Urteil des LAG Hamm vom 27.04.2009

LArbG Hamm: eintragung im handelsregister, geschäftsführer, geschäftsführender gesellschafter, arbeitsgericht, anstellungsvertrag, hauptsache, gerichtsstandsvereinbarung, klageerweiterung

Landesarbeitsgericht Hamm, 2 Ta 832/08
Datum:
27.04.2009
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Ta 832/08
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Dortmund, 4 Ca 3064/08
Schlagworte:
Rechtsweg: Ist der Geschäftsführer einer Einmann-GmbH vom Verbot
des Selbstkontrahierens gemäß § 181 BGB befreit, ist die zwischen ihm
und der Gesellschaft im Anstellungsvertrag getroffene Vereinbarung
über die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte wirksam und bindend.
Normen:
§§ 2 Abs. 4 ArbGG, 181 BGB, 35 Abs. 4 GmbHG
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des
Arbeitsgerichts Dortmund vom 27.11.2008 – 4 Ca 2064/08 – wird
kostenpflichtig zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 13.436,21 €
festgesetzt.
G r ü n d e
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I
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Die Parteien streiten im Beschwerderechtszug über die Zulässigkeit des Rechtsweges.
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Der Kläger will feststellen lassen, dass der zwischen ihm und der Insolvenzschuldnerin
am 25.07.2005 geschlossene Anstellungsvertrag über seine Tätigkeit als
Geschäftsführer durch die Kündigung des Beklagten vom 29.05.2008 weder fristlos
noch fristgemäß beendet worden ist und macht im Wege der Klageerweiterung
Vergütungsansprüche geltend.
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In Ziffer 8.4 des Anstellungsvertrages vom 25.07.2005, der vom Kläger gleichzeitig auch
als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin
unterschrieben worden ist, heißt es:
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"Für Streitigkeiten aus diesem Vertrag ist das Arbeitsgericht Dortmund zuständig."
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Der Beklagte, der am 19.02.2008 zum Insolvenzverwalter bestellt worden ist, hat die
Zulässigkeit des Rechtsweges gerügt und die Verweisung des Rechtsstreits an das
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Landgericht Dortmund beantragt. Er meint, § 2 Abs. 4 ArbGG sei im vorliegenden Fall
nicht anwendbar, denn beim Kläger handele es nicht nur um den
alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin, sondern auch
um deren Alleingesellschafter. Das Landgericht Dortmund sei auch deshalb zuständig,
weil es im Wesentlichen um umfangreiche bilanz- und insolvenzrechtliche Probleme
gehe.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Akteninhalt verwiesen.
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Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 27.11.2008 den Rechtsweg zu den
Arbeitsgerichten für eröffnet erklärt mit der Begründung, die Zuständigkeit der
Arbeitsgerichte ergäbe sich aus § 2 Abs. 4 ArbGG. Die Vereinbarung über die
Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Dortmund sei wirksam, denn gemäß
handelsregisterlicher Eintragung sei der Kläger befugt gewesen, im Namen der
Insolvenzschuldnerin mit sich im eigenen Namen Rechtsgeschäfte abzuschließen.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses, welcher
dem Beklagten am 04.12.2008 zugestellt worden ist, Bezug genommen. Dagegen hat
der Beklagte mit Schriftsatz vom 18.12.2008, der am selben Tag beim
Landesarbeitsgericht eingegangen ist,
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sofortige Beschwerde
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eingelegt, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat. Zur Begründung seines
Rechtsmittels trägt der Beklagte vor, in dem vorliegenden Fall könne von einer
Vereinbarung im Sinne des § 2 Abs. 4 ArbGG nicht mehr gesprochen werden, weil der
Kläger als geschäftsführender Gesellschafter den Anstellungsvertrag ohne jede
Mitwirkung eines anderen Geschäftsführers oder Gesellschafters mit sich selbst
abgeschlossen habe. In Wirklichkeit handele es sich um eine unzulässige einseitige
Bestimmung des Gerichtsstandes.
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Der Beklagte beantragt,
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den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund aufzuheben und den Rechtsstreit
an das Landgericht Dortmund zu verweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die sofortige Beschwerde vom 18.12.2008 kostenpflichtig zurückzuweisen.
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Der Kläger verteidigt den angefochtenen Beschluss und tritt dem Vorbringen des
Beklagten entgegen.
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II
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Die gemäß den §§ 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG, 48 ArbGG, 567, 569 ZPO zulässige
Beschwerde des Beklagten bleibt erfolglos. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist
wie das Arbeitsgericht richtig entschieden hat gemäß § 2 Abs. 4 ArbGG zulässig.
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1. Bei juristischen Personen und Organvertretern ermöglicht es § 2 Abs. 4 ArbGG, die
Zuständigkeit der Arbeitsgerichte durch Parteivereinbarung auf an sich
rechtswegfremde Streitigkeiten zu erweitern. Derartige Vereinbarungen sind
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insbesondere üblich, wenn es um Streitigkeiten aus dem Anstellungsvertrag mit dem
vertretungsberechtigten Geschäftsführer einer GmbH geht, welcher gemäß § 5 Abs. 1
Satz 3 ArbGG nicht als Arbeitnehmer gilt (vgl. dazu Gravenhorst, Anm. zu LAG Sachsen-
Anhalt vom 20.04.1995 – 7 Ta 7/95 LAGE § 2 ArbGG 1979 Nr. 16). Die
Voraussetzungen des § 2 Abs. 4 ArbGG liegen vor, denn der Kläger war streitlos
Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin und ist für sie nicht aufgrund eines
Arbeitsverhältnisses, sondern aufgrund eines freien Dienstverhältnisses als
Geschäftsführer tätig gewesen (BAG 06.05.1999, 3 AZB 22/98 NZA 1999, 839). Es
handelt sich vorliegend auch um eine Streitigkeit aus dem
Geschäftsführeranstellungsverhältnis, sodass die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte
durch Vereinbarung begründet werden konnte.
2. Die im Anstellungsvertrag vom 25.07.2005 getroffene Gerichtsstandvereinbarung ist
wirksam. Ein unzulässiges Insichgeschäft liegt nicht vor, denn der Kläger ist gemäß
Eintragung im Handelsregister vom Verbot des Selbstkontrahierens gemäß § 181 BGB
befreit worden. Gemäß § 35 Abs. 4 GmbHG findet § 181 BGB auf Rechtsgeschäfte des
Geschäftsführers mit der Gesellschaft Anwendung, wenn er zugleich
Alleingesellschafter der GmbH ist. Ein Alleingesellschafter, der wie vorliegend von den
Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist, kann wirksam Insichgeschäfte vornehmen
(OLG Düsseldorf vom 10.06.1999 – 10 U 142/93 JURIS; BGH 08.03.2004 – II ZR 316/01
DB 2004, 1418). Demgemäß konnte sich der Kläger als Alleingesellschafter der
Insolvenzschuldnerin wirksam zu deren alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer
bestellen. Zur Gewährleistung eines notwendigen rechtsgeschäftlichen
Handlungsspielraums sind Insichgeschäfte zwischen dem Geschäftsführer und dem
Gesellschafter der Einmann-GmbH üblich und werden von Gesetzes wegen gemäß §
35 Abs. 4 Satz 1 GmbHG als zulässig angesehen. Ausnahmen werden nur in krassen
Rechtsmissbrauchsfällen gemacht, etwa bei einer verbotenen Einlagenrückgewähr
gemäß den §§ 30, 31 GmbHG (vgl. BGH vom 08.03.2004, II ZR 316/01 unter III 1 der
Gründe, DB 2004, 1418). Eine Gerichtsstandsvereinbarung gemäß § 2 Abs. 4 ArbGG
fällt nicht darunter. Die Befreiung von der Beschränkung des § 181 BGB wirkt für alle
Rechtsgeschäfte des Geschäftsführers mit der Gesellschaft. Sie umfasst insbesondere
auch den Abschluss des Anstellungsvertrages mit der dort getroffenen
Gerichtsstandsvereinbarung (vgl. Scholz-Schneider, GmbHG, 9. Aufl., § 35 RdNr. 117).
Durch die Eintragung im Handelsregister wird der Gläubigerschutz sichergestellt. Weder
die von § 2 Abs. 4 ArbGG abgedeckte Interessenlage noch die Bedeutung dieser
Vorschrift rechtfertigen es, dem Kläger trotz zivilrechtlicher Wirksamkeit der getroffenen
Vereinbarung den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen zu versagen. Eine
Zuständigkeitsvereinbarung kann wie vorliegend geschehen im An-stellungsvertrag
getroffen werden. Die Beschränkungen des § 38 ZPO gelten nicht. Der Gerichtsstand
kann sogar formlos ohne Einhaltung der Schriftform vereinbart werden, sodass
insgesamt von einer bindenden Vereinbarung über die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte
ausgegangen werden muss.
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III
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Der Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu
tragen.
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IV
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Der Wert des Beschwerdegegenstandes richtet sich nach dem Wert der Hauptsache.
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Wegen der eingeschränkten Rechtskraft im Rechtswegbestimmungsverfahren sind
davon 3/10 in Ansatz gebracht worden. Für den Wert der Hauptsache sind drei
Monatsverdienste unter Hinzurechnung der Zahlungsforderung gemäß
Klageerweiterung vom 29.08.2008 veranschlagt worden.