Urteil des LAG Köln vom 22.09.2010

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Landesarbeitsgericht Köln, 1 Ta 240/10
Datum:
22.09.2010
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
1.Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 Ta 240/10
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Siegburg, 3 Ca 759/10
Schlagworte:
Prozesskostenhilfe; Vergleichsmehrwert; konkludente Antragstellung
Normen:
§§ 117, 114 ZPO
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Prozesskostenhilfe für einen Vergleich, der Regelungsgegenstände
enthält, die zu einem Mehrwert führen, setzt eine gesonderte
Antragstellung voraus.
2. Auch im Prozesskostenhilfeverfahren ist eine konkludente
Antragstellung möglich.
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde wird der Beschluss des Arbeitsgerichts
Siegburg vom 27.05.2010 aufgehoben.
Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von
Rechtsanwalt Besgen aus Köln auch hinsichtlich des Mehrwerts des
Vergleichs vom 29.4.2010 bewilligt.
G r ü n d e
1
I.
2
Der Kläger beansprucht die Erstreckung der ihm gewährten Prozesskostenhilfe auf
einen in der Sache abgeschlossenen Vergleich.
3
Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 10.02.2010 beantragte der Kläger
beim Arbeitsgericht Siegburg die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung
seines Prozessbevollmächtigten für eine Kündigungsschutzklage, mit der er sich gegen
die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses wandte. Im Gütetermin am 05.03.2010 wurde
ein Vergleich mit Widerrufsmöglichkeit für den Kläger protokolliert, der u. a. die
Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 15.03.2010 mit Freistellung unter
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Anrechnung auf Urlaub, die Zahlung einer Abfindung in Höhe von 800,00 € brutto und
die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses vorsah. Das Arbeitsgericht setzte auf
Antrag des Klägervertreters den Streitwert für das Verfahren auf 4.839,00 € und für den
Vergleich auf 6.045,00 € fest.
Nachdem der Klägervertreter den Vergleich zunächst widerrufen hatte, teilte er mit
Schriftsatz vom 26.03.2010, dem die Erklärung über die persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse beigefügt war, mit, der Kläger sei mit dem in der
Güteverhandlung protokollierten Vergleich einverstanden. Außerdem wies er darauf hin,
dass der Kläger neben seinen Einkünften und denen seiner Ehefrau im Hinblick auf
sieben unterhaltspflichtige Kinder Arbeitslosengeld beziehe und nicht in der Lage sei,
die Kosten des Rechtsstreits auch nur zum Teil aufzubringen.
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Mit Beschluss vom 15.04.2010 schlug das Arbeitsgericht den Parteien den Abschluss
des vorgenannten Vergleichs vor und bewilligte durch weiteren Beschluss vom gleichen
Tag dem Kläger unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten ratenfreie
Prozesskostenhilfe. Nach beiderseitiger Zustimmung stellte das Arbeitsgericht Siegburg
mit Beschluss vom 29.04.2010 den Abschluss des Vergleichs fest.
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Mit Schriftsatz vom 17.05.2010 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die
Prozesskostenhilfe auch auf den Mehrwert des Vergleichs zu erstrecken. Dies lehnte
das Arbeitsgericht Siegburg mit Beschluss vom 27.05.2010 mit der Begründung ab, der
Antrag sei erst nach Abschluss des Verfahrens gestellt worden und eine rückwirkende
Bewilligung von Prozesskostenhilfe sei nicht möglich.
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Gegen den Beschluss hat der Kläger am 15.06.2010 sofortige Beschwerde eingelegt.
Mit dieser macht er geltend, er habe einen Antrag auf Bewilligung von
Prozesskostenhilfe für den Mehrvergleich zumindest konkludent schon vor Abschluss
des Verfahrens gestellt.
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Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 01.07.2010 der sofortigen Beschwerde nicht
abgeholfen.
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II.
10
Die sofortige Beschwerde gegen den Prozesskostenhilfebeschluss des Arbeitsgerichts
Siegburg vom 27.05.2010 ist gemäß § 127 Abs. 3 Satz 2 u. 3 ZPO i. V. m. §§ 11 a Abs. 3
ArbGG, 46 Abs. 2 Satz 3 ArbGG, 569 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht
eingelegt worden. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
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Die dem Kläger gemäß § 114 ZPO i.V.m. § 11 a ArbGG zu bewilligende
Prozesskostenhilfe hat sich auch auf die in der Gütesitzung am 5.3.2010 erörterten und
in dem Vergleich vom 29.04.2010 geregelten, zusätzlichen Streitpunkte zu erstrecken.
Die Bewilligungsvoraussetzungen des § 114 ZPO liegen auch insoweit vor. Der
erforderliche Antrag ist dem Schriftsatz des Klägervertreters vom 26.03.2010 zu
entnehmen.
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Die Gewährung von Prozesskostenhilfe für einen Vergleich, der
Regelungsgegenstände enthält, die zu einem Vergleichsmehrwert führen, setzt einen
gesonderten PKH-Antrag voraus (vgl. nur LAG Köln v. 27.04.2009 – 7 Ta 102/08 – m. w.
N.; LAG Baden-Württemberg v. 26.11.2009 – 21 Ta 10/09; Zöller-Geimer, 28. Aufl. 2010,
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§ 119 Rn. 25; Kalthöhner/Büttner/Wrobel/Sachs, Prozesskosten- und
Verfahrenskostenhilfe, 5. Aufl. 2010, Rn. 79 u. 160; Schneider MDR 1985, 814). Einen
solchen Antrag hat der Kläger mit Schriftsatz vom 26.03.2010 zwar nicht ausdrücklich
gestellt. Es entspricht allerdings ganz überwiegender Auffassung, dass auch im
Prozesskostenhilfeverfahren eine konkludente Antragstellung möglich ist (LAG Baden-
Württemberg v. 26.11.2009 – 21 Ta 10/09 – bei juris; LAG Rheinland-Pfalz v.
15.01.2010 – 8 Ta 3/10 – bei juris; LAG Düsseldorf v. 10.8.2010 – 3 Ta 445/10; LAG
Düsseldorf v. 12.01.2010 – 3 Ta 588/09 – JurBüro 2010, 262 f; LAG Köln v. 18.04.1996
– 4 Ta 265/95 RpflG 1996, 413 f; Zöller-Geimer, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 114 Rn. 14 m. w.
N.). Eine solche ist dem Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 26.3.2010 zu
entnehmen.
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass Prozesshandlungen ebenso wie private
Willenserklärungen der Auslegung zugänglich sind, wobei der Wortlaut hinter dem
Parteiwillen zurücktritt (BAG v. 13.12.2007 – 2 AZR 818/06 – NZA 2008, 589 ff.). Bei der
Auslegung ist gerade im arbeitsgerichtlichen Verfahren ein großzügiger Maßstab
anzulegen, auch dann, wenn die Partei anwaltlich vertreten ist (so ausdrücklich BAG a.
a. O. Rz. 20 u. 31).
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Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben lässt sich dem Schriftsatz vom 26.03.2010
hinreichend deutlich der Wille des Klägers entnehmen, dass sich die beantragte
Prozesskostenhilfe auf alle in dem Vergleich geregelten Streitpunkte erstrecken sollte.
Mit dem Schriftsatz hat der Kläger nämlich nicht nur die Erklärungen zum PKH-Antrag
vorgelegt, sondern weiter mitgeteilt, dass seine wirtschaftlichen Verhältnisse auch nur
die teilweise Übernahme der Prozesskosten nicht zuließen und dabei gleichzeitig dem
Vergleich zugestimmt. Gerade der gleichzeitige Hinweis auf die Zustimmung zu dem
vorgeschlagenen Vergleich kann nur so verstanden werden, dass der Kläger gerade
auch für den Vergleichsabschluss keine Kosten übernehmen wollte und davon ausging,
diese würden ebenfalls durch die beantragte Prozesskostenhilfe mit abgedeckt. Dafür
spricht auch der Umstand, dass es sich bei den über den Streitgegenstand
hinausgehenden Regelungsgegenständen des Vergleichs nur um solche handelt, die
bei der vergleichsweisen Beendigung eines Arbeitsverhältnisses im Rahmen eines
Kündigungsschutzprozesses als typisch bezeichnet werden können. Dies alles spricht
für den Willen des Klägers, mit dem Schriftsatz vom 26.3.2010 für alle mit der Kündigung
zusammenhängenden Vereinbarungen Prozesskostenhilfe zu beantragen.
15
III.
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Gegen die Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
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Dr. vom Stein
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