollstreckungsschutzantrag sei zu Unrecht abgelehnt
worden, unter Verletzung der gemäß § 100 Abs. 3 ZVG von Amts wegen zu
beachtenden Bestimmung des § 83 Nr. 6 ZVG ergangen, der eine Zuschlagsversagung
für den Fall vorsieht, dass die Zwangsversteigerung aus einem "sonstigen Grunde"
unzulässig ist. Dazu gehören insbesondere Verstöße gegen die Voraussetzungen der
Zwangsvollstreckung als Erfordernisse der Verfahrensanordnung und –durchführung
und alle Hinderungsgründe, die den Fortgang der Zwangsvollstreckung aufhalten, somit
die Schuldnerinteressen wahrenden Aufhebungs- und Einstellungsgründe (vgl. Stöber,
Zwangsversteigerungsgesetz, 18. Auflage 2006, § 83 Rdn. 4). Die Versteigerung ist
insoweit insbesondere nicht gemäß § 83 Nr. 6 ZVG i.V.m. § 765a ZPO unzulässig
gewesen. Nach § 765a ZPO kann eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme auf Antrag
des Schuldners nur dann ganz oder teilweise aufgehoben, untersagt oder einstweilen
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eingestellt werden, wenn diese Maßnahme unter voller Würdigung des
Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte
bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Mit Härten, die jede
Zwangsvollstreckung mit sich bringt, muss sich ein Schuldner hingegen abfinden. Für
die Anwendung des § 765a ZPO genügen daher weder allgemeine wirtschaftliche
Erwägungen noch soziale Gesichtspunkte.
Soweit der Beteiligte zu 1) einen Kaufvertrag vorgelegt hat, der einen Kaufpreis von
1.240.000,00 € vorsieht, ist allerdings zutreffend, dass bei dessen umfassender
Durchführung der Schuldner – in angesichts des Gesamtumfanges der Schulden
geringfügigem Maße – finanziell besser stünde als bei Fortsetzung des
Versteigerungsverfahrens, welches ein um 40.000,00 € geringeres Meistgebot von
1.200.000,00 € erbracht hat. Sofern einem Gläubiger allerdings im Einzelfall möglich
und zumutbar ist, unter Wahrung aller seiner Belange in einer Art Befriedigung zu
erlangen, deren Auswirkungen geringer belasten als andere Maßnahmen, so hat er
grundsätzlich diese Verwertung zu wählen, denn auch der betreibende Gläubiger hat
die berechtigten Belange des Sicherungsgebers zu berücksichtigen, sofern nicht eigene
Sicherungsinteressen entgegenstehen (BGH NJW 1997, 2672 [2672]). Entscheidend ist
allerdings, dass der Gläubiger ausreichend gesichert bleibt und der Schuldner nicht
Gelegenheit erhält, durch das Aufstellen von Bedingungen Zeit zu gewinnen, ohne dass
eine tatsächliche Befriedigung gefördert wird (vgl. OLG Koblenz RPfleger 1986, 62).
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Vorliegend verweist die Beteiligte zu 2) zu Recht darauf, dass sie bei Freigabe des
Grundstückes aus der Haftung gerade nicht im vorgenannten Sinne ausreichend
gesichert wäre. Zu Recht stellt das Amtsgericht im angefochtenen Beschluss darauf ab,
dass der Schuldner selbst und im Nachgang zu dem Kaufvertrag vom 19. November
2008 dafür gesorgt hat, dass die unverzügliche Abwicklung des Vertrages in sein
Ermessen gestellt ist. Er hat sich nämlich – mit Rang vor der im Kaufvertrag vom
19. November 2008 als Fälligkeitsvoraussetzung genannten Auflassungsvormerkung –
des Herrn Dr. XXXXX eine Eigentümergrundschuld im Wert von 50.000,00 € bewilligt.
Ein seriöser Sinn für diese Grundpfandrechtsbestellung ist absolut nicht ersichtlich. Sehr
wohl ist aber erkennbar, dass der Schuldner durch dieses Grundpfandrecht in die Lage
versetzt wurde und offenbar auch werden sollte, den Eintritt der Voraussetzungen für die
Fälligkeit des Kaufpreisanspruches auf unbestimmte Zeit zu verzögern, ist diese doch
nach dem vorgelegten Kaufvertrag von der Tatsache abhängig, dass die Unterlagen zur
Löschung aller nicht übernommenen Lasten vorliegen (§ 3 Nr. 2 3. Spiegelstrich des
Vertrages). Der Beteiligte zu 1) hat jedoch für eine im Vertrag nicht genannte weitere
Belastung gesorgt, hinsichtlich derer nur er selbst die Löschung bewilligen konnte. Die
Beteiligte zu 2) hat den entsprechenden Verdacht einer unlauteren Absicht in aller
Deutlichkeit geäußert, ohne dass der Schuldner es für nötig befunden hätte, hierzu
Stellung zu nehmen und einen für die übrigen Beteiligten und das Gericht
nachvollziehbaren Grund für sein Benehmen darzutun. Auch die
Beschwerdebegründung schweigt hierzu. Wohl ist zutreffend, dass das Grundpfandrecht
zwischenzeitlich kommentarlos wieder gelöscht wurde. Dieses Vorbringen ist allerdings
bereits präkludiert, weil es sich um ein unzulässiges Nachschieben von Gründen im
Rahmen einer auf (auch) § 765a ZPO gestützten Zuschlagsbeschwerde handelt. Wohl
kann eine Beschwerde grundsätzlich auf neues Vorbringen gestützt werden, § 571 Abs.
2 S. 1 ZPO, eine Zuschlagsbeschwerde indes nur eingeschränkt: insbesondere ist
Sachvortrag zur Begründung eines Antrages gemäß § 765a ZPO nur insoweit möglich
als er der Ergänzung eines bereits gestellten Antrages in Gestalt etwa der Vorlage
weiterer Unterlagen handelt. Ausgeschlossen ist es hingegen einen mit der Beschwerde
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weiter verfolgten Schutzantrag auch auf solche neue Tatsachen zu stützen, die zeitlich
nach dem Zuschlagsbeschluss liegen. Indes ist die Löschung des Grundpfandrechts
des Beteiligten zu 1) erst am 19. Februar 2009 erfolgt, folglich zu spät.
Abgesehen davon hätte die Kammer aber auch bei einer rechtzeitigen Löschung des
Rechts dem Schutzantrag des Beteiligten zu 1) nicht entsprochen. Dabei ist
insbesondere darauf hinzuweisen, dass der Kaufpreis nicht etwa zu Gunsten der
Beteiligten zu 2) auf einem Notaranderkonto (gegebenenfalls in Verbindung mit einer
unwiderruflichen Auszahlungsanweisung) hinterlegt ist (Verstoß gegen § 765a ZPO
bejaht in diesem Falle von OLG Koblenz RPfleger 1985, 499) und die Beteiligte zu 2)
daher nicht hinreichend gesichert wäre. Soweit der Beteiligte zu 1) die Tatsache
hervorhebt, dass Herr Dr. Silcher eine Sicherheitsleistung im Termin in Höhe von
173.000,00 € erbracht habe, dass er einer "namhaften Anwaltskanzlei aus Heilbronn"
angehöre und bereits die Grunderwerbssteuer gezahlt habe und dass aus alledem
schon seine Bonität ersichtlich sei, ist darauf zu verweisen, dass er zwar eine
Sicherheitsleistung erbracht haben mag, im Versteigerungstermin allerdings lediglich
ein Gebot von 1.090.000,00 € abgeben wollte oder konnte. Herr Dr. XXXXX hatte im
Versteigerungstermin die Möglichkeit, das Grundstück – möglicherweise sogar billiger
als nunmehr kaufvertraglich vereinbart – zu erwerben, hat dies indes nicht versucht.
Angesichts dessen überzeugen die von der Beteiligten zu 2) geäußerten Zweifel an der
Einschätzung des Beteiligten zu 1), dass die Finanzierung durch Dr. XXXXX kein
Problem sei. Insbesondere ist eine gesicherte Finanzierung zu keinem Zeitpunkt
nachgewiesen worden, worauf auch der Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts vom 20.
Januar 2009 hinweist, obwohl eine solche angeblich innerhalb einer Woche ab dem 25.
November 2008 hätte vorgelegt werden sollen (Bl. 258 d.A.). Soweit man dies
berücksichtigt, bestehen deutliche Zweifel daran, ob Herr Dr. XXXXX (willens oder) in
der Lage sein wird, nunmehr einen im Vergleich zu seinem Gebot um 150.000,00 €
höheren Preis zu bedienen. Die ungleich niedrigere Grunderwerbssteuer und
Sicherheitsleistung sind insoweit lediglich sehr schwache Indizien für hinreichende
Zahlungsfähigkeit.
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Da die Beteiligte zu 2) aufgrund des Vorstehenden keineswegs in einer solchen Weise
gesichert ist, dass sie die Freigabe nur noch zu erklären braucht, weil ihr niemand mehr
einen völlig gesicherten Geldbetrag nehmen könnte, steht es in den Grenzen von Treu
und Glauben in ihrem Ermessen, ob sie sich auf die anderweitige Verwertung einlassen
möchte oder nicht. Die Haltung der Beteiligten zu 2) ist indes absolut nicht treuwidrig.
Sie hat nach dem vorgelegten Schriftwechsel eine völlige Zerrüttung jeglichen
Vertrauensverhältnisses zwischen den Beteiligten schlüssig dargetan und es ist
nachvollziehbar, dass es durch das Verhalten des Beteiligten zu 1) hinsichtlich der
Bestellung eines Grundpfandrechts (s.o.) nochmals verschärft worden ist. Doch erfordert
die Durchführung des Kaufvertrages eine Vorleistung der Beteiligten zu 2) in
beträchtlicher Höhe an den Schuldner, dem die Beteiligte zu 2) insoweit nicht mehr
vertraut. Demgegenüber ist hinsichtlich der Einzahlung des Meistgebotes immerhin eine
Sicherheitsleistung eingezahlt und erbracht. Dass im Rahmen der Zwangsvollstreckung
gewöhnlich geringere Erträge erzielt werden als im Wege freihändigen Verkaufes, ist
nicht ungewöhnlich und, soweit nicht ganz erhebliche Diskrepanzen auftreten, auch
regelmäßig nicht zu beanstanden. Dieses Prinzip kommt in den Vorschriften der §§ 74a,
85a ZVG zum Ausdruck, nach denen eine Versteigerung auch dann zulässig ist, wenn
der Verkehrswert, der im Wege freihändigen Verkaufs regelmäßig zu erzielende Erlös,
erheblich unterschritten wird. Dem Schuldner wird demgegenüber zu Beginn des
Versteigerungsverfahrens unter ausdrücklicher Rechtsmittelbelehrung die Gelegenheit
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gegeben, die Versteigerung abzuwenden und diesbezüglich Einstellungen nach den §§
30, 30a ff. ZVG zu erwirken, gerade damit er in Vermeidung eines verschlechterten
Erlöses einen freihändigen Verkauf in die Wege leitet. Dies hat der Beteiligte zu 1) nicht
beizeiten vermocht.
Darüber hinausgehende Umstände, die eine sittenwidrige Härte im Sinne von § 765a
ZPO zu begründen geeignet wären, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich.
Insbesondere, soweit der Beteiligte zu 1) gerügt hat, er verliere mit dem Zuschlag seine
wirtschaftliche Existenz, insbesondere seine Erwerbsgrundlage, so dass die
Voraussetzungen nach § 765a ZPO vorlägen, ist nach Aktenlage ersichtlich
unbegründet, weil der Beteiligte zu 1), wie er sogar selbst ausführt, lediglich diejenigen
Härten rügt, mit denen sich ein jeder Schuldner im Rahmen der Vollstreckung abfinden
muss. Der Verlust von Vermögenswerten ist geradezu die zwangsläufige Folge der
Vollstreckung, die in dem durch die Zivilprozessordnung gesteckten Rahmen möglich
ist, bis keinerlei der Vollstreckung unterliegendes Vermögen mehr vorhanden ist. Aus
demselben Grund ist auch der Einwand, die Versteigerung verstoße gegen das BSHG,
nicht schlüssig.
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(3) Der Beschwerdeführer rügt sodann, es fehle an einem hinreichend bestimmten Titel,
welcher ihn zur Duldung der Zwangsvollstreckung in das Grundstück verpflichte,
welches zumindest auch an der Xxxxxxxxxstraße 10 liege. Diesen Einwand hat das
Amtsgericht bereits im Termin vollauf zutreffend beschieden: Die Anordnung der
Zwangsversteigerung erfolgte für das im Rubrum genannte Grundstück, eindeutig
bezeichnet durch Grundbuchblatt sowie Bezeichnung nach Flur und Flurstücknummer.
Es gibt nicht den geringsten Zweifel für die Verfahrensbeteiligten oder einen objektiv
sorgfältigen Dritten darüber, welches Grundstück Gegenstand des
Versteigerungsverfahrens und/ oder der Grundpfandrechtsbestellung ist.
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(4) Soweit der Beschwerdeführer rügt, die Rechtspflegerin habe den Termin durch das
Nichtverlesen diverser Anträge des Beschwerdeführers "manipuliert", handelt es sich
bereits nicht um einen zulässigen Zuschlagsversagungsgrund im Sinne von §§ 100
Abs. 1, 83 Nr. 1- 7 ZVG, insbesondere nicht im Sinne von § 83 Nr. 6 ZVG. Denn
hierunter fallen nur solche Verstöße gegen die Voraussetzungen der
Zwangsvollstreckung als Erfordernisse der Verfahrensanordnung und –durchführung
und alle Hinderungsgründe, die den Fortgang der Zwangsvollstreckung aufhalten, somit
die Schuldnerinteressen wahrenden gesetzlichen Einstellungs- und Aufhebungsgründe.
§ 83 Nr. 6 erfasst alle Fälle, in denen das Verfahren bei richtiger Behandlung gar nicht
angeordnet werden durfte (kein Anordnungsbeschluss, kein Beitrittsbeschluss) oder
nicht fortgesetzt werden durfte oder ausdrücklich eingestellt oder aufgehoben werden
musste (Stöber, ZVG, § 83 Rdn. 4.1.). Abgesehen davon ist aber auch in der Sache kein
zwingender Grund dafür ersichtlich, warum die Anträge des Schuldners wörtlich hätten
verlesen werden müssen. Insbesondere ist kein Anhaltspunkt dafür vorgetragen oder
sonst ersichtlich, dass dies zu einem für den Schuldner günstigeren
Versteigerungsergebnis geführt hätte.
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(5) Auch soweit der Beschwerdeführer rügt, die Rechtspflegerin hätte seine
Vollstreckungserinnerungen bereits im Versteigerungstermin durch den Richter
bescheiden lassen müssen, liegt keine aus einem sonstigen Grunde unzulässige
Versteigerung vor, §§ 100 Abs. 1, 83 Nr. 6 ZVG. Ganz abgesehen davon, dass eine
materielle Verletzung der Rechte des Beschwerdeführer schon deshalb nicht vorliegen
kann, weil seine Vollstreckungserinnerungen (bzw. seine Vollstreckungserinnerung)
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unbegründet war(en), wie vom erkennenden Beschwerdegericht bestandskräftig
beschieden durch Beschluss vom 16. Januar 2009 (3 T 423/08, Bl. 299 ff. d.A.), ist auch
nicht ersichtlich, weshalb eine Vollstreckungserinnerung, zumal wenn sie sich nicht
einmal auf Umstände bezieht, die erstmals im Termin zutage treten, sondern längst zu
einem früheren Zeitpunkt hätten geltend gemacht werden können, im Termin unter
Verschiebung aller anderen Verfahrensschritte sofort beschieden werden müsste. Dem
Erinnerungsführer geschieht hierdurch schon deshalb kein Unrecht, weil er eine für ihn
etwaig negative Zuschlagsentscheidung ohne weiteres anfechten könnte, wenn er vor
Erteilung des Zuschlages eine – begründete – Vollstreckungserinnerung erhoben hätte
und diese auch nicht rechtskräftig abschlägig beschieden wurde. Hingegen wäre es mit
einem geordneten Verfahrensablauf nicht vereinbar, einem Beteiligten zu ermöglichen,
einen Versteigerungstermin durch das Stellen zahlloser Anträge im Termin auf
unabsehbare Zeit in die Länge zu ziehen, wenn man ihm jedes Mal Anspruch auf eine
sofortige Bescheidung zuspräche, zumal die Entscheidung sogar beschwerdefähig
wäre. Dem Missbrauch wäre damit ohne jedes Bedürfnis Tür und Tor geöffnet.
(6) Schließlich rügt der Beschwerdeführer, er bestehe auf einem Nachweis darüber, in
welchem Staat die Gesetze ZPO und ZVG gelten. Die Zivilprozessordnung,
ursprünglich erlassen als Civilprocessordnung des Deutschen Reiches vom 30. Januar
1877 (RGBl. S. 244) gilt auf der Ebene von Bundesrecht als vorkonstitutionelles Recht
gemäß Art. 123 Abs. 1 GG für die Bundesrepublik Deutschland fort. Die Kammer hat
insoweit keinerlei Zweifel an der Geltung der Zivilprozessordnung für das vorliegende
Verfahren. Soweit dies nicht der Fall sein sollte, kann bzw. darf die Kammer dies
allerdings schon deshalb nicht feststellen, weil eine solche Feststellung allein dem
Bundesverfassungsgericht vorbehalten wäre, Art. 126 GG. Die Streichung von § 1
EGZPO ("Die Zivilprozessordnung tritt im Ganzen Umfange des Reichs gleichzeitig mit
dem Gerichtsverfassungsgesetz in Kraft") durch das Erste Gesetz über die Bereinigung
von Bundesrecht im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums der Justiz vom 19.
April 2006 (BGBl 2006, 866) veranlasst das Beschwerdegericht weder zu einer anderen
Einschätzung noch zu einer Vorlage des Verfahrens an das Bundesverfassungsgericht.
Die Begründung zum Gesetzesentwurf lautet (BT-Drs. 16/47, Seite 59): "Mit der
Aufhebung der aus dem 19. Jahrhundert stammenden §§ 1 und 2 des Gesetzes
betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung – EGZPO – wird das Gesetz von
überflüssigen Reichsbegriffen befreit. Die Inkrafttretensvorschrift ist vollzogen worden
und für die heutige Rechtswirklichkeit ohne Bedeutung." Die Kammer kann vor diesem
Hintergrund nicht feststellen, dass der Gesetzgeber beabsichtigt hätte, der
Zivilprozessordnung durch die Streichung einer für gegenstandslos erachteten Norm
den Anwendungsbereich zu entziehen. Als vorkonstitutionelles Bundesrecht gilt im
Übrigen auch das Zwangsversteigerungsgesetz vom 24. März 1897 (RGBl. S. 97 in der
Fassung der Bekanntmachung vom 20. Mai 1898, RGBl. S. 713) gemäß Art. 123 Abs. 1
GG als Bundesrecht fort. Dass der Beschwerdeführer all dies im Übrigen letztlich selbst
genauso sieht, zeigen durchaus seine zahlreichen auf die Vorschriften der ZPO
gestützten Anträge.
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(7) Schlussendlich sind vom Amtsgericht auch die von Amts wegen zu beachtenden
Vorschriften der §§ 83 Nr. 7, 43 Abs. 1, 73 Abs. 1 ZVG beachtet worden: Die
Bestimmung des Versteigerungstermins ist im Amtsblatt für den Regierungsbezirk Köln
mehr als 6 Wochen vor dem Versteigerungstermin bekannt gemacht worden (§ 43 Abs.
1 ZVG). Ausweislich des Versteigerungsprotokolls ist im Termin auch die 30minütige
Frist zwischen der Aufforderung zur Abgabe von Geboten und dem Zeitpunkt, in
welchem bezüglich sämtlicher zu versteigernder Grundstücke die Versteigerung
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geschlossen wird (§ 73 Abs. 1 ZVG), eingehalten worden.
(8) Die Kostenentscheidung folgt aus GKG KV 2241, 9000 ff..
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(9) Die Kammer hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, weil jedenfalls die Frage, ob
die Zuschlagserteilung vorliegend durch einen nicht aufgrund einer durch ein Präsidium
bestimmten Geschäftsverteilung sondern aufgrund einer einzelfallbezogenen
Bestimmung durch ein Justizverwaltungsorgan zum Zuge gekommenen Rechtspfleger
erfolgen durfte, von allgemeiner und grundsätzlicher Bedeutung erscheint und weil die
Frage, ob die Geschäfte der Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger solchermaßen
verteilt werden dürfen, in zumindest der Rechtslehre nicht einheitlich beurteilt wird.
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Beschwerdewert: 1.200.000,00 € (§ 3 ZPO).
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Aachen, 08.06.2009
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3. Zivilkammer
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W Vorsitzender Richter am
Landgericht
N Richter am
Landgericht
C Richter am
Landgericht
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