Urteil des LAG Düsseldorf vom 10.02.2004

LArbG Düsseldorf (Arbeitsgericht, Subunternehmer, Arbeitsorganisation, Rechtfertigung, Baustelle, Montage, Konzept, Geschäftsjahr, Pauschal, Restrukturierung)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Vorinstanz:
Schlagworte:
Normen:
Sachgebiet:
Leitsätze:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 6 (8) Sa 1723/03
10.02.2004
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
6. Kammer
Urteil
6 (8) Sa 1723/03
Arbeitsgericht Düsseldorf, 6 Ca 5803/03
Betriebsbedingte Kündigung - Unternehmerentscheidung - Einsatz von
Subunternehmern
§ 1 Abs. 2 KSchG
Arbeitsrecht
Die unternehmerische Entscheidung des Arbeitgebers, Kundenaufträge
(im Baubereich) verstärkt unter Einsatz von Subunternehmern
durchzuführen, stellt kein dringendes betriebliches Erfordernis i. S. d. § 1
Abs. 2 KSchG zur Rechtfertigung von Kündigungen gegenüber eigenen
Arbeitnehmern dar, soweit die bisherigen Tätigkeiten bei unveränderten
betrieblichen Organisationsstrukturen nur von den billigeren
Arbeitskräften eines Subunternehmers durchgeführt werden sollen.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Düsseldorf vom 07.10.2003 - 6 Ca 5803/03 - wird auf Kosten der
Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von betriebsbedingten
Beendigungskündigungen.
Der 1968 geborene Kläger steht seit dem 01.09.1986 bei der Beklagten in einem
Arbeitsverhältnis und wurde in der Vergangenheit überwiegend bei einem
Auftragsbauvorhaben der Fa. C. AG am Einsatzort in L.-V. als Spezialfacharbeiter
(Isolierklempner) eingesetzt und gemäß Lohngruppe 4 des BRTV-Bau vergütet.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen zunächst mit
Schreiben vom 25.04.2003 zum 30.09.2003 und anschließend mit Schreiben vom
05.05.2003 zum 31.08.2003.
Zur Begründung der Kündigungen führte sie an, dass im Rahmen einer Restrukturierung
ein Personalabbau von mehr als 180 Mitarbeitern vorgenommen werde, wovon auch der
Arbeitsplatz des Klägers betroffen sei. Bei der ersten Kündigung vom 25.04.2003 sei
lediglich die Kündigungsfrist fehlerhaft berechnet worden.
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Der vom Kläger gegen die Kündigungen erhobenen Kündigungsschutzklage hat das
Arbeitsgericht Düsseldorf durch Urteil vom 07.10.2003 - 6 Ca 5803/03 - antragsgemäß
entsprochen und wie folgt erkannt:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die
Kündigung der Beklagten vom 25.04.2003, noch durch die Kündigung vom 05.05.2003
beendet wird.
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des
Kündigungsschutzrechtsstreits zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Isolierer weiter
zu beschäftigen.
Zur Begründung seiner Entscheidung führt das Arbeitsgericht im Wesentlichen aus: Die
Beklagte habe nicht in hinreichender Weise substantiiert dargetan, dass die Kündigung
aufgrund ihrer Unternehmerentscheidung, den Personalbestand unter anderem in E. in der
Sparte Industrie um 18 Mitarbeiter zu reduzieren, aus dringenden betrieblichen
Erfordernissen gerechtfertigt sei. Denn sie habe sich darauf beschränkt, pauschal die
rückläufigen Umsätze und das rückläufige Betriebsergebnis mitzuteilen, und auszuführen,
die Tätigkeit in der Lohngruppe des Klägers würde verstärkt durch Subunternehmer
durchgeführt, ohne konkret vorzutragen, in welchem Umfang sich die Arbeitsmenge
verringert habe und welcher Arbeitskräfteüberhang dadurch entstanden sei.
Zur näheren Sachdarstellung und wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen
Streitstandes wird im Übrigen auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des
Urteils verwiesen.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer fristgerecht eingelegten und begründeten
Berufung, mit der sie das Ziel der Klageabweisung weiterverfolgt.
Sie greift die Entscheidung des Arbeitsgerichts im Wesentlichen mit der Begründung an,
das Arbeitsgericht habe den vorgebrachten Kündigungsgrund verkannt. Denn sie habe
nicht geltend gemacht, dass sich die Aufträge und die Arbeitsmenge auf unabsehbare Zeit
um ein bestimmtes Arbeitsvolumen reduzieren würde. Sie habe vielmehr durch Beschluss
der Geschäftsführung vom 03.02.2003 die Entscheidung getroffen, bereits im Geschäftsjahr
2003 die Kundenaufträge verstärkt unter Einsatz von Subunternehmern durchzuführen.
Diese Entscheidung war aufgrund des schwierigen wirtschaftlichen Umfeldes, eines
verschärften Wettbewerbdrucks und nachhaltigen Kostendrucks erforderlich, um nicht die
Existenz des gesamten Standortes in E. zu gefährden. Hier habe sie ihre innerbetrieblichen
Arbeitsläufe und Arbeitsprozesse reorganisieren und umstrukturieren müssen, damit nicht
ein dauerhafter Arbeitskräfteüberhang entstehe. Die im Rahmen der sogenannten
Montagevorfertigung - dem Arbeitsbereich des Klägers - anfallenden Isolierarbeiten lasse
sie künftig von Subunternehmern durchführen. Aufgrund dieser Organisationsentscheidung
sei der Arbeitsplatz des Klägers weggefallen.
Von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes wird nach der vorliegend gebotenen
Anwendung der Regelung des § 69 Abs. 2 ArbGG unter Bezugnahme auf den Inhalt der
von den Parteien in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze, den hierzu
überreichten Anlagen und den sonstigen Akteninhalt abgesehen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Feststellung getroffen, dass das Arbeitsverhältnis der
Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 25.04.2003 bzw. vom 05.05.2003 nicht
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aufgelöst worden ist und aus diesem Grunde die Beklagte auch zur vertragsgemäßen
Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt.
Auch die Berufungskammer gelangt nach eingehender Würdigung des Sachvortrages der
Parteien und insbesondere auch der eigenen Einlassung der Beklagten im
Berufungstermin zu dem Ergebnis, dass die streitgegenständliche Kündigung als
sozialwidrig und damit rechtsunwirksam i. S. d. § 1 Abs. 1, 2 KSchG anzusehen ist.
Die vorliegend zur Rechtfertigung der Kündigung von der Beklagten vorgebrachte
Unternehmerentscheidung, die Isolierarbeiten in der Montagevorfertigung auf der Baustelle
der C. AG, d. h. die Tätigkeiten des Arbeitsbereiches, in dem der Kläger bislang eingesetzt
war, vermehrt oder auch ausschließlich von Mitarbeitern eines Subunternehmers bei
Aufrechterhaltung der bisherigen betrieblichen Arbeitsorganisation sowie der
Arbeitsabläufe unter eigener Regie durchführen zu lassen, stellt kein dringendes
betriebliches Erfordernis i. S. v. § 1 Abs. 2 KSchG dar, den in diesem Arbeitsbereich bzw.
Betriebsteil beschäftigten Arbeitnehmern zu kündigen, um diese Arbeiten bei unveränderter
betrieblicher Organisationsstruktur mit billigeren Arbeitskräften eines Subunternehmers
weiter durchzuführen.
Insoweit vermag sich die Beklagte auch nicht auf eine von der Rechtsprechung des BAG
anerkannte sogenannte freie Unternehmerentscheidung zu berufen, wonach es dem
Arbeitgeber freistehe, bestimmte Arbeiten nicht weiter im eigenen Betrieb auszuführen,
sondern an einen anderen Unternehmer/Subunternehmer zur selbständigen Erledigung zu
vergeben. Denn hierbei handelt es sich um eine Ausgliederung der bislang im eigenen
Betrieb verrichteten Tätigkeiten, in der Regel auf der Grundlage eines Werkvertrages, der
mit dem Subunternehmer zur selbständigen Erledigung der übertragenen Aufgabenstellung
abgeschlossen wird und damit von diesem nicht nur die Organisation für die Erledigung
dieser Tätigkeiten, sondern auch die Gewähr für die Herbeiführung ihres Erfolges
übernommen wird.
Von diesen Fallgestaltungen der Ausgliederung betrieblicher Tätigkeiten, die zum
entsprechenden Wegfall des bisherigen Beschäftigungsbedürfnisses im eigenen Betrieb
führen, unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt - nach der eigenen klarstellenden
Einlassung der Beklagten im Berufungstermin - grundlegend dadurch, dass die vom Kläger
innerhalb der betrieblichen Arbeitsorganisation der Montagevorfertigung verrichteten
Isolierarbeiten keineswegs an einen Subunternehmer zur selbständigen Erledigung
übertragen worden sind, sondern innerhalb der fortbestehenden betrieblichen
Arbeitsorganisation bei der Beklagten lediglich von den neu eingesetzten Mitarbeitern
eines Subunternehmers anstelle der bisherigen eigenen Stammarbeiter bei im Übrigen
unveränderten Arbeitsabläufen verrichtet werden sollen. Denn die gesamte Vorfertigung für
die Montage im Rahmen des C. AG-Auftrages wird von der Beklagten ohne Änderung der
betrieblichen Abläufe in eigener Regie wie bisher geplant, koordiniert und nach den
bisherigen eigenen betrieblichen Voraussetzungen dirigiert. Die zur Erledigung dieser
Arbeiten von der Beklagten innerhalb der eigenen betrieblichen Organisation eingesetzten
Mitarbeiter eines Subunternehmers haben m. a. W. nur die bislang von den Stammarbeitern
der Beklagten verrichteten Tätigkeiten übernommen. Von einem Wegfall des
Beschäftigungsbedürfnisses für die auf diese Weise ausgetauschten Stammarbeiter im
Betrieb der Beklagten kann deshalb auch keine Rede sein (vgl. hier u. a. BAG Urteil vom
26.09.1996 - 2 AZR 200/96 - m. w. N.).
Aus diesen Gründen ist die dem Kläger gegenüber ausgesprochene streitgegenständliche
Beendigungskündigung auch nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt,
sondern sozial ungerechtfertigt i. S. v. § 1 Abs. 2 KSchG. Bei dieser Kündigung handelt es
sich auch vorliegend, wie das BAG a. a. O. ausgeführt hat, um eine gemäß § 1 Abs. 1 und 2
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KSchG unwirksame Austauschkündigung.
Das von der Beklagten zur Kostenreduzierung gewählte unternehmerische Konzept, das
ohne Änderung der betrieblichen Arbeitsabläufe bei fortbestehendem
Beschäftigungsbedarf nur infolge des Einsatzes von schlechter bezahlten Arbeitnehmern
eines Subunternehmers zum Verlust der Arbeitsplätze der einzelnen Stammmitarbeiter
führen soll, ist im Übrigen aber auch als rechtsmissbräuchlich anzusehen (in diesem
Zusammenhang kann auf das BAG Urteil vom 26.09.2002 - 2 AZR 636/01 - verwiesen
werden).
Die Berufung war nach allem mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
Für die Zulassung der Revision bestand kein gesetzlich gebotener Anlass (vgl. § 72 Abs. 2
ArbGG).
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g:
Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
Die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht kann selbständig beim
Bundesarbeitsgericht angefochten werden. Hinsichtlich der Einzelheiten der
Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72 a ArbGG hingewiesen.
gez.: Roden gez.: Dr. Heidorn gez.: Killian