Urteil des LAG Köln vom 05.03.2004

LArbG Köln (Eigenes Verschulden, Klagefrist, Kündigung, Umzug, Arbeitsgericht, Empfang, Sorgfalt, Ausführung, Datum, Versicherung)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Vorinstanz:
Schlagworte:
Normen:
Sachgebiet:
Leitsätze:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Landesarbeitsgericht Köln, 4 (13) Ta 440/03
05.03.2004
Landesarbeitsgericht Köln
4. Kammer
Beschluss
4 (13) Ta 440/03
Arbeitsgericht Siegburg, 1 Ca 3928/03
Nachträgliche Klagezulassung
§ 5 KSchG
Arbeitsrecht
Das Verschulden eines Dritten, der nicht Proßesbevollmächtigter ist, ist
der Partei als solcher nicht zuzurechnen. Eignes Verschulden der Partei
kann aber als Auswahl-, Aufsichts-, Organisations- oder
Informationsverschulden in Betracht kommen, wenn die Partei einen
Dritten mit der Erhebung der Kündigungsschutzklage beauftragt.
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des
Arbeitsgerichts Siegburg vom 13.11.2003 - 1 Ca 3928/03 - wird auf
Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
G r ü n d e
Das Arbeitsgericht hat zu Recht den Antrag der Klägerin auf nachträgliche Klagezulassung
zurückgewiesen, weil die Klägerin eigenes Verschulden trifft.
1. Das Arbeitsgericht hat bereits darauf hingewiesen, dass die Regelungen über die
Klagefrist bei einer Kündigung in §§ 4 und 5 KSchG dem Arbeitnehmer eine gesteigerte
Sorgfalt abverlangen. Grundsätzlich muss vom Arbeitnehmer erwartet werden, dass er alle
Vorkehrungen trifft, die in seiner Lage nach Empfang der Kündigung getroffen werden
können. Er kann sich insbesondere nicht einfach darauf berufen, die nur dreiwöchige
Klagefrist nicht gekannt zu haben. Mutet das Gesetz ihm zu, innerhalb von drei Wochen
Klage zu erheben, so wird ihm damit auch zugemutet, diese drei Wochen rechtzeitig dafür
zu nutzen, sich über die Existenz der befristen Klagemöglichkeit in Kenntnis zu setzen.
Grundsätzlich geht die Kammer davon aus, dass anders als bei Prozessbevollmächtigten
(§ 85 Abs. 2 ZPO) dem Arbeitnehmer das Verschulden eines Dritten als solches nicht
zuzurechnen ist. Hier gilt grundsätzlich nichts anderes als beim Recht der
Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand (§ 233 ZPO). Auch dort gilt für Verschulden
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Dritter, dass die Partei nicht haftet, vielmehr das Verschulden Dritter die Wiedereinsetzung
begründet, sofern mitwirkendes eigenes Verschulden der Partei auszuschließen ist (vgl.
statt vieler Zöller/Greger, § 233 ZPO Rdn. 19). Auch im Rahmen des § 5 KSchG hat der
Arbeitnehmer darzulegen und glaubhaft zu machen, dass "trotz Anwendung aller ihm nach
der Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt" er verhindert war, die Klage rechtzeitig zu
erheben. Seine Darlegungen müssen eigenes Verschulden ausschließen. Eigenes
Verschulden kommt insbesondere als Auswahl-, Aufsichts-, Organisations- oder
Informationsverschulden in Betracht (vgl. Zöller/Greger, a.a.O. Rdn. 13).
2. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Klägerin ein eigenes Verschulden an der
Versäumung der Klagefrist nicht trifft.
Die Klägerin hat das Kündigungsschreiben am 01.08.2003 erhalten. Danach fuhr sie in das
Krankenhaus, aus dem sie am 11.08.2003 entlassen wurde. Erst am 11.08.2003, mithin
bereits nach Ablauf der Hälfte der Klagefrist übergab sie der Tochter die Kündigung des
Arbeitgebers und bat sie, die Angelegenheit dem Anwalt zu übergeben, um zu überprüfen,
ob Fristen einzuhalten sind und um ggf. fristwahrend Klage einzureichen (so die
eidesstattliche Versicherung der Tochter).
Zu diesem Zeitpunkt, zu dem etwa die Hälfte der Klagefrist bereits abgelaufen war, war die
Tochter mit einem Umzug beschäftigt. Nach eigener Darlegung der Klägerin handelte es
sich um eine "Ausnahmesituation", bei der "alles drunter und drüber ging". Dass die
Tochter in dieser Situation - wie sie eidesstattlich versichert - die Kündigung "dann erst
einmal beiseite zu anderen Unterlagen legte, weil ich mit dem Umzug beschäftigt war",
dass sie, nachdem ihr Mann einen Anwalt angerufen hatte, der das Kündigungsschreiben
sehen wollte, das Kündigungsschreiben zu dem Zeitpunkt nicht finden konnte und sodann
"die ganze Sache (vergaß), weil wir so mit dem Umzug beschäftigt waren und bei uns alles
drunter und drüber ging", entspricht der Typik einer Umzugssituation. Wenn die Klägerin in
dieser Situation der Tochter den Auftrag gab, sich um die Angelegenheit zu kümmern, hat
sie keineswegs alle Vorkehrungen getroffen, die in ihrer Lage nach dem Empfang der
Kündigung getroffen werden konnten.
In dieser Situation hätte die Klägerin grundsätzlich ihre Tochter überhaupt nicht
beauftragen dürfen. Dieses um so weniger, als sie selbst bei der Übergabe an die Tochter
nicht mehr durch einen Krankenhausaufenthalt daran gehindert war, sich selbst um die
Angelegenheit zu kümmern. Jedenfalls aber hätte die Klägerin die Ausführung des
Auftrages zeitnah und zumindest durch Nachfrage kontrollieren müssen.
Insgesamt ist daher ein Verschulden der Klägerin an der Versäumung der Klagefrist nicht
auszuschließen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
(Dr. Backhaus)