Urteil des KG Berlin vom 29.03.2017

KG Berlin: scheidung, rechtskraft, ausnahme, form, vergleich, verwalter, miteigentümer, rechtsgeschäft, familie, sammlung

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Gericht:
KG Berlin 1. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 W 57/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 12 WoEigG
Leitsatz
1. Ein Zustimmungserfordernis gemäß § 12 WEG erfasst, falls es ohne nähere Einschränkung
vereinbart ist, auch die nur teilweise Veräußerung des Wohnungs- oder Teileigentums in Form
eines ideellen Miteigentumsanteils und die Veräußerung an einen Erwerber, der bereits
Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft ist.
2. Ist als Ausnahme von einem Zustimmungserfordernis gemäß § 12 WEG die "Veräußerung
an Ehegatten" vereinbart, so gilt diese nicht für eine Veräußerung an den geschiedenen
Ehegatten, die erst nach Rechtskraft der Scheidung schuldrechtlich vereinbart wird.
Tenor
Die Beschwerde wird nach einem Wert von 3.000 EUR zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beteiligten sind je zur Hälfte Miteigentümer des im Beschlusseingang bezeichneten
Wohnungseigentums. Als Inhalt des Sondereigentums ist im Grundbuch eingetragen:
Die Ehe der Beteiligten wurde durch Urteil vom 2. Oktober 2007 – rechtskräftig seit dem
10. November 2007 – geschieden. Mit Vergleich vom 25. März 2010 in einem Verfahren
vor dem Amtsgericht ... – ... – einigten sich die Parteien darauf, dass die Beteiligte zu 2.
ihre Miteigentumshälfte an der Eigentumswohnung auf den Beteiligten zu 1. überträgt.
Auf den Antrag des Beteiligten zu 1. auf Eintragung des Eigentumswechsels hat das
Grundbuchamt mit Zwischenverfügung vom 7. September 2010 unter anderem – soweit
noch Gegenstand dieses Verfahrens – aufgegeben, die Zustimmung des Verwalters
gemäß § 12 WEG beizubringen oder das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes
nachzuweisen. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 1. Dieser meint,
die Verwalterzustimmung sei nicht erforderlich, weil die Veräußerung nur im Hinblick auf
die geschiedene Ehe zur endgültigen Auseinandersetzung der vermögensrechtlichen
Probleme der Beteiligten erfolge. Dies sei durch den Sinn und Zweck der Klausel über die
Ausnahme von dem Zustimmungserfordernis abgedeckt.
II.
Die Beschwerde ist zulässig (§§ 71 ff GBO) aber unbegründet. Der beantragten
Eintragung steht ein Hindernis im Sinne des § 18 Abs. 1 GBO entgegen, denn die
Beteiligten haben weder die nach dem Inhalt des Sondereigentums erforderliche
Verwalterzustimmung vorgelegt noch einen Ausnahmetatbestand nachgewiesen.
1. Das Zustimmungserfordernis gemäß § 12 WEG für Veräußerungen erfasst, falls es
ohne nähere Einschränkung vereinbart ist, nach allgemeiner Ansicht auch die nur
teilweise Veräußerung des Wohnungs- oder Teileigentums in Form eines ideellen
Miteigentumsanteils (OLG Celle, Rpfleger 1974, 438; Grziwotz in Jennißen, WEG, 2. Aufl., §
12 Rdn. 6; Hogenschurz in Timme, WEG, § 12 Rdn. 17) und die Veräußerung an einen
Erwerber, der bereits Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft ist (BayObLGZ
1977, 40; OLG Celle a.a.O., Senat, OLGZ 1978, 296; Grziwotz a.a.O. Rdn. 9; Klein in
Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 12 Rdn. 17; Lüke in Weitnauer, WEG, 9. Aufl., § 12 Rdn. 2).
Dies ergibt die Auslegung, für die bei Grundbucheintragungen wegen der
Zweckbestimmung des Grundbuchs auf Wortlaut und Sinn abzustellen ist, wie er sich
aus dem Eintragungsvermerk und der zulässigerweise in Bezug genommenen
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aus dem Eintragungsvermerk und der zulässigerweise in Bezug genommenen
Eintragungsbewilligung für den unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung
des Eingetragenen ergibt (Demharter, GBO, 27. Aufl., § 53 Rdn. 4 m.w.N.). Der Wortlaut
„Veräußerung“ erfordert dabei nur einen rechtsgeschäftlichen Eigentumswechsel unter
Lebenden, der sich auch dann vollzieht, wenn statt zweier Miteigentümer nach Abschluss
des Rechtsgeschäfts nur noch einer von ihnen Alleineigentümer des
Wohnungseigentums sein soll. Auch der Sinn und Zweck der
Veräußerungsbeschränkung greift nicht nur ein, wenn eine bis dahin
gemeinschaftsfremde Person Mit- oder Alleineigentümer des Wohnungseigentums
werden soll. § 12 WEG soll zwar den Wohnungseigentümern (auch) die Möglichkeit eines
Schutzes gegen das Eindringen unerwünschter Personen in ihre Gemeinschaft gewähren
(BGHZ 37, 203), ist auf die Zielrichtung gegen außenstehende Dritte jedoch nicht
beschränkt. Das Interesse der Wohnungseigentümergemeinschaft, die Veräußerung an
einen persönlich oder finanziell unzuverlässigen Erwerber verhindern zu können, ist in
gleicher Weise berechtigt, wenn dieser bereits Mitglied der
Wohnungseigentümergemeinschaft ist, weil er mit dem Hinzuerwerb weiterer
Miteigentumsanteile zusätzliche Lasten- und Kostentragungspflichten übernimmt und
erweiterten Einfluss auf z.B. auf die Beschlussfähigkeit der
Wohnungseigentümergemeinschaft und gegebenenfalls auf Abstimmungsergebnisse
gewinnt (BayObLG a.a.O., OLG Celle a.a.O., Senat a.a.O.; Lüke a.a.O. Rdn. 1).
2. Ein Ausnahmetatbestand, für den nach dem Inhalt des Sondereigentums die
Verwalterzustimmung hier nicht erforderlich wäre, ist nicht gegeben; insbesondere sind
die Beteiligten weder Ehegatten, noch waren sie es zum Zeitpunkt der Auflassung oder
der zugrunde liegenden schuldrechtlichen Vereinbarung (vgl. zu diesen Konstellationen
OLG Schleswig, NJW-RR 1993, 1103; Senat, NJW-RR 1997, 78). Sie waren vielmehr bei
Abschluss des Vergleichs vom 25. März 2010, der sowohl die Auflassung als auch das
schuldrechtliche Grundgeschäft enthält, bereits seit zwei Jahren und vier Monaten
rechtskräftig geschieden. Selbst zu dem Zeitpunkt, in dem das Verfahren anhängig
gemacht wurde, in dem die Beteiligten den Vergleich geschlossen haben, war die
Scheidung schon rechtskräftig.
a) Eine Auslegung der Grundbucheintragung „Veräußerung an Ehegatten“ in der von
dem Beteiligten zu 1. geforderten Weise, dass schon Anlass und Motivation der
Beteiligten für das Rechtsgeschäft (Veräußerung nur im Hinblick auf die geschiedene
Ehe zur endgültigen Auseinandersetzung der vermögensrechtlichen Probleme der
Beteiligten) ausreiche, um die Ausnahme von dem Zustimmungserfordernis zu
begründen, scheitert bereits an dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Eintragung, der
die Ehegatteneigenschaft zum Zeitpunkt der Veräußerung, also zumindest bei dem
schuldrechtlichen Grundgeschäft voraussetzt. Dem steht nicht die Entscheidung des
Senats vom 28. Mai 1996 (NJW-RR 1997, 78, 79) entgegen. Der Senat hatte in dieser
Entscheidung über eine Veräußerung zu befinden, die in einer vor der Scheidung
getroffenen, mit Rechtskraft der Scheidung wirksam gewordenen
Scheidungsfolgenvereinbarung geregelt worden war und anschließend nur noch mittels
Auflassung und Eintragung durchgeführt werden musste. In einem solchen Fall wird der
nachmalig geschiedene Ehegatte in der schuldrechtlichen Vereinbarung zur
Veräußerung schon deshalb noch als Ehegatte bezeichnet, weil er bis zur Scheidung
tatsächlich auch der Ehegatte ist. Einen üblichen und nahe liegenden Sprachgebrauch
der Art, dass Geschiedene noch Jahre nach der Scheidung als Ehegatten bezeichnet
werden, vermag der Senat jedoch nicht festzustellen.
b) Auch Sinn und Zweck der Veräußerungsbeschränkung und ihrer Ausnahmen
sprechen nicht dafür, eine „Veräußerung an Ehegatten“ über die Grenzen des Wortlauts
hinaus schon dann anzunehmen, wenn die Veräußerung nur der vermögensmäßigen
Auseinandersetzung einer bereits vor Jahren geschiedenen Ehe dient. Bestimmen eine
Wohnungseigentümergemeinschaft oder der teilende Eigentümer die Geltung einer
Veräußerungsbeschränkung nach § 12 WEG, so entscheiden sie sich grundsätzlich dafür,
dass sich die Gemeinschaft gegen das Eindringen oder Vordringen von unerwünschten
Personen schützen können soll. Werden gleichzeitig für Veräußerungen an Personen in
einem näher bezeichneten Näheverhältnis zum Veräußerer Lockerungen dieses
Schutzes vereinbart, so ist davon auszugehen, dass der oder die Eigentümer für die
geregelten Ausnahmefälle bei einer vorweggenommenen, abstrakten Prüfung ihr
Interesse an dem Schutz der Gemeinschaft als nachrangig gegenüber dem
Veräußerungsinteresse des ausscheidenden Mitglieds angesehen haben. Dies kann zum
einen darauf beruhen, dass das Interesse des Veräußerers an zustimmungsfreier
Veräußerung als besonders hochrangig angesehen wird, zum anderen darauf, dass die
Gemeinschaft aus Gründen, die in der Person des potentiellen Erwerbers, d.h. in seiner
Beziehung zum Veräußerer liegen, ihr Interesse als weniger gefährdet ansieht. Das
Interesse eines Wohnungseigentümers, eine Entscheidung über die Veräußerung des
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Interesse eines Wohnungseigentümers, eine Entscheidung über die Veräußerung des
Wohnungseigentums, die auf persönlichen Beziehungen, aber auch auf wirtschaftlichen
Gegebenheiten oder Notwendigkeiten innerhalb der Familie beruhen kann, unbeeinflusst
von einem Zustimmungserfordernis zu treffen, ist für eine
Wohnungseigentümergemeinschaft schon vorab erkennbar und nachvollziehbar. Ein
solches Interesse überwiegt aber nicht offensichtlich das Interesse der Gemeinschaft an
ihrem eigenen Schutz, dem diese mit der Veräußerungsbeschränkung gemäß § 12 WEG
grundsätzlich Ausdruck verliehen hat. Gerade wirtschaftliche Gegebenheiten und
Notwendigkeiten könnten vielmehr den Wohnungseigentümer veranlassen, bei der
Entscheidung über die Veräußerung seines Wohnungseigentums die Interessen der
Gemeinschaft hintan zu stellen und sich über Bedenken gegen die Person des Erwerbers
hinwegzusetzen. Eine Zustimmung könnte die Wohnungseigentümergemeinschaft bzw.
der Verwalter selbst bei Fehlen eines Ausnahmetatbestandes gemäß § 12 Abs. 2 WEG
ohnehin nur aus wichtigem Grund verweigern. Dass die Wohnungseigentümer das
Interesse des Veräußerers, die Veräußerung selbst bei Vorliegen eines solchen wichtigen
Grundes in der Person des Erwerbers zustimmungsfrei durchführen zu können, als
besonders hochrangig angesehen haben könnten, ist nicht lebensnah.
Für einen unbefangenen Betrachter liegt deshalb die Annahme näher, dass die
Gemeinschaft die Veräußerung an Ehegatten und bestimmte nahe Verwandte von dem
Zustimmungserfordernis ausgenommen hat, weil sie in diesen Fällen ihr Interesse als
weniger gefährdet angesehen hat. Dies mag zum einen daran liegen, dass die
bezeichneten Personen als potentielle gesetzliche Erben in Betracht kommen, deren
Eintritt in die Gemeinschaft im Wege der Erbfolge ohnehin nicht verhindert werden
könnte. Zum anderen spricht die verwandtschaftliche Beziehung bzw. die Ehe dafür,
dass der Veräußerer an diese Personen nicht nur aus wirtschaftlicher Not veräußert,
sondern ihnen Vertrauen entgegenbringt und sie für zuverlässige künftige Mitglieder der
Wohnungseigentümergemeinschaft hält.
Beide Aspekte tragen für eine Veräußerung, die erst nach Rechtskraft der Scheidung
zwischen den Geschiedenen in die Wege geleitet wird, nicht mehr. Eine solche
Veräußerung hat ihren Schwerpunkt nicht in der persönlichen Beziehung, sondern
gerade darin, das Wohnungseigentum wirtschaftlich zu verwerten; sie unterscheidet sich
hinsichtlich der zu schützenden Interessen der Gemeinschaft damit nicht von der
Veräußerung an einen Dritten.
Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 131 Abs. 4, 30 Abs. 2 KostO.
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