Urteil des LAG Düsseldorf vom 23.09.2009

LArbG Düsseldorf (kläger, aufgaben, land, bag, essen, arbeitnehmer, arbeitgeber, arbeitsleistung, eingriff in grundrechtspositionen, nicht zwingendes recht)

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 12 Sa 357/09
Datum:
23.09.2009
Gericht:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
12. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 Sa 357/09
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Essen, 7 Ca 2035/08
Schlagworte:
Personalgestellung zwischen öffentlichrechtlichen Körperschaften
aufgrund gesetzlicher Aufgabenverlagerung
Normen:
Art. 12 GG, § 106 GewO, § 613 a BGB, § 4 TV-L, § 10 VersÄEingIG
NRW
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1.Indem § 4 Abs. 3 TV-L die Befugnis des Arbeitgebers zur
Personalgestellung an eine "Funktionsnachfolge" bindet, wird tariflich
vorausgesetzt, dass die dem Beschäftigten oder seiner
Organisationseinheit übertragenen Aufgaben bei dem Dritten tatsächlich
anfallen und dort einen adäquaten funktionellen Personalbedarf
auslösen. Daran fehlt es, wenn z. B die Aufgaben entfallen oder durch
die vorhandene Organisation des Dritten absorbiert werden oder der
Beschäftigte aus anderen Gründen nicht mit der Erledigung der
bisherigen Aufgabe befasst werden kann.
2. Das Direktionsrecht nach § 106 GewO kann durch Tarifvertrag, nicht
jedoch durch Landesgesetz erweitert werden. Die Regelungsbefugnis
der Tarifvertragsparteien wird insbesondere dann, wenn es - wie in § 4
Abs. 3 TV-L - um eine Erweiterung des Direktionsrechtes des
Arbeitgebers geht, durch die Wertentscheidungen des Grundgesetzes,
namentlich die Berufsfreiheit der Arbeitnehmer (Art. 12 Abs. 1 GG) und
das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG)
begrenzt.
3. Einem Betriebsübergang steht nicht entgegen, dass der Übergang auf
Gesetz oder anderem einseitigen staatlichen Rechtsakt beruht.
Hingegen ist ein Betriebsübergang ausgeschlossen, wenn "hoheitliche"
Verwaltungsaufgaben (und keine Unternehmenstätigkeiten) von einer
öffentlichen Verwaltung auf eine andere übertragen werden. Dies folgt
aus der gebotenen gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung des § 613
a Abs. 1 BGB (im Anschluss an LAG Niedersachsen 31.08.2001 - 10 Sa
2899/98 - Juris Rn. 27 und EuGH 14.09.2000 - C-343/98 Collino - Rn.
31, 34; offengelassen in BAG 18.12.2008 - 8 AZR 660/07 - Juris Rn.
35/72).
Tenor:
Unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Essen vom
28.10.2008 wird festgestellt, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, im
Rahmen von Personalgestellung seine Arbeitsleistung dem
Landschaftsverband Rheinland in Köln zur Verfügung zu stellen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Die Revision wird für das beklagte Land zugelassen.
G r ü n d e :
1
A. Die Parteien streiten darüber, ob der bei dem beklagten Land angestellte Kläger
verpflichtet ist, aufgrund "Personalgestellung" seine Arbeitsleistung beim
Landschaftsverband Rheinland in Köln zu erbringen.
2
Der am 04.03.1954 geborene Kläger steht seit dem 23.07.1981 in den Diensten des
beklagten Landes. Er wurde gemäß den Arbeitsverträgen vom 23.07.1981 und vom
01.02.1982 beim Versorgungsamt Essen eingestellt und dort als
Verwaltungsangestellter beschäftigt. In § 2 ist arbeitsvertraglich die Anwendung des
BAT und der diesen ändernden und ergänzenden Tarifverträge bestimmt. Seit 1995 war
der Kläger als Systemverwalter tätig und zuletzt eingruppiert in Entgeltgruppe 10 TV-L.
3
Durch Gesetz zur Eingliederung der Versorgungsämter in die allgemeine Verwaltung
des Landes Nordrhein-Westfalen vom 30.10.2007 (nachfolgend: VersÄEinglG NRW)
löste das Land die Versorgungsämter auf und übertrug mit Wirkung vom 01.01.2008 ihre
Aufgaben den Kreisen, kreisfreien Städten, Landschaftsverbänden und
Bezirksregierungen. Nach § 1 Abs. 2 VersÄEinglG NRW gehen die Beamten und
tariflich Beschäftigten der Versorgungsämter auf die Kreise, kreisfreien Städte,
Landschaftsverbände, Bezirksregierungen und auf das Landesamt für
Personaleinsatzmanagement über bzw. werden im Wege der Personalgestellung zur
Aufgabenwahrnehmung zur Verfügung gestellt. § 10 Abs. 1 und 2 i. V. m. §§ 11 ff.
VersÄEinglG NRW regelt die Überleitung der unmittelbar mit Aufgaben nach §§ 2 bis 8
betrauten Tarifbeschäftigten. Für tariflich Beschäftigte der Versorgungsämter, die nicht
unmittelbar mit Aufgaben nach §§ 2 bis 8 betraut sind, ist vorgesehen, dass sie kraft
Gesetzes auf die Bezirksregierungen übergehen oder kraft Gesetzes in das Ministerium
für Arbeit, Gesundheit und Soziales übergeleitet und den kommunalen Körperschaften
im Wege der Personalgestellung zur Aufgabenwahrnehmung zur Verfügung gestellt
werden, sofern sie nicht nach Abs. 4 in das Landesamt für Personaleinsatzmanagement
übergehen (§ 10 Abs. 3). Hierzu wird nach Abs. 5 dem Ministerium für Arbeit,
Gesundheit und Soziales überantwortet, den Personalübergang vor der Übertragung der
Aufgaben auf der Grundlage eines von ihm erstellten Zuordnungsplans vorzubereiten,
wobei der Zuordnungsplan unter Berücksichtigung sozialer Kriterien und dienstlicher
Belange zu erstellen und eine angemessene Mitwirkung der neuen Aufgabenträger zu
gewährleisten ist.
4
Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales erstellte unter dem 14.11.2007 den
"Zuordnungsplan". Nach der Punktetabelle zum "Zuordnungsplan" wurden dem Kläger,
der zum damaligen Zeitpunkt als schwerbehinderter Mensch mit einem GdB von 60
anerkannt und nicht verheiratet war, 23,9 Punkte zuerkannt. Er wurde nicht in die Liste
5
der Härtefälle aufgenommen. Als nicht unmittelbar mit Fachaufgaben betrauter
Tarifbeschäftigter des gehobenen Dienstes teilte das Land ihn dem Landschaftsverband
Rheinland (nachfolgend LVR) in Köln zu, dem aus der Versorgungsverwaltung das
Aufgabengebiet Soziales Entschädigungsrecht (SER) übertragen war und nach dem
Verteilerschlüssel (Anlage 2 zum VersÄEinglG NRW) 206 Vollzeitstellen zustanden,
wovon lediglich 191,27 im Rahmen der Personalgestellung besetzt werden konnten.
Im Dezember 2007 wurde - so zuletzt der Vortrag des Landes - mit dem LVR ein
Personalgestellungsvertrag geschlossen, in dem die überstellten Arbeitnehmer,
darunter der Kläger, namentlich benannt wurden.
6
Mit Schreiben vom 14.12.2007 an den Kläger ordnete der LVR dessen Einsatz in Köln
ab dem 01.01.2008 an.
7
Im Januar 2008 hat der Kläger beim Arbeitsgericht Essen Klage eingereicht und das
VersÄEinglG NRW sowie das Verwaltungsverfahren insbesondere hinsichtlich des
Zuordnungsplans sowie die versäumte Beteiligung der Personalvertretungen
bemängelt. Es seien - so hat er geltend gemacht - keine Aufgaben der
Systemverwaltung des Versorgungsamtes auf den LVR verlagert worden. Der LVR
habe ihn dementsprechend nicht als Systemverwalter beschäftigt, sondern mit
unterwertigen Hilfstätigkeiten befasst.
8
Der Kläger hat beanstandet, nicht als "Härtefall" eingestuft und nicht ortsnäher
eingesetzt worden zu sein, obwohl er in einem "Interessenfragebogen" vom 23.07.2007
der Kläger als Beschäftigungswunsch eine Tätigkeit in der Systemverwaltung und als
Ortswunsch Essen, Mülheim sowie Oberhausen angegeben habe. Die tägliche
Wegezeit zwischen Essen und Köln von 3,5 Stunden bedeute für ihn wegen seiner
erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen eine unzumutbare Belastung.
9
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
10
1. festzustellen, dass er nicht verpflichtet ist, seine Arbeitsleistung im Rahmen von
Personalgestellung dem Landschaftsverband Rheinland in Köln zu Verfügung zu
stellen;
11
hilfsweise festzustellen, dass die Zurverfügungstellung seiner Arbeitsleistung ab dem
01.01.2008 an den Landschaftsverband Rheinland in Köln im Rahmen der
Personalgestellung unwirksam ist;
12
2. das beklagte Land zu verpflichten, seine Arbeitsleistung sofort der Stadt Essen im
Bereich der EDV-Systemverwaltung oder im Bereich
Schwerbehindertenangelegenheiten, hilfsweise der Stadt Mülheim oder der Stadt
Oberhausen im o. g. Bereich zur Verfügung zu stellen.
13
Das beklagte Land hat beantragt,
14
die Klage abzuweisen.
15
Es hat die nach dem Zuordnungsplan erfolgte Überstellung des Klägers vom
Versorgungsamt Essen an den LVR als rechtmäßige und mitbestimmungsfreie
Personalmaßnahme verteidigt. Mittels des "Interessenfragebogen" sei der Kläger vorher
16
angehört worden. Aufgrund dienstlicher Belange beim LVR sei der Kläger, der im
Übrigen arbeitsvertraglich alle Tätigkeiten seiner Entgeltgruppe schulde, dort als
Systemverwalter nicht zu beschäftigen gewesen; wegen langer
Arbeitsunfähigkeitszeiten habe er bisher auch nicht für den Bereich SER weitergebildet
werden können. Das Land hält die Fahrtzeiten zwischen Essen und Köln weder für
überlang noch dem Kläger wegen seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen für
unzumutbar. Der Kläger habe auch nicht als Entfernungshärtefall eingestuft werden
können.
Durch Urteil vom 28.10.2008 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der form-
und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung greift der Kläger das Urteil, auf
das hiermit zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes verwiesen wird, in
tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht und unter Wiederholung und Ergänzung seines
erstinstanzlichen Vorbringens an. Die Unbilligkeit seiner Versetzung nach Köln habe
sich - so trägt er vor - dadurch noch verstärkt, dass ihm ab dem 31.07.2008 ein GdB von
80 zuerkannt worden sei. Auch sei er seit dem 22.05.2009 verheiratet; seine jetzige
Ehefrau wohne in Bochum.
17
Der Kläger beantragt die Abänderung des erstinstanzlichen Urteils vom 28.10.2008 und
die Stattgabe der Klage mit den Anträgen,
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1. festzustellen, dass er nicht verpflichtet ist, dem beklagten Land Land im Rahmen von
Personalgestellung die Arbeitsleistung dem Landschaftsverband Rheinland in Köln zu
Verfügung zu stellen;
19
2. hilfsweise festzustellen, dass die Zurverfügungstellung seiner Arbeitsleistung ab dem
01.10.2008 an den Landschaftsverband Rheinland in Köln im Rahmen der
Personalgestellung unwirksam ist.
20
Das beklagte Land beantragt,
21
die Berufung zurückzuweisen.
22
Es verteidigt das Urteil und beantragt die Zurückweisung der Berufung.
23
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten
Schriftsätze mit den hierzu überreichten Anlagen Bezug genommen.
24
B.Die Berufung ist begründet. Der Kläger ist nicht verpflichtet, seine Arbeitsleistung
beim LVR in Köln zu erbringen. Für die Befugnis zu einer solchen "Personalgestellung"
kann das beklagte Land sich weder auf § 4 Abs. 3 TV-L noch auf § 10 VersÄEinglG
NRW stützen.
25
I. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Feststellungsklage für zulässig erachtet. Der
Kläger hat ein Rechtsschutzbedürfnis an der begehrten Feststellung, denn die
"Personalgestellung" berührt nachhaltig seine Rechte und Pflichten aus dem
Arbeitsverhältnis und zieht eine wesentliche Änderung der Arbeitsumstände nach sich
(vgl. BAG 13.03.2007 - 9 AZR 417/06 - Juris Rn. 24 ff.).
26
II. Die Klage ist begründet. Die Überstellung des Klägers an den LVR in Köln ist nicht
vom Direktionsrecht des beklagten Landes gedeckt.
27
1. Das Direktionsrecht des beklagten Landes zur Änderung des Arbeitsorts und
Zuweisung einer anderen Arbeitstätigkeit bestimmt sich nach § 106 GewO. Gemäß Satz
1 kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen
näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag,
Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder
gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.
28
Das Direktionsrecht erlaubt es dem Arbeitgeber, die Einzelheiten der vom Arbeitnehmer
zu erbringenden Arbeitsleistungen zu bestimmen. Sein Umfang bestimmt sich vor allem
nach dem Inhalt des Arbeitsvertrags. Es kann einzelvertraglich oder auch durch tarifliche
Regelung innerhalb bestimmter Grenzen erweitert werden, soweit nicht zwingendes
Recht entgegensteht (BAG 06.09.2007 - 2 AZR 368/06 - Juris Rn. 16).
29
Der Arbeitgeber, der sich auf die Wirksamkeit einer Versetzung, Abordnung, Zuweisung
oder "Personalgestellung" beruft, trägt die Darlegungs- und Beweislast für das
Vorliegen der Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 106 GewO. Dazu gehört nicht nur,
dass er darlegt und ggf. beweist, dass seine Entscheidung billigem Ermessen
entspricht, insbesondere die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die
beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt sind, sondern auch, dass die
Personalmaßnahme im Rahmen der gesetzlichen, arbeitsvertraglichen und
kollektivrechtlichen Grenzen erfolgt ist (BAG 13.03.2007 - 9 AZR 433/06 - Juris Rn. 81,
vgl. Hess. LAG 19.11.2007 - 17 Sa 1211/07 - Juris Rn. 66/68).
30
2. a) Die Parteien haben den im öffentlichen Dienst üblichen Formulararbeitsvertrag
geschlossen. Danach wird der Arbeitnehmer regelmäßig nicht für die Ausübung einer
bestimmten Tätigkeit, sondern für einen allgemein umschriebenen Aufgabenbereich
eingestellt, der durch die Nennung der Vergütungsgruppe konkretisiert wird. Nach der
ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 27.05.2004 - 6 AZR 192/03
- Juris Rn. 10) erstreckt sich das Direktionsrecht des Arbeitgebers im öffentlichen Dienst
deshalb auf alle Tätigkeiten, die die Merkmale der Vergütungsgruppe erfüllen, für die
der Arbeitnehmer eingestellt worden ist. Somit können dem Arbeitnehmer grundsätzlich
auch andere Tätigkeiten zugewiesen werden, soweit sie den Merkmalen dieser
Vergütungsgruppe entsprechen.
31
b) Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger "beim Versorgungsamt Essen als
Angestellter" eingestellt wurde (§ 1 des Arbeitsvertrages vom 01.02.1982).
32
Mit dieser Formulierung haben die Parteien lediglich die Dienststelle festgelegt, bei der
der Kläger seine Tätigkeit aufzunehmen hatte. Im Anschluss an diese Festlegung ist im
Arbeitsvertrag (§ 2) ausdrücklich die Geltung eines Tarifvertrages vereinbart worden, der
das Direktionsrecht des Arbeitgebers näher regelt und auch erweitert. Mit dieser
Maßgabe lässt der Arbeitsvertrag die künftige Verwendung des Klägers bei anderen
Dienststellen und an anderen Arbeitsorten zu. Auch angesichts des erkennbaren
Interesses des beklagten Landes an einem flexiblen Personaleinsatz und einer
Gleichbehandlung der Beschäftigten lässt die Benennung des Einstellungsortes nicht
auf einen Verzicht des Landes auf das ihm tariflich eingeräumte Weisungsrecht
schließen (vgl. BAG 21.01.2004 - 6 AZR 583/02 - Juris Rn. 24).
33
c) Die Arbeitspflicht des Klägers hat sich nicht auf die Tätigkeit in Essen oder in der
näheren Umgebung oder als Systemverwalter konkretisiert.
34
Zwar können sich Arbeitspflichten nach längerer Zeit auf bestimmte Arbeitsbedingungen
konkretisieren. Dazu genügt jedoch nicht schon der bloße Zeitablauf. Vielmehr müssen
besondere Umstände hinzutreten, aus denen sich ergibt, dass der Arbeitnehmer nicht in
anderer Weise eingesetzt werden soll (BAG 11.04.2006 - 9 AZR 557/05 - Juris Rn. 47,
13.03.2007 - 9 AZR 433/06 - Juris Rn. 52). Der Kläger ist zwar in Essen und dort seit
1995 als Systemverwalter beschäftigt worden. Es fehlt jedoch an den besonderen
Umständen, denen er hätte entnehmen können, dass er künftig nicht in einem anderen
Arbeitsgebiet oder an einem anderen Ort eingesetzt würde.
35
3.Das Direktionsrecht des Arbeitgebers nach § 106 GewO umfasst regelmäßig nicht den
dauerhaften Einsatz bei einem Dritten (vgl. BAG 18.02.1976 - AZR 616/74 - Juris Rn.
46). Es ist hier zwar durch § 4 Abs. 3 TV-L erweitert worden. Diese Norm berechtigt das
beklagte Land indessen nicht, den Kläger zum LVR nach Köln zu "versetzen".
36
a) Auf das Arbeitsverhältnis gelangt kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit (§ 3 Abs. 1
TVG) und arbeitsvertraglicher Bezugnahme (§ 2 des Arbeitsvertrags) das Tarifrecht des
öffentlichen Dienstes zur Anwendung. Nachdem der TV-L den BAT zum 01.11.2006
ersetzt hat (§ 2 Abs. 1 TVÜ-L vom 12.10.2006), ist nach § 4 Abs. 3 TV-L zu beurteilen,
ob das beklagte Land zur "Versetzung" des Klägers zum LVR in Köln befugt ist.
37
Im Streitfall steht keine (dauerhafte) "Versetzung" oder (vorübergehende) "Abordnung" i.
S. v. § 4 Abs. 1 TV-L in Rede, denn die Beschäftigung beim LVR in Köln erfolgt nicht in
einer (anderen) Dienststelle des beklagten Landes, sondern beim LVR, der eine
kommunale Körperschaft mit eigener Dienstherrenfähigkeit ist (§ 1, § 20 Abs. 4 LVerbO
NRW, § 1 GkG NRW). Anzumerken ist, dass das Land mit dem Interessenabfragebogen
vom 14.07.2007 auch nicht der Anhörungspflicht nach § 4 Abs. 1 Satz 2 TV-L genügt
hätte, weil die Überstellung des Klägers zum LVR in Köln damals noch nicht konkret
beabsichtigt war, die "Personalgestellung", der Dritte, der Arbeitsort und der Inhalt der
neuen Tätigkeit nicht erkennbar waren und daher für die spätere Maßnahme auch keine
Begründung, der der Kläger im Rahmen der Anhörung hätte entgegentreten können,
gegeben wurde (vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Thivissen, TV-L, § 4 Rn. 21; zur Rechtsfolge:
Görg/ Guth/Hamer/Pieper, TVöD, § 4 TVöD-AT Rn. 26).
38
Ebenso wenig geht es um eine vorübergehende Zuweisung i. S. v. § 4 Abs. 2 TV-L, da
der Kläger dem LVR dauerhaft zugewiesen ist.
39
Die dauerhafte Zuweisung zu einem anderen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes ist
von § 4 Abs. 3 TV-L erfasst. Die Tarifvorschrift lautet:
40
Werden Aufgaben der Beschäftigten zu einem Dritten verlagert, ist auf Verlangen des
Arbeitgebers bei weiter bestehendem Arbeitsverhältnis die arbeitsvertraglich
geschuldete Arbeitsleistung bei dem Dritten zu erbringen (Personalgestellung). § 613 a
BGB sowie gesetzliche Kündigungsrechte bleiben unberührt.
41
Protokollerklärung zu § 4 Absatz 3:
42
Personalgestellung ist - unter Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses - die
auf Dauer angelegte Beschäftigung bei einem Dritten. Die Modalitäten der
Personalgestellung werden zwischen dem Arbeitgeber und dem Dritten vertraglich
geregelt.
43
Die Voraussetzungen dieser Tarifvorschrift, die das Direktionsrecht des Arbeitgebers
erweitert, sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
44
b) Die Kammer kann zu Gunsten des Landes von der rechtlichen Gültigkeit des § 4 Abs.
3 TV-L ausgehen. Dafür ist die Tarifvorschrift allerdings restriktiv auszulegen.
45
(11) Tarifnormen und damit auch § 4 Abs. 3 TV-L Tarifnormen müssen zum einen mit
höherrangigem Recht, insbesondere zwingendem Gesetzesrecht (KSchG, § 613 a BGB,
AÜG), vereinbar sein. Zum anderen löst die Schutzpflichtfunktion der Grundrechte
zumindest eine mittelbare Grundrechtsbindung aus.
46
(aa) § 4 Abs. 3 Satz 1 TV-L verstößt nicht gegen zwingendes Gesetzesrecht.
47
-Bei der Gestellung von Verwaltungspersonal handelt es sich nicht um gewerbsmäßige
Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des AÜG. Das Land hat keine
Gewinnerzielungsabsicht. Mit der gesetzlichen Gestellung von Personal an den LVR
vermeidet das Land zwar, dass - neben Ausgleichsforderungen der VBL - einerseits
Personalkosten für beschäftigungslos gewordene Mitarbeiter der
Versorgungsverwaltung anfallen und andererseits Kostenerstattung von jährlich ca. €
50.000,00 ("Nachersatz") für jeden nicht gestellten Mitarbeiter geschuldet wird. Die
Vermeidung dieser Haushaltsbelastung erfolgt jedoch ohne impliziten
Gewinnaufschlag, so dass es an einer Gewinnerzielungsabsicht fehlt.
48
-Unschädlich ist, dass § 4 Abs. 3 TV-L von § 613 S. 2 BGB abweicht. Die
Gesetzesbestimmung ist nach h. M. dispositiv (ErfK/Preis, 9.Aufl., § 613 BGB Rn. 9,
Preis/Greiner, ZTR 2006, 293, Staudinger/Richardi, BGB [2005], § 613 Rn. 18 ff; vgl.
aber auch BAG 17.01.1979 - 5 AZR 248/78 - Juris Rn. 71 f., von Hoyningen-Huene,
Anm. 4 f. zu AP Nr. 2 zu § 613 BGB, AnwK-ArbR/Hauck, § 613 BGB Rn. 8 ff.). Zwar
räumt die Tarifnorm dem Arbeitnehmer kein Widerspruchsrecht gegen die Überstellung
zu einem Dritten ein. Dies ist jedoch unbedenklich, wenn die Tarifregelung, die die
Befugnis des Arbeitgebers zur Personalgestellung statuiert, entweder ausdrücklich oder
durch Auslegung dem Arbeitnehmer einen dem Verhältnismäßigkeits- und
Vertrauensgrundsatz genügenden Schutz vor den Folgen aus der Abdingung der
höchstpersönlichen Leistungspflicht gewährt. Die Personalgestellung zu einer anderen
öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaft löst im Allgemeinen keine Schutzbedürftigkeit
des Arbeitnehmers aus, weil die tariflichen Arbeitsbedingungen unverändert bleiben
und dem Arbeitnehmer mit dem Dritten ein vergleichbarer "Dienstherr" gegenübersteht.
49
-Die in § 4 Abs. 3 Satz 1 TV-L normierte Befugnis zur Personalgestellung lässt, wie Satz
2 ausdrücklich bestimmt, § 613 a BGB unberührt. Ebenso wenig ist in der vorliegenden
Konstellation eine objektive Umgehung des § 613 a BGB gegeben.
50
Einem Betriebs(teil)übergang steht allerdings nicht schon entgegen, dass die
Übertragung der Verwaltungsaufgaben der Versorgungsämter auf kommunale
Körperschaften durch gesetzliche Regelung bewirkt worden ist. Entgegen der
Rechtsauffassung, wonach aus dem Anwendungsbereich des § 613 a BGB
Betriebsübergänge herausfallen, die im Wege der Gesamtrechtsnachfolge kraft
Gesetzes oder anderen Hoheitsaktes vollzogen werden (z. B. HWK/Willemsen, 3. Aufl.,
§ 613 a BGB Rn. 192, Küttner/Kreitner, Personalbuch 2009, Betriebsübergang Rn. 25),
ist aufgrund einer gebotenen gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung des § 613 a
51
Abs. 1 Satz 1 BGB anzunehmen, dass auch die gesetzliche
Verwaltungsorganisationsänderung als einseitige staatliche Entscheidung zu einem
Betriebsübergang führen kann (zutr. LAG Niedersachsen 31.08.2001 - 10 Sa 2899/98 -
Juris Rn. 27, im Anschluss an EuGH 14.09.2000 - C-343/98 Collino - Rn. 34; vgl. EuGH
26.05.2005 - C-297/03 Sozialhilfeverband Rohrbach - Rn. 30; offen gelassen in BAG
18.12.2008 - 8 AZR 660/07 - Rn. 72). Ein Betriebsteilübergang ist freilich
ausgeschlossen, soweit hoheitliche Aufgaben von den (aufgelösten)
Versorgungsämtern auf die kommunalen Körperschaften übertragen werden (vgl. EuGH
14.09.2000 - C-343/98 Collino - Rn. 31 ff.). Im vorliegenden Fall ist ein
Betriebs(teil)übergang bereits nach dem eigenen Vortrag des Klägers deshalb nicht
anzunehmen, weil weder ein Betriebsteil der Versorgungsverwaltung, dem er zugehörte,
auf den LVR übertragen worden ist noch operative Ressourcen insbesondere des
Versorgungsamts Essen im EDV-Bereich vom LVR weiter genutzt werden, so dass das
Identitätsmerkmal "Funktionalität und Nutzung der bisherigen Einheit im
Erwerberbetrieb" (vgl. Kammer 29.04.2009 - 12 Sa 1551/08 - Juris Rn. 74 m. w. N.) nicht
gewahrt ist.
(bb) Die Personalgestellung i. S. v. § 4 Abs. 3 TV-L bedeutet typischerweise einen
herben Eingriff in Grundrechtspositionen des Arbeitnehmers, namentlich in Art. 2 Abs. 1
GG und Art. 12 Abs. 1 GG. So wird der Arbeitnehmer, ohne dass seine Zustimmung
vonnöten ist, gezwungen, zu einem Dritten zu wechseln und eine u. U. wesentliche
Änderung der Arbeitsumstände und Ortswechsel hinzunehmen (vgl. BAG 18.02.1976 - 5
AZR 616/74 - Juris Rn. 41, LAG Köln 03.05.2006 - 7 (5) Sa 1584/05 - Juris Rn. 53 ff.,
Jordan, PersR 2007, 380, Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, TV-L, § 4 Rn. 40 ff.). § 4
Abs. 3 TVG gewährt dem Arbeitnehmer keinen Dispositionsschutz, z. B. durch vom
Arbeitgeber einzuhaltende Ankündigungsfristen oder den Ausgleich finanzieller
Nachteile. Das mögliche Korrektiv der Mitbestimmung ist mit der Neufassung des
LPersVG NRW beseitigt worden (vgl. ArbG Düsseldorf 24.06.2008 -7 Ca 137/08 - Juris
Rn. 26 ff.).
52
Ob dieser Befund es rechtfertigt, die tarifliche Erweiterung des Direktionsrechts als
unzulässigen Eingriff in den Kernbereich des Arbeitsvertrags anzusehen (vgl. BAG
23.09.2004 - 6 AZR 442/03 - Juris Rn. 24, 16.11.2000 - 6 AZR 353/99 - Juris Rn. 37 f.,
22.05.1985 - 4 AZR 427/83 - Juris Rn. 18, LAG Düsseldorf 17.03.1995 - 17 Sa 1981/84 -
LAGE Nr. 16 zu § 2 KSchG zu B IV 2, KR/Rost, 8. Aufl., § 2 KSchG Rn. 54 a ff., AnwK-
ArbR/Elz, § 315 BGB Rn. 21 ff., APS/Künzl, § 2 KSchG Rn. 99, exolet Plüm DB 1992,
735), braucht die Kammer nicht zu entscheiden. Im Licht des durch die grundrechtlichen
Wertentscheidungen den Arbeitnehmern gewährten Schutzniveaus ist das in § 4 Abs. 3
TVG ausgeweitete Direktionsrecht jedenfalls in den hier neural-gischen Punkten nicht
extensiv zu interpretieren (vgl. BAG 07.02.1995 - 3 AZR 402/94 - Juris Rn. 31,
18.10.1994 - 1 AZR 503/93 - Juris Rn. 36).
53
Diese Erkenntnis steht, wie noch auszuführen sein wird, im Einklang mit dem tariflichen
Wortlaut, Gesamtzusammenhang und Regelungszweck. Zudem spricht weder im
Allgemeinen noch unter Einbeziehung der Besonderheiten des § 4 TV-L etwas dafür,
dass die Tarifvertragsparteien dem Arbeitgeber ein freies Gestellungsrecht einräumen
und seinem Interesse an einer solchen Befugnis das gegenläufige Interesse der
Beschäftigten am Schutz ihrer tatsächlichen Beschäftigungssituation aufopfern wollten.
Insoweit ist auch der Regelungsgehalt des § 4 Abs. 3 TV-L abzugrenzen von
"Versetzungsklauseln" in tariflichen Rationalisierungsschutzabkommen oder
Überleitungstarifverträgen, die auf einen ganz bestimmten Verwaltungsbereich
54
zugeschnitten sind und in denen sich die Tarifvertragsparteien mit den dortigen
Verhältnissen und Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten konkret auseinandergesetzt und
diese im Sinne eines ausgewogenen Interessenausgleichs geregelt haben.
c) Bei diesem Ausgangspunkt trägt § 4 Abs. 3 TV-L die Überstellung des Klägers an den
LVR in Köln deshalb nicht, weil es sich um keine "Personalgestellung" im Tarifsinn
handelt.
55
Die Tarifvertragsparteien haben in § 4 Abs. 3 TV-L und der dazu gehörenden
Protokollerklärung Begriff und Voraussetzungen einer "Personalgestellung"
eigenständig definiert. Die Tarifnorm ist nach den nach von der Rechtsprechung zur
Tarifauslegung entwickelten Grundsätzen (BAG 20.01.2009 - 9 AZR 677/07 - Juris Rn.
35) auszulegen. Auch wenn ihr Regelungsansatz sich teilweise in den §§ 128 ff., 123 a
BRRG wiederfindet, verbietet sich ein beamtenrechtliches Verständnis. Vielmehr ist die
Tarifnorm in ihrem arbeitsrechtlichen Charakter zu erkennen und so zu interpretieren
(vgl. BAG 21.06.1978 - 4 AZR 816/76 - Juris Rn. 55). Dabei sind nach
höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BAG 13.03.2007 - 9 AZR 417/06 - Juris Rn. 26)
die Zuordnung von Beschäftigten zu einem durch Auflösung der bisherigen Dienststelle
entstehenden "Personalüberhang", ihre Überstellung an das Ministerium (hier: das
MAGS) und entweder Landesamt für Personaleinsatzmanagement (PEM) oder über den
ministeriellen Zuordnungsplan an andere Körperschaften und damit "Versetzung" zu
einer neuen Dienststelle als einheitlicher Gesamtvorgang zu sehen.
56
(11) Hiervon ausgehend hat für die Auslegung des § 4 Abs. 3 TV-L Folgendes zu gelten:
57
(aa) Der Wortlaut des § 4 Abs. 3 TV-L liefert nicht schon dadurch, dass für Arbeitnehmer
die Pluralform ("Beschäftigte") verwendet wird, Aufschlüsse über den wirklichen
Regelungswillen der Tarifvertragsparteien. Er folgt vielmehr der sonstigen
Formulierungstechnik des TV-L und des § 4, die Arbeitnehmer im Plural und den
Arbeitgeber im Singular anzusprechen, letzteres - in Abs. 3 - bezogen auf den "Dritten"
selbst dann, wenn eine Aufgabenverlagerung auf mehrere Dritte erfolgt (vgl. § 128 Abs.
4 BRRG).
58
Nach dem Tarifwortlaut setzt eine Personalgestellung tatbestandlich "die Verlagerung
der Aufgaben der Beschäftigten zu einem Dritten" voraus und knüpft hieran als
Rechtsfolge die bei dem Dritten zu erbringende "vertraglich geschuldete
Arbeitsleistung". Indem § 4 Abs. 3 TV-L auf die Aufgaben der Beschäftigten abstellt, ist
eine funktionelle Betrachtung geboten. Haushaltsrechtliche, stellenplanmäßige oder
sonstige fiskalische Erwägungen gehen ebenso fehl, wie status- oder
zuständigkeitsbezogene Kriterien zu kurz greifen. Dies gilt vor allem bei einem
teilweisen Aufgabenübergang, bei dem die Aufgaben einer Behörde entweder nur in
Teilbereichen auf eine andere Körperschaft übertragen oder auf mehrere andere
Körperschaften verteilt werden. So wie in dieser Konstellation nur solche Beamte zur
Übernahme durch die die Aufgaben übernehmende Körperschaft in Betracht kommen,
deren Aufgabengebiet (konkretes Amt im funktionellen Sinne) von dem Übergang
berührt wird (BVerwG 02.04.1981 - 2 C 35/78 - Juris Rn. 17 f.), ist das tarifliche Recht zur
Personalgestellung auf jene Arbeitnehmer beschränkt, deren bisher wahrgenommene
Aufgaben nach der Umstrukturierung bei dem Dritten anfallen, so dass sie dort mit ihrer
weiteren Erledigung befasst werden können (Preis/Greiner, ZTR 2006, 292, die
zutreffend die tarifliche Regelungssystematik und Regelungsintention anziehen;
Görg/Guth/Hamer/Pieper, § 4 TVöD-AT Rn. 42 ff.; ebenso Thüsing/ Schorn, a. a. O., die
59
bei "Wahrung des wesentlichen Charakters der vorherigen Tätigkeit" eine geringfügige
Neuorganisation für unschädlich halten). Das funktionelle Verständnis des § 4 Abs. 3
TV-L verlangt nicht, dass die bisherige Dienstaufgabe gänzlich unverändert erhalten
bleibt. Jedoch muss sie in ihrem Wesenskern der Arbeitsorganisation des Dritten
zugewachsen sein und dort einen adäquaten funktionellen Personalbedarf auslösen.
Daran fehlt es, wenn die angeblich verlagerten Aufgaben von Beschäftigten sich in den
Arbeitsprozessen nicht wiederfinden lassen, weil z. B. die Aufgaben entfallen oder
durch die vorhandene Organisation des Dritten absorbiert werden oder der Beschäftigte
aus anderen Gründen nicht mit der Erledigung der bisherigen Aufgabe befasst werden
kann.
Werden die Aufgaben des Beschäftigten, seiner Organisationseinheit oder der
Dienststelle verlagert, genügt es nicht, dass der Arbeitnehmer Tätigkeiten für den
verlagerten Aufgabenbereich verrichtet hat, ohne in dessen Struktur eingebunden
gewesen zu sein. Vielmehr ist erforderlich, dass er in seiner Haupttätigkeit Funktionen in
dem verlagerten Aufgabenbereich wahrnahm. Insoweit können die zum
Betriebsteilübergang von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze (vgl. BAG
08.08.2002 - 8 AZR 583/01 - Juris Rn. 46, BAG 17.06.2003 - 2 AZR 134/02 - Juris Rn.
23, BAG 24.08.2006 - 8 AZR 556/05 - Juris Rn. 28) fruchtbar gemacht werden.
60
Dabei ist jedenfalls für die Fälle, in denen der Arbeitgeber seine Geschäftstätigkeit nicht
vollständig auf andere Dritte (Körperschaften) überträgt, sondern nach ihrer funktionellen
Partitionierung mehreren Dritten zuweist, regelmäßig davon auszugehen, dass i. S. v. §
4 Abs. 3 TV-L nur konkrete, für die betroffene Organisationseinheit prägend gewesene
Aufgaben verlagert werden können. So will die Tarifnorm zwar dem Arbeitgeber mittels
der ihm gestatteten Aufgabenverlagerung größere personelle und organisatorische
Flexibilität einräumen. Sie begrenzt jedoch gleichzeitig sein Interesse an
größtmöglichen Gestaltungsfreiräumen durch den Zweck, die Kontinuität und Effizienz
der Erledigung der verlagerten Aufgaben zu sichern. Damit findet die
Direktionsrechtserweiterung ihre erforderliche und angemessene Begrenzung in dem
Kriterium, dass der Arbeitnehmer nach der Umstrukturierung weiterhin und im
Wesentlichen mit den bereits bisher wahrgenommenen Aufgaben befasst werden kann.
Mit diesem Verständnis hält § 4 Abs. 3 TV-L der Schutzfunktion des Art. 12 Abs. 1 Satz 1
GG stand: Der grundrechtliche Schutz des Arbeitnehmers, umfasst neben der
Entscheidung des Arbeitnehmers für eine konkrete Beschäftigung auch das Interesse
des Einzelnen, den gewählten Arbeitsplatz beizubehalten (ähnl. BAG 08.05.2001 - 9
AZR 95/00 - Juris Rn. 46 ff.).
61
(bb) Die tarifliche Systematik bestätigt diesen Befund. § 4 Abs. 3 Satz 2 verdeutlicht die
Nähe der Personalgestellung zu § 613 a BGB, wobei die tarifliche Personalgestellung
dadurch, dass der Fokus auf die Verlagerung von Aufgaben gelegt wird, über den
sachlichen Anwendungsbereich des § 613 a BGB hinausreicht und die bloße
Funktionsnachfolge genügen lässt (Preis/Greiner, ZTR 2006, 294, Thüsing/Schorn, ZTR
2008, 658 f., Trümner/Sparchholz, PersR 2008, 318 f.).
62
Würde man demgegenüber auf die Feststellung verzichten, dass die Aufgaben des
Beschäftigten auf einen Dritten verlagert worden sind, und etwa die bloße
Zuständigkeitsänderung zwischen den betroffenen Verwaltungseinheiten und
Stellenzuweisungen ausreichen lassen, ließe das Gestellungsrecht nach § 4 Abs. 3
Satz 1 TV-L "als mildere Maßnahme" die in Satz 2 ausdrücklich vorbehaltenden
Kündigungsrechte des Arbeitsgebers aus betriebsbedingten Gründen leerlaufen. Dies
63
widerspräche dem in Satz 2 manifestierten Regelungswillen der Tarifvertragsparteien.
Danach bleibt eine Beendigung- oder Änderungskündigung insbesondere dann
möglich, wenn Aufgaben der Beschäftigten nicht verlagert werden, sondern ganz oder
teilweise entfallen, z. B. infolge Aufgabe oder Einschränkung, Rationalisierung,
Generierung von Synergieeffekten, Leistungsverdichtung usw. Denselben Sinn verfolgt
die Erwähnung des § 613 a BGB in § 4 Abs. 3 Satz 2 TV-L: Indem § 613 a Abs. 4 Satz 2
BGB klarstellt, dass der Bestandsschutz bei Betriebs(teil)übergängen keine
kündigungsschutzgesetzliche Besserstellung des Arbeitnehmers im Vergleich zu seiner
arbeitsrechtlichen Situation ohne Betriebsübergang bewirkt (Kammer 29.04.2009 - 12
Sa 1551/08 - Juris Rn. 50, 53, 94), ist für den in § 4 Abs. 3 Satz 1 TV-L beschriebenen
Funktionsübergang nichts anderes anzunehmen.
Weiterhin streitet die Systematik des § 4 TV-L mit den tariflichen und durch eine
jahrzehntelange Rechtsprechung ausgefeilten Anforderungen an Versetzungen,
Abordnungen und Zuweisungen tendenziell dagegen, dass dem Arbeitgeber die den
Beschäftigten bei einem Dritten abverlangte Arbeit ungleich leichter und einfacher
gemacht werden soll als eine Versetzung, Abordnung oder Zuweisung.
64
Indem Satz 2 der Protokollerklärung zu § 4 Abs. 3 TV-L bestimmt, dass "die Modalitäten
der Personalgestellung zwischen dem Arbeitgeber und dem Dritten vertraglich geregelt
werden", fällt es auch in den Fällen, in denen der TV-L anwendbar bleibt, dem
Arbeitgeber und dem Dritten zu, die Arbeitsaufgabe des überstellten Arbeitnehmers und
das Direktionsrecht des Dritten substantiell zu erfassen. Eine nur abstrakt-theoretische
Aufgabenverlagerung, auf geduldigem Papier niedergeschrieben, ersetzt nicht die
einem Vorher-Nachher-Vergleich stand haltende tatsächliche Aufgabenverlagerung.
65
(cc) Die im VersÄEinglG NRW verwendete Formulierung, dass tariflich Beschäftigte
kommunalen Körperschaften "im Wege der Personalgestellung" zur
Aufgabenwahrnehmung zur Verfügung gestellt werden", und der Hinweis auf die im
Gesetz erwähnten "Personalgestellungsverträge" (§ 1 Abs. 2, § 10) sagen nichts
darüber aus, ob eine Personalgestellung im tariflichen Sinn vorliegt. Das Gesetz legt
vielmehr dem Begriff der "Personalgestellung" ein genuin anderes Vorverständnis
zugrunde und erweitert in § 10 Abs. 3 die von § 4 Abs. 3 TV-L abgedeckte
Personalgestellung auf Konstellationen, in denen keine "Aufgabenverlagerung auf den
Dritten" i. e. S. stattgefunden hat. So beschränkt sich § 4 VersÄEinglG NRW auf die
Übertragung von Aufgaben des Sozialen Entschädigungsrechts auf die
Landschaftsverbände und Anlage 2 "Verteilerschlüssel für den Aufgabenbereich
Soziales Entschädigungsrecht" auf das gemäß "Verteilerschlüssel nach Gewichtung"
für 206 Planstellen (Zielwert 186,00) auf den LVR überzuleitende Personal. In diesem
Licht camoufliert die Personalzuordnung nach § 10 Abs. 3 VersÄEinglG NRW die
Reklamation eines landesgesetzlich erweiterten Direktionsrechts, wenn - wie hier die
Direktive des Landes an den Kläger, beim LVR in Köln zu arbeiten, - nicht von der
vertraglichen Weisungsbefugnis (§ 106 GewO, § 4 Abs. 3 TV-L) gedeckt ist.
66
(dd) Schließlich lassen der tarifliche Wortlaut und Gesamtzusammenhang den Sinn und
Zweck der Regelung erkennen, dass keine "Verlagerung" von Aufgaben vorliegt, wenn
ein zusätzlicher Personalbedarf bei dem Dritten deshalb nicht entsteht, weil aus
tatsächlichen Gründen die (bisherigen) Aufgaben des Beschäftigten bei dem Dritten
nicht mehr anfallen oder dort von dem Beschäftigten aus anderen Gründen nicht
ausgeübt werden können. Dann richtet sich das Verlangen des Arbeitgebers, "die
arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung bei dem Dritten zu erbringen", nicht auf
67
eine durch Weiterarbeit gesicherte funktionelle Kontinuität, sondern auf den Abbau
eines eigenen Personalüberhangs und gründet in der Bedienung von allgemeinem
Personalbedarf des Dritten oder - wie hier - in der Erfüllung einer Verpflichtung des
Arbeitgebers, entweder dem Dritten Personal zu stellen oder ihm die Personalkosten für
eigene Einstellungen zu erstatten.
d) Der Kläger war beim Versorgungsamt Essen nicht im Aufgabenbereich SER
eingesetzt. Seine Aufgaben als Systemverwalter oder die seiner Abteilung sind
gesetzlich nicht auf den LVR übertragen worden. Das VersÄEinglG NRW spricht eine
Aufgabenverlagerung nur hinsichtlich der originären hoheitlichen Aufgaben der
Versorgungsämter an. "Querschnittsaufgaben" i. c. der EDV-Systemverwaltung, mit
deren Erledigung der Kläger als Systemverwalter im Versorgungsamt Essen befasst
war, fallen zwar auch in den Kreisen und kreisfreien Städten, den
Landschaftsverbänden und den Bezirksregierungen an (vgl. § 16 Abs. 1 bis 3
VersÄEinglG NRW). Sie sind aber, wie durch § 16 Abs. 4 i. V. m. § 10 Abs. 3 ff.
VersÄEinglG NRW konzediert wird, nicht Gegenstand einer funktionellen Übertragung.
Da die aufnehmenden Verwaltungen zur Erledigung von "Querschnittsaufgaben" eigene
Organisationseinheiten unterhalten und diese Einheiten aufgrund ihrer personellen und
sachlichen Ausstattung und Strukturierung einer Eingliederung der mit
"Querschnittsaufgaben" in den Versorgungsämtern befassten Beschäftigten "zwecks
kontinuierlicher Erledigung verlagerter Aufgaben" nicht bedürfen, geht es in § 10 Abs. 3
VersÄEinglG NRW folgerichtig darum, den "Personalüberhang" nach allgemeinen
personalwirtschaftlichen und haushaltsrechtlichen Gesichtspunkten abzubauen.
68
e) Ergibt sich mithin aus § 10 Abs. 3 VersÄEinglG NRW keine "Aufgabenverlagerung" i.
S. v. § 4 Abs. 3 TV-L, könnte allenfalls die tatsächliche Durchführung des Gesetzes zu
der Feststellung führen, dass der Aufgaben- und Arbeitsbereich, dem der Beschäftigte
im Versorgungsamt zugeteilt war, auf den Dritten verlagert worden ist. Das hätte im
Streitfall das beklagte Land als Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen. Sein
Sachvortrag ist in diesem Punkt ohne brauchbaren Tatsachenkern.
69
Dass der Kläger als einer von zwei Mitarbeitern der Systemverwaltung beim
Versorgungsamt Essen dem Bereich SER wie auch den anderen Bereichen
"zuarbeitete" und die Verlagerung des Bereichs SER zum LVR die Arbeitsaufgaben des
dortigen IT-Bereich leicht vermehren dürfte, genügt nicht für eine
"Aufgabenverlagerung". Das im Versorgungsamt verwendete SER-Fachpro-gramm
wurde vom Rechenzentrum N. gewartet und verwaltet. Die Systemverwaltung des
Versorgungsamtes hatte hierauf keinen Zugriff und war lediglich Ansprechpartner für die
Beschäftigten. Damit machten die für den SER-Bereich zu leistenden Arbeiten nur einen
geringen und untergeordneten Teil der von der Systemverwaltung zu leistenden
Aufgaben aus und gaben ihnen keinesfalls das Gepräge. Der Umstand, dass der zum
LVR überstellte Kläger dort von vornherein nicht als Systemverwalter eingesetzt oder für
den IT-Bereich vorgesehen wurde, spricht indiziell ebenfalls gegen die vom beklagten
Land behauptete "Aufgabenverlagerung". Wie bereits ausgeführt und vom Land
bestätigt (Seite 14 des Schriftsatzes vom 13.07.2009), ging es dem Land darum, zur
Vermeidung finanzieller Ausgleichszahlungen ("Nachersatz") dem nach dem
"Verteilerschlüssel" (Anlage 2 VersÄEinglG NRW) beim LVR verbliebenen
Personalunterhang (15 nicht besetzte Planstellen) zu begegnen.
70
In diesem Zusammenhang vermag das Land nicht mit dem Einwand zu reüssieren, dass
dem Arbeitnehmer im Rahmen des Direktionsrechts auch andere Tätigkeiten
71
zugewiesen werden können, soweit sie den Merkmalen seiner Vergütungsgruppe
entsprechen, und dass der Kläger daher Tätigkeitsveränderungen beim LVR
hinzunehmen habe. Hierbei wird verkannt, dass § 4 Abs. 3 TV-L für die vorliegende
Konstellation zusätzliche Voraussetzungen namentlich mit dem Merkmal der
"Aufgabenverlagerung auf einen Dritten" aufstellt.
f) Ist die Überstellung des Klägers an den LVR in Köln aus den vorgenannten Gründen
unwirksam, kann die Kammer offenlassen, ob sich eine etwaige Verfassungswidrigkeit
des VersÄEinglG NRW auf die Überstellung auswirkt. Ansonsten wären folgende
Erwägungen anzustellen:
72
(11) Ausgehend davon, dass der Gesamtvorgang der Personalgestellung nach § 10
Abs. 3 ff. VersÄEinglG NRW einer Rechtskontrolle der Einzelakte unterliegt (vgl. BAG
13.03.2007 - 9 AZR 417/06 - Juris Rn. 31 ff.), ist die Gesetzgebungskompetenz des
beklagten Landes hinsichtlich der Überleitung von Körperschaften grundsätzlich nicht in
Frage zu stellen (BAG 19.05.2009 - 9 AZR 241/08 - Juris Rn. 50, BAG 18.12.2008 - 8
AZR 660/07 - Juris Rn. 44). Allerdings könnte mit § 10 VersÄEinglG NRW das
rechtsstaatliche Gebot der Gesetzesbestimmtheit verletzt und eine unzulässige
dynamische Blankettverweisung auf Verwaltungsentscheidungen und den ministeriellen
Zuordnungsplan vorgenommen worden sein (vgl. auch VG Düsseldorf 06.02.2009 - 13
K 5850/08 - Juris Rn. 56 ff., LSG Nordrhein-Westfalen 03.09.2008 - L 10 VG 20/03 - Juris
Rn. 110, 18.08.2008 - 6 B 734/08 - Juris Rn. 13 ff., von Roetteken, Juris PR-ArbR
18/2008 Anm. 2).
73
(aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG 19.06.2007 - 1
BvR 1290/05 - Juris Rn. 32/64) ist der Gesetzgeber zwar nicht gezwungen,
Regelungstatbestände stets mit genau erfassbaren Maßstäben zu umschreiben. Er ist
jedoch gehalten, seine Regelungen so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart
des zu ordnenden Lebenssachverhalts mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist.
Bei der Frage, welche Bestimmtheitsanforderungen im Einzelnen erfüllt sein müssen, ist
auch die Intensität der Einwirkungen auf die Regelungsadressaten zu berücksichtigen.
Die Rechtsunterworfenen müssen - spätestens nach Auslegung der einschlägigen
Bestimmung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln - in zumutbarer Weise
erkennen können, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die in der Rechtsnorm
ausgesprochene Rechtsfolge vorliegen (ebenso Kammer 02.02.2009 - 12 Sa 486/06 -
Juris Rn. 77 ff.).
74
(bb) Der Auffassung, dass an die Bestimmtheitsanforderungen verminderte
Anforderungen zu stellen seien, wenn auf Innenrecht verwiesen werde und
Verweisungsnorm und verwiesene Norm von der gleichen Körperschaft stammen (Wolff,
Beamtenrechtliche Fragen der Kommunalisierung, S. 115, Text zu Fn. 47 f.,
http://www.im.nrw.de/imshop/shopdocs/Vortragsband_S208-2008-11-18.pdf), vermag
die Kammer nicht zu folgen. Es besteht von Verfassung wegen keine
Richtigkeitsgewähr für arbeitsrechtliches Handeln des öffentlichen Arbeitgebers. Auch
wenn ihm mit der Bindung an Gesetz und Recht der Weg gewiesen wird, ist es doch so,
dass der Wegweiser den Weg nicht gehen muss, den er weist.
75
(cc) Das VersÄEinglG NRW lässt es für die Überstellung von Beschäftigten entweder an
das PEM oder an die "in §§ 11 bis 21 genannten kommunalen Körperschaften" an der
Benennung von sachlichen Auswahlkriterien ebenso fehlen wie für den
Zuordnungsplan. Mit der "Berücksichtigung sozialer Kriterien und dienstlicher Belange"
76
(§ 10 Abs. 5 Satz 2 VersÄEinglG NRW) werden, wenn insoweit nicht an den
Regelungsgehalt des § 106 GewO und die Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG erinnert
werden soll, der mögliche Inhalt und Gegenstand des Zuordnungsplans weder
genügend deutlich bezeichnet noch abgegrenzt. Das Bestimmtheitsdefizit ist nicht
harmlos, sondern - wegen der beträchtlichen Auswirkungen der
Personalentscheidungen auf die Beschäftigten im Personalüberhang - gewichtig und
virulent.
(22) Der gesetzliche Verweis auf den Zuordnungsplan kann auch nicht aus anderen
Erwägungen als ausreichende Rechtsgrundlage für die Auswahl und Verteilung der
Beschäftigten gemäß § 10 Abs. 3 VersÄEinglG NRW angesehen werden.
77
(aa)Nach Auffassung des LAG Hamm (14.08.2008 - 11 Sa 552/08 - Juris Rn. 119 ff.), der
sich die 10. Kammer des LAG Düsseldorf angeschlossen hat (13.11.2008 - 10 Sa
632/08 - n. v., zu A II 2 b der Gründe), bietet der Zuordnungsplan mit dem Punkteschema
und der abschließend im Ministerium durchgeführten Härtefallprüfung eine Billigkeits-
und Gerechtigkeitsanforderungen genügende Grundlage für die Berücksichtigung der
sozialen Belange der zuzuordnenden Tarifbeschäftigten, indem mit dem Lebensalter,
der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses, der familiären Situation und einer etwaigen
Schwerbehinderung die zentralen sozialen Umstände in jeweils angemessener
Relation einbezogen werden.
78
Von diesem Ausgangspunkt hat die Vorinstanz die Auswahl des Klägers für die
Tätigkeit beim LVR nach dem angewendeten Punktesystem und den Maßstäben an
einen (Entfernungs-)Härtefall gebilligt und gemäß dem Zuordnungsplan befunden, dass
hiernach dem Kläger die Fahrstrecke zum LVR nach Köln zuzumuten sei. Für eine
gegenteilige Annahme habe es der Kläger am substantiiertem Vorbringen fehlen lassen:
Die ärztlichen Berichte seien nicht ausreichend spezifiziert, um gesundheitliche
Beeinträchtigungen des Klägers (Herzschrittmacher, Hüftschaden/-schmerzen,
Schwerhörigkeit, psychische Behandlungsbedürftigkeit) von solchem Gewicht
anzunehmen, dass dem Kläger die tägliche Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln von
Essen nach Köln und zurück nicht zuzumuten sei.
79
(bb) Die Kammer sieht dies anders.
80
Im Allgemeinen stellen Auswahlrichtlinien lediglich die Transparenz der angewendeten
betrieblichen und sozialen Kriterien unter Gleichbehandlung der betroffenen
Arbeitnehmer her, sind interne Entscheidungshilfe. Sie schränken hingegen die
gerichtliche Kontrolle nicht ein. Hierfür bedarf es vielmehr einer vertraglich zulässigen
Abdingung oder der normativen Wirkung von Tarifverträgen oder von Dienst- bzw.
Betriebsvereinbarungen, damit Gewerkschaft oder betriebliche Arbeitnehmervertretung
in den vom Gesetzgeber bezeichneten Regelungsmaterien den Schutz der
Rechtsposition der Beschäftigten mit übernehmen können (vgl. BAG 06.09.2007 - 2
AZR 715/06 - Juris Rn. 34). Dann wird die gerichtliche Kontrolle begrenzt durch die
Maxime, dass eine Angemessenheitskontrolle von Tarifverträgen nicht stattfindet und
Dienstvereinbarungen nur einer abstrakten Billigkeitskontrolle unterliegen, wobei im
Einzelfall auftretende unbeabsichtigte besondere Härten auszugleichen sind.
81
Der Zuordnungsplan hat keine normative Wirkung. Ungeachtet der Reichweite
gesetzlicher Delegationen und der landesrechtlichen Gesetzgebungskompetenzen
sehen das VersÄEinglG NRW und das LPersVG NRW keine Mitbestimmung bei der
82
Personalgestellung vor. Der Zuordnungsplan ist insbesondere kein Sozialplan und
unterfällt nicht der Mitbestimmung nach § 72 Abs. 2 Nr. 5 LPVG NW (zutr. LAG Hamm
26.03.2009 - 11 Sa 1639/08 - Juris Rn. 55). Die nachträglich ausgeübte und durch
Einigungsstellenbeschluss am 18.04.2008 abgeschlossene Mitbestimmung ist insoweit
bedeutungslos und erzeugt nicht die normative Wirkung einer Dienstvereinbarung nach
§ 70 LPVG NRW. Überdies lässt § 4 TV-L ergänzende Dienstvereinbarungen nicht zu,
so dass hinsichtlich der Regelungsmaterie "Personalgestellung zu einem Dritten" die
tarifliche Normsetzungsprärogative greift.
Schließlich kommt zu Gunsten des Landes nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung
(BAG 13.03.2007 - 9 AZR 417/06 - Juris Rn. 43) zum Zuge, wonach ein öffentlicher
Arbeitgeber sich etwa gegenüber der Arbeitnehmer-vertretung verpflichten kann,
bestimmte Maßnahmen, die Auswirkungen die Beschäftigte haben, nur entsprechend
den eingegangenen Verpflichtungen durchzuführen. Diese Verpflichtung erzeugt
lediglich eine zugunsten der Beschäftigten wirkende vertragliche Selbstbindung des
öffentlichen Arbeitgebers (BAG 11.10.1995 - 5 AZR 1009/94 - Juris Rn. 27).
83
(33) Eine landesgesetzliche Erweiterung des Direktionsrechts verbietet sich ohnehin
wegen der bundesgesetzlichen Regelung in § 106 GewO und würde außerdem einen
unzulässigen Eingriff in die Tarifautonomie (Art. 9 Abs. 3 GG) bedeuten.
84
(44) Nach allem spricht manches dafür, dass das "Verlangen des Arbeitgebers" (§ 4
Abs. 3 Satz 1 TV-L), i. c. die Überstellung des Klägers zum LVR, nicht rechtmäßig war.
85
4. Das arbeitsvertragliche Direktionsrecht des Landes umfasst nicht die Befugnis, den
Kläger von Essen nach Köln zu versetzen.
86
a) § 4 Abs. 3 TV-L erweitert das arbeitsvertragliche Direktionsrecht lediglich hinsichtlich
der Überstellung der Beschäftigten zu einem Dritten. Auch wenn mit der
Personalgestellung häufig ein Wechsel des Arbeitsortes oder eine Änderung der Lage
der Arbeitszeit verbunden ist, wird in diesen Punkten das Direktionsrecht des
Arbeitgebers nicht erweitert. Vielmehr belässt die Tarifnorm es dabei, dass vom
Arbeitnehmer bei dem Dritten "die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu
erbringen ist", und geht davon aus, dass die Beschäftigung in einem Betrieb "außerhalb
des bisherigen Arbeitsortes" durch eine Versetzung zu bewirken ist (§ 4 Abs. 1 Satz 2
TV-L). Demgegenüber würde die These, dass § 4 Abs. 3 TV-L dem Arbeitgeber mit der
Personalgestellung gleichzeitig erweiterte Versetzungsbefugnisse zugestehe, die schon
gespenstische Vorstellung implizieren, dass die so erweiterten Befugnisse tariflich nicht
mit Zumutbarkeitsgrenzen versehen und daher grenzenlos wären.
87
Gemäß diesen Vorgaben bestimmt sich die Verpflichtung des Arbeitnehmers, bei einem
Dritten zu arbeiten, nach § 106 GewO. Hiernach ist die Verlegung des Arbeitsortes
überhaupt nur im Rahmen dessen gestattet, was der Arbeitnehmer billigerweise
hinzunehmen hat. Maßgebend ist vornehmlich die "Erreichbarkeit" des neuen
Arbeitsortes vom bisherigen Beschäftigungsort oder Wohnort. Die Zumutbarkeit des
Arbeitsortswechsels hängt somit ab von dem zusätzlichen Zeitaufwand und den Kosten
entweder bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder bei Nutzung eines
Privatfahrzeuges, falls der Arbeitnehmer hiermit den Weg zur Arbeitsstelle bereits bisher
zurückgelegt hat und ihm der Einsatz des Privatfahrzeuges sowie mit dem neuen
Arbeitsort verbundene längere Fahrtzeiten zumutbar sind.
88
Dabei kann nicht ohne weiteres auf § 121 Abs. 4 SGB III, der einem mit mehr als 6
Stunden Beschäftigten eine tägliche Fahrzeit von insgesamt bis zu 2,5 Stunden
zumutet, zurückgegriffen werden, denn diese Vorschrift verfolgt arbeitsmarktpolitische
Zielsetzungen. Immerhin reflektiert und prägt sie die üblichen Vorstellung dessen mit,
was regelmäßig als äußerste "Entfernungsgrenze" anzusehen ist (vgl. AnwK-
ArbR/Boecken, § 106 GewO Rn. 17).
89
Stellt man für das Direktionsrecht auf die Gemeinde, in der der Arbeitsplatz gelegen ist,
einschließlich ihres Einzugsgebiets im umzugsrechtlichen Sinne ab (vgl. BAG
22.01.2004 - 1 AZR 495/05 - Juris Rn. 19), ist nach § 23 Abs. 4 TV-L
90
i. V. m. § 3 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung über das Trennungsgeld bei Versetzungen
und Abordnungen im Inland (TGV NRW) die tägliche Rückkehr zum Wohnort ist in der
Regel nicht zuzumuten, wenn beim Benutzen regelmäßig verkehrender
Beförderungsmittel die Abwesenheit von der Wohnung mehr als zwölf Stunden oder die
benötigte Zeit für das Zurücklegen der Strecke zwischen Wohnung und Dienststätte und
zurück mehr als drei Stunden beträgt.
91
b) Vorliegend ist es so, dass für den Kläger, der öffentliche Verkehrsmittel benutzt, nach
seinem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen (Seite 4 des Schriftsatzes v.
06.10.2008) eine Wegezeit nach Köln von täglich 3,5 Stunden anfällt. Diese Wegezeit
überschreitet das zumutbare Maß (vgl. LAG Niedersachsen 04.05.2009 - 9 Sa 882/08 -
Juris Rn. 26, LAG Hamm 24.05.2007 - 8 Sa 51/07 - Juris Rn. 27, APS/Künzl, § 2 KSchG
Rn. 62). Dies gilt jedenfalls aufgrund der Behinderungen des Klägers, auf die das Land
gemäß § 106 Satz 3 GewO Rücksicht zu nehmen hat. Der Arbeitgeber muss - wenn
entsprechende Anhaltspunkte vorliegen - deshalb bei seiner Versetzungsentscheidung
prüfen, ob auf Grund der Abordnung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erhebliche
Beeinträchtigungen der Gesundheit drohen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen 21.05.2008 -
6 B 259/08 - Juris Rn. 4 f.).
92
(11) Die beim Kläger gegebenen gesundheitlichen Einschränkungen sind so geartet,
dass mit der zeitlichen Belastungsdauer Beeinträchtigungen, Beschwerden und Risiken
graduell zunehmen und ihm hiernach zusätzlich zur täglichen Arbeitszeit Wegezeiten
von 3,5 Stunden nicht zugemutet werden können.
93
Diese Schlussfolgerung ergibt sich bereits aus den von der Vorinstanz diskutierten
ärztlichen Berichten, namentlich aus dem Entlassungsbericht der Hohenfeld-Klinik vom
09.09.2008 (Bl. 252 GA), dem Attest des Facharztes für Nervenheilkunde K. vom
11.01.2008 (Bl. 253 GA), dem Ambulanzbericht des Alfried Krupp Krankenhauses (Prof.
Dr. K.) vom 17.10.2007 (Bl. 259 GA), dem Attest des Facharztes für Chirurgie Dr. M vom
14.01.2008 (Bl. 2261 GA) sowie der fachärztlichen Bescheinigung des Facharztes Dr.
N. vom 11.02.2008 (Bl. 263 GA) und findet, auch für die Vergangenheit und angesichts
des Umstandes, dass dem Kläger nach einem GdB von 80 (bis 20.05.2005), einem GdB
von 60 (bis 30.07.2008) und seither wieder ein GdB von 80, jeweils mit dem
Merkzeichen RF, zuerkannt ist, eine Bestätigung in dem Sozialmedizinischen Gutachten
des MDK Nordrhein vom 03.12.2008 (Bl. 490 GA) sowie in der Vertrauensärztlichen
Stellungnahme des Gesundheitsamtes der Stadt Essen vom 11.03.2009 (Bl. 487 GA).
Dem Land sind die ärztlichen Berichte bekannt. Indem es sie nur pauschal und
unqualifiziert bestritten hat (Seite 26 ff. der Berufungsbeantwortung), ist es seiner
Darlegungs- und Beweislast nach § 106 GewO nicht nachgekommen. Wenn es zu dem
Sozialmedizinischen Gutachten vom 03.12.2008 und der Vertrauensärztlichen
94
Stellungnahme der Stadt Essen vom 11.03.2009 in der Verhandlung vor der Kammer
bemerkt hat, dass es die Prüfung der Dienstfähigkeit des Klägers für die
Auswärtstätigkeit in Köln noch nicht abgeschlossen habe, übersieht es, dass es sich im
Hinblick auf den Zeitablauf auf die Verzögerung nicht berufen kann und allemal die
ärztlichen Berichte in der Gesamtschau aussagekräftig sind und die Feststellung tragen,
dass dem Kläger eine dauerhafte Auswärtstätigkeit in Köln nicht zumutbar ist.
Zu dem angegeben Hüftschaden hat die Vorinstanz dem Kläger vorgehalten, sich nicht
auf Beschwerden berufen zu können, die durch eine anempfohlene, aber bisher von ihm
abgelehnte Hüftoperation behoben werden könnte. Dieser Vorhalt ist schon deshalb
unbeachtlich, weil "unzumutbare" Hüftschmerzen, die unter der körperlichen Belastung,
wie sie mit einem langen Hin- und Rückweg verbunden ist, überdies zuzunehmen
pflegen, nicht wegen der unterlassenen ärztlichen Behandlung auf einen "zumutbaren"
Schmerzgrad fallen. Zudem ist die Entscheidung des Klägers, sich nicht operieren zu
lassen, nach Lage der Dinge zu akzeptieren, denn neben den allgemeinen
Operationsrisiken, die beim Kläger aufgrund der Herzerkrankung und des
Herzschrittmachers erhöht sind, besteht - zumal mit Blick auf das Lebensalter des
Klägers - die Ungewissheit, ob die Operation von nachhaltigem Erfolg ist.
95
Zu der psychiatrisch angenommenen Notwendigkeit, gesundheitsfördernde und
depressionsprophylaktische Aktivitäten zu ergreifen, hat die Vorinstanz ausgeführt, dass
der Kläger nicht ansatzweise dargelegt habe, dass bei einer Beschäftigung in Köln
solche Aktivitäten von ihm nicht wahrgenommen werden könnten. Das Land hat
nachgetragen, dass dem Kläger auch am Arbeitsort in Köln ausreichend qualifizierte
Mediziner etc. zur Verfügung stünden. Beide Einwände greifen nach Einschätzung der
Kammer zu kurz. Eine psychotherapeutische Behandlung und Sitzung oder die
Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe nach Dienstschluss ist in Köln zwar genauso gut
(oder schlecht) zu ermöglichen wie in Essen. Wenn man den Zeitaufwand für die
zusätzliche Wegstrecke zur Arztpraxis, Wartezeiten und die gewöhnliche Dauer einer
Behandlung bedenkt und die Zeitdauer des Rückwegs von Köln nach Essen einbezieht,
liegt freilich auf der Hand, dass der Kläger erst in den späten Abendstunden wieder zu
Hause sein würde. Am anderen Arbeitstag müsste der Kläger vor 6:09 Uhr auf dem
Bahnsteig des Hauptbahnhofs Essen stehen, um den Zug nach Köln rechtzeitig zu
erreichen (Bl. 279 GA). Die ihm verbleibende häusliche Ruhezeit erachtet die Kammer
für deutlich zu kurz.
96
In diesem Zusammenhang ist unerheblich, ob laut Routenplaner die Fahrtstrecke
zwischen dem Wohnort/Dienstort Essen und dem Einsatzort Köln bei ca. 73 km liegt.
Das beklagte Land kann von dem Kläger nicht erwarten, dass er mit einem privaten Pkw
die täglichen Fahrten zurücklegt.
97
Auf den Gesichtspunkt, dass - vorübergehend - die Trennungsentschädigung die
Fahrtkosten abdeckt, braucht hier nicht weiter eingegangenen zu werden, weil - wie
ausgeführt - schon wegen der langen Wegezeiten die Versetzung nach Köln den
Rahmen des arbeitsvertraglichen Direktionsvertrages überschreitet.
98
c) Das Interesse des Klägers, nicht in Köln zu arbeiten, überwiegt signifikant das
gegenläufige Interesse des Landes.
99
Das Interesse des Landes, den Kläger beim LVR in Köln einsetzen zu können, ergibt
sich unmittelbar aus dem VersÄEinglG NRW, der Auflösung (auch) des
100
Versorgungsamtes Essen (§ 16) und der Notwendigkeit, die Beschäftigten anderen
Teilen der Landesverwaltung oder "Dritten" zuzuteilen. Soweit die Übertragung von
spezifischen Aufgaben der Versorgungsverwaltung im Schwerbehindertenrecht, der
Kriegsopferfürsorge, im sozialen Entschädigungsrecht, nach dem Bundeselterngeld-
und Elternzeitgesetz, nach dem Gesetz zum Erziehungsgeld und zur Elternzeit, bei
arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Förderprogrammen und sonstigen Aufgaben i. S. v. §
8 in Rede steht, geht zur Gewährleistung einer kontinuierlichen effizienten Erfüllung
dieser Aufgaben das berechtigte Interesse des Landes dahin, die bereits in den
Versorgungsämtern hiermit befassten Beschäftigten ihrer Arbeitsaufgabe folgen zu
lassen, also mit diesem Funktionsbezug den kommunalen Körperschaften oder den
Landschaftsverbänden zuzuweisen. Das Interesse ist von Gewicht, weil diese Aufgaben
als Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung wahrzunehmen sind.
Für die mit "Querschnittsaufgaben" (Allgemeine Verwaltung, IT-Bereich usw.) befassten
Beschäftigten der Versorgungsämter und damit für den Kläger besteht kein gleichartiger
Einsatzbedarf, weil - wie bereits angesprochen - die Körperschaften und
Bezirksregierungen hier über eigene Organisationseinheiten mit eigenem Personal
verfügen und aus mancherlei Gründen die Beschäftigten der Versorgungsämter nicht
funktionsgleich einsetzen können. Dieser Einsicht trägt § 10 Abs. 3 VersÄEinglG NRW
Rechnung. Das Interesse des Landes, diese Beschäftigten unterzubringen, gründet
darin, Personalüberhänge und -unterhänge auszugleichen und die Leistung finanziellen
Nachersatzes zu vermeiden. Mit der Zuweisung des Klägers vermied das Land für eine
Stelle die Zahlung von Nachersatz. Damit gedachte es gleichzeitig, seiner
Beschäftigungspflicht gegenüber dem Kläger nachzukommen.
101
In diesem Zusammenhang ist dem Land zugute zu halten, dass die Auflösung der
Versorgungsverwaltung und Unterbringung der Beschäftigten komplexe und diffizile
Problemstellungen sowohl tatsächlicher als auch rechtlicher Art gezeitigt hat. Es kann
überdies nachhaltige Anstrengungen erfordern, einen Beschäftigten wie den Kläger
ortsnäher z. B. in einer anderen Dienststelle des Landes einzusetzen. Insoweit können
das Lebensalter des Beschäftigten, die mit dem Alter abnehmende
Anpassungselastizität, eine geringere gesundheitliche Belastbarkeit, Eignungs-
und/oder Leistungsschwächen, fehlender Bedarf an der beruflichen Qualifikation und
dem erworbenem Erfahrungswissen oder begrenzte und aufwändige
Weiterbildungsmöglichkeiten eine Rolle spielen. Anderseits ist es Sache des Landes,
wenn es bei Schaffung einer neuen Verwaltungsstruktur nicht ausreichend
berücksichtigt hat, ob eine genügende Zahl geeigneter und freier Arbeitsplätze in der
Nähe der aufgelösten Verwaltungseinheit (und damit regelmäßig in Wohnortnähe)
angeboten werden kann, und wenn es sich, weil es von Kündigungen oder
Änderungskündigungen absehen wollte, auf die Ausübung eines vermeintlichen
Direktionsrechtes, das die Versetzung an entfernte, nur mit langen Wegezeiten
verbundenen Arbeitsorten impliziert, verlassen hat. Insoweit sind die maßgebenden
Planungsparameter für das beklagte Land keine grundlegend anderen als für jeden
anderen öffentlichen oder privaten Arbeitgeber.
102
(22) Die gebotene gerichtliche Ausübungskontrolle nach § 106 GewO (Hromadka, RdA
2003, 238, Preis/Greiner, ZTR 2006, 293) hat zum Ergebnis, dass die Überstellung
billigem Ermessen nicht gerecht wird, weil das Land seine Interessen einseitig und
unangemessen übergewichtet und das gegenläufige Interesse des Klägers nicht
ausreichend berücksichtigt hat.
103
Selbst wenn man die auf den Zuordnungsplan und das Punkteschema basierende
Auswahlentscheidung des beklagten Landes, aufgrund der der Kläger zu dem LVR in
Köln überstellt wurde ist, vom Ansatz her nicht beanstandet, ist die Überstellung des
Klägers zum LVR nach Köln unbillig und daher unwirksam. Das Land hat seine
Interessen signifikant übergewichtet und dem Umstand, dass dem schwerbehinderten
Kläger tägliche Wegezeiten von ca. 3,5 Stunden überbürdet werden, unzulänglich
gewürdigt.
104
Dabei kann sich das Land nicht auf die praktizierte Härtefallprüfung und deren für den
Kläger negatives Ergebnis zurückziehen. Auch bei einer eingeschränkten
Billigkeitskontrolle muss auf im Einzelfall vorliegende Härten Rücksicht genommen
werden. Diesem Postulat kann der Arbeitgeber sich nicht dadurch entziehen, dass er die
Härtefälle quantitativ eingrenzt und damit trotz vorliegender Härten für weitere
Mitarbeiter die Anerkennung eines Härtefalls nur den Mitarbeitern zukommen lässt, die
die vom Arbeitgeber hierfür präsumierten, möglicherweise überhöhten qualitativen
Voraussetzungen erfüllen.
105
5. Die von dem beklagten Land verfügte Überstellung des Klägers an den LVR in Köln
erweist sich erst recht als unbillig, wenn man die Erhöhung des GdB von 60 auf 80 ab
31.07.2008 und die Eheschließung am 22.05.2009 einbezieht. Beide Umstände wirken
sich im Rahmen des § 106 GewO zu Gunsten des Klägers aus, denn der Arbeitgeber
muss auf gesundheitliche Einschränkungen, namentlich Behinderungen, ebenso
Rücksicht nehmen wie auf familiäre Belange (ErfK/Preis, 9. Aufl., § 106 GewO Rn. 9,
Preis, Arbeitsrecht, 3. Aufl., S. 327, Hunold, AR-Blattei SD, Direktionsrecht, Rn. 232/238,
Görg/Guth/Hamer/Pieper, § 4 TVöD-AT Rn. 25).
106
Die neue Sachlage ist nach Dafürhalten der Kammer zu berücksichtigen. Zwar ist auf
die Interessenlage der Parteien im Zeitpunkt der Ausübung des Direktionsrechts
abzustellen, wenn Streitgegenstand die Billigkeitskontrolle des in der Vergangenheit
ausgeübten und so tatsächlich und rechtlich in Gegenwart fortwirkenden
Bestimmungsrechts ist. Ist hingegen Streitgegenstand die Arbeitspflicht im Zeitpunkt der
letzten mündlichen Verhandlung, hat das Gericht einzubeziehen, ob eine zunächst
rechtmäßig erteilte Weisung aufgrund geänderter Umstände nicht mehr vom
arbeitsvertraglichen Direktionsrecht gedeckt und die Gehorsamspflicht des
Arbeitnehmer entfallen ist (vgl. Hunold, a. a. O. Rn. 305). Der Feststellungsantrag des
Klägers zielt darauf ab, die Verpflichtung zu klären, gegenwärtig und künftig in Köln zu
arbeiten.
107
C. Die Kostentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 (§ 516 Abs. 3 Satz 1) ZPO i. V. m. § 64
Abs. 6 Satz 1 ArbGG.
108
Die Kammer hat der klärungsbedürftigen Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung
zugemessen und deshalb ist für das Land gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die Revision
an das Bundesarbeitsgericht zuzulassen. Es geht um die Auslegung des § 4 Abs. 3 TV-
L nach den Maßstäben einer verfassungsorientierten Tarifkontrolle. Die Sache ist ganz
eng. Denn weder für den öffentlichen Dienst noch für die Privatwirtschaft ist bisher
höchstrichterlich geklärt, ob und unter welchen Bedingungen Tarifverträge den
Arbeitgeber zur Personalgestellung berechtigen können (näher: BAG 15.02.2007 - 9
AZR 474/05 - zu II 3 der Gründe).
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R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G :
110
Gegen dieses Urteil kann von der Beklagten
111
R E V I S I O N
112
eingelegt werden.
113
Für den Kläger ist gegen dies Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
114
Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich beim
115
Bundesarbeitsgericht
116
Hugo-Preuß-Platz 1
117
99084 Erfurt
118
Fax: 0361 2636 2000
119
eingelegt werden.
120
Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
121
Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als
Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
122
1. Rechtsanwälte,
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2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse
solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse
mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
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3. Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in
Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person
ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer
Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer
Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die
Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
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In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift
unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
126
Eine Partei die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
127
* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
128
Dr. PlümDr. Offermanns Wüst
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