Urteil des LAG Köln vom 10.09.2008

LArbG Köln: erlöschen, muttergesellschaft, umwandlung, vergütung, zustandekommen, nachzahlung, arbeitsgerichtsbarkeit, aufsichtsrat, verwaltungsratsmitglied, ausführung

Landesarbeitsgericht Köln, 2 Ta 153/08
Datum:
10.09.2008
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Ta 153/08
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 1 Ca 10249/07
Schlagworte:
Rechtsweg, Organstellung, sin-non-Fall
Normen:
§§ 78 Abs. 3 ArbGG, 17 a GVG, 2 Abs. 3 ArbGG, 5 Abs. 1 ArbGG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Es handelt sich um einen sic-non-Fall, der die Zuständigkeit der
Arbeitsgerichte begründet, wenn ein Kläger nach Erlöschen seines
Vorstandsamtes die Beschäftigung als Arbeitnehmer begehrt, weil ein
Vertrag über die Arbeitsinhalte durch mündliche Vertragsannahme und
Weiterbeschäftigung über das Erlöschen der Vorstandsfunktion hinaus
zustande gekommen sei. Ob dies zutrifft ist in der Hauptsache und nicht
im Zuständigkeitsverfahren zu klären. Rückständige Vergütung, die
teilweise aus der Vorstandszeit herrührt, kann dann als
Zusammenhangsklage ebenfalls vor den Arbeitsgerichten eingeklagt
werden.
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des
Arbeitsgerichts Köln vom 25.04.2008 – 1 Ca 10249/07 – wie folgt
geändert:
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist zulässig.
G r ü n d e :
1
I. Im vorliegenden Verfahren macht der Kläger gegenüber den Beklagten als
Gesamtschuldnerinnen Zahlungen geltend sowie einen Beschäftigungsanspruch
(nach Betriebsübergang am 01.01.2008 insoweit nur gegenüber der Beklagten zu
2 ) als Chief Risk Officer.
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Der Kläger war bis zum 25.07.2007 Mitglied des Vorstandes der R AG K (später
umfirmiert in S AG). Dem lag der Anstellungsvertrag vom 08./15.12.2003 zugrunde. Als
Vorstandsmitglied war der Kläger Organ der Gesellschaft und die Zuständigkeit der
Arbeitsgerichte war unstreitig nicht gegeben § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG. Die
Aktiengesellschaft wurde von einer französischen Gesellschaft, der SCOR Global Vie
S.A. erworben. Diese beschloss, die beiden Gesellschaften in eine S. E. zu
verschmelzen und umzuwandeln. Die Eintragung der Verschmelzung und Umwandlung
erfolgte mit Wirkung zum 25.07.2007. Zu diesem Zeitpunkt verlor der Kläger seine
Oragnstellung als Vorstandsmitglied.
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Bereits im Juli 2006 zu einem Zeitpunkt, in dem die Verschmelzung und Umwandlung
im Planungsstadium war, führte der Kläger Verhandlungen mit der französischen
Muttergesellschaft über die Frage der Fortsetzung seines Beschäftigungsverhältnisses.
Seit November 2006 verrichtete der Kläger die Tätigkeiten eines Chief Risk Officer, eine
Position, die nach den damaligen Planungen der französischen Muttergesellschaft auch
nach der Verschmelzung der Gesellschaften weiter bestehen sollte. Der Kläger
verrichtete die Tätigkeiten auch noch nach Erlöschen seines Vorstandsamtes bis zum
02.08.2007. Er behauptet, mündlich sei der angebotene Arbeitsvertrag vom 30.07.2007
von ihm gegenüber der Beklagten angenommen worden und damit zustande
gekommen. Zudem macht er geltend, ihm sei ihm Herbst 2006 zugesagt worden, dass
seine Vergütung von 200.000,00 € p. a. auf 300.000,00 € p. a. rückwirkend zum
01.01.2007 angehoben werden sollte. Diese Anhebung dürfe aber vor der
Verschmelzung nicht dokumentiert werden, da der Aufsichtsrat der R AG, der
grundsätzlich bis zur Verschmelzung die beabsichtigte Gehaltsanhebung als
Vertragspartner hätte beschließen müssen hierzu gegenüber der Käuferin nicht mehr
berechtigt gewesen sei.
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Der Kläger verlangt mit der Klage zum einen die Nachzahlung der von ihm behaupteten
mündlich zugesagten Vergütungsdifferenz und darüber hinaus die Beschäftigung als
Chief Risk Officer im Rahmen eines Arbeitsvertrages. Die Beklagte hat zunächst
vorgetragen, auch die Tätigkeit eines Chief Risk Officer sei eine solche eines Organs
der S. E.. Auf Nachfragen zur Organstruktur hat die Beklagte nunmehr erklärt, dass die
Tätigkeit als Chief Risk Officer nicht die Bestellung zum Verwaltungsrat der Gesellschaft
vorsieht. Das Arbeitsgericht Köln hat die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte nicht für
gegeben erachtet.
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II. Die zulässige und fristgerechte sofortige Beschwerde des Klägers gegen den die
Zuständigkeit verneinenden Beschluss des Arbeitsgerichts ist gemäß § 78 Abs. 3
ArbGG i. V. m. § 17 a Abs. 4 GVG zulässig und begründet. Aufgrund der nunmehr
vorgelegten Struktur der Beklagten steht fest, dass es sich um eine sogenannte
eingliedrige S. E. handelt, bei der lediglich die Mitglieder des Verwaltungsrates
Organ der Gesellschaft sind. Alle weiteren Beschäftigten, mögen sie auch in der
höchsten Managementebene angesiedelt sein und somit als leitende Angestellte
zu qualifizieren sein, sind damit ihrem Status nach Arbeitnehmer.
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Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Beschäftigung als Arbeitnehmer und nicht die
Bestellung zum Verwaltungsratsmitglied der Beklagten. Ob der Vertrag bereits zustande
gekommen ist, wie der Kläger meint, oder ob noch keine übereinstimmenden
Willenserklärungen gegeben waren, ist im Hauptsacheverfahren zu klären. Ebenso wird
darüber zu entscheiden sein, ob die Fortbeschäftigung, also die Ausführung von
Tätigkeiten nach dem 25.07.2007 zum Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses
geführt haben. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch, nämlich die Beschäftigung
als Arbeitnehmer in der Position des Chief Risk Officer, setzt damit den Bestand eines
Arbeitsverhältnisses voraus.
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Es handelt sich im Hinblick auf die Zuständigkeitsprüfung deshalb um einen
sogenannten sic-non-Fall und nicht nur um die Äußerung von Rechtsansichten. Die
fragliche Tatsache, nämlich das Bestehen oder Zustandekommen eines
Arbeitsvertrages ist sowohl für die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges als auch
für die materielle Begründetheit des geltend gemachten Anspruchs Voraussetzung. In
diesem Fall ist die Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit zu unterstellen und bei
Nichtzustandekommen des Vertrages die Klage als unbegründet abzuweisen. Die
zusätzlich geltend gemachte Zahlungsforderung, die zumindest zu einem
überwiegenden Teil aus der Zeit der Tätigkeit als Vorstandsmitglied resultiert, ist gemäß
§ 2 Abs. 3 ArbGG als Zusammenhangsstreitigkeit ebenfalls durch die Gerichte für
Arbeitssachen zu entscheiden. Auch über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 17 b
GVG in der Hauptsacheentscheidung zu entscheiden.
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Die Rechtsbeschwerde wurde mangels allgemeiner Bedeutung der Rechtsfrage nicht
zu gelassen.
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Olesch
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