Urteil des FG Münster vom 22.01.2008

FG Münster: belastung, veranlagung, einkünfte, einheit, aufteilung, begünstigung, entlastung, zusammenleben, gleichbehandlung, institutsgarantie

Finanzgericht Münster, 15 K 3341/06 E
Datum:
22.01.2008
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
15. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
15 K 3341/06 E
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
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Streitig ist, wie die zumutbare Belastung bei Aufwendungen nach § 33 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) bei getrennter Veranlagung von Ehegatten nach § 26
a Abs. 2 Satz 1 EStG zu ermitteln ist.
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Die kinderlos verheiratete Klägerin (Klin.) erzielte im Streitjahr 2005 Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit. Bei der auf ihren Antrag in Form einer getrennten
Veranlagung nach § 26 a EStG mit Bescheid vom 21.04.2006 durchgeführten
Einkommensteuer(ESt)-Veranlagung 2005 erkannte das beklagte Finanzamt (FA) zwar
antragsgemäß der Klin. erwachsene Krankheitskosten von 3.890 € als Aufwendungen
nach § 33 EStG an. Es kürzte diesen Betrag aber um eine zumutbare Belastung, indem
es den gemeinsamen Gesamtbetrag der Einkünfte der getrennt veranlagten Eheleute
von 50.968 €, von dem 26.168 € auf die Klin. und 24.800 € auf ihren Ehemann entfielen,
der Berechnung zugrunde legte und davon 5 vom Hundert, nämlich 2.548 €, als
zumutbare Belastung von den Aufwendungen abzog und den verbleibenden Betrag von
1.342 € in voller Höhe bei der Klin. als außergewöhnliche Belastung anerkannte.
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Auf den von der Klin. eingelegten Einspruch, mit dem sie u.a. begehrte, dass bei der
Berechnung der zumutbaren Belastung allein ihr Gesamtbetrag der Einkünfte von
26.168 € zugrunde gelegt werde, hin setzte das FA in der Einspruchsentscheidung (EE)
vom 20.07.2006 die ESt 2005 zu Gunsten der Klin. anderweitig fest, hielt aber im
Streitpunkt an der bisherigen Veranlagung fest.
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Hiergegen richtet sich die Klage. Die Klin. begehrt im Streitpunkt eine
erklärungsgemäße Veranlagung mit folgender Begründung: Die Handhabung des FA
widerspreche dem Grundsatz der getrennten Veranlagung. Bei der Ermittlung der
Bemessungsgrundlage für die zumutbare Belastung dürfe nur der Gesamtbetrag der
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Einkünfte der Klin. berücksichtigt werden. Zwischen ihr und ihrem Ehemann werde in
allen Lebensbereichen eine strikte Eigenständigkeit der finanziellen Belange praktiziert.
Aus diesem Grunde sei auch der Antrag auf getrennte Veranlagung gestellt worden. Die
Handhabung des FA bestrafe sie in wirtschaftlicher Hinsicht dafür, dass sie geheiratet
habe. Aufgrund der Eheschließung stehe sie im Streitpunkt steuerlich schlechter dar als
zuvor. Die angewandte Vorschrift des § 26 a Abs. 2 Satz 1 EStG verletze den
Schutzbereich des Art. 6 des Grundgesetzes (GG). Diese Institutsgarantie schütze die
Lebensgemeinschaft verschiedener Menschen. Entscheidend sei aber in diesem
Zusammenhang, dass ein Zusammenleben im Rahmen einer kinderlosen Ehe nicht
mehr auf der Grundlage beruhe, die der Entscheidung des BVerfG vom 25.01.1992 1
BvL 30/69 zugrunde liege. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Klägerin
wird auf ihre Schriftsätze vom 27.08.2006 und vom 18.11.2006 verwiesen.
Die Klin. beantragt,
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die ESt-Festsetzung 2005 vom 21.04.2006 in der Fassung der EE
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vom 20.07.2006 dahingehend zu ändern, dass bei der Berechnung
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der zumutbaren Belastung im Sinne des § 33 EStG nur der Gesamt-
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betrag ihrer Einkünfte berücksichtigt wird,
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hilfsweise, die Revision zuzulassen.
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Das FA beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung nimmt es auf seine Ausführungen in der EE vom 20.07.2006 Bezug.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist nicht begründet.
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Der ESt-Bescheid 2005 vom 21.04.2006 in der Fassung der EE vom 20.07.2006 ist
rechtmäßig und verletzt die Klin. nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der
Finanzgerichtsordnung (FGO). Das FA hat die zumutbare Belastung der Klin. im
Rahmen der nach § 33 EStG abzugsfähigen außergewöhnlichen Belastung zutreffend
ermittelt.
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Nach § 33 Abs. 1 EStG kann die ESt ermäßigt werden, wenn einem Steuerpflichtigen
zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der
Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie gleichen
Familienstandes erwachsen. Abgezogen vom Gesamtbetrag der Einkünfte wird der Teil
der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung übersteigt.
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Im Rahmen einer – wie im Streitfall auf Antrag der Klin. – durchgeführten getrennten
Veranlagung gemäß §§ 26, 26 a EStG ist die zumutbare Belastung gemäß § 33 Abs. 3
Nr. 1 EStG in Verbindung mit § 26 a Abs. 2 Satz 1 EStG zu ermitteln. Nach § 26 a Abs. 2
Satz 1 EStG werden außergewöhnliche Belastungen gleichermaßen wie bei einer
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Zusammenveranlagung ermittelt und anschließend – und zwar unabhängig davon, in
wessen Person sie entstanden sind – grundsätzlich je zur Hälfte bei beiden Ehegatten
berücksichtigt, sofern diese nicht gemeinsam eine andere Aufteilung beantragen (vgl.
dazu BFH Urteil vom 21.07.1993 X R 24/91, in BFH/NV 1994, 229). Denn die Ehegatten
werden für die Berechnung der zumutbaren Belastung trotz getrennter Veranlagung als
Einheit behandelt, so dass es nicht darauf ankommt, wer die Aufwendungen verursacht
oder getragen hat. Dementsprechend hat das FA im Streitfall die zumutbare Belastung
zutreffend ermittelt.
Die Regelung des § 26 a Abs. 2 Satz 1 EStG begegnet entgegen der Auffassung der
Klin. keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Aufwendungen nach § 33 EStG sind
grundsätzlich Aufwendungen der Lebensführung, die aus besonderen Gründen zum
Steuerabzug zugelassen werden. Da Kosten dieser Art regelmäßig von den Eheleuten
aus gemeinsamer Kasse getragen werden und eine klare Aufteilung der Kosten im
Allgemeinen ohne ein unerwünschtes Eindringen in die privaten Lebensverhältnisse
kaum möglich wäre, ist die streitige Regelung sachlich gerechtfertigt. Die Vorschrift stellt
in vielen Fällen eine klare Begünstigung für Eheleute dar. Im Übrigen ist nach der
Rechtsprechung des BVerfG für Ehegatten eine gesetzliche Benachteiligung gegenüber
Ledigen dann hinzunehmen, wenn die allgemeine Tendenz des Gesetzes – wie im
Streitfall – auf Gleichbehandlung ausgeht und die Ehegatten teilweise begünstigt bzw.
benachteiligt werden und wenn sich die gesetzliche Regelung vorteilhaft oder
zumindest "eheneutral" auswirkt (vgl. BVerfG Beschluss vom 25.01.1972 1 BvL 30/69, in
BVerfGE 32, 260 = BStBl II 1972, 325). Art. 6 Abs. 1 GG gebietet nicht, dass Ehegatten
einkommensteuerrechtlich in jeder Hinsicht wie fremde Einzelpersonen behandelt
werden müssen. Letztlich soll die Behandlung von getrennt veranlagten Eheleuten für
die Berechnung der außergewöhnlichen Belastung als steuerlicher Einheit auch
verhindern, dass diese durch eine geschickte Verteilung der Aufwendungen im Sinne
des § 33 EStG eine höhere steuerliche Entlastung erzielen können als
zusammenveranlagte Ehegatten (vgl. FG München Urteil vom 08.11.2006 9 K 3675/04,
in EFG 2007, 1776, Revision dagegen vom BFH durch Beschluss vom 19.03.2007 III B
191/06 zugelassen, Aktenzeichen des Revisionsverfahrens III R 18/07).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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Die Revision war nach § 115 Abs. 2 FGO im Hinblick auf das beim BFH anhängige
Revisionsverfahren III R 18/07 zum Urteil des FG München vom 08.11.2006 9 K 3675/04
(in EFG 2007, 1776) zuzulassen.
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