Urteil des LAG Köln vom 26.11.2010

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Landesarbeitsgericht Köln, 1 Ta 270/10
Datum:
26.11.2010
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
1.Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 Ta 270/10
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 8 Ca 5135/09
Schlagworte:
Darlehnstilgungen
Normen:
§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 ZPO
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Monatliche Kosten für Darlehenstilgungen sind i. S. v. § 115 Abs. 1 Satz
3 Nr. 4 ZPO vom Einkommen abzugsfähig, wenn die zugrunde liegende
Kreditaufnahme vor Prozessbeginn erfolgt oder die Darlehensschulden
zur Finanzierung lebenswichtiger Anschaffungen gedient haben und die
Höhe der Zins- und Tilgungsraten angemessen ist.
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der
Prozesskostenhilfebeschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 27.05.2010
teilweise abgeändert. Der Kläger hat bei einem einzusetzenden
Einkommen von 232,08 € ab Antragstellung monatliche Raten in Höhe
von 75,00 € zu zahlen.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Gerichtsgebühren werden auf die Hälfte ermäßigt.
G r ü n d e
1
I.
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Der Kläger begehrt die Gewährung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines
Rechtsanwalts.
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Mit Beschluss vom 27.05.2010 hat das Arbeitsgericht Köln Prozesskostenhilfe mit der
Maßgabe bewilligt, dass der Kläger bei einem einzusetzenden Einkommen in Höhe von
506,00 € eine monatliche Rate von 200,00 € zu zahlen hat.
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Gegen den am 14.06.2010 zugestellten Beschluss hat der Kläger durch Schriftsatz
seiner Prozessbevollmächtigten am 14.07.2010 sofortige Beschwerde erhoben, mit der
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er geltend macht, bei der Berechnung seien die angegebenen Kreditbelastungen sowie
monatliche Versicherungsbeiträge von dem einzusetzenden Einkommen abzuziehen.
Mit Beschluss vom 23.07.2010 hat das Arbeitsgericht Köln der sofortigen Beschwerde
nicht abgeholfen und zur Begründung ausgeführt, Abzahlungsverpflichtungen könnten
nicht von dem einzusetzenden Einkommen abgesetzt werden, da entsprechende
geldwerte Leistungen zugeflossen seien.
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II.
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Die sofortige Beschwerde gegen den Prozesskostenhilfebeschluss des Arbeitsgerichts
Köln vom 27.05.2010 ist gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 u. 3 ZPO i. V. m. §§ 11 a Abs. 3
ArbGG, 46 Abs. 2 Satz 3 ArbGG, 569 ZPO zulässig. Sie ist begründet, soweit dem
Kläger monatliche Raten über 75,- € hinaus auferlegt worden sind, im Übrigen ist sie
unbegründet.
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Der Kläger verfügt i.S.v. § 115 Abs. 1 Satz 1 ZPO über ein einzusetzendes Einkommen
in Höhe von 232,08 € monatlich, das nach den Tabellenwerten des § 115 Abs. 2 ZPO
zu einer Ratenzahlungsverpflichtung in Höhe von 75,00 € führt. Das einzusetzende
Einkommen errechnet sich wie folgt:
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1. Von dem monatlichen Nettoeinkommen des Klägers in Höhe von 1.437,94 € sind
neben dem Erwerbstätigenfreibetrag in Höhe von 180,00 € und dem Unterhaltsfreibetrag
in Höhe von 395,00 € (§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 b u. Nr. 2 a ZPO) anteilige Kosten für
Unterkunft und Heizung (§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 ZPO) in Höhe von 324,14 €
abzusetzen.
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Der Kläger hat glaubhaft gemacht, dass er mit seiner Ehefrau eine gemeinsame
Wohnung bewohnt, für die 490,00 € Miete sowie 76,00 € Nebenkosten für Heizung,
somit insgesamt 566,00 € aufzubringen sind. Weitergehende Nebenkosten für Strom
und Wasser sind nicht abzugsfähig, denn sie gehören zur allgemeinen Lebenshaltung
und sind bereits in den Freibeträgen für das Existenzminimum enthalten (BGH v.
08.01.2008 – VIII ZB 18/06 – NJW-RR 2008, 595; LAG Köln v. 13.07.2010 – 1 Ta 130/10
-; LAG Rheinland-Pfalz v. 17.01.2008 – 3 Ta 291/07 – bei juris; OLG Saarbrücken
v. 18.02.2010 – 6 WF 20/10 – bei juris; Musielak-Fischer, ZPO, 7. Aufl. 2009, § 115 Rn.
22).
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An den abzugsfähigen Wohnkosten hat sich der Kläger anteilig im Verhältnis zu den
Nettoeinkommen der verdienenden Mitbewohner zu beteiligen (LAG Düsseldorf v.
18.03.2008 – 3 Ta 93/08 bei juris -; OLG Köln v. 17.02.2003 – 14 WF 22/03 – FamRZ
2003, 1394; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 5.
Aufl. 2010, Rn. 274 m. w. N.). Ausgehend von einem Nettoeinkommen der Ehefrau in
Höhe von 1.072,66 € und einem Nettoeinkommen des Klägers in Höhe von 1.437,94 €
ergibt sich ein Anteil des Klägers von 57,27 %. Bezogen auf die Kosten für Wohnung
und Heizung i. H. v. 566,00 € errechnet sich ein anteiliger Betrag von 324,14 €.
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2. Abzugsfähig sind weiterhin Darlehnsraten i. H. v. 172,37 € und 113,96 €.
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a) Gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 ZPO sind die monatlichen Kosten für
Darlehenstilgungen abzugsfähig, wenn die ihnen zugrunde liegende Kreditaufnahme
vor Prozessbeginn erfolgt oder die Darlehensschulden zur Finanzierung
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lebenswichtiger Anschaffungen gedient haben und die Höhe der Zins- und
Tilgungsraten angemessen ist. Denn das Gesetz stellt für die Gewährung von
Prozesskostenhilfe auf die konkrete Leistungsfähigkeit des Antragstellers ab. Diese
kann durch Verbindlichkeiten, die in einem angemessenen Rahmen liegen, gemindert
sein. Dementsprechend ist die Abzugsfähigkeit von Verbindlichkeiten, die in
monatlichen Raten getilgt werden, nicht nur von der Rechtsprechung der erkennenden
sowie anderer Kammern des Landesarbeitsgerichts Köln (LAG Köln v. 13.10.2010 – 1
Ta 297/10 -; LAG Köln v. 17.06.2010 – 7 Ta 423/09 -; LAG Köln v. 06.02.2008 – 14 Ta
388/07 -; LAG Köln v. 24.10.2007 – 11 Ta 313/07 -; LAG Köln v. 14.03.2003 – 3 (5) Ta
58/03; LAG v. 14.09.1998 – 2 Ta 217/98 -) sondern auch sonst in Rechtsprechung und
Literatur anerkannt (z.B. BGH v. 15.11.1989 – IV b ZR 70/89 – NJW-RR 1990, 450; OLG
Köln v. 08.02.1994 – 25 WF 10/94 – MDR 1995, 314; OLG Köln v. 12.09.1995 – 16 W
46/95 – FamRZ 1996, 873; OLG Hamm v. 13.06.2006 – 6 WF 160/06 – FamRZ 2007,
155; LAG Rheinland-Pfalz v. 07.01.2010 – 7 Ta 249/09 – bei juris; Zöller-Geimer, ZPO,
28. Aufl. 2010, § 115 Rn. 38 ZPO m. w. N.; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozess-
und Verfahrenskostenhilfe, 5. Aufl. 2010 Rn. 294).
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen sind zunächst die vom Kläger glaubhaft
gemachten monatlichen Tilgungsleistungen in Höhe von 300,99 € für einen vor
Prozessbeginn in Anspruch genommenen Kredit bei der Volksbank D v. 23.08.2006 zu
berücksichtigen. Im Hinblick darauf, dass diese Darlehensverbindlichkeit im
Zusammenhang mit der gemeinsamen Wohnung und der gemeinsamen Lebensführung
entstanden ist, hat die Ehefrau sich im Rahmen der Unterhaltspflicht (§§ 1360, 1360 a
BGB) an den Kosten im Verhältnis ihres Nettoeinkommens zu beteiligen. Es verbleibt
unter Berücksichtigung des Anteils des Klägers von 57,27 % ein abzugsfähiger Betrag
in Höhe von 172,37 €.
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c) Darüber hinaus hat der Kläger glaubhaft gemacht, dass aus Anlass des Umzugs in
die derzeitige Wohnung bei der Fa. E eine Darlehensaufnahme für
Renovierungsarbeiten erfolgt ist. Hierfür sind monatliche Ratenzahlungen in Höhe von
199,00 € zu leisten. Unter Berücksichtigung des Anteils des Klägers am
Gesamteinkommen von 57,27 % ergeben sich abzugsfähige Kosten in Höhe von 113,96
€.
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3. Weiter abzugsfähig sind anteilige Versicherungsbeiträge i. H. v. 20,39 €.
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Nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 a ZPO i. V. m. § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII sind vom
Einkommen angemessene Versicherungsbeiträge abzusetzen. Der Kläger hat glaubhaft
gemacht, dass er zusammen mit seiner Frau für Haftpflichtversicherung,
Hausratversicherung, Rechtsschutzversicherung und Unfallversicherung einen
monatlichen Gesamtbetrag in Höhe 35,60 € aufzubringen hat. Derartige Versicherungen
gehören zum normalen Lebenszuschnitt, sind angemessen und daher grundsätzlich
abzugsfähig (vgl. dazu Zöller-Geimer, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 115 Rn. 23 m. w. N.). Unter
Berücksichtigung der Beteiligungsquote des Klägers (57,27 %) errechnet sich ein
Betrag i. H. v. 20,39 €.
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4. Die geltend gemachte Belastung im Hinblick auf den Dispokredit bei der Sparkasse
kann indes keine Berücksichtigung finden. Aus den vorgelegten Unterlagen ist nämlich
nicht ersichtlich, dass regelmäßige Tilgungsleistungen vergleichbar einem Ratenkredit
geleistet werden. Es kommt hinzu, dass die Angemessenheit des Saldos auf dem
Sparkassenkonto nicht dargelegt ist. Es ist weder der konkrete Zusammenhang mit dem
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Fahrzeugkauf ersichtlich, noch wie hoch die Anschaffungskosten für den Pkw waren
und wofür der Überziehungskredit des Girokontos sonst verwandt worden ist. Insoweit
kann die erforderliche Angemessenheitsprüfung (OLG Köln v. 12.09.1995 – 16 W 46/95
FamRZ 1996, 873; LAG Köln v. 06.02.2008 - 14 Ta 388/07) nicht erfolgen.
5. Soweit in der Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen
Fahrtkosten angegeben sind, sind diese ebenfalls nicht zu berücksichtigen. Es ist weder
erläutert, wo sich die Arbeitsstätte befindet, wie groß die Entfernung zum Wohnort ist
und mit welchem Verkehrsmittel die Strecke zurückgelegt wird. Bei der Fahrt mit
öffentlichen Verkehrsmitteln wären darüber hinaus entsprechende Belege vorzulegen
gewesen.
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6. Nach alledem ergibt sich folgende Berechnung:
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Nettoeinkommen 1.437,94 €
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abzüglich Erwerbstätigenfreibetrag 180,00 €
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Unterhaltsfreibetrag 395,00 €
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Kosten für Miete und Heizung 324,14 €
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Darlehen Volksbank anteilig 172,37 €
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E anteilig 113,96 €
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Versicherungsbeiträge anteilig 20,39 €
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einzusetzendes Einkommen
232,08
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III.
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Im Hinblick auf den Teilerfolg der sofortigen Beschwerde war die Beschwerdegebühr
gemäß GKG-KV Nr. 8614 entsprechend zu reduzieren.
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IV.
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Gegen diesen Beschluss ist mangels Zulassung der Rechtsbeschwerde, für die kein
Anlass besteht, ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben (§ 78 Satz 2 ArbGG i. V. m. §§
72 Abs.2 ArbGG, 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO).
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Dr. vom Stein
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