Urteil des KG Berlin vom 29.03.2017

KG Berlin: treu und glauben, sicherheitsleistung, kündigung, transparenzgebot, bauleitung, vertragsschluss, werk, agb, geschäftsbedingung, bestimmungsrecht

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Gericht:
KG Berlin 27.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
27 U 70/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 305 BGB, §§ 305ff BGB, § 307
Abs 1 BGB, § 316 BGB
Bauvertrag: Formularsicherungsklausel mit einer
Vertragserfüllungsbürgschaft ohne Bestimmbarkeit der
Sicherungshöhe
Tenor
In dem Rechtsstreit .../... hat der Senat die Sach- und Rechtslage geprüft und beraten. Er
ist danach der einhelligen Auffassung, dass die Berufung der Beklagten zu 1) keinerlei
Aussicht auf Erfolg hat, die Berufung der Beklagten zu 2) dagegen begründet ist.
Gründe
I. Zur Berufung der Beklagten zu 1):
Das Landgericht hat zu Recht festgestellt, dass dem Kläger dem Grunde nach ein
Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 1) aus § 8 Nr. 3 Abs. 1, 2 VOB/B
zusteht. Der Kläger war zur Kündigung des Vertrages jedenfalls nach § 4 Nr. 8 VOB/B
berechtigt:
1. Das Landgericht hat überzeugend dargelegt, dass die Bestimmung des § 4 Nr. 8 Abs.
1 VOB/B einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB stand hält. Soweit ersichtlich wird
Gegenteiliges bisher auch weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur vertreten.
Für ihre abweichende Auffassung vermochte die Beklagte zu 1) in der
Berufungsbegründung keine neuen Gesichtspunkte, die eine andere Beurteilung
rechtfertigen könnten, aufzuzeigen.
Soweit die Beklagte zu 1) meint, die vom Landgericht angeführten Besonderheiten des
Bauvertrages rechtfertigten kein Verbot eines Nachunternehmereinsatzes ohne
sachlichen Grund, argumentiert sie auf unzutreffender Grundlage. Denn ein solches
Verbot ist nicht Gegenstand von § 4 Nr. 8 Abs. 1 VOB/B. Die Bestimmung beinhaltet
hinsichtlich des etwaigen Nachunternehmereinsatzes lediglich einen
Zustimmungsvorbehalt, dessen Vereinbarung den Vertragspartner unter
Berücksichtigung der Besonderheiten des Bauvertrages - wie vom Landgericht dargelegt
- entgegen den Geboten von Treu und Glauben nicht unangemessen benachteiligt.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Zusatz in der entsprechenden
Nachunternehmerklausel auf Seite 2 des Angebotsformulars, wonach mit einer
Zustimmung zu einem Nachunternehmereinsatz nach Vertragsschluss nicht gerechnet
werden könne. Diesem Zusatz kann bei verständiger Würdigung nicht entnommen
werden, dass ein Nachunternehmereinsatz in jedem Falle ausgeschlossen ist. Er stellt
lediglich klar, dass der Auftragnehmer die Leistungen, auf die sein Betrieb eingerichtet
ist, wie vereinbart grundsätzlich auch im eigenen Betrieb auszuführen hat und ein
Nachunternehmereinsatz nur in besonderen Ausnahmefällen in Frage kommt. Das aber
entspricht der nach § 4 Nr. 8 VOB/B ohnehin geltenden Rechtslage, wonach der
Nachunternehmereinsatz der Ausnahmefall sein soll. Der Auftraggeber braucht ihm
lediglich zuzustimmen, wenn insoweit die berechtigten Belange des Unternehmers
überwiegen. Das wird regelmäßig nur ausnahmsweise dann der Fall sein, wenn dieser
aufgrund nach Vertragsschluss eingetretener unabwendbarer Umstände ein
berechtigtes Interesse an einem Nachunternehmereinsatz erlangt hat und die für die
Ausführung der Werkleistung erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit und
Zuverlässigkeit des Auftragnehmers nicht beeinträchtigt sind. Dem fraglichen Zusatz im
Angebotsformular kommt damit neben der Regelung in § 4 Nr. 8 Abs. 1 VOB/B keine
eigenständige Bedeutung zu.
2. Zu Recht hat das Landgericht auch die Voraussetzungen von § 4 Nr. 8 Abs. 1 VOB/B
als gegeben angesehen. Auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil
wird Bezug genommen.
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Nur ergänzend ist anzumerken, dass die vom Kläger am 27. Juli 2006 ausgesprochene
Kündigung des Vertrages insbesondere nicht verfrüht war. Die Frist zur Beendigung des
vertragswidrigen Nachunternehmereinsatzes und zur Aufnahme der Leistungen im
eigenen Betrieb muss so bemessen sein, dass sie für eine unverzügliche Durchführung
aller Vorbereitungsmaßnahmen und zur Fortsetzung der Arbeiten im Betrieb des
Unternehmers ausreichend ist. Das war hier der Fall. Die Beklagte musste sich von
Anfang an darauf einstellen, dass der Kläger ihr vertragswidriges Verhalten nicht dulden
würde. Nachdem sie ihre Absicht, die Firma ... als Nachunternehmer einzusetzen, der
Bauleitung am 10. Juli 2006 zur Kenntnis gebracht hatte, wurde sie noch am selben Tag
von der Bauleitung unmissverständlich darauf hingewiesen, dass ohne Freigabe keine
Leistungen durch einen Nachunternehmer erbracht werden dürfen. Bereits einen Tag
später forderte der Kläger sie auf, die unter Missachtung des vorgenannten Hinweises
gleichwohl in das Werk der Nachunternehmerin verbrachten Fensterflügel bis zum 14. Juli
in ihren eigenen Betrieb bringen zu lassen. Spätestens aufgrund des entsprechenden
Schreibens vom 11. Juli 2006 hätte die Beklagte zu 1) die hierfür und für die
Arbeitsaufnahme im eigenen Werk erforderlichen Maßnahmen in die Wege leiten
müssen. Nichts desto trotz ließ sie die Fenster weiter von ihrer Nachunternehmerin
bearbeiten, so dass sich der Kläger gezwungen sah, ihr mit Schreiben vom 17. Juli 2006
unter Androhung der Auftragsentziehung eine letzte Frist zur Ausführung der Leistung
im eigenen Betrieb bis zum 21.Juli 2006 zu setzen. Ihrer entsprechenden Verpflichtung
kam die Beklagte zu 1) weder bis zum Fristablauf noch bis zur schließlich am 25. Juli
2006 ausgesprochenen Kündigung nach. Bis dahin standen der Beklagten zu 1) seit der
ersten Abmahnung vom 11. Juli 2006 14 Tage und seit dem Schreiben vom 17. Juli 2006
gut eine Woche zur Arbeitsaufnahme im eigenen Betrieb zur Verfügung. Dass die
Beklagte zu 1) damit jedenfalls bis zur Kündigung ausreichend Zeit hatte, die
vertragsgemäße Fortsetzung der Arbeiten in Angriff zu nehmen, kann unter diesen
Umständen nicht ernsthaft bestritten werden.
Zutreffend hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass die Frist durch die vorherige
bloße Ankündigung der Beklagten zu 1), künftig von einem Nachunternehmereinsatz
abzusehen und die Fensterflügel in den nächsten Tagen bei der Firma ... abzuholen und
in den eigenen Betrieb zu transportieren, nicht gewahrt war. Allein durch die
Ankündigung war der Kläger auch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nicht
an der Ausübung seines Kündigungsrechts gehindert. Insbesondere kann die Kündigung
wegen des vorausgegangenen fortdauernden vertragswidrigen Verhaltens der Beklagten
zu 1) nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen werden. Die Beklagte zu 1. hatte
genügend Zeit, den unerlaubten Nachunternehmereinsatz zu beenden. Der Kläger
konnte nicht ohne weiteres darauf vertrauen, dass die Beklagte zu 19 ihre Ankündigung
auch in die Tat umsetzen würde, zumal sie sich durch den unangemeldeten Einsatz des
Nachunternehmers ... ein weiteres Mal vertragsbrüchig gemacht hatte. Dafür, dass die
Bauleitung den Einsatz dieses Nachunternehmers gekannt und geduldet hat, sind
konkrete Tatsachen weder vorgetragen noch ersichtlich. Im Übrigen ist die Beklagte zu
1) der ihr mit Kündigungsandrohung gesetzten Frist zur Beendigung auch dieses
Nachunternehmereinsatzes jedenfalls nicht nachgekommen.
Aus den vorstehenden Gründen ist die Berufung der Beklagten zu 1) zurückzuweisen.
Der Senat beabsichtigt insoweit gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zu verfahren, sofern die
Beklagte zu 1) die Berufung nicht zurücknimmt.
Sie erhält Gelegenheit zur Stellungnahme, gegebenenfalls Kosten sparenden
Rücknahme des Rechtsmittels, binnen drei Wochen.
II. Zur Berufung der Beklagten zu 2):
Diese Berufung ist begründet. Der Kläger kann die Beklagte zu 2) aus der Bürgschaft
vom 30. Juni 2006 nicht gemäß § 765 BGB in Anspruch nehmen, weil die zugrunde
liegende Sicherungsvereinbarung in Nr. 4.2 der Besonderen Vertragsbedingungen (BVB)
des Klägers gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam ist und die Beklagte zu 2) deshalb zu
Recht gemäß § 768 BGB die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung erhoben hat.
Die rechtliche Grundlage für die Verwertung einer Sicherheit ist die Sicherungsabrede
zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer (BGHZ 74, 244). Ist die Sicherungsabrede
wie im Streitfall als allgemeine Geschäftsbedingung vereinbart, so unterliegt sie
betreffend die Art und Höhe der Sicherheit der Kontrolle nach den AGB-Vorschriften der
§§ 305 ff. BGB (vgl. Dr. Thode, ZfBR 2002, 4/5). Dieser Inhaltskontrolle hält die
Vereinbarung in Nr. 4.2 BVB nicht stand.
Die Klausel verstößt gegen das Transparenzgebot, welches den Verwender von AGB
verpflichtet, die Rechte und Pflichten seines Vertragspartners darin möglichst klar und
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verpflichtet, die Rechte und Pflichten seines Vertragspartners darin möglichst klar und
präzise darzustellen, damit dieser sich bei Vertragsschluss hinreichend über die
Tragweite der Vertragsbedingungen klar werden kann. Das Transparenzgebot schließt
das Bestimmtheitsgebot ein. Dieses verlangt, das die tatbestandlichen
Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den
Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen (BGH Baurecht
2008, 508). Wirtschaftliche Nachteile und Belastungen müssen soweit zu erkennen sein,
wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (vgl. BGH NJW 2000, 651/52).
Diesen Anforderungen wird die Klausel in Nr. 4.2 BVB nicht gerecht, weil sie keine
Angabe über die Höhe der Sicherheitsleistung enthält und darüber hinaus auch der
Begriff der Abrechnungssumme als Berechnungsfaktor für die Höhe der binnen 18
Werktagen nach Vertragsabschluss zu erbringenden Sicherheitsleistung untauglich ist.
Der Auffassung des Landgerichts, bei fehlender Angabe zur Höhe der Sicherheitsleistung
müsse dem Auftraggeber regelmäßig die Befugnis eingeräumt werden, die Höhe nach §
316 BGB zu bestimmen, kann jedenfalls in dem vorliegenden Fall, dass die
Sicherungsvereinbarung als allgemeine Geschäftsbedingung vereinbart ist, nicht gefolgt
werden, weil das einseitige Bestimmungsrecht des Klauselverwenders mit dem
Transparenzgebot nicht zu vereinbaren ist. Einseitige Bestimmungsvorbehalte können
bei Vorliegen von allgemeinen Geschäftsbedingungen nur hingenommen werden, soweit
sie bei unsicherer Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig
sind und den Anlass, aus dem das Bestimmungsrecht entsteht, sowie die Richtlinien und
Grenzen seine Ausübung möglichst konkret angeben (BGH a.a.O.). Davon kann hier
keine Rede sein. Die streitgegenständliche Klausel betrifft einen bekannten Tatbestand,
der auch hinsichtlich der Höhe der Sicherheitsleistung konkret hätte geregelt werden
können und müssen.
Die Auffassung des Landgerichts, die Bauvertragsparteien hätten sich letztlich auf die
Stellung einer Sicherheit in der verbürgten Höhe dadurch geeinigt, das die Beklagte zu
1) die Beklagte zu 2) angewiesen hat, die Bürgschaftsverpflichtung gegenüber dem
Kläger einzugehen, trifft ebenfalls nicht zu. Die Beklagte zu 1) ist insoweit lediglich ihrer
vermeintlichen Verpflichtung aus Nr. 4.2 BVB nachgekommen. Nichts spricht dafür, dass
die Bauvertragsparteien in Zusammenhang mit der Bürgschaftshingabe ungeachtet der
ihrer Auffassung nach bestehenden Verpflichtung zur Sicherheitsleistung nochmals eine
Sicherungsvereinbarung treffen wollten bzw. getroffen haben.
Aus den vorstehenden Gründen kann die Klage gegen die Beklagte zu 2) keinen Erfolg
haben. Der Kläger sollte deshalb insoweit die Fortsetzung des Rechtsstreits überdenken.
Einer eventuellen Klagerücknahme wird binnen drei Wochen entgegengesehen.
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