Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 12.05.2004

LArbG Mainz: arbeitsgericht, stadt, reisekosten, vertretung, kündigung, entlastung, wahlfreiheit, ausschluss, sicherheit, beschwerdekammer

LAG
Mainz
12.05.2004
4 Ta 89/04
Prozesskostenhilfe
Aktenzeichen:
4 Ta 89/04
4 Ca 2389/03
ArbG Trier
Verkündet am: 12.05.2004
Tenor:
1. Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Trier vom 01.04.2004 - 4 Ca
2389/03 - wird zurückgewiesen.
2. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 75,00 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Im Ausgangsverfahren erhob der in C-Stadt wohnhafte Kläger mit Schriftsatz vom 26.11.2003 beim
Arbeitsgericht Trier Kündigungsschutzklage gegen eine in A-Stadt ansässige Beklagte. Er beantragte
gleichzeitig ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten Frau
Rechtsanwältin G "zu den Bedingungen eines am Wohnsitz des Klägers tätigen Rechtsanwaltes" zu
bewilligen. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat ihren Kanzleisitz in D-Stadt.
Durch den angefochtenen Beschluss hat das Arbeitsgericht Trier dem Kläger Prozesskostenhilfe unter
Beiordnung von Frau Rechtsanwältin G bewilligt, die Beiordnung beschränkt auf den Ausschluss der
Erstattungsfähigkeit von Tage- und Abwesenheitsgeld sowie der etwaigen Reisekosten vom Ort der
Kanzlei zum Ort des Gerichtstages. Bei dieser Entscheidung hat das Arbeitsgericht Bezug genommen auf
§ 121 Abs. 3 ZPO. Da die Prozessbevollmächtigte nicht am Ort des Gerichtstages B-K ansässig sei
sondern in D-Stadt, könne sie zur Vermeidung weiterer Kosten weder zu den Bedingungen eines dort
noch eines am Wohnsitz des Klägers tätigen Rechtsanwaltes beigeordnet werden.
Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung weiter ausführlich begründet. Gegen den am 07.04.2004
zugestellten Beschluss hat der Kläger mit am 14.04.2004 eingegangenem Schriftsatz sofortige
Beschwerde eingelegt. Er nimmt Bezug auf Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und des OLG
Koblenz, wonach die Hinzuziehung eines am Wohnort oder Geschäftsort der auswärtigen Partei
ansässigen Rechtsanwaltes regelmäßig als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig
anzusehen sei.
Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 15.04.2004 der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache
dem Beschwerdegericht vorgelegt. Ergänzend führt der Kläger aus, wenn eine "reiche" Partei
kostenmäßig einen an ihrem Sitz ansässigen Rechtsanwalt beauftragen dürfe, müsse dies auch für eine
"arme" Partei gelten. Dies gebiete die Waffengleichheit.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den gesamten Akteninhalt
verwiesen.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis und in der Begründung vollkommen zutreffend den angefochtenen
Beschluss erlassen. Er entspricht gefestigter Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz.
Die gemäß § 121 Abs. 2 ZPO erfolgte Beiordnung des Prozessbevollmächtigten war aufgrund § 121 Abs.
3 ZPO lediglich unter Ausschluss der Erstattungsfähigkeit von Tage- und Abwesenheitsgeld und der
Reisekosten vom Ort der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten zum Gerichtsort im Sinne des
Gerichtstages auszusprechen.
Zunächst liegt ein diesbezüglicher Antrag des Klägers vor. Der Kläger hat zwar im Antrag die
Bedingungen eines an seinem Wohnort tätigen Rechtsanwaltes gewählt. Dieser Antrag ist aber
auslegungsfähig. Er meint ersichtlich zu den Bedingungen der Prozessbevollmächtigten an deren
Kanzleisitz D-Stadt. Ansonsten ist nämlich der Antrag nicht verständlich, weil jeder Rechtsanwalt in C-
Stadt, dem Wohnort des Klägers, tätig sein kann.
Es ist auch davon auszugehen, dass die Beiordnung des Rechtsanwaltes unabhängig davon erfolgen
sollte, ob die Einschränkung hinsichtlich der Mehrkosten durch Ortsverschiedenheit von Kanzleisitz und
Gerichtstag ausgesprochen wurde oder nicht. Die Prozessbevollmächtigte ist vor Bewilligung der
Prozesskostenhilfe durch Beschluss vom 01.04.2004 bereits am 07.01. und am 31.03.04 jeweils zum
Gerichtstag gereist unabhängig von der Bewilligung. Darin kann zumindest stillschweigend das
Einverständnis des Klägers und der Prozessbevollmächtigten gesehen werden, auch dann eine
Beiordnung zu erhalten, wenn wie geschehen das Arbeitsgericht die Erstattungsfähigkeit der Mehrkosten
nicht in den Beschluss aufnimmt.
Gemäß § 121 Abs. 2 ZPO wird der Partei auf Antrag, wenn eine Vertretung durch Anwälte nicht
vorgeschrieben ist, ein zur Vertretung bereiter Anwalt beigeordnet, wenn dies erforderlich erscheint oder
der Gegner anwaltlich vertreten ist. Ein nicht beim Prozessgericht zugelassener Rechtsanwalt kann nur
beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen (§ 121 Abs. 3 ZPO). Das Arbeitsgericht
war berechtigt, die Beiordnung dahin gehend zu beschränken, dass diese faktisch zu Bedingungen eines
in B ansässigen Anwaltes erfolgte. Durch die Regelung des § 121 Abs. 3 ZPO soll dem fiskalischen
Grundsatz Rechnung getragen werden, durch die Beiordnung eines nicht am Gerichtssitz ansässigen
Rechtsanwaltes keine Mehrkosten entstehen zu lassen. Zwar findet diese Vorschrift im
arbeitsgerichtlichen Verfahren keine direkte Anwendung, sie ist jedoch nach zutreffender Ansicht (vgl.
LAG Bremen, LAGE Nr. 3 zu § 121 ZPO, LAG Rheinland-Pfalz, LAGE Nr. 2 zu § 121 ZPO, LAG Rheinland-
Pfalz 10 Ta 1228/02 vom 27.12.2002, LAG Rheinland-Pfalz vom 23.05.2003 4 Ta 626/03) entsprechend
anzuwenden.
Das Prozesskostenhilferecht ist, wie insbesondere gerade die Vorschrift des § 121 Abs. 3 ZPO zeigt, von
dem Grundsatz geprägt, dass die Staatskasse mit keinen vermeidbaren Kosten belastet werden soll.
Durch die fehlende direkte Anwendbarkeit dieser Vorschrift entsteht im Vergleich zu den Regelungen der
Prozesskostenhilfe in der Zivilprozessordnung eine Lücke, die im arbeitsgerichtlichen Verfahren zu
schließen ist. Der gesetzgeberische Zweck der Entlastung der Staatskasse trifft für das arbeitsgerichtliche
Verfahren gleichermaßen zu. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb im Arbeitsgerichtsprozess die
Wahlfreiheit der Partei bezüglich des beizuordnenden Rechtsanwaltes soweit gehen soll, dass sie,
obwohl es am Gerichtssitz oder am Ort des Gerichtstages genügend zur Vertretung bereite Rechtsanwälte
gibt, einen Rechtsanwalt einschalten kann, der unter Umständen zu einer größeren Kostenlast für die
Staatskasse führt. Die durch Analogie zu schließende Lücke muss in der Weise geschlossen werden,
dass die Beiordnung eines nicht am Ort, an dem die Gerichtsverhandlungen kraft normativer Regeln
stattfinden, ansässigen Rechtsanwaltes zu den Bedingungen eines dort ortsansässigen Anwaltes erfolgt.
Das Arbeitsgericht hat zu Recht im Prozesskostenhilfebewilligungsbeschluss die betreffende
Einschränkung vorgenommen.
Die hiergegen gebrachten Argumente des Klägers vermögen nicht zu überzeugen.
Gerade im Prozesskostenhilfebewilligungsrecht besteht keine unbeschränkte Wahlfreiheit der "armen"
Partei hinsichtlich ihres Prozessbevollmächtigten, wie sich aus der Bestimmung des § 121 Abs. 3 ZPO
notwendiger Weise ergibt. Der auch im Arbeitsgericht siegreiche Arbeitnehmer hat im Obsiegensfall
gegenüber der anderen Partei Kostenerstattungsansprüche, die auch im Geltungsbereich des § 12 a
ArbGG nicht ausgeschlossen sind, wenn notwendige Reisekosten der Partei erspart worden sind. Dies ist
ein weiterer Aspekt, der es rechtfertigt, die Bestimmung des § 121 Abs. 3 ZPO im vorbezeichneten Sinne
anzuwenden. Der Gesetzgeber verfolgt auch für das arbeitsgerichtliche Verfahren den umfassenden
Zweck, die Erstattung von Reisekosten zu Gunsten der Entlastung der Staatskasse generell auf die Kosten
zu reduzieren, die einem Anwalt entstanden wären, der an dem Ort, an dem das Gericht seine
Verhandlung abhalten muss, ansässig ist. Soweit der Kläger im Beschwerdeverfahren vorbringt, ein in T
ansässiger Anwalt hätte ebenfalls Reisekosten geltend machen können, verkennt er, dass die Beiordnung
bei Verhandlungen, die zwingend an Gerichtstagen stattfinden müssen, nicht zu den Bedingungen in T,
sondern zu den Bedingungen am Gerichtstag ansässige Anwälte beschränkt werden muss, was im
vorliegenden Fall auch geschehen ist.
Soweit der Kläger auf die Entscheidungen des BGH vom 16.10.2002 VIII ZB 30/02 und des OLG Koblenz
vom 12.06.2003 11 WF 332/03 Bezug nimmt, vermag dies eine andere Beurteilung der Rechtslage auch
nicht auszulösen. Das Arbeitsgericht hat in seiner begründeten Nichtabhilfeentscheidung zutreffend
darauf hingewiesen, dass die insbesondere vom OLG Koblenz entscheidende Fallkonstellation mit der
hiesigen nicht vergleichbar ist. Bei der Anwendung der streitigen Bestimmung kommt es auf die Umstände
des Einzelfalles an. Wenn das OLG Koblenz darauf Bezug nimmt, dass im Regelfall die Parteien
vorgerichtlich einen an ihrem Wohn- bzw. Geschäftsort ansässigen Anwalt aufsuchen werden und zu
diesem Zeitpunkt oft noch nicht wissen, ob die streitige Angelegenheit sich außergerichtlich regeln lässt
oder ob die Führung des Prozesses erforderlich ist, ist dies im Falle eines arbeitsgerichtlichen
Kündigungsschutzverfahrens anders. Ein Arbeitnehmer, der eine Kündigung im Geltungsbereich des
Kündigungsschutzgesetzes erhalten hat, muss, um seine Rechte zu wahren, ein Klageverfahren einleiten
(§ 4 KSchG). Die Führung eines Prozesses ist gerade bei Erhalt einer Kündigung mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten.
Das Arbeitsgericht hat auch zutreffend darauf hingewiesen, dass der Kläger nicht einen an seinem
Wohnort ansässigen Anwalt sondern einen in einem 10 Kilometer entfernten Ort ansässigen Anwalt
beauftragt hat. Weshalb es für den Kläger unzumutbar sein soll, einen am lediglich 30 Kilometer
entfernten Ort des Gerichtstages tätigen residierenden Anwalt zu beauftragen, ist im Beschwerdeverfahren
nicht ersichtlich geworden. Die Sach- und Rechtslage ist auch nicht als besonders außergewöhnlich
schwierig zu betrachten. Umstände, die ein besonders gewachsenes Vertrauensverhältnis zwischen dem
Kläger und seiner Prozessbevollmächtigten gerade in dem hier anhängigen arbeitsgerichtlichen
Verfahren begründen könnten, sind weder ersichtlich noch dargetan.
Es muss daher bei dem vom Arbeitsgericht gefundenen Ergebnis verbleiben, wonach die
Erstattungsfähigkeit der durch die Ortsverschiedenheit von Kanzlei und Gerichtstag entstandenen
Mehrkosten aus der Staatskasse gem. § 121 Abs. 3 ZPO ausgeschlossen bleiben.
Nicht zu entscheiden war die Frage, ob dem Kläger unter den Voraussetzungen des § 121 Abs. 4 ZPO ein
Verkehrsanwalt beizuordnen gewesen wäre. Ein diesbezüglicher Antrag wurde nicht gestellt und nicht
beschieden.
Die Beschwerdekammer hat die Zulassung der Rechtsbeschwerde geprüft. Die gesetzlichen
Voraussetzungen hierfür liegen nicht vor. Insbesondere wegen der Berücksichtigung der Umstände des
Einzelfalles kann eine allgemein gültige Aussage durch eine Entscheidung des obersten Bundesgerichts
nicht erwartet werden.
Die Kostenentscheidung folgt § 97 Abs. 1 ZPO, die Wertfestsetzung §§ 3 ff. ZPO.
Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar.