Urteil des LAG Köln vom 13.10.2004

LArbG Köln (Betriebsübergang, Kaufmännischer Angestellter, Firma, Betriebsmittel, Verfügung, Anschlussberufung, Wirtschaftliche Einheit, Betriebsrat, Arbeitsgericht, Versetzung)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Vorinstanz:
Schlagworte:
Normen:
Sachgebiet:
Leitsätze:
Tenor:
Aktenzeichen:
Landesarbeitsgericht Köln, 7 (9) Sa 1423/03
13.10.2004
Landesarbeitsgericht Köln
7. Kammer
Urteil
7 (9) Sa 1423/03
Arbeitsgericht Köln, 9 Ca 7777/01
Betriebsübergang, Insourcing, Logistik, Passivlegitimation,
Betriebsveräußerer, Streitverkündeter
§ 613 a BGB, § 1 KSchG, §§ 67, 68 ZPO
Arbeitsrecht
1. Zu den Voraussetzungen eines Gemeinschaftsbetriebes.
2. Zu den Voraussetzungen eines Betriebsübergangs beim sogenannten
Insourcing des Logistikbereichs eines Unternehmens, das mit selbst
hergestellten Produkten für die Aus- und Weiterbildung auf den Gebieten
der Naturwissenschaften, Elektrotechnik und Elektronik handelt.
3. Wird die Kündigungsschutzklage gegen eine zuvor vom
Betriebsveräußerer ausgesprochene Kündigung noch vor dem Vollzug
des Betriebsübergangs anhängig gemacht, bleibt der kündigende
Veräußerer passivlegitimiert.
4. Kläger und Beklagte können nicht einen Betriebsübergang als solchen
unstreitig stellen, sondern nur die Tatsachen, die den Rückschluss auf
das Vorliegen eines Betriebsübergangs ermöglichen sollen.
5. Der Streitverkündete kann gegen den erklärten Willen der Hauptpartei,
der er beigetreten ist, keine Tatsachenbehauptungen in den Prozess
einführen, die dem Sachvortrag der Hauptpartei widersprechen.
Auf die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten
hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 01.10.2003, Az: 9 Ca
7777/01, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die dem Kläger unter dem 23.07.2001
ausgesprochene Kündigung der Beklagten rechtsunwirksam ist.
1
2
3
4
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 97,57 € nebst 5 % Zinsen über
dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits I. Instanz tragen der Kläger 77,5 %, die
Beklagte 22,5 %. Von den Kosten der Berufungsinstanz tragen der Kläger
71,5 % und die Beklagte 28,5 %.
Die Kosten der Nebenintervention trägt die Streitverkündete.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch um die Wirksamkeit einer
betriebsbedingten arbeitgeberseitigen Kündigung, um die Frage, ob das Arbeitsverhältnis
des Klägers im Wege des § 613 a BGB von der Beklagten auf die Streitverkündete
übergegangen ist und – im wesentlichen hiervon abhängig – um Zahlungsansprüche
gegen die Beklagte.
Der am 05.01.1944 geborene Kläger war nach einer Vordienstzeit vom 01.06.1974 bis
31.03.1976 seit dem 01.02.1977 ununterbrochen zunächst bis zum 30.09.1998 bei der
Streitverkündeten, bzw. deren Rechtsvorgängerin als kaufmännischer Angestellter
beschäftigt. Er wurde als Versandmitarbeiter innerhalb der Logistik eingesetzt. Sein
Aufgabengebiet umfasste die Erfassung von Fracht- und Verpackungsdaten; die Erstellung
aller Aufkleber und Frachtpapiere für den Inlandsversand; die Sendungsübergabe an den
Frachtführer; die Verpackung von Inlandsaufträgen in Wechselbehälter; die Mitarbeit bei
Kommissionierungen und Inventuren. Die Streitverkündete handelt mit von ihr selbst
hergestellten Produkten für die Aus- und Weiterbildung an Schulen für die Fachgebiete
Biologie, Chemie, Physik sowie Elektrotechnik und Elektronik. Der Jahresumsatz 1998
betrug ca. 60.000.000,00 DM.
Im Jahre 1998 entschloss sich die Streitverkündete, ein "Outsourcing" ihres
Logistikbereiches vorzunehmen. Die entsprechenden Aufgaben wurden sodann ab
01.10.1998 zunächst von der Firma V aus E und sodann zum 01.11.1999 auf die hiesige
Beklagte, die zu diesem Zweck eigens neu gegründet wurde, übertragen. Sowohl die
Beklagte als auch die Firma V gehören einer Gruppe von Unternehmen an (vgl. die
Aufstellung Bl. 574 ff. d. A.), die auch unter der Bezeichnung LCI - Gruppe auftritt, aber nicht
über eine Holding verfügt. Gewisse Personaldienstleistungen werden sowohl für die
Beklagte wie auch für die Firma V durch die ebenfalls der Unternehmensgruppe
angehörige B ausgeführt. Die bislang in dem betroffenen Logistikbereich tätigen Mitarbeiter
der Streitverkündeten, unter ihnen der Kläger, wurden zum 01.10.1998 von der V und zum
01.11.1999 von der jetzigen Beklagten übernommen. Zwischen allen Beteiligten bestand
seinerzeit Einigkeit darüber, dass es sich jeweils um einen Betriebsübergang im Sinne des
§ 613 a BGB handelte. In dem Arbeitsvertrag des Klägers vom 17.09.1998 mit der V heißt
es:
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
"1. Mit Wirkung vom 01.10.1998 wird Herr K gemäß § 613 a BGB von der Firma L
übernommen und als kaufmännischer Angestellter in unserem Unternehmen eingestellt.
Die bei der Firma L erworbenen Rechte und die Betriebszugehörigkeit werden voll auf
dieses Beschäftigungsverhältnis übertragen.
Als Einsatzort gilt H . Das Aufgabengebiet wurde in einem persönlichem Gespräch
ausführlich behandelt.
Sofern es in der betrieblichen Notwendigkeit liegt, behält sich der Arbeitgeber vor, den
Arbeitnehmer auch an anderen, gleichwertigen Arbeitsplätzen innerhalb der
Unternehmensgruppe einzusetzen. Eine Versetzung an einen anderen Dienstort ist nur mit
Zustimmung des Arbeitnehmers möglich." (Bl. 8 d. A.).
In dem sodann zum 01.11.1999 mit der Beklagten abgeschlossenen Arbeitsvertrag des
Klägers heißt es unter Ziffer I. :
"Mit Wirkung vom 01.11.1999 wird Herr K gemäß § 613 a BGB von der Firma V
übernommen und als kaufmännischer Angestellter in unserem Unternehmen eingestellt.
Die bei der Firma V erworbenen Rechte und die Betriebszugehörigkeit werden voll auf
dieses Beschäftigungsverhältnis übertragen.
Als Einsatzort gilt H . Das Aufgabengebiet wurde in einem persönlichen Gespräch
ausführlich behandelt.
Sofern es in der betrieblichen Notwendigkeit liegt, behält sich der Arbeitgeber vor, den
Arbeitnehmer auch an anderen, gleichwertigen Arbeitsplätzen innerhalb der Firma
einzusetzen. Eine Versetzung an einen anderen Dienstort ist nur mit Zustimmung des
Arbeitnehmers möglich."
(Bl. 10 d. A.).
Die Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Streitverkündeten und der
Beklagten ergeben sich aus dem Vertrag vom 15.02.2000, auf dessen vollständigen Inhalt
Bezug genommen wird (Bl. 279 ff. d. A.). In diesem Vertrag heißt es auszugsweise unter
Ziffer 1:
"...starke Schwankungen im Geschäft haben zu Überlegungen geführt, die Logistik an V zu
vergeben, um eine dem Umsatz angepasste Kostensituation bei genereller Reduzierung
der Kosten und verbessertem Logistik-Service zu realisieren. Hierzu zählen folgende
Bereiche:
- Kommissionierung von Kundenaufträgen
- Verpackung
- Versand
- Speditionelle Abwicklung"
Unter 2.:
"Gegenstand des Vertrages ist die Übernahme und künftige Durchführung folgender
Leistungen:
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
39
40
2.1 Verpackungstätigkeiten
2.1.1 Vorverpackung
...
2.1.2 Versandverpackung
...
2.2 Lagertätigkeiten
Fertigwarenlager
...
2.3. Speditionelle Tätigkeiten ..."
Unter 3.:
"Gemäß § 613 a BGB übernimmt V die in den Bereichen bisher beschäftigten
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemäß Aufstellung der Anlage D.
...
Unter 4.:
"Für die Durchführung der unter Punkt 2 beschriebenen Tätigkeiten werden V durch L
unentgeltlich zur Verfügung gestellt:
- Flächen und Räume im Hause L H inklusive Energie, Heizung und Wasser. V verpflichtet
sich, die Räumlichkeiten während der Vertragslaufzeit ausschließlich für L - Aktivitäten zu
nutzen. Eine erweiterte Nutzung ist nur in Absprache mit L möglich. Die Reinigung der
Büroflächen obliegt L - Die betrieblichen Einrichtungen der Logistik sowie alle Lager- und
Transportmittel für die Dauer der Vertragslaufzeit. V übernimmt die in Anlage E
aufgeführten Anlagegüter zum Buchwert per 30.09.1999 unter Ausschluss jeder
Gewährleistung.
- Die bestehenden Informationsverarbeitungsmöglichkeiten (Software) werden V
unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Änderungen an der bestehenden L - Software,
eventuelle Aufwendungen für Schnittstellenanpassung aufgrund der Nutzung V - eigener
Anwendungen gehen zu Lasten V .
- Die bestehende Kommunikationseinrichtung (Telefon, Fax, E-Mail). Die hierfür
entstehenden Kosten werden V jedoch anschlussbezogen monatlich belastet".
Ergänzend schlossen die Streitverkündete und die Beklagte unter dem 14.07.2000 einen
Vertrag über speditionelle Dienstleistungen (Bl. 295 ff. d. A.).
Die Beklagte entfaltete ihre Tätigkeit in den Räumlichkeiten der Streitverkündeten in H .
Dort unterhielt sie auch ihr Büro. Einzelheiten zu den Räumlichkeiten ergeben sich aus
dem Lageplan (wie Bl. 370 d. A.). Über andere Betriebsstätten oder Räumlichkeiten
verfügte die Beklagte nicht. 80 % ihres Umsatzes erzielte die Beklagte durch ihre Tätigkeit
für die Streitverkündete. Die übrigen 20 % an Umsatz erzielte sie durch Dienstleistungen,
die sie bei anderen Kunden erbrachte.
41
42
43
44
45
46
47
48
49
50
Die Belegschaft der Beklagten wählte einen eigenen Betriebsrat, dessen Vorsitzender
zunächst der Kläger war. Auch bei der Firma V existierte ein eigener Betriebsrat. Nach
einer Betriebsratsneuwahl bei der Beklagten am 19.06.2001 wurde der Kläger
Ersatzbetriebsratsmitglied.
Im Juni 2001 kam es zwischen der Beklagten und der Streitverkündeten zu einem
Zerwürfnis, da die Beklagte in Verdacht geraten war, die Streitverkündete durch doppelte
Rechnungsstellungen übervorteilt zu haben. Am 15.06.2001 kündigte die Streitverkündete
die Verträge mit der Beklagten fristlos und erteilte dem Geschäftsführer der Beklagten
sowie dem Mitarbeiter G Hausverbot. Im weiteren Verlauf der Streitigkeiten schlossen die
Beklagte und die Streitverkündete am 04.07.2001 "zur Beilegung der aufgetretenen
Meinungsverschiedenheiten" eine Vereinbarung, in welcher es
u. a. heißt:
"1. Die Vertragspartner sind sich einig, dass unabhängig von den bisher eingenommen
Rechtsstandpunkten die oben genannten Verträge und alle sonstigen Verträge und
Vereinbarungen mit Ablauf des 31.07.2001 beendet sind.
2. Das heute, 04.07.2001, noch eingesetzte Personal von V beendet seine Tätigkeit am
31.07.2001, spätestens 18:00 Uhr. L ist für den Personaleinsatz, die Leitung und
Überwachung des Personals verantwortlich und berechtigt, einzelnen Mitarbeitern
Weisungen zu erteilen. L stellt V aus der Haftung des operativen Geschäfts für die Zeit vom
20.06.2001 bis 31.07.2001 frei.
Am 31.07.2001 wird eine gemeinsame Inventur durchgeführt und insbesondere der
vorhandene Warenbestand, der Zustand der Einrichtungsgegenstände und der Räume
festgestellt. Die Übergabe der vertragsgemäß genutzten Räume erfolgt spätestens am
31.07.2001." (Bl. 596 f. d. A.).
Im Juni 2001 waren bei der Beklagten 21 Arbeitnehmer beschäftigt. Die Mitarbeiterin F und
der Mitarbeiter G beide wohnhaft in E , wechselten aufgrund von Vereinbarungen vom
27.06.2001, bzw. 28.06.2001 zum 01.07.2001 von der Beklagten zur Firma V in E , wo der
Mitarbeiter G die Funktion eines Einkaufsleiters übernahm.
Am 13.07.2001 teilte die Beklagte ihrem Betriebsrat mit, dass sie beabsichtige, ihren
Betrieb zum 31.07.2001 stillzulegen. Einzelne Arbeitnehmer, die vor ihrer Tätigkeit für die
Beklagte bereits bei der Firma V in E tätig gewesen waren, wurden zum 01.08.2001 wieder
zur Firma V in E rücküberführt. Die übrigen Arbeitnehmer, so auch den Kläger, kündigte die
Beklagte mit Schreiben vom 23.07.2001 wegen Betriebsschließung fristgerecht, im Falle
des Klägers zum 28.02.2002.
Der Kläger hat gegen diese Kündigung am 30.07.2001 (Eingang beim Arbeitsgericht)
Kündigungsschutzklage erhoben und dabei auch bereits geltend gemacht, dass das
Arbeitsverhältnis aufgrund eines Betriebsübergangs auf die Streitverkündete, zunächst
Beklagte zu 2), fortbestehe. Mit Beschluss vom 13.08.2001 hat das Arbeitsgericht den
Rechtsstreit gegen die Beklagte zu 1) abgetrennt.
Am 27.07.2001 erteilte die Beklagte dem Kläger noch eine Abmahnung, weil der Kläger am
25.06.2001 auf Veranlassung des Betriebsrats als Prozessbeobachter und potenzieller
präsenter Zeuge an einer Gerichtsverhandlung in einem arbeitsgerichtlichen
Beschlussverfahren zwischen der Beklagten und ihrem Betriebsrat teilgenommen hatte (Bl.
583 d. A.). Aus demselben Grund hielt die Beklagte auch den Tagesverdienst für den
25.06.2001 im Umfang von 97,57 Euro ein. Außerdem teilte die Beklagte dem Kläger mit
51
52
53
54
55
56
57
58
59
60
61
62
63
Schreiben vom 30.08.2001 (Bl. 29 d. A.) mit, dass sie im Hinblick auf einen möglichen
Betriebsübergang seines Arbeitsverhältnisses zum 01.08.2001 auf die Streitverkündete ab
dem 01.08.2001 zunächst keine Vergütungszahlungen mehr erbringen werde.
Der Kläger hat geltend gemacht, die Kündigung der Beklagten vom 23.07.2001 sei sozial
nicht gerechtfertigt. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte bilde mit den übrigen
V - Unternehmen, insbesondere aber mit der V in E einen Gemeinschaftsbetrieb. Die
Sozialauswahl habe daher nicht auf die Arbeitnehmer der Beklagten beschränkt werden
dürfen. Auch sei eine Weiterbeschäftigung in einem anderen V - Betrieb in Frage
gekommen. Darüber hinaus hat der Kläger die Auffassung vertreten, es liege zum
01.08.2001 ein Betriebsübergang auf die Streitverkündete vor. Auf die Ausführungen des
Klägers hierzu insbesondere im Schriftsatz vom 25.01.2002 wird Bezug genommen.
Darüber hinaus hat der Kläger diverse Zahlungsansprüche, insbesondere seine
fortlaufende Vergütung für die Dauer der Kündigungsfrist, geltend gemacht und die
Auffassung vertreten, dass die Abmahnung der Beklagten vom 27.07.2001 rechtswidrig sei.
Er habe ab dem 19.06.2001 das aufgrund von Urlaub und Krankheit für längere Zeit
verhinderte Betriebsratsmitglied F vertreten und mit der Wahrnehmung des Gerichtstermins
im Auftrage des Betriebsrats rechtmäßig Betriebsratstätigkeit verrichtet.
Die Beklagte hat der Firma L mit Schriftsatz vom 26.12.2001 (Bl. 51 ff. d. A.) den Streit
verkündet. Die Firma L ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
1. festzustellen, dass die unter dem 23.07.2001 dem Kläger ausgesprochene Kündigung
der Beklagten rechtsunwirksam ist;
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Monat August 3.051,65 Euro nebst 5
% Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1DÜG zu zahlen;
3. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger über die gemäß Ziffer 2 zu zahlenden Beträge
eine ordnungsgemäße Brutto-/Nettoabrechnung zu erteilen;
4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für die Monate Januar und Februar 2002
3.051,65 Euro monatlich zu zahlen und über den auszuzahlenden Betrag eine
ordnungsgemäße Brutto-/Nettoabrechnung zu erteilen;
5. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für die Monate September bis Dezember
2001 12.316,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG
zu zahlen;
6. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger über die unter Ziffer 5) zu zahlenden Beträge
eine ordnungsgemäße Brutto-/Nettoabrechnung jeweils auf den Auszahlungsmonat
bezogen zu erteilen;
7. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Monat August 2001 weitere 27,35
Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG zu zahlen;
8. die Beklagte zu verurteilen, die dem Kläger unter dem 27.07.2001 erteilte Abmahnung
zurückzunehmen und aus der Personalakte zu entfernen;
9. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 97,57 Euro nebst 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz gemäß § 1 DÜG zu zahlen (Vergütung 26.06.2001);
64
65
66
67
68
69
70
71
72
73
74
75
10. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.142,32 Euro Brutto nebst 5 % Zinsen über
dem Basiszinssatz gemäß § 1 DÜG zu zahlen (Überstundenabgeltung);
11. die Beklagte zu verurteilen, an den Käger 421,34 Euro nebst 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz gemäß § 1 DÜG zu zahlen (Krankenversicherungsbeiträge);
12. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 1.693,45 Euro nebst 5 % Zinsen
über dem Basiszinssatz gemäß § 1 DÜG zu zahlen (Weihnachtsgeld 2001);
13. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 3.079,46 Euro nebst 5 % Zinsen
über dem Basiszinssatz gemäß § 1 DÜG zu zahlen (Urlaubsabgeltung);
14. die Beklagte zu verurteilen, die für den Kläger zu zahlenden vermögenswirksamen
Leistungen für den Zeitraum 01.08.2001 bis 28.02.2002 in Höhe von 52,00 DM monatlich,
insgesamt 186,11 Euro auf das Konto bei der A zu zahlen.
Die Beklagte und die Streitverkündete haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Kündigung vom 23.07.2001 als rechtswirksam angesehen, da sie auf
der unternehmerischen Entscheidung zur endgültigen Betriebsschließung beruht habe. Die
Beklagte hat sich dagegen gewandt, eine auf andere V - Unternehmen zu erstreckende
Sozialauswahl durchführen zu müssen.
Zur Frage eines möglichen Betriebsübergangs auf die Streitverkündete im Sinne des § 613
a BGB hat die Beklagte insbesondere im Schriftsatz 12.02.2002 diverse Tatsachen
vorgetragen und sich ausdrücklich gegen den widersprechenden Sachvortrag der
Streitverkündeten gewandt. Die Beklagte hat geschlussfolgert: "Inwieweit es zutrifft, dass
ein Fall des § 613 a BGB vorliegt oder nicht vorliegt, obwohl nach dem dortigen Vortrag
offenbar die Streitverkündete tatsächlich die Tätigkeiten der Beklagten unter Übernahme
von Betriebsmitteln und offenbar auch Einsatz von früheren Arbeitnehmern der Beklagten
ausführt und die Streitverkündete ebenfalls unstreitig zuvor Hauptkunde der Beklagten war,
ist eine Rechtsfrage und unterliegt dabei der Wertung des Gerichts" (Bl. 222 d. A.).
Des weiteren hat die Beklagte die Auffassung vertreten, dass die vom Kläger vertretene
Ansicht, es habe zum 01.08.2001 ein Betriebsübergang auf die Streitverkündete
vorgelegen, zur Unschlüssigkeit sowohl der Kündigungsschutzklage als auch sämtlicher
über den 31.07.2001 hinausgehender Zahlungsansprüche führe. Die Schlüssigkeit der
Kündigungsschutzklage setze voraus, dass nach der Behauptung des Klägers im
vorgesehenen Auflösungszeitpunkt noch ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien
existieren müsse.
Die Streitverkündete hat diverse Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ergeben soll, dass
die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs anlässlich der Auflösung der Verträge
zwischen ihr und der Beklagten im Juni/Juli 2001 nicht gegeben seien.
Mit Urteil vom 01.10.2003 hat das Arbeitsgericht Köln den Anträgen zu 2, 3, 4, 5, 6, 7, 9, 12
und 14 stattgegeben sowie den Kündigungsschutzantrag und die Anträge zu 8, 10, 11 und
13 abgewiesen. Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde dem Kläger am 26.11.2003
zugestellt. Der Kläger hat hiergegen am 19.12.2003 Berufung eingelegt und diese - nach
Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 26.02.2004 - am 13.02.2004 begründet. Die
klägerische Berufungsbegründung wurde der Beklagten am 19.02.2004 zugestellt. Die
76
77
78
79
80
81
82
83
84
Beklagte hat am 18.03.2004 Anschlussberufung eingelegt.
Der Kläger wendet sich mit seiner Berufung nur gegen die Abweisung des
Kündigungsschutzantrages. Der Kläger macht in erster Linie geltend, die Kündigung der
Beklagten vom 23.07.2001 sei gemäß § 1 Abs. 2 und Abs. 3 KSchG sozial ungerechtfertigt.
Der Kläger ist der Auffassung, insbesondere die Beklagte und die Firma V in E hätten
einen gemeinsamen Betrieb geführt. Dies folge insbesondere daraus, dass ein einheitlicher
Leitungsapparat bestanden habe. Das Personal wie die Buchhaltung würden zentral von
der B in E geführt. Deren Mitarbeiter H geriere sich als Personalleiter sowohl bei der
Beklagten als auch bei der Firma V in E . In dieser Eigenschaft habe er Abmahnungen
erteilt, Arbeits- und Aufhebungsverträge unterzeichnet und Anhörungen und
Verhandlungen mit dem Betriebsrat geführt. Auf Anforderung seien im Übrigen des öfteren
Mitarbeiter aus E in H tätig geworden. Als beispielsweise die Mitarbeiterin F dauerhaft von
H nach E gewechselt sei, sei von einer "Versetzung" die Rede gewesen und der E
Betriebsrat entsprechend angehört worden. Bezeichnender Weise enthielten die
Arbeitsverträge auch des Klägers unternehmensübergreifende Versetzungsvorbehalte.
Aufgrund der gemeinschaftlichen Verbundenheit der Unternehmen habe die Beklagte im
Rahmen der Sozialauswahl auch die Mitarbeiter in E mit einbeziehen müssen. Auch habe
geprüft werden müssen, ob dort ein geeigneter freier Arbeitsplatz zur Verfügung stehe. So
sei er, der Kläger, sozial schützenswerter als der Mitarbeiter G und habe ohne weiteres wie
dieser auch eine Stelle als Einkaufsleiter in E wahrnehmen können. Auch hätten die den
Mitarbeitern Yotopoulos, K und K in E angebotenen Arbeitsplätze ihm, dem Kläger,
angeboten werden können.
Jedenfalls, so meint der Kläger, sei die Kündigung aus dem Gesichtspunkt des
Betriebsübergangs gemäß § 613 a Abs. 4 BGB unwirksam. Zum 01.08.2001 habe ein
Betriebsübergang stattgefunden. Der Kläger trägt hierzu insbesondere in seiner
Berufungsbegründung vom 10.02.2004 verschiedene Tatsachen vor und nimmt auch auf
seinen diesbezüglichen erstinstanzlichen Sachvortrag Bezug, insbesondere aus dem
Schriftsatz vom 25.01.2002. Der Kläger führt aus, die Kündigung sei demnach jedenfalls
gemäß § 613 a Abs. 4 BGB unwirksam; denn der Beklagten seien im Zeitpunkt ihrer
Kündigungsentscheidung alle Tatsachen bekannt gewesen, aus denen rechtlich das
Vorliegen eines Betriebsübergangs im Sinne von § 613 a BGB zu folgern sei.
Der Kläger und Berufungskläger beantragt nunmehr,
1. unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 01.10.2003, Az. 9 Ca
7777/01, festzustellen, dass die unter dem 23.07.2001 dem Kläger ausgesprochene
Kündigung der Beklagten rechtsunwirksam ist;
2. die Anschlussberufung der Beklagten und Berufungsbeklagten vom 18.03.2004
zurückzuweisen.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
1. die Berufung des Berufungsklägers kostenpflichtig zurückzuweisen;
2. im Wege der
Anschlussberufung
01.10.2003 Az. 9 Ca 7777/01, abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte hält ihre Kündigung vom 23.07.2001 weiterhin unter
dem Gesichtspunkt der Betriebsschließungabsicht für sozial gerechtfertigt im Sinne von § 1
85
86
87
88
89
90
91
KSchG. Die Beklagte wendet sich dagegen, dass zwischen ihr und dem Unternehmen V in
E ein Gemeinschaftsbetrieb bestanden habe. Sie führt hierzu aus, insbesondere aus der
Tätigkeit der Firma B für sie, die Beklagte, aber auch für andere V - Unternehmen wie z. B.
die Firma V in E könne keineswegs auf einen "gemeinsamen Leitungsapparat"
geschlossen werden, wie er für die Annahme eines Gemeinschaftsbetriebes erforderlich
sei. Soweit der Mitarbeiter der B H Aufgaben der Personalführung wahrgenommen habe,
sei dies in keinem Fall aus eigener Entscheidungsbefugnis und Machtvollkommenheit
geschehen, sondern stets auf entsprechende Weisung, im Falle der Beklagten seitens
deren Geschäftsführers B . Im Übrigen fehle es an weiteren Voraussetzungen wie einem
gemeinsamen Personaleinsatz oder einem gemeinsamen arbeitstechnischen Zweck des
Betriebes. Auch sei allenfalls 10 % des von ihr, der Beklagten, benötigten Materials von der
V in E eingekauft und ihr sodann in Rechnung gestellt worden, und zwar nur, um
Mengenrabatte erzielen zu können.
Selbst wenn ein Gemeinschaftsbetrieb jemals bestanden haben sollte, so die Beklagte, sei
dieser durch ihre Entscheidung zur Betriebsschließung mit Wirkung zum 31.07.2001
aufgelöst worden. Auch in einem solchen Fall habe keine überbetriebliche Sozialauswahl
stattzufinden. Auch könne sich der Kläger nicht mit dem Mitarbeiter G vergleichen, da er
nicht die nötige Qualifikation und Erfahrung besitze, um bei der Firma V in E als
Einkaufsleiter fungieren zu können. Im Übrigen hätten die Mitarbeiter G und F schon aus
lange zurückliegender Zeit die Zusage der V in E gehabt, von dieser in E wieder eingestellt
zu werden. Soweit bei dem Wechsel der Mitarbeiter von H nach E von einer "Versetzung"
die Rede gewesen sei, sei dies lediglich untechnisch gemeint gewesen. Auch bei den
übrigen Mitarbeitern, die im Zuge der Betriebsschließung in H nach E gewechselt seien,
handele es sich um solche, die vor ihrem Eintritt bei dem neugegründeten H Unternehmen
bei der V in E beschäftigt gewesen seien und für den Fall, dass sie ihren Arbeitsplatz in H
unverschuldet verlören, eine Rückkehrzusage gehabt hätten.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass ihre Kündigung auch nicht gemäß § 613 a Abs. 4
BGB unwirksam sei. Allerdings stellt die Beklagte nunmehr ausdrücklich sämtliche vom
Kläger zur Unterstützung eines Betriebsübergangs auf die Streitverkündete vorgetragenen
Tatsachen unstreitig und vertritt jetzt ausdrücklich auch selbst die Auffassung, dass zum
01.08.2001 ein Betriebsübergang auf die Streitverkündete stattgefunden habe. Sie
bekräftigt nochmals, dass sie als Hauptpartei des Rechtsstreits den entgegenstehenden
Sachvortrag der Streitverkündeten nicht akzeptiere.
Die Beklagte meint allerdings, ihre Kündigung sei nicht "wegen des Betriebsübergangs"
ausgesprochen worden. Die Umstände, aus denen rechtlich ein Betriebsübergang im
Sinne des § 613 a BGB zu folgern sei, hätten sich ihr, der Beklagten, nämlich erst nach und
nach im Zuge der sich im Anschluss an die Kündigungen ergebenden Rechtsstreitigkeiten
eröffnet.
Die Beklagte meint, in Anbetracht des zum 01.08.2001 erfolgten Betriebsüberganges
könne der Kläger ab diesem Zeitpunkt Vergütungsansprüche nur noch gegen die
Streitverkündete geltend machen.
Die Streitverkündete beantragt ebenfalls,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Die Streitverkündete wendet sich weiterhin gegen einen Betriebsübergang und stellt hierzu
verschiedene Tatsachenbehauptungen auf, die dem Sachvortrag des Klägers
widersprechen. Auf die Schriftsätze der Streitverkündeten in der Berufungsinstanz vom
92
93
94
95
96
97
98
99
100
22.03.2004 und 20.04.2004 sowie das von der Streitverkündeten aufrecht erhaltene
erstinstanzliche Vorbringen wird Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Die Berufung des Klägers gegen das arbeitsgerichtliche Urteil vom 01.10.2003 ist
zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 c) ArbGG statthaft und wurde innerhalb der in § 66 Abs.
1 ArbGG vorgeschriebenen, bzw. antragsgemäß und gesetzeskonform verlängerten Fristen
eingelegt und begründet.
Auch die Anschlussberufung der Beklagten ist zulässig. Die Anschlussberufung ist gemäß
§ 64 Abs. 2 c) ArbGG statthaft und wurde gemäß
§ 64 Abs. 6 S 1 ArbGG, 524 Abs. 2 S. 2 ZPO fristgerecht eingelegt und begründet.
II. Die Berufung des Klägers, die sich nur gegen die Abweisung seines
Kündigungsschutzantrages richtet, ist auch begründet. Das ursprünglich zwischen dem
Kläger und der Rechtsvorgängerin der Streitverkündeten begründete, im Jahre 1999 auf die
hiesige Beklagte übergegangene Arbeitsverhältnis ist durch die Kündigung der Beklagten
vom 23.07.2001 nicht rechtswirksam aufgelöst worden.
1. Entgegen der Auffassung des Klägers kann die Rechtsunwirksamkeit der streitigen
Kündigung vom 23.07.2001 allerdings nicht daraus hergeleitet werden, dass die Beklagte
und die Firma V in E einen Gemeinschaftsbetrieb unterhalten hätten und die Beklagte somit
eine fehlerhafte Sozialauswahl vorgenommen und es fehlerhaft versäumt hätte, zu prüfen,
ob in dem E Unternehmen ein für den Kläger geeigneter freier Arbeitsplatz zur Verfügung
gestanden hätte. Mit dieser Argumentation kann der Kläger aus mehreren Gründen keinen
Erfolg haben:
a. Die Argumentation des Klägers, die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung folge aus dem
Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebes zwischen der Beklagten und der V – oder auch
anderer bzw. weiterer V - oder L - Unternehmen - erscheint in Anbetracht seines übrigen
Vorbringens schon im Ansatz unschlüssig. Die Frage, ob der Arbeitgeber im
Zusammenhang mit einer betriebsbedingten Kündigung eine korrekte Sozialauswahl im
Sinne des § 1 Abs. 3 KSchG vorgenommen hat oder ob er dem
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dadurch Rechnung getragen hat, dass er überprüft hat, ob
sich für den zu kündigen Arbeitnehmer gegebenenfalls in einem anderen Betrieb ein
geeigneter freier Arbeitsplatz findet, stellt sich nämlich erst und nur dann, wenn zuvor ein
betriebsbedingter Kündigungsgrund im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG bejaht werden musste.
Der Kläger steht aber auf dem Standpunkt, dass die Kündigung der Beklagten vom
23.07.2001 wegen eines Betriebsübergangs ausgesprochen wurde, welcher am
01.08.2001 auf die Streitverkündete stattgefunden haben soll. Trifft diese Auffassung zu -
wovon das Berufungsgericht, wie noch zu zeigen sein wird, überzeugt ist - , so kann aber
nicht gleichzeitig eine Betriebsschließung als betriebsbedingter Kündigungsgrund im
Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG angenommen werden; denn nach ständiger
höchstrichterlicher Rechtssprechung schließen sich eine Betriebsschließung und ein
Betriebsübergang im Sinne von § 613 a BGB zwingend gegenseitig aus (BAG EzA § 613 a
BGB Nr.80, Nr.116, Nr.126, Nr.146; KR/Pfeiffer, § 613 a BGB Rz.61).
b. Unabhängig davon hat der Kläger aber auch die Voraussetzungen für die Annahme
eines Gemeinschaftsbetriebes nicht schlüssig vorgetragen.
aa. Um einen Gemeinschaftsbetrieb mehrerer Unternehmen annehmen zu können, genügt
es nicht, dass mehrere Unternehmen die Wahrnehmung von Personal- und
101
102
103
104
105
106
107
es nicht, dass mehrere Unternehmen die Wahrnehmung von Personal- und
Führungskompetenzen auf einen Dritten delegiert haben. Es erscheint bereits äußerst
zweifelhaft, ob der Sachvortrag des Klägers zu der Funktion des sogenannten
"Personalleiters" H überhaupt ausreicht, um das für die Feststellung eines
Gemeinschaftsbetriebs erforderliche Kriterium eines "einheitlichen Leitungsapparates"
hinreichend auszufüllen.
bb. Von einem gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen kann nämlich jedenfalls
immer nur dann ausgegangen werden, "wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen
materiellen und immateriellen Betriebsmittel für einen einheitlichen arbeitstechnischen
Zweck zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden" (BAG NZA 2004, 377).
Es ist schon nicht erkennbar, welchen einheitlichen, gemeinsamen arbeitstechnischen
Zweck die Beklagte einerseits, die Firma V andererseits in einem gemeinsamen Betrieb
verfolgt haben sollen. Der arbeitstechnische Zweck, den die Beklagte in H verfolgte,
bestand im Wesentlichen darin, die Aufgaben zu erfüllen, die sie in den Verträgen mit der
Streitverkündeten vom 15.02. und 14.07.2000 übernommen hatte. Mit diesem
Betriebszweck hatte die V , soweit ersichtlich, nach der Gründung der Beklagten nichts
mehr zu tun.
cc. Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass bei Anlässen vorübergehender
Personalknappheit der Beklagten gelegentlich auf Anforderung Mitarbeiter der V in H tätig
gewesen sein mögen. Diese Mitarbeiter haben dann ausschließlich daran mitgewirkt, die
arbeitstechnischen Zielsetzungen der
Beklagten
arbeitstechnischen Zwecksetzungen im Betrieb oder den Betrieben der V verfolgt wurden,
ist nichts vorgetragen.
dd. Bei alledem spricht auch schon das äußere Erscheinungsbild gegen einen
gemeinsamen Betrieb, nämlich der räumlich weit entfernten Firmensitz der Beklagten
einerseits, der V in E andererseits sowie die Existenz zweier eigenständiger Betriebsräte
(zu diesen Kriterien: BAG NZA 2004, 378).
c. Und weiter: Selbst wenn ursprünglich ein gemeinschaftlicher Betrieb zwischen der
Beklagten und der V bestanden hätte, wäre dieser durch den im Zeitpunkt des Ausspruchs
der streitigen Kündigung schon bekannten und zum 31.07.2001 auch durchgeführten
Rückzug der Beklagten aus der Geschäftstätigkeit des Betriebes aufgelöst worden. Bei
einer solchen Fallkonstellation ist die Vornahme einer Sozialauswahl bezogen auf den
gesamten Umfang des früheren Gemeinschaftsbetriebes nicht nur nicht mehr geboten,
sondern nicht mehr zulässig (BAG NZA 2004, 378).
d. Und schließlich: Selbst wenn man die vorangegangenen Gesichtspunkte außer Acht
ließe, übersieht der Kläger, dass eine Sozialauswahl unter Einbeziehung der in E tätigen
Mitarbeiter der V schon deshalb nicht in Betracht kam, weil der Kläger mit diesen
Mitarbeitern im kündigungsschutzrechtlichen Sinne nicht vergleichbar war.
aa. Eine Vergleichbarkeit als Voraussetzung einer durchzuführenden Sozialauswahl
besteht nach der Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts nämlich nur dann, wenn der
Arbeitgeber allein durch Ausübung seines arbeitsvertraglichen Direktionsrechts in der Lage
wäre, den Austausch der Arbeitnehmer vorzunehmen (BAG AP § 1 KSchG Soziale
Auswahl Nr.18; BAG AP § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr.50; ErfK/Ascheid, § 1
KSchG Rz.481).
bb. Die Beklagte war jedoch gerade nicht in der Lage, den Kläger nur unter Ausübung ihres
arbeitsvertraglichen Direktionsrechts zu der V "zu versetzen"; denn sowohl der
Arbeitsvertrag der Parteien vom 16.11.1999 wie auch der vorangegangene Arbeitsvertrag
108
109
110
111
112
113
114
des Klägers vom 17.09.1998 sehen vor, dass einerseits als Einsatzort des Klägers H gilt
und dass andererseits "eine Versetzung an einen anderen Dienstort nur mit Zustimmung
des Arbeitnehmers möglich" ist.
e. Schließlich war die Beklagte im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung auch nicht
verpflichtet zu prüfen, ob der Kläger etwa auf einem freien Arbeitsplatz in E oder auch bei
einem anderen Unternehmen der L - Gruppe hätte weiter beschäftigt werden können.
Bei der Beklagten handelte es sich ebenso wie bei den übrigen Firmen der L - Gruppe um
ein rechtlich selbständiges Unternehmen. Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers
unterstellt, dass die einzelnen Unternehmen der L - Gruppe in einer konzernähnlichen
Struktur untereinander verbunden sind, so übersieht der Kläger jedoch, dass der zuletzt
gültige Arbeitsvertrag mit der Beklagten vom 16.11.1999 - im Unterschied zu dem
vorangehenden Arbeitsvertrag vom 17.09.1998 - gerade keinen
unternehmensübergreifenden Versetzungsvorbehalt mehr enthält. In Ziffer 1 Abs. 3 des
Arbeitsvertrages vom 16.11.1999 heißt es nämlich: "Sofern es in der betrieblichen
Notwendigkeit liegt, behält sich der Arbeitgeber vor, den Arbeitnehmer auch an anderen,
gleichwertigen Arbeitsplätzen
innerhalb der Firma
Auch der Kläger geht von der Wirksamkeit dieses Arbeitsvertrages aus, wie durch den
Umstand belegt wird, dass er den Arbeitsvertrag vom 16.11.1999 mehrfach selbst zur
Unterstützung seiner Argumentation in anderem Zusammenhang herangezogen hat.
2. Die Kündigung der Beklagten vom 23.07.2001 ist jedoch gleichwohl rechtsunwirksam,
da sie gegen § 613 a Abs. 4 S. 1 BGB verstößt. Die Berufungskammer teilt die in der
Berufungsinstanz nunmehr gemeinsame Überzeugung des Klägers wie auch der
Beklagten, dass der H Betrieb der Beklagten zum 01.08.2001 auf die Streitverkündete im
Sinne des § 613 a BGB übergegangen ist. Mit dem Kläger und entgegen der Ansicht der
Beklagten ist die Berufungskammer auch davon überzeugt, dass die Kündigung vom
23.07.2001 "wegen des Übergangs des Betriebes" ausgesprochen wurde.
a. Der Kündigungsschutzantrag des Klägers ist nicht bereits deshalb unbegründet, weil er
sich gegen eine Kündigung der Beklagten wendet, aus der Unwirksamkeit dieser
Kündigung letztendlich aber die Konsequenz ableiten will, dass ein Arbeitsverhältnis zur
Streitverkündeten fortbesteht.
Der vorliegend in Rede stehende Betriebsübergang wurde zum 01.08.2001 vollzogen. Die
hier streitige Kündigung wurde am 23.07.2001, also vor dem Zeitpunkt des
Betriebsübergangs ausgesprochen. Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung war
nach Rechtsauffassung aller Verfahrensbeteiligten die Beklagte noch Arbeitgeberin des
Klägers. Der Kläger hat seinen Kündigungsschutzantrag auch bereits am 30.07.2001 beim
Arbeitsgericht eingereicht. Die Kündigungsschutzklage ist also ebenfalls noch vor dem
Zeitpunkt des in Rede stehenden Betriebsübergangs anhängig geworden. In einer solchen
Konstellation bleibt der die Kündigung aussprechende Betriebsveräußerer für den
Kündigungsschutzprozess weiterhin passiv legitimiert (BAG AP § 613 a BGB
Nr.44).
b. Im vorliegenden Berufungsverfahren besteht Einigkeit zwischen dem Kläger und der
Beklagten darüber, dass der H Betrieb der Beklagten zum 01.08.2001 im Sinne von § 613 a
BGB auf die Streitverkündete übergegangen ist. Die Beklagte hat sich nunmehr die
Rechtsauffassung des Klägers, es sei zu einem Betriebsübergang gekommen,
ausdrücklich zu eigen gemacht.
c. Gleichwohl bedarf es noch einer Überprüfung, ob sich aus den vom Kläger und der
115
116
117
118
Beklagten übereinstimmend vorgetragenen Tatsachen rechtlich schlüssig ein
Betriebsübergang im Sinne des § 613 a BGB entnehmen lässt; denn die Annahme eines
Betriebsübergangs im Sinne des § 613 a BGB stellt als solche keine Tatsache dar, die von
dispositionsbefugten Parteien des Zivilprozesses unstreitig gestellt werden könnte,
sondern eine rechtliche Schlussfolgerung, die richtig oder falsch sein kann und als solche
nicht der Dispositionsgewalt der Zivilprozessparteien unterliegt.
d. Bei der Überprüfung der rechtlichen Schlussfolgerung sind allerdings nur diejenigen
Tatsachen zu verwerten, die der Kläger und die Beklagte vorgetragen haben, wobei in der
Berufungsinstanz zwischen dem Tatsachenvortrag zu den Voraussetzungen für die
Annahme eines Betriebsübergangs keine Divergenz
Streitverkündete hierzu abweichende Tatsachen vorgetragen hat, können diese im
vorliegenden Verfahren der Entscheidung nicht zugrunde gelegt werden. Wer auf eine
Streitverkündung hin einem zwischen anderen Parteien geführten Rechtsstreit beitritt,
genießt prozessrechtlich lediglich den Status eines Streit
helfers
beigetreten ist. Der beigetretene Streitverkündete, also der Streithelfer, darf jedoch gegen
den Willen der Hauptpartei, der er beigetreten ist, weder prozessrechtliche Aktionen
durchführen, noch Tatsachenbehauptungen in den Prozess einführen, die mit dem
Sachvortrag der Hauptpartei nicht in Einklang stehen, § 67 letzter Halbs. ZPO. Letzteres gilt
insbesondere dann, wenn die Hauptpartei, wie hier geschehen, entsprechendem
Sachvortrag des Streithelfers ausdrücklich widerspricht. Welche Konsequenzen daraus ggf.
für die sogenannte Interventionswirkung des § 68 ZPO entstehen, bedarf im vorliegenden
Verfahren keiner Entscheidung.
e. Aus dem Tatsachenvortrag von Kläger und Beklagter schließen diese zu Recht, dass am
01.08.2001 ein Betriebsübergang von der Beklagten auf die Firma L stattgefunden hat.
aa. Nach der Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts liegt ein Betriebsübergang im
Sinne von § 613 a BGB vor, wenn ein neuer Rechtsträger die wirtschaftliche Einheit unter
Wahrung ihrer Identität fortführt. Ob ein im Wesentlichen unveränderter Fortbestand der
organisierten Gesamtheit "Betrieb" bei dem neuen Inhaber anzunehmen ist, richtet sich
nach den Umständen des konkreten Falles. Zu den maßgeblichen Tatsachen zählen
insbesondere die Art des betreffenden Betriebs, der Übergang der materiellen
Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter sowie deren Wert und Bedeutung, die
Übernahme der immateriellen Betriebsmittel und der vorhandenen Organisation, der Grad
der Ähnlichkeit mit der Betriebstätigkeit des bisherigen Inhabers, die Weiterbeschäftigung
der Hauptbelegschaft, der Übergang von Kundschaft und Lieferantenbeziehungen sowie
die Dauer einer eventuellen Unterbrechung der Betriebstätigkeit (BAG AP § 613 a BGB
Nr.209, Nr.237, Nr. 253). Dabei darf die identitätsstiftende Einheit nicht als bloß Tätigkeit
verstanden werden. Die bloße Fortführung einer Tätigkeit durch einen Auftragnehmer als
Funktionsnachfolger stellt noch keinen Betriebsübergang dar (BAG AP § 613 a BGB
Nr.171 und Nr. 253). Bei alledem kommt den für das Vorliegen eines Übergangs
maßgeblichen Kriterien je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions-
oder Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu (BAG AP § 613 a BGB Nr.154 und
Nr. 253).
bb. Einen ersten Anhaltspunkt für die Richtigkeit der Rechtsauffassung der Parteien bietet
zunächst der Umstand, dass mit Wirkung vom 01.08.2001 lediglich ein Vorgang wieder
rückgängig gemacht wurde, der, als er ursprünglich in umgekehrter Richtung vorgenommen
worden war, von allen daran Beteiligten einschließlich auch der Streitverkündeten als
Betriebsübergang im Sinne des § 613 a BGB angesehen wurde. Als sich die
Streitverkündete im Jahre 1998 zum "Outsourcing" ihres Logistikbereiches und bestimmter
119
120
121
122
speditioneller Dienstleistungen entschloss und diese Bereiche schließlich auf die Beklagte
übertrug, wurde darin damals ohne weiteres nicht nur von der Beklagten, sondern auch von
der Streitverkündeten ein Betriebsübergang im Sinne von § 613 a BGB gesehen. Dies
ergibt sich z. B. aus Ziffer 3 des Vertrages zwischen der Streitverkündeten und der
Beklagten vom 15.02.2000 und wurde auch in dem Arbeitsvertrag zwischen der Beklagten
und dem Kläger vom 16.11.1999 ausdrücklich so festgehalten. Zwar liegt bei einem sog.
"Insourcing" nicht automatisch ein Betriebsübergang im Sinne des § 613 a BGB vor, weil
es stets auf die Würdigung der jeweils aktuellen Verhältnisse ankommt (vgl. BAG vom
22.7.2004, 8 AZR 350/03). Es bedürfte aber einer spezifischen Begründung, warum die
Rückabwicklung des im Jahre 1998 vorgenommenen Outsourcing vorliegend eine andere
Qualität haben sollte als die ursprüngliche Maßnahme. Dies gilt umso mehr, als die
Rückabwicklung nicht etwa aus Anlass des regulären Auslaufens der zwischen der
Streitverkündeten und der Beklagten getroffenen Verträge oder sonstigen veränderten
betrieblichen Planungen heraus vorgenommen wurde, sondern eher ungeplant und
spontan, weil sich die Streitverkündete veranlasst gesehen hatte, die Verträge mit der
Beklagten aus gewissermaßen "verhaltensbedingten" Gründen fristlos zu kündigen.
cc. Die Würdigung der tatsächlichen Einzelheiten bestätigt die vorgenannte Vermutung:
Dabei ist im Ausgangspunkt zunächst festzustellen, wie der "Betrieb" der Beklagten in H zu
charakterisieren ist. Es handelt sich dabei nicht um einen sogenannten betriebsmittelarmen
Betrieb. Es kommt somit nicht alleinentscheidend darauf an, ob die Streitverkündete einen
wesentlichen Teil der Belegschaft der Beklagten, bzw. des darin verkörperten Know-How
übernommen hat.
aaa. Nach der ursprünglichen früheren Rechtssprechung des BAG wurde stets der
Grundsatz betont, dass die Übernahme von Personal keine Voraussetzung, sondern eine
Rechtsfolge des § 613 a BGB darstelle. Die Rechtssprechung des Europäischen
Gerichtshofes hat sodann zu der Erkenntnis geführt, dass bei "Betrieben", die sich nahezu
ausschließlich durch die in ihnen versammelte Manpower und das darin verkörperte Know-
How charakterisieren und keinerlei identitätsstiftende Betriebsmittel materieller oder
immaterieller Art aufweisen, die Übernahme eines nach Quantität und/oder Qualität
wesentlichen Teils des Personals auch Anspruchs
voraussetzung
Betriebsübergang und nicht nur dessen Rechtsfolge darstellen kann. Dies ändert jedoch
nichts daran, dass der Nichtübernahme von Personal grundsätzlich nur bei
betriebsmittelarmen Betrieben eine den Tatbestand des Betriebsübergangs ausschießende
Bedeutung zukommen kann (BAG NZA 2004, 1384). Steht ein Betriebsübergang bereits
aufgrund anderer Kriterien fest, ist der Übergang der Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer
nach wie vor lediglich Rechtsfolge und nicht zwingende Voraussetzung eines
Betriebsübergangs (BAG a. a. O.).
bbb. Der Betrieb der Beklagten in H bildete keinen sogenannten betriebsmittelarmen
Betrieb im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes. Die materiellen
Betriebsmittel wie Räumlichkeiten und Maschinen sowie auch immaterielle Betriebsmittel
im Sinne von Geschäftsbeziehungen zu Frachtunternehmen u. ä. stellten für den Betrieb
der Beklagten nicht lediglich untergeordnete und unwesentliche Merkmale dar wie etwa bei
einer Putzkolonne die Ausstattung mit Besen und Reinigungsmittel, sondern hatten
identitätsstiftende Bedeutung, zumal die Beklagte nur über diese eine Betriebsstätte
verfügte.
ccc. Es kommt somit nach Überzeugung der Berufungskammer nicht entscheidend darauf
an, ein wie großer Teil der Belegschaft der Beklagten im Zusammenhang mit der
Rückabwicklung des Outsourcing zur Streitverkündeten zurückgekehrt ist. Der Umstand,
dass - je nach Standpunkt "immerhin" oder "nur" - im Laufe des Jahres 2001 mindestens
123
124
125
126
127
dass - je nach Standpunkt "immerhin" oder "nur" - im Laufe des Jahres 2001 mindestens
drei frühere Belegschaftsmitglieder der Beklagten wieder im Logistikbereich der
Streitverkündeten tätig geworden sind, kann, auch wenn diese Mitarbeiter zunächst nur als
Leiharbeitnehmer zur Streitverkündeten zurückkehrten, bevor sie von dieser wieder
endgültig übernommen wurden, nach der Lebenserfahrung kaum als Zufall angesehen
werden.
ddd. Die Dienstleistungen, die im Betrieb der Beklagten zu verrichten waren, bedurften in
erheblichem Umfang materieller und immaterieller Betriebsmittel. So benötigte die Beklagte
für die von ihr übernommenen Verpackungsaufgaben Maschinen. Die drei Padpack-
Maschinen und die Zyklop-Maschine, die der Beklagten zuletzt zur Verfügung standen,
werden über den 01.08.2001 hinaus nunmehr von der Streitverkündeten benutzt. Dass
diese Maschinen dabei vor wie nach dem 01.08.2001 im Eigentum eines Dritten standen,
spielt anerkannter Maßen keine Rolle. Hinzu kommen weitere allgemeine Gegenstände
der betrieblichen Einrichtung der Logistik wie z. B. Packtische oder Regale sowie alle
Lager- und Transportmittel, die die Streitverkündete der Beklagten gemäß Ziffer 4 des
Vertrages vom 15.02.2000 zur unentgeltlichen Nutzung zur Verfügung gestellt hatte.
eee. Von wesentlicher Bedeutung sind des weiteren die von der Streitverkündeten der
Beklagten bei Vertragsbeginn überlassenen Räumlichkeiten. Dabei kann es keine Rolle
spielen, ob die Räumlichkeiten vermietet oder unentgeltlich zur Nutzung überlassen
wurden. Ebenso wenig kann es entscheidend sein, ob die Räumlichkeiten einen
"geschlossenen" Bereich für die Beklagte begründeten oder ihrer Art und Bestimmung
nach auch jederzeit für Mitarbeiter der Streitverkündeten zugänglich waren. Auch wenn die
der Beklagten zur Verfügung gestellten Arbeits-Plätze, vom Büro einmal abgesehen,
keinen abgeschlossenen Bereich nur für die Beklagte darstellten, handelte es sich
dennoch dabei um ein für die gesamte Tätigkeit der Beklagten wichtiges Betriebsmittel,
was wiederum nicht zuletzt auch daraus folgt, dass das Unternehmen der Beklagten in den
ihm zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten der Streitverkündeten seine einzige
Betriebsstätte überhaupt unterhielt.
fff. In diesem Zusammenhang kommt schließlich auch noch hinzu, dass die Beklagte
ausweislich Abschnitt 2.2 des Vertrages vom 15.02.2000 für das gesamte Fertigwarenlager
der Streitverkündeten von der Einlagerung bis zur Lager- und Bestandspflege zuständig
war. Erst jüngst hat das BAG entschieden, dass bei dem Betrieb eines Lagers die
Räumlichkeit und die Einrichtung derselben zu den identitätsstiftenden Betriebsmerkmalen
gehören (BAG NZA 2004, 1386 f.).
dd. Liegt ein Betrieb vor, der sich nicht allein durch die darin zusammengefasste Manpower
charakterisiert, sondern auch über nennenswerte materielle und immaterielle Betriebsmittel
verfügt, so kann ein Betriebsübergang vorliegen, wenn ein Auftraggeber zunächst den
einen Unternehmer und dann einen anderen Unternehmer nacheinander mit bestimmten
Dienstleistungen beauftragt und beiden Unternehmern dazu wesentliche materielle
Betriebsmittel zur Verfügung stellt (EuGH NZA 2003, 1385 ff.). Dann muss dasselbe auch
hier gelten, wenn die Streitverkündete als Auftraggeber zunächst die Beklagte mit
umfassenden Dienstleistungen beauftragt und ihr hierfür erhebliche materielle
Betriebsmittel zur Verfügung stellt, sodann jedoch die gleichen Aufgaben und Tätigkeiten
wieder in eigener Regie zurück übernimmt.
ee. Soweit man dabei zusätzlich noch darauf abstellen will, ob die überlassenen
Betriebsmittel vom Auftragnehmer "eigenwirtschaftlich" genutzt werden konnten
(ausdrücklich offengelassen bei BAG NZA 2004, 1386f.), so wäre zur Überzeugung der
Berufungskammer auch dieses Merkmal vorliegend zu bejahen.
128
129
130
131
132
133
aaa. Eine eigenwirtschaftliche Nutzung der der Beklagten überlassenen Räumlichkeiten
und sonstigen Betriebsmittel in dem Sinne, dass die Beklagte damit nach freiem Gutdünken
im eigenen wirtschaftlichen Interesse hätte verfahren können, war der Beklagten zwar nur
insoweit möglich, als nach dem Vertrag vom 15.02.2000 eine Nutzung für andere Zwecke
als die Erfüllung der Verträge mit der Streitverkündeten einer besonderen Genehmigung
bedurfte. Bei wohlverstandener Interpretation liegt aber auch in der Nutzung der zur
Verfügung gestellten Räumlichkeiten und Sachmittel in Erfüllung des Auftragsverhältnisses
zur Streitverkündeten eine eigenwirtschaftliche Nutzung seitens der Beklagten; denn die
Beklagte hatte nach dem Inhalt des Auftragsverhältnisses gegenüber der Streitverkündeten
nicht lediglich einfachste, rein mechanische Tätigkeiten zu verrichten, sondern einen
inhaltlich abgegrenzten Sachbereich in eigener Regie mit einem eigenen
unternehmerischen Gestaltungsspielraum abzudecken, was sich auch in eigenständig zu
unterhaltenden Rechtsbeziehungen beispielsweise zu Frachtunternehmern und in
ausführlichen Haftpflichtregeln, wie sie in Ziffer 10 des Vertrages vom 15.01.2000 ihren
Niederschlag gefunden haben, widerspiegelte.
bbb. Dass die Streitverkündete der Beklagten Räume und Einrichtungsgegenstände zur
eigenständigen Nutzung zur Verfügung gestellt und nicht lediglich quasi die Anwesenheit
der Beklagten in ihren Räumlichkeiten geduldet hat, ergibt sich auch aus der Regelung in
Ziffer 2 Abs. 3 des Aufhebungsvertrages zwischen der Streitverkündeten und der Beklagten
vom 04.07.2001. Dort heißt es nämlich: "Am 31.07.2001 wird eine gemeinsame Inventur
durchgeführt und insbesondere der vorhandene Warenbestand, der Zustand der
Einrichtungsgegenstände und der Räume festgestellt. Die Übergabe der vertragsgemäß
genutzten Räume erfolgt spätestens am 31.07.2001."
ff. In der Vereinbarung vom 15.02.2000 sind die Streitverkündete und die Beklagte
übereinstimmend davon ausgegangen, dass es sich bei der von der Streitverkündeten auf
die Beklagte zu übertragenen "Logistik" in der dort beschriebenen sachlichen Abgrenzung
um einen Aufgabenbereich handelte, der nach Art einer zu verselbständigenden
Organisationseinheit als solche einer Übertragung auf einen Dritten zugänglich war. Daran
ändert auch der Umstand nichts, dass sich aus dem inhaltlichen Aufgabenbereich
zahlreiche Schnittstellen zu einer engen Zusammenarbeit mit Mitarbeitern der
Streitverkündeten ergeben haben mögen.
f. Aus alledem ergibt sich, dass die Beklagte in den Räumlichkeiten der Streitverkündeten
in H einen eigenständigen Betrieb unterhalten hat. Dieser Betrieb als eine Gesamtheit aus
sachlichen und immateriellen Betriebsmitteln sowie inhaltlichen Tätigkeitsaufgaben ist zum
01.08.2001 auf die Streitverkündete zurückgefallen. Es handelt sich auch hier um einen
Fall des Insourcing (vgl. BAG NZA 2004, 1383 ff.).
g. Schon aufgrund des relativ geringfügigen Zeitraums in welchem die Rückübertragung zu
organisieren war, ist aufgrund der Lebenserfahrung nicht zu erwarten, dass - bei
gleichzeitig ansonsten unverändert weiterlaufender Geschäftstätigkeit der
Streitverkündeten - der Betrieb in wesentlich veränderter Form rückübertragen wurde. Es
entspricht dem übereinstimmenden Sachvortrag beider Parteien, dass dies nicht der Fall
war. Die Streitverkündete hat den Betrieb der Beklagten vielmehr im wesentlichen
unverändert fortgeführt.
Soweit die Streitverkündete mit Schriftsatz vom 26.02.2002 hatte vortragen lassen, dass sie
nach dem Rückfall der Logistikabteilung eine erhebliche Umorganisation in diesem
Bereich vorgenommen haben will, so ist dies zum einen aus den bereits eingangs
dargestellten prozessrechtlichen Erwägungen heraus für das vorliegende Verfahren
unerheblich. Zum anderen ist zu bemerken, dass die Streitverkündete nicht vorgetragen
134
135
136
137
138
139
hat, wann und in welchen Schritten sie die von ihr behauptete Umorganisation
vorgenommen haben will. Schließlich kann sich die Berufungskammer auch des Eindrucks
nicht erwehren, dass die behauptete Umstrukturierung im wesentlichen lediglich in einer
Umbenennung inhaltlich gleich bleibender Funktionseinheiten besteht.
h. Aus der Aufhebungsvereinbarung vom 04.07.2001 ergibt sich, dass die
Vertragsbeziehungen zwischen der Streitverkündeten und der Beklagten nicht bereits mit
Ausspruch der fristlosen Kündigung vom 15.06.2001 ihr Ende gefunden hatten, sondern
erst mit Ablauf des 31.07.2001 (Ziffer 1 der Vereinbarung vom 04.07.2001). Auch wenn die
Streitverkündete bereits zu einem früheren Zeitpunkt die Leitung und Überwachung
Personaleinsatzes bei der Beklagten übernommen hatte, ist der Vollzug des
Betriebsübergangs auf den Zeitpunkt zu datieren, in dem der Wechsel in der Person des
Inhabers des Betriebs eintritt (BAG NZA 2004, 1386). Dies war ausweislich des
Aufhebungsvertrages vom 4.7.2001 hier zum 01.08.2001 der Fall.
i. Der zum 1.8.2001 vollzogene Betriebsübergang war auch rechtsgeschäftlicher Natur. Er
beruhte auf der Aufhebungsvereinbarung, die die Beklagte und die Streitverkündete am
4.7.2001 geschlossen haben.
k. Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten wurde die Kündigung vom 23.07.2001 auch
"wegen des Betriebsübergangs" ausgesprochen. Mit dem Kläger ist zur Überzeugung des
Berufungsgerichts davon auszugehen, dass der Beklagten im Zeitpunkt des Ausspruchs
der Kündigung die von ihr jetzt auch selbst im Sinne eines Betriebsübergangs für
entscheidungserheblich gehaltenen Tatsachen im wesentlichen bekannt waren.
aa. Dafür spricht bereits die Formulierung des Kündigungsschreibens, in welchem es heißt:
"Da unser Hauptkunde, die Firma L , ab dem 01.08.2001 die von uns erbrachten
Dienstleistungen wieder selbst durchführen wird, entfallen bei uns ab diesem Zeitpunkt die
Beschäftigungsmöglichkeiten". Der Beklagten war klar, dass die ihr überlassene
Räumlichkeit, die ihre einzige Betriebsstätte bildete, und die Betriebseinrichtung per
31.07.2001 an die Streitverkündete zurückfallen würden. Wie aus dem
Kündigungsschreiben hervorgeht, befand sich die Beklagte auch nicht im Ungewissen
darüber, was mit dem Aufgabenbereich Logistik bei der Streitverkündeten in Zukunft
geschehen würde. Die Beklagte wusste, dass die Streitverkündete diesen Bereich wieder
selbst abdecken würde. Gerade im Hinblick auf diesen Sachverhalt wurde die Kündigung
ausgesprochen.
bb. Ob die Beklagte dabei rechtlich gesehen bereits im Zeitpunkt des Ausspruchs der
Kündigung den möglichen Rückschluss auf einen Betriebsübergang im Sinne des § 613 a
BGB zog, erscheint bei lebensnaher Betrachtung zwar nicht fernliegend, letztlich aber
unerheblich. Auch hier kommt es auf die aus bestimmter Tatsachenkenntnis folgende
Motivation und nicht auf zutreffende oder nicht zutreffende rechtliche Schlussfolgerungen
an. Darüberhinaus steht auch aus weiteren im vorliegenden Prozess zur Gerichtsakte
gereichten Unterlagen fest, dass die Beklagte jedenfalls schon im Monat August 2001
ausdrücklich den Gesichtspunkt eines Betriebsübergangs gemäß § 613 a BGB in
Erwägung zog und sogar dem Kläger und anderen Mitarbeitern gegenüber kommunizierte
(Vgl. Bl.183 d.A.).
cc. Letztendlich beruht auch der Umstand, dass die Beklagte ab dem 01.08.2001 die
Gehaltszahlung an den Kläger und andere Arbeitnehmer einstellte, nur darauf, dass sie mit
einem Betriebsübergang auf die Streitverkündete rechnete. Hätte der Beklagten zum
damaligen Zeitpunkt der Gedanke an einen Betriebsübergang ferngelegen, wäre ihr
Verhalten, dem Kläger und anderen Arbeitnehmern ab dem 01.08.2001 ihre fortlaufende
140
141
142
143
144
145
146
147
Vergütung trotz laufender Kündigungsfrist vorzuenthalten, als unverständlich oder gar
unredlich zu bezeichnen.
3. Auch die Anschlussberufung der Beklagten ist im Wesentlichen begründet.
a. Die Beklagte wendet sich mit ihrer Anschlussberufung dagegen, dass das Arbeitsgericht
sie zur Zahlung der Vergütungen für den Zeitraum August 2001 bis Februar 2002
einschließlich des Weihnachtsgeldes 2001 und des einbehaltenen Gehalts für den
25.07.2001 verurteilt hat. Die gegen die Beklagte gerichteten Zahlungsansprüche für die
Zeit ab dem 01.08.2001 - hierzu gehört auch das Weihnachtsgeld 2001 - mussten
abgewiesen werden. Dies folgt daraus, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers ab dem
01.08.2001 nicht mehr zur Beklagten, sondern aufgrund des vom Kläger selbst
angenommen Betriebsüberganges gemäß § 613 a BGB nunmehr (wieder) zur
Streitverkündeten fortbestand. Aus welchem rechtlichen Gesichtspunkt die Beklagte
gleichwohl dem Kläger gegenüber für die Vergütungen ab 01.08.2001 haften sollte, ist nicht
ersichtlich.
b. Nur soweit sich die Beklagte mit ihrer Anschlussberufung dagegen wehrt, dass sie
verurteilt worden ist, für den 25.07.2001 die einbehaltenen 97,57 Euro nebst Zinsen
nachzuzahlen, ist ihre Anschlussberufung unbegründet. Am 25.07.2001 war die Beklagte,
wie sich aus den vorangegangen Ausführungen ergibt, noch Arbeitgeberin des Klägers.
Sie hat auch die Vergütung für den fraglichen Tag zu Unrecht einbehalten. Insoweit kann
auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts in seinen Entscheidungsgründen
unter I 1 Bezug genommen werden.
III. Die Kostenfolge ergibt sich aus dem Verhältnis des beiderseitigen Obsiegens und
Unterliegens. Die Kosten der erfolglosen Nebenintervention, die sich nur auf die Abwehr
der Berufung des Klägers erstreckte, hat die Streitverkündete selbst zu tragen.
Die vorliegende Einzelfallentscheidung folgt den Grundsätzen der höchstrichterlichen
Rechtssprechung. Die gesetzlichen Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht
vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g :
Gegen dieses Urteil ist ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben.
(Dr. Czinczoll) (Ueberholz) (Kruger)