Urteil des LG Aachen vom 05.03.2009

LG Aachen: kreuzung, schutzwürdiges interesse, höhere gewalt, vollkaskoversicherung, kennzeichen, hauptsache, halter, golf, rückstufung, könig

Landgericht Aachen, 12 O 388/07
Datum:
05.03.2009
Gericht:
Landgericht Aachen
Spruchkörper:
12. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 O 388/07
Tenor:
Der Rechtstreit ist in der Hauptsache i.H.v. 6.900,00 € erledigt.
Die Beklagen werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger
3.507,89 € nebst Zinsen i.H.v. 5%-Punkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit dem 06.09.2007 zu zahlen und weitere 90,00 € nebst
Zinsen aus dem Betrag von 90,00 € i.H.v. 5%-Punkten über dem
jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.12.2007 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet
sind, dem Kläger sämtliche Schäden zu ersetzen, die aus der
Inanspruchnahme seiner Vollkaskoversicherung bei der W-Versicherung
AG aus Anlass des Verkehrsunfalls vom 15.08.2007 entstanden sind
und entstehen werden.
Die Beklagten werden weiter als Gesamtschuldner verurteilt, an den
Kläger 837,52 € zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 120% des jeweils zu
vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
1
Der Kläger macht Schadensersatzansprüche aus Anlass eines Verkehrsunfalls, der sich
am 15.08.2007 gegen 9.40 Uhr in Û auf der Kreuzung S-Straße / G-Straße ereignete,
geltend. Die Lichtzeichenanlage an dieser Kreuzung war zum Unfallzeitpunkt
ausgefallen.
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Der Kläger war zum Unfallzeitpunkt Eigentümer, Halter und Fahrer des PKW, Marke
VW-Golf, mit dem amtlichen Kennzeichen Nr. 1. Der Beklagte zu 1) ist Halter und Fahrer
des LKW, Marke Ford, amtliches Kennzeichen Nr. 2. Die Beklagte zu 2) ist die
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Haftpflichtversicherung des Beklagten zu 1).
Der Kläger befuhr mit seinem PKW die S-Straße aus Richtung I3 kommend in Richtung
H. In seiner Fahrtrichtung existieren zwei Fahrspuren, eine Linksabbiegerspur und eine
kombinierte Spur für die Geradeausfahrt und die Rechtsabbieger. Der Kläger befuhr die
letztere, also die rechte der beiden Fahrspuren. Er wollte geradeaus fahren. Der
Beklagte zu 1) befuhr die G-Straße. in Geradeausrichtung und überquerte die S-Straße,
aus Klägersicht gesehen von links nach rechts. Für den Beklagten zu 1) galt das
Vorschriftszeichen § 41 Abs. 2 Nr. 1 b) Zeichen 206 StVO, Stopp-Schild. Für den Kläger
war eine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h erlaubt. Auf der Kreuzung kam es zur
Kollision der beiden Fahrzeuge, die dabei beschädigt wurden. Die Beifahrerin des
Klägers, die Zeugin C, wurde verletzt.
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Der Kläger macht folgende Schadenspositionen geltend:
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Wiederbeschaffungsaufwand 7.200,00 €,
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Gutachterkosten des Sachverständigen Dr.-Ing. I 1.062,18 €,
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Mietwagenkosten B 2.300,26 €
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Kostenpauschale 50,00 €,
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Kosten für die Neuanmeldung eines Fahrzeugs 90,00 €,
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Rechtanwaltskosten 837,52 €,
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sowie den Rückstufungsschaden bei seiner Kaskoversicherung,
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den er mit 909,40 €
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für die Mehrbeträge in den Jahren 2008 bis 2023 beziffert.
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Die zuvor an die Autovermietung B vom Kläger abgetretene Forderung wurde an den
Kläger zurückabgetreten.
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Am 15.08.2007 mietete der Kläger bei der B GmbH einen VW der Gruppe 4 bis zum
31.08.2007. Am 30.08.2007 kaufte der Kläger ein anderes Fahrzeug, das er am
31.08.2007 übernahm.
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Mit Schreiben vom 24.08.2007 teilte der Kläger der Beklagten zu 2) den Schaden mit
und bat um Ausgleichung. Mit Schreiben vom 30.08.2007 wiederholte der Kläger seine
Forderung gegenüber der Beklagten zu 2) und setzte ihr eine Frist zur Zahlung bis zum
05.09.2007. Mit Schreiben vom 05.09.2007 teilte die Beklagte zu 2) mit, dass keine
Zahlung geleistet werde.
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Der Kläger behauptet, keine Möglichkeit gehabt zu haben, seinen PKW zum Stehen zu
bringen und auszuweichen, obwohl er dies noch versucht habe, was aber wegen einer
auf der Kreuzung befindlichen Verkehrsinsel mit einem hohen Bordstein und einem
Mast einer Ampelanlage nicht möglich gewesen sei. Für den Beklagten sei die S-Straße
vollständig und frei einsehbar gewesen, die Sicht sei für ihn nicht behindert gewesen.
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Die Mietdauer des Ersatzwagens entspreche der Wiederbeschaffungsdauer für ein
anderes Fahrzeug. Die Kosten für den Mietwagen seien angemessen. Der Kläger ist der
Ansicht, er habe sich nicht ein kleineres Fahrzeug anmieten müssen.
Ursprünglich hat der Kläger beantragt, die Beklagten zu verurteilen, an den Kläger
10.612,44 € nebst Zinsen i.H.v. 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem
06.09.2007 zu zahlen und die Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 430,66 € zu
zahlen. Nachdem der Kläger seine Kaskoversicherung, die W-Versicherung AG, in
Anspruch genommen hat und diese 6.900,00 € auf den Wiederbeschaffungsaufwand
des klägerischen PKW`s gezahlt hatte, erklärt der Kläger mit Schriftsatz vom
28.11.2007, bei Gericht am 03.12.2007 eingegangen, den Rechtsstreit i.H.v. 6.900,00 €
für erledigt. Nachdem der Kläger sich ein neues Fahrzeug angeschafft hatte, hat er die
Klage mit Schriftsatz vom 28.11.2007, den Beklagten am 05.12.2007 zugestellt, i.H.v.
999,40 € erweitert.
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Nunmehr beantragt der Kläger,
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1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, den verbleibenden Betrag
i.H.v. 3.712,44 € nebst Zinsen i.H.v. 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit
dem 06.09.2007 zu zahlen, darüber hinaus die Beklagten als Gesamtschuldner
zu verurteilen, weitere 90,00 € nebst Zinsen i.H.v. 5%-Punkten über dem
Basiszinssatz seit Zustellung des Schriftsatzes vom 28.11.2007 zu zahlen;
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2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem
Kläger sämtliche Schäden zu ersetzten, die aus der Inanspruchnahme seiner
Vollkaskoversicherung bei der W-Versicherung AG aus Anlass des
Verkehrsunfalls vom 15.08.2007 entstanden sind und entstehen werden;
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3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 837,52 € zu
zahlen.
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Die Beklagten widersprechen der Erledigung und beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Sie behaupten, der Kläger sei mit überhöhter Geschwindigkeit unachtsam in den
Kreuzungsbereich hinein und gegen das mittig auf der Kreuzung stehende Fahrzeug
des Beklagten gefahren. Der Frontbereich des Fahrzeugs des Beklagten habe nur
wenige cm in die Fahrbahnbreite des Klägers geragt. Zuvor sei der Beklagte zu 1) bis
zur Haltelinie gefahren, dann sei er bis zur Sichtlinie vorgefahren. Er habe sich in den
Fahrbahnbereich hinein getastet. An der Sichtlinie habe er sich vergewissert, dass
weder von links noch von rechts Autos kämen. Hinter der Sichtlinie habe er erneut nach
Fahrzeugen Ausschau gehalten. Nachdem er kein Fahrzeug gesehen habe, sei er
normal mit 20 oder 30 km/h weitergefahren. Der Kläger hätte das Fahrzeug des
Beklagten erkennen können und vorbeifahren können. Er hätte auf den Ausfall der
Ampelanlage Rücksicht nehmen müssen. Die Kostenpauschale von 50,00 € sei nicht
angemessen. Der ortsübliche Mietpreis für den Mietwagen belaufe sich auf 39,00 €,
bzw. auf 31,76 € pro Tag. Weiterhin müsse im Wege der Vorteilsausgleichung ein
Abzug für ersparte Eigenkosten i.H.v. 15-20% vorgenommen werden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten
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Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Das Gericht hat durch Vernehmung der Zeugen C und L und gem. Beweisbeschluss
vom 07.02.2008 (Bl. 81 d. A.) Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsprotokolle vom 07.02.2008 (Bl. 77 ff. d. A.) und
vom 12.02.2009 (Bl. 158 ff. d. A.) sowie auf das Gutachten des Sachverständigen Dipl.-
Ing. I2 (Bl. 98 ff. d. A.) Bezug genommen.
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Die Akte der Staatsanwaltschaft Aachen, Az. 507 Js 1759/07, war beigezogen und
Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage hat überwiegend Erfolg.
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I.
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Dem Kläger steht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner ein Anspruch auf Zahlung
von 3.597,89 € wegen des Verkehrsunfalls vom 15.08.2007 gegen 9.40 Uhr auf der
Kreuzung S-Straße / G-Straße. in Û zu gem. § 7 Abs. 1 StVG – gegenüber der
Beklagten zu 2) als Haftpflichtversicherer i.V.m. § 3 Nr. 1 PflVG (§ 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG)
– zu. Die gesamtschuldnerische Haftung ergibt sich aus § 3 Nr. 2 PflVG (§ 115 Abs. 1 S.
4 VVG).
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Beim Betrieb des Kraftfahrzeugs des Beklagten zu 1) mit dem amtlichen Kennzeichen
Nr. 2 ist das Fahrzeug des Klägers mit dem amtlichen Kennzeichen Nr. 1 beschädigt
worden, als der Kläger und der Beklagte zu 1) die Kreuzung überqueren wollten und es
zum Zusammenstoß beider Fahrzeuge kam. Der Unfall wurde nicht durch höhere
Gewalt nach § 7 Abs. 2 StVG verursacht.
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Die Beklagten haften dem Grunde nach zu 100%. Dies ergibt sich aus der gem. § 17
Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 StVG anzustellenden Abwägung entsprechend den
Verursachungsbeiträgen der Unfallbeteiligten. Bei der Ausgleichspflicht mehrerer
Unfallbeteiligter gem. § 17 StVG dürfen nur unstreitige und tatsächlich bewiesene
Umstände herangezogen werden. Daraus folgt nach allgemeinen Beweisgrundsätzen,
dass im Rahmen einer Abwägung nach § 17 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 StVG jeweils der eine
Halter die Umstände zu beweisen hat, die dem anderen zum Nachteil gereichen (BGH,
NZV 1996, 231 m.w.N.). Kommt es im Zusammenhang mit einer Wartepflicht zu einem
Unfall, so spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Unfall durch eine
schuldhafte Vorfahrtsverletzung des Wartepflichtigen verursacht worden ist
(Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., 2009, § 8 Rn. 68). Da die
Lichtzeichenanlage ausgefallen war, galten für die Verkehrsregelung die an der
Kreuzung aufgestellten Schilder. Der Beklagte zu 1) war wartepflichtig. Für ihn galt ein
Stopp-Schild, Verkehrszeichen Nr. 206 nach § 41 Abs. 2 StVO. Der Beklagte zu 1) hatte
den Verkehrsteilnehmern auf der S-Straße unstreitig Vorfahrt zu gewähren. Der Kläger
war vorfahrtsberechtigt. Es sind keine Umstände ersichtlich, die den Anscheinsbeweis
entkräften könnten oder aus denen sich die Möglichkeit eines atypischen
Geschehensablaufs ergibt.
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Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest,
dass das Fahrzeug des Beklagten zu 1), als es zu dem Unfall kam, nicht stand. Der
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Zeuge L hat bekundet, dass er nicht mehr sagen könne, ob das Fahrzeug bei dem
Zusammenstoß bereits stand oder noch im Bremsvorgang begriffen war. Die Zeugin C
hat ausgesagt, dass sie sicher sei, dass das Fahrzeug des Beklagten zu 1) nicht
gestanden habe. Auch der Sachverständige I2 kommt in seinem schriftlichen Gutachten
und im Rahmen seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung zu dem Ergebnis,
dass er ganz sicher ausschließen könne, dass der LKW stand. Die Ausführungen des
Sachverständigen sind sachlich, widerspruchsfrei und nachvollziehbar.
Der Beklagte zu 1) hat im Rahmen seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung
ausgesagt, dass die "Schnauze" seines Fahrzeuges etwa 30 bis 40 cm in die Spur des
Klägers hineingereicht habe. Dieser Vortrag deckt sich auch mit den Feststellungen des
Sachverständigen. Dieser kommt aufgrund der ihm zur Verfügung gestellten
fotografischen Dokumentation des Splitterfeldes und der Verkehrsunfallskizze zu der
Feststellung, dass sich die Vorderfront des LKW des Beklagten zu 1) zum
Kollisionszeitpunkt schon im Einmündungstrichter der G-Straße befand und mit dem
heckseitigen Bereich die für den Kläger vorgesehene Fahrspur vollständig blockierte.
Auch dies spricht dafür, dass der Beklagte zu 1) dem Kläger nicht die Vorfahrt gelassen
hat. Auch ist nach den Feststellungen des Sachverständigen davon auszugehen, dass
der Beklagte zu 1) die S-Straße in Annäherungsrichtung des klägerischen Fahrzeuges
spätestens ab Einfahrt in den Sichtbereich ohne feste Sichthindernisse über mehrere
einhundert Meter frei einsehbar vorfand. Eine Sichtbehinderung wäre nur dann
vorstellbar, wenn sich auf der betreffenden Linksabbiegerspur diverse Fahrzeuge
befunden haben sollten. Dies wurde jedoch von den Parteien nicht vorgetragen. Das
Gericht geht davon aus, dass für den Beklagten zu 1) keine Sichtbehinderungen
bestanden.
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Auch ist nicht nachgewiesen, dass der Kläger einer Kollision hätte ausweichen können.
Eine Ausweichmöglichkeit nach rechts war, so die nachvollziehbaren Ausführungen des
Sachverständigen, durch die rechts von der klägerischen Fahrtrichtung befindliche
Verkehrsinsel auf der Kreuzung verbaut.
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Auch ist nicht bewiesen, dass der Kläger mit überhöhter Geschwindigkeit in den
Kreuzungsbereich eingefahren ist. Für ihn galt die Geschwindigkeitsbegrenzung von 50
km/h. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten festgestellt, dass eine
Geschwindigkeitsüberschreitung des Klägers i.H.v. ca. 10 bis 15 km/h nicht
ausgeschlossen werden kann. Mit erforderlicher Sicherheit steht diese aber nicht fest.
Der Sachverständige hat weiterhin plausibel dargelegt, wenn man den Vortrag des
Beklagten zu 1) zugrunde legt, dass er 20 km/h gefahren sei, dem Kläger eine
Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h nicht nachzuweisen
sei. Dass der Beklagte zu 1) mit 30 km/h gefahren sei, ist für den Sachverständigen
sogar rechnerisch auszuschließen gewesen, da er dann an der Haltelinie nicht gehalten
haben könnte. Für den Fall, dass der Beklagte zu 1) mit ca. 7 km/h gefahren sein sollte,
könnte eine Geschwindigkeitsüberschreitung des klägerischen Fahrzeugs nicht
ausgeschlossen werden. Dies trägt der Beklagte zu 1) so nicht vor. Damit steht für das
Gericht nicht fest, dass das klägerische Fahrzeug mit überhöhter Geschwindigkeit
gefahren wurde. Im Übrigen dürfte eine leicht überhöhte Geschwindigkeit, worum es
sich hier im Bereich von 10 bis 15 km/h noch handeln dürfte, zu keiner anderen
Bewertung der Betriebsgefahr führen.
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Ebenso ist nicht nachgewiesen, dass der Kläger die Vorfahrtsverletzung durch den
Beklagten zu 1) hätte erkennen können, was zu einer Mithaftung im Hinblick auf den
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Ausfall der Lichtzeichenanlage und erhöhten Sorgfaltspflichten hätte führen können
(Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., 2009, § 8 Rn. 69). Wenn man
den Vortrag des Beklagten zu 1) zugrunde gelegt, dass er mit einer
Annäherungsgeschwindigkeit von ca. 20 bis 30 km/h gefahren sei, so hätte nach den
Ausführungen des Sachverständigen für den Kläger kaum hinreichend Zeit zur
Verfügung gestanden, sein Fahrzeug wirksam abzubremsen.
Bei einer Vorfahrtsverletzung nach § 8 Abs. 2 S. 1, S. 2 und S. 3 StVO, die hier gegeben
ist, tritt die Betriebsgefahr des Berechtigten zurück (Hentschel/König/Dauer,
Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., 2009, § 8 Rn. 69 mwN.). Es kann daher dahin stehen,
ob für den Kläger ein unabwendbares Ereignis nach § 17 Abs. 3 StVG vorlag.
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Nach § 249 ff. BGB ist der Wiederbeschaffungsaufwand ersatzfähig und beträgt hier
unstreitig noch 300,00 €. Weiterhin sind die Gutachterkosten i.H.v. 1.062,18 € unstreitig
und ersatzfähig. Gleiches gilt für die Kosten der Neuanmeldung i.H.v. 90,00 €.
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Die Kosten für den Mietwagen sind jedoch nur i.H.v. 2.014,35 € ersatzfähig. Dem Kläger
ist kein Verstoß gegen seine Schadensminderungspflicht vorzuwerfen, indem er
überhaupt ein Ersatzfahrzeug angemietet hat. Der Kläger dürfte dabei auch ein
Ersatzfahrzeug für 17 Tage anmieten. Im Rahmen der Ersatzbeschaffung für ein
Fahrzeug, das einen wirtschaftlichen Totalschaden erlitten hat, ist in der Regel eine
Wiederbeschaffungsdauer von 2 bis 3 Wochen, also 14 bis 21 Tage angemessen und
erforderlich (Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl., § 249 Rn. 33). Da gem. dem inhaltlich
von den Parteien nicht beanstandeten Privatgutachten des Sachverständigen Dr.-Ing. I
vom 17.08.2007 die Reparaturkosten für das Fahrzeug den Wiederbeschaffungswert
übersteigen, liegt am klägerischen Fahrzeug ein wirtschaftlicher Totalschaden vor. Eine
Wiederbeschaffungsdauer von 17 Tagen liegt damit durchaus im Rahmen des Üblichen.
Die Beklagten haben auch nicht bestritten, dass die tatsächliche
Wiederbeschaffungsdauer 17 Tage in Anspruch genommen hat.
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Nach neuerer Rechtsprechung des BGH kann der Geschädigte nach § 249 Abs. 2 S. 1
BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand den Ersatz der Mietwagenkosten
verlangen, die ein verständiger wirtschaftlich denkender Mensch in seiner Lage für
zweckmäßig und notwendig halten darf. Er ist dabei ebenso wie in anderen Fällen, in
denen er die Schadensbeseitigung selbst in die Hand nimmt, nach dem
Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm zumutbaren von mehreren
möglichen den wirtschaftlichereren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Dabei stellt
der Normaltarif, also der Tarif für Selbstzahler, der unter marktwirtschaftlichen
Gesichtspunkten gebildet wird, den Mindestbetrag der zu ersetzenden Mietwagenkosten
dar (vgl. OLG Köln, Urteil vom 02.03.2007, Az. 19 U 181/06). Aus der Rechnung der B
GmbH geht nicht hervor, ob es sich um einen Unfallersatztarif, wie von Beklagten
behauptet, gehandelt hat. In Ausübung des Ermessens nach § 287 ZPO kann der
Tatrichter den "Normaltarif" auch auf der Grundlage des gewichtigen Mittels des
"Schwacke-Automietpreisspiegels" im Postleitzahlengebiet des Geschädigten ermitteln
(vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 04.07.2006, Az. VI ZR 237/05, Rn. 7; BGH, Urteil vom
04.04.2006, Az. IV ZR 338/04 Rn. 14; BGH Urteil vom 14.02.2006, Az. VI ZR 23/05, Rn.
6; BGH, Urteil vom 14.02.2006, Az. VI ZR 126/05, Rn. 5). Dabei ist zur Bestimmung des
Normaltarifs der Schwacke-Automietpreisspiegel 2007 als geeignete Schätzgrundlage
heranzuziehen.
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Bei der Abrechnung der Mietwagenkosten sind die sich bei mehrtätigen Vermietung
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ergebende Reduzierungen nach dem Schwacke-Automietpreisspiegel nach Wochen-,
Dreitages- und Tagespauschalen zu berücksichtigen. Vorliegend ist, wie oben
ausgeführt, eine Mietzeit von 17 Tagen zugrunde zu legen. Daher kann der Kläger zwei
Wochenpauschalen und eine Dreitagespauschale ansetzen. Nach dem Schwacke-
Automietpreisspiegel ist der Typ des vom Kläger angemieteten Fahrzeugs, ein VW Golf,
der Mietwagenklasse 4 zuzuordnen. Dabei darf der Geschädigte grundsätzlich ein
Fahrzeug gleichen Typs mieten (Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl., § 249 Rn. 29).
Weiterhin kann der Kläger einen Aufschlag von 20% auf den so ermittelten Tarif
verlangen, da das Mietfahrzeug als Ersatz für den aufgrund des Verkehrsunfalls
beschädigten Wagen angemietet wurde, zudem auch noch am Tag des Unfalls. Mit
Rücksicht auf die Besonderheiten der Unfallsituation ist aufgrund der vermehrten
Beratung und Serviceleistung, dem erhöhten Verwaltungsaufwand, dem Risiko des
Ausfalls mit den Mietwagenkosten aufgrund falscher Bewertung des Verschuldens am
Verkehrsunfall, der Vorhaltung von Fahrzeugen auch schlechter ausgelasteter
Fahrzeuge, des Erfordernisses der Umsatzsteuervorfinanzierung u.Ä. (vgl. zu den
weiteren Faktoren OLG Köln, Urteil vom 02.03.2007, Az. 19 U 181/06) ein pauschaler
Aufschlag auf den Normaltarif geboten. Hierbei ist bei einer Beurteilung der Anhaltung
des Wirtschaftlichkeitsgebotes bei Inanspruchnahme des Unfallersatztarifs eine
generelle Betrachtung der Kosten und Risiken des Unfallersatzfahrzeuggeschäfts
erforderlich und nicht auf den konkreten Fall abzustellen. Damit ist hier ein pauschaler
Aufschlag gerechtfertigt. Das Gericht hält dabei einen pauschalen Aufschlag von 20%
für angemessen.
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Weiterhin sind zugunsten des Geschädigten die Nebenkosten, zu denen die
Haftungsbefreiungskosten durch Abschluss einer Vollkaskoversicherung zählen, zu
ersetzen. Diese Kosten sind nach der Nebenkostentabelle des Schwacke-
Automietpreisspiegels neben dem Normaltarif grundsätzlich erstattungsfähig, wenn
diese ausweislich der Mietvertrags- und Rechnungsunterlagen erbracht wurden und
hierfür eine gesonderte Vergütung verlangt wurde. Die Kosten für eine
Vollkaskoversicherung sind dabei bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs
grundsätzlich erstattungsfähig. Unabhängig davon, ob das bei dem Verkehrsunfall
beschädigte Fahrzeug ebenfalls Voll- oder Teilkasko versichert war, besteht jedenfalls
grundsätzlich ein schutzwürdiges Interesse des Kunden der Mietwagenunternehmen, für
die Kosten einer eventuellen Beschädigung des Mietfahrzeugs nicht selbst aufkommen
zu müssen, zumal Mietwagen in der Regel neuer und damit hochwertiger sind als die
beschädigten Fahrzeuge (vgl. BGH NJW 2005, 1041).
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Der Kläger muss sich jedoch vorliegend einen Abzug wegen ersparter Eigenkosten
entgegen halten lassen. Der Kläger hat insofern ein zu dem verunfallten Fahrzeug
klassengleiches Fahrzeug (einen VW Golf) angemietet. Das Gericht hält insofern an der
Rechtsprechung des Landgerichts Aachen fest, als dass es einen pauschalen Abzug für
ersparte Eigenkosten von 3% für angemessen erachtet (vgl. LG Aachen, Urteil vom
30.06.2004, Az. 7 S 429/03).
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Nach diesen Grundsätzen gilt folgendes: das gewichtete Mittel für einen Normaltarif im
hier entscheidenden Postleitzahlengebiet 520.. beträgt für eine Woche 495,-€ und für
drei Tage 270,-€. Dies ergibt einen Betrag von 1260,-€. Zuzüglich eines pauschalen
Aufschlags von 20% ergibt sich ein Zwischenbetrag von 1512,-€. Hinzu kommen die
sog. Nebenkosten für Vollkaskoversicherung i.H.v. 365,56 € und für einen Zusatzfahrer
i.H.v. 255,10 €, die im vorliegenden Fall unter den Werten der Schwacke-Liste 2007
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liegen. Dies ergibt eine Zwischensumme von 2.132,66 €. Hiervon abzuziehen ist eine
Pauschale von 3% für ersparte Eigenaufwendungen (= 63,99 €), so dass der Kläger von
der Beklagten grundsätzlich 2.068,68 € verlangen kann. Hinzu kommen die Kosten, die
unbestritten sind, für Zustellung und Abholung i.H.v. 52,03 €. Dies ergibt einen Betrag
von 2.120,71 €.
Weiterhin steht dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung der allgemeinen
Kostenpauschale zu, jedoch i.H.v. 25,-€. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung
des LG Aachen (LG Aachen, Urteil vom 28.06.2007, Az. 6 S 55/07).
50
II.
51
Der Kläger hat den Rechtsstreit in der Hauptsache i.H.v. 6.900,00 € für erledigt erklärt.
Der Beklagte hat dem ausdrücklich widersprochen und Klageabweisung beantragt. Es
liegt eine einseitige, teilweise Erledigungserklärung vor, die dazu führt, dass sich der
Prozess insoweit auf die Entscheidung der Frage richtet, ob sich der Rechtsstreit in der
Hauptsache in dieser Höhe erledigt hat oder nicht. Diese Klageänderung ist nach § 264
Nr. 2 ZPO zulässig. Es ist festzustellen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache i.H.v.
6.900,00 € erledigt ist. Die insoweit zulässige und begründete Klage ist durch ein nach
Klageerhebung eingetretenes Ereignis insoweit gegenstandlos geworden. Der
Wiederbeschaffungsaufwand gehört zu den Schadenspositionen, die nach den oben
gemachten Ausführungen erstattungsfähig sind. Die Höhe des
Wiederbeschaffungsaufwandes ist auch zwischen den Parteien unstreitig. Die
Versicherung des Klägers, die W-Versicherung AG, hat auch nach Klageerhebung an
den Kläger gezahlt.
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III.
53
Der Antrag zu 2) ist ebenfalls begründet. Die Klageänderung ist nach § 264 Nr. 2 ZPO
zulässig. Die Rückstufung in der Vollkaskoversicherung für den Geschädigten ist eine
Folge des unfallbedingten Fahrzeugschadens (BGH, Urteil vom 26.09.2006, Az. VI ZR
247/05; Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl., § 249 Rn. 37). Der vom Schädiger zu
ersetzende Rabattverlust durch Rückstufung kann aber nicht für die Zukunft mit einer
Leistungs-, sondern nur mit einer Feststellungsklage geltend gemacht werden (BGH,
Urteil vom 03.12.1991, Az. VI ZR 140/91). Ausweislich der vorgelegten Bescheinigung
der W-Versicherung AG wirkt sich die Rückstufung bis zum Jahr 2023 aus. Die
tatsächliche Vermögenseinbuße steht hier nur bis zum Zeitpunkt der mündlichen
Verhandlung fest. Der zukünftige Prämienschaden ist aber wegen der Möglichkeit der
Kündigung des Versicherungsverhältnisses oder der Anschaffung eines
Ersatzfahrzeuges einer Vielzahl von Unwegbarkeiten ausgesetzt (BGH a.a.O.). Da sich
der Schaden noch in der Fortentwicklung befindet, ist der Feststellungsantrag
insgesamt, also auch für den inzwischen bezifferbaren Teil, zulässig (BGH,
Versäumnisurteil vom 25.04.2006, Az. VI ZR 35/05).
54
IV.
55
Die Zinsansprüche ergeben sich aus §§ 288 Abs. 1, 286 BGB. Die
Rechtsanwaltskosten sind als Schadensposition i.H.v. 837,52 € erstattungsfähig. Es
wird auf die o.g. Ausführungen Bezug genommen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung zur
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vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und S. 2. ZPO.
Streitwert: bis zum 03.12.2007: 10.614,44 €
58
ab dem 04.12.2007: 7511,84 € (2800,00 €+3712,44 €+999,40 €), § 3 ZPO
59
T2
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