Urteil des FG Münster vom 28.08.2003

FG Münster (Unechte Rückwirkung, Erwerb Von Grundstücken, Einkünfte, Steuerpflicht, Eigentumswohnung, Gebäude, Datum, Anteil, Anschaffungskosten, Zukunft)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Münster, 11 K 6243/01 E
28.08.2003
Finanzgericht Münster
11. Senat
Urteil
11 K 6243/01 E
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e :
Streitig ist, ob bei den sonstigen Einkünften gemäß § 22 Nr. 2 Einkommensteuergesetz
(EStG) i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes
(StEntlG) 1999/2000/2002 vom 24.03.1999 (Bundesgesetzblatt - BGBl. I 1999, 402) ein
Gewinn aus der Veräußerung eines innerhalb der letzten 10 Jahre angeschafften
Grundstücks zu berücksichtigen ist, soweit er auf den nicht zu eigenen Wohnzwecken
genutzten Teil entfällt.
Die Kläger (Kl.) werden als Eheleute zur Einkommensteuer (ESt) zusammen veranlagt.
Beide erzielten im Streitjahr 1999 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die Klägerin
(Klin.) darüber hinaus Einkünfte aus selbständiger Arbeit in negativer Höhe.
Abweichend von den Angaben in der ESt-Erklärung berücksichtigte das Finanzamt (FA)
bei der Festsetzung der ESt des Streitjahres als sonstige Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 2 EStG
i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG einen Gewinn aus einem privaten
Veräußerungsgeschäft bei jedem der Kl. i.H.v. 1.551 DM bzw. 1.552 DM. Dem lag
folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Kl. hatten mit notariellem Vertag vom 28.02.1992 jeweils hälftig zu Miteigentum eine
Eigentumswohnung in C., B.-Straße 01, zu eigenen Wohnzwecken erworben. Die
Anschaffungskosten (AK) hatten einschließlich der Nebenkosten und nachträglicher AK
insgesamt 305.129 DM betragen. Im Streitjahr veräußerten sie die Wohnung mit notariellem
Vertrag vom 10.03.1999 - URNr. 101/99 des Notars S. mit Amtssitz in C. - zum Preis von
340.000 DM. Daraus errechnete sich ein Überschuss von 34.871 DM. In dem Objekt hatte
sich ein Raum befunden, der von der Klin. als Arbeitszimmer genutzt worden war. Auf ihn
entfiel ein Anteil von 8,9 v.H. der maßgeblichen Fläche. Den Überschuss i.H.v. 34.871 DM
erfasste das FA, soweit er das Arbeitszimmer mit 8,9 v.H. betraf (= 3.103 DM), als sonstige
Einkünfte gem. § 22 Nr. 2 EStG i.V.m. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG. Diesen Betrag rechnete
es jedem der Kl. als Gewinn hälftig zu.
Nach insoweit erfolglosem Einspruchsverfahren haben die Kl. Klage erhoben. Sie halten
die Berücksichtigung des Veräußerungsgewinns für rechtswidrig. Zwar sei nach der ab
1999 gültigen Neuregelung des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG ein solcher Gewinn zu
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erfassen, wenn das maßgebliche Objekt innerhalb von 10 Jahren nach der Anschaffung
veräußert worden sei. Mit einer steuerlichen Erfassung hätten sie aber nicht rechnen
können. Sie hätten schon im Februar des Vorjahres 1998 die Entscheidung getroffen, die
Eigentumswohnung B.-Straße zu veräußern. Im März 1998 hätten sie daher ein neues
Hausgrundstück erworben. Soweit die Veräußerung tatsächlich erst am 10.03.1999 erfolgt
sei, habe dies mit den Zufälligkeiten des Immobilienmarktes zusammengehangen.
In ihrem Fall sei zusätzlich zu beachten, dass der Veräußerungsvertrag bereits am
10.03.1999 abgeschlossen worden sei. Das Gesetz trage das spätere Datum 24.03.1999.
Außerdem komme es, da es sich um ein zustimmungspflichtiges Gesetz gehandelt habe,
auf den entsprechenden Beschluss des Bundesrates an. Dieser sei erst in der Sitzung vom
19.03.1999, d.h. nach Vertragsschluss, erfolgt. Damit sei ihr Vertrauen auf den Fortbestand
der bisherigen Rechtslage schutzwürdig.
Schließlich habe es zumindest in den Fällen, in denen die ursprüngliche 2-Jahres-Frist
schon länger überschritten gewesen sei, einer Übergangsregelung bedurft. In dem
Zeitpunkt, als sie, die Kl., die Eigentumswohnung veräußert hätten, sei die ursprünglich im
Gesetz angeordnete Spekulationsfrist von 2 Jahren schon um mehr als 4 Jahre
überschritten gewesen. Die Gesetzesbestimmung des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG in der
Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 sei damit in ihrem Fall wegen
Verfassungswidrigkeit nicht anzuwenden.
Die Kl. beantragen,
das Ruhen des Verfahrens anzuordnen.
In der Sache beantragen sie,
unter Abänderung des ESt-Bescheids vom 07.02.2001 und Aufhebung der
Einspruchsentscheidung (EE) vom 16.10.2001 bei der Festsetzung der ESt des Streitjahres
1999 einen Veräußerungsgewinn i.H.v. 3.103 DM unberücksichtigt zu lassen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Unter Hinweis auf die Ausführungen in der EE macht es geltend, dass der
Gesetzesbeschluss über die Neuregelung bereits am 04.03.1999 im Deutschen Bundestag
und damit vor Abschluss des notariellen Kaufvertrages gefasst worden sei. Die Kl. hätten
daher schon zu diesem Zeitpunkt mit dem Inkrafttreten einer Neuregelung rechnen müssen.
Darauf, wann ein Gesetz später ausgefertigt oder verkündet werde, komme es nicht an.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze der
Beteiligten und die FA-Akten verwiesen.
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung, §
90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die Klage ist unbegründet.
Ein Ruhen des Verfahrens oder eine Aussetzung des Verfahrens kommen nicht in Betracht.
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Nach § 155 FGO i.V.m. § 251 Zivilprozessordnung (ZPO) hat das Gericht das Ruhen des
Verfahrens anzuordnen, wenn beide Parteien dies beantragen und anzunehmen ist, dass
wegen Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus sonstigen wichtigen Gründen
diese Anordnung zweckmäßig ist. Im Streitfall haben lediglich die Kl. das Ruhen des
Verfahrens beantragt. Das FA als beklagte Partei hat sich aber mit dem Ruhen nicht
einverstanden erklärt.
Das Verfahren ist auch nicht gemäß § 74 FGO von der Entscheidung auszusetzen, bis eine
höchstrichterliche Entscheidung in der Sache ergangen ist.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist nach dieser Vorschrift ein
Klageverfahren auszusetzen, wenn vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ein nicht
als aussichtslos erscheinendes Musterverfahren gegen eine im Streitfall anzuwendende
Norm anhängig ist, den Finanzgerichten zahlreiche Parallelverfahren (Massenverfahren)
vorliegen und keiner der Beteiligten des Klageverfahrens ein besonderes berechtigtes
Interesse an einer Entscheidung des Finanzgerichts über die Verfassungsmäßigkeit der
umstrittenen Regelung hat (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BFH-Beschluss vom
27.11.1992, III B 133/91, BStBl. II 1993, 240 m.w.N.).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Beim BVerfG ist zwar aufgrund des Beschlusses des Finanzgerichts Köln vom 25.07.2002,
13 K 460/01 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2002, 1236) ein Verfahren unter
dem Az. 2 BvL 14/02 anhängig, das die Verfassungsmäßigkeit der auch im Streitfall
anzuwendenden Norm des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG in der Fassung des StEntlG
1999/2000/2002 betrifft. Eine Klärung der verfassungsrechtlichen Fragen in jenem
Verfahren hat aber möglicherweise auf das vorliegende Verfahren keine Auswirkung. Denn
in jenem Verfahren geht es - eingeschränkt - um solche privaten Veräußerungsgeschäfte,
die - abgesehen von weiteren Voraussetzungen - auf einem vor dem Beschluss des
StEntlG 1999/2000/2002 durch den Deutschen Bundestag am 04. März 1999
abgeschlossenen obligatorischen Vertrag beruhen. Im Streitfall ist dagegen der die
Steuerpflicht auslösende obligatorische Vertrag erst am 10.03.1999 abgeschlossen
worden. Dieser Zeitpunkt liegt nach dem 04. März 1999. Es erscheint nicht von vornherein
ausgeschlossen, dass beide Fallgruppen unterschiedlich zu beurteilen sind.
Darüber hinaus ist dem Senat nicht bekannt, dass hinsichtlich der im Streitfall
anzuwendenden Gesetzesbestimmung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG in der Fassung
des StEntlG 1999/2000/2002 den Finanzgerichten zahlreiche Parallelverfahren
(Massenverfahren) vorliegen.
Bei der ESt-Festsetzung des Streitjahres 1999 hat das FA zu Recht sonstige Einkünfte aus
privaten Veräußerungsgeschäften i.H.v. 3.103 DM berücksichtigt und diese jeweils hälftig
jedem der Kl. zugerechnet.
Gem. § 22 Nr. 2 EStG sind sonstige Einkünfte auch Einkünfte aus privaten
Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 EStG. Solche Geschäfte sind nach Nr. 1 des § 23 Abs.
1 EStG in der Fassung des StEntlG 1999/2000/2002 Veräußerungsgeschäfte bei
Grundstücken und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über
Grundstücke unterliegen, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung
nicht mehr als 10 Jahre beträgt. Gebäude und Außenanlagen sind einzubeziehen, soweit
sie innerhalb dieses Zeitraums errichtet, ausgebaut oder erweitert werden; dies gilt
entsprechend für Gebäudeteile, die selbständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind,
sowie für Eigentumswohnungen und im Teileigentum stehende Räume. Ausgenommen
sind Wirtschaftsgüter, die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und
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Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken oder im Jahr der Veräußerung und
in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden. Nach
Abs. 3 S. 1 des § 23 EStG ist Gewinn der Unterschied zwischen Veräußerungspreis
einerseits und den Anschaffungs- oder Herstellungskosten und den Werbungskosten
andererseits.
Die Eigentumswohnung in C., B.-Straße, wurde zwar zu 91,1 v.H. für eigene Wohnzwecke
der Kl. genutzt. Zu diesem Teil kann der Besteuerungstatbestand der §§ 22 Nr. 3, 23 Abs. 1
Nr. 1 EStG nicht eingreifen. Denn insofern wurde ein Wirtschaftsgut veräußert, das vorher
in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit eigenen
Wohnzwecken gestanden hatte.
Nicht für Wohnzwecke genutzt wurde aber ein Anteil von 8,9 v.H. der maßgeblichen
Fläche. Zu diesem Teil nämlich wurde die Eigentumswohnung als Arbeitszimmer genutzt.
Nach dem Wortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG wird in dieser Hinsicht das die
Wohnung betreffende Veräußerungsgeschäft von der Steuerpflicht erfasst. Die Befreiung
nach Satz 3 des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist nur für Wirtschaftsgüter angeordnet, die
zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden. Im Streitfall geht es aber um einen Raum, der
als Arbeitszimmer genutzt worden war. Er hatte gerade nicht Wohnzwecken gedient.
Offenbleiben kann, ob es sich bei dem als Arbeitzimmer genutzten Bereich um ein
selbständiges Wirtschaftsgut gehandelt hat. Bei einem Gebäude kann nur insoweit ein
eigenes Wirtschaftsgut angenommen werden, als es in einem einheitlichen Nutzungs- und
Funktionszusammenhang entweder mit eigenen Wohnzwecken oder mit fremden
Wohnzwecken oder mit eigenbetrieblichen Zwecken oder mit fremdbetrieblichen Zwecken
steht (vgl. R 13 Abs. 4 zu § 4 EStG Einkommensteuerrichtlinien 2001 - EStR 2001 -). Diese
Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn - wie vorliegend - ein Arbeitszimmer im Rahmen
der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit genutzt wird. Auch wenn es sich insoweit nicht
um ein eigenständiges Wirtschaftsgut handelt, erscheint dies für die Erfüllung des
Besteuerungstatbestands aber nicht schädlich. Denn der Wortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 EStG spricht lediglich von "Veräußerungsgeschäften bei Grundstücken" und in Satz 2
der Nr. 1 davon, dass u.a. Gebäude einzubeziehen sind, sowie dass dies entsprechend
auch für Eigentumswohnungen gilt, um die es vorliegend geht. Ein solches
Veräußerungsgeschäft hat aber im Streitfall den Arbeitszimmerbereich mitumfasst.
Mit der Auffassung, dass Arbeitszimmer im Rahmen eines Veräußerungsgeschäfts i.S.d. §
23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu berücksichtigen sind, befindet sich der Senat in
Übereinstimmung mit dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF-
Schreiben - vom 05.10.2000, IV C 3 - S 2256 - 263/00 (BStBl. I 2000, 1383), unter Rdnr. 21;
sowie mit Teilen der Literatur (Anmerkungen Risthaus zum BMF-Schreiben in Beilage Nr.
13/2000 zu Der Betrieb - DB - Heft Nr. 47 vom 24.11.2000; Jansen in Herrmann-Heuer-
Raupach § 23 EStG Anm. 130; sowie Fischer in Kirchhof EStG § 23 Rn. 6; a.A. Jacobs-
Soyka in Littmann/Bitz/Meincke § 23 EStG Rn. 39).
Der auf den Arbeitszimmerbereich entfallende Veräußerungsgewinn hat 3.103 DM
betragen (8,9 v.H. des Unterschieds der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten und
Werbungskosten einerseits und Veräußerungspreis andererseits in der Höhe von
insgesamt 34.871 DM). Das ist unter den Beteiligten nicht streitig.
Dieser Gewinn war auch im Streitjahr 1999 zu erfassen. Denn gem. § 52 Abs. 39 S. 1 EStG
ist § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 in der Fassung des StEntlG 1999/2000/2002 auf
Veräußerungsgeschäfte anzuwenden, bei denen die Veräußerung auf einem nach dem 31.
Dezember 1998 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrag oder
gleichstehenden Rechtsakt beruht. Das ist vorliegend der Fall. Die Veräußerung beruhte
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auf dem notariellen Vertrag vom 10.03.1999. Soweit die Kl. darauf verweisen, dass sie
bereits im Februar des Vorjahres 1998 den Entschluss gefasst hätten, das Grundstück zu
veräußern, kommt diesem Zeitpunkt für die steuerliche Erfassung des
Veräußerungsgeschäfts keine Bedeutung zu.
Gesichtspunkte eines aus dem Rechtsstaatprinzip folgenden Vertrauensschutzes sind im
Streitfall nicht berührt.
Der Gesetzgeber ist grundsätzlich berechtigt, für einen bestimmten Tatbestand eine
Steuerpflicht neu einzuführen. Das gilt auch für den Fall, dass ein Besteuerungstatbestand,
der nach der bisherigen Regelung wegen Fristablauf nicht mehr steuerpflichtig war, wieder
in die Steuerpflicht einbezogen wird (Urteil des Senats vom 24.01.2003, 11 K 6863/01 E,
EFG 2003, 714). Diese letztgenannte Konstellation liegt im Streitfall vor. Denn nach der bis
zum Jahr 1998 gültigen Gesetzesfassung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 a EStG wurde eine
Steuerpflicht nur ausgelöst, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung
bei Grundstücken bzw. grundstücksgleichen Rechten nicht mehr als zwei Jahre betrug.
Vorliegend war das Grundstück bereits im Jahr 1992 angeschafft worden. Lediglich wegen
der Verlängerung dieses Zeitraums auf 10 Jahre führt der Veräußerungsvorgang
vorliegend wieder zur Steuerpflicht.
Soweit für diese Fallkonstellation die Rechtsauffassung vertreten wird, dass solche
Grundstücke schon dann nicht mehr von einer Steuerpflicht erfasst werden können, wenn
seit der Anschaffung mehr als 2 Jahre abgelaufen waren, weil sie ab diesem Zeitpunkt
nicht mehr "steuerverstrickt" waren (vgl. u. a. BFH-Beschluss vom 05.03.2001, IX B 90/00,
BStBl. II 2001, 405, Birk/Kulosa, Finanzrundschau - FR - 1999, 433, 436), vermag ihr der
Senat nicht zu folgen. Die Sichtweise der "Verstrickung" ist den Grundsätzen des
Betriebsvermögensvergleichs entnommen. Sie kann von dort nicht auf die Ermittlung der
Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften (Spekulationsgewinnen) übertragen
werden (vgl. Beschluss des Finanzgerichts Köln vom 25.07.2002, 13 K 460/01, a.a.O.
sowie Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 27.08.2002, 2 K 244/01, EFG
2002, 1614). Bei den Gewinneinkünften werden zum Betriebsvermögen erworbene
Wirtschaftsgüter, insbesondere Grundstücke, insoweit einkommensteuerrechtlich
"verstrickt", als sich Wertsteigerungen aufgrund einer späteren Veräußerung oder
Entnahme gewinnerhöhend auswirken. Diese Wirtschaftsgüter sind buchmäßig von Anfang
an mit ihren Anschaffungskosten zu erfassen und sind dadurch einkommensteuerrechtlich
"verstrickt". Eine solche vergleichbare Erfassung von Wertsteigerungen fehlt beim Erwerb
von Grundstücken zum Privatvermögen. Die Anschaffung eines Grundstücks im
Privatbereich berührt für sich allein noch keine einkommensteuerrechtliche Vorschrift und
ist auch nicht buchmäßig oder in anderer Weise durch Aufzeichnungen zu erfassen. Wird
das Grundstück nicht veräußert, spielt eine "Verstrickung" keine Rolle.
Die Erfassung des Gewinns aus der am 10.03.1999 erfolgten Veräußerung verstößt auch
nicht gegen das Rückwirkungsverbot.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist zu unterscheiden
zwischen echter oder unechter Rückwirkung (1. Senat - vgl. u.a. Beschluss des BVerfG
vom 13.05.1986, 1 BvR 99, 461/85, BVerfGE 72, 175, 196) bzw. zwischen der
Rückbewirkung von Rechtsfolgen und der tatbestandlichen Rückanknüpfung (2. Senat -
vgl. u.a. Beschluss des BVerfG vom 03.12.1997, 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67). Eine
echte Rückwirkung bzw. Rückbewirkung von Rechtsfolgen liegt dann vor, wenn das
Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende
Tatbestände eingreift. Eine solche Rückwirkung ist grundsätzlich nicht zulässig. Dagegen
ist eine unechte Rückwirkung bzw. tatbestandliche Rückanknüpfung anzunehmen, wenn
sie auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen
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für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die Rechtsposition nachträglich im ganzen
entwertet. Eine derartige unechte Rückwirkung bzw. tatbestandliche Rückanknüpfung ist
grundsätzlich zulässig. Allerdings gilt die Einschränkung, dass zwischen dem Vertrauen
des Bürgers auf den Fortbestand der bisherigen Regelung und dem gesetzgeberischen
Anliegen für das Gemeinwohl abzuwägen ist (vgl. Beschlüsse des BVerfG vom 13.05.1986,
1 BvR 99, 461/85 a.a.O. vom 03.12.1997, 2 BvR 882/97, a.a.O., sowie BFH-Urteil vom
02.09.1992, XI R 31/91, BStBl. II 1993, 151).
Im Streitfall gelten die Grundsätze hinsichtlich einer unechten Rückwirkung bzw.
tatbestandlichen Rückanknüpfung i.S. dieser Rechtsprechung. Mit der Gesetzesänderung
wurde nämlich auf einen zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt für
die Zukunft eingewirkt. Die ESt entsteht gemäß § 36 Abs.1 EStG mit Ablauf des
Veranlagungszeitraums. Das bedeutet, dass sie als Jahressteuer (§ 2 Abs. 7 Satz 1 und 2
EStG) für das Streitjahr 1999 erst mit Ablauf des 31.12.1999 entstanden ist. Der Tatbestand
des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 EStG in der Fassung des StEntlG 1998/2000/2001 ist
dagegen nach dem wirkungsbeginn dieses Gesetzes und vor Entstehen der ESt 1999
verwirklicht worden. Denn das letztlich die Besteuerung auslösende Tatbestandsmerkmal
der Veräußerung wurde noch während dieses Jahres am 10.03.1999 verwirklicht. Die vor
diesem Zeitpunkt - innerhalb des 10-Jahres-Zeitraums - liegende Anschaffung gehört zwar
auch zum gesetzlichen Tatbestand. Sie ist jedoch nur Beginn der Verwirklichung des
steuerlich erheblichen Tatbestands, die sich über den längeren Zeitraum von der
Anschaffung bis zur Veräußerung erstreckt hat. Von einer unechten Rückwirkung gehen
auch der Beschluss des Finanzgerichts Köln vom 25.07.2002, 13 K 460/01, (a.a.O.) sowie
das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 27.08.2002, 2 K 244/01, (a.a.O.)
aus.
Bei einer Abwägung des schutzwürdigen Vertrauens der Kl. in den Fortbestand ihrer
bisherigen Rechtsposition mit dem Anliegen des Gesetzgebers für das Gemeinwohl
erscheint im Streitfall die Vertrauensposition der Kl. nicht schutzwürdig. Denn am
10.03.1999 war mit der später Gesetzeskraft erlangten Neuregelung zu rechnen.
Das StEntlG 1999/2000/2002 trägt zwar das Datum 24.03.1999. Es ist auch erst am
31.03.1999 verkündet worden. Richtig ist auch, dass der Bundesrat erst in der Sitzung vom
19.03.1999 dem Gesetzesvorhaben zugestimmt hat (vgl. die Nachweise bei Werneckes,
Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - 1999, 479). Auf diese Zeitpunkte kommt es aber nicht an.
Maßgeblicher Zeitpunkt für einen Vertrauensschutz ist derjenige, zu dem ein
Gesetzesvorhaben im Deutschen Bundestag förmlich beschlossen worden ist (vgl. u.a.
Beschüsse des BVerfG vom 12.06.1971, 2 BvL 6/70, BVerfGE 31, 222, 227, und vom
03.12.1997, 2 BvR 882/97, a.a.O., S. 79). Denn im Zeitpunkt des endgültigen
Gesetzesbeschlusses über eine Neuregelung entfällt in der Regel das schutzwürdige
Vertrauen in den Fortbestand der bisherigen Rechtsfolgenlage. Mit dem Tag des
Gesetzesbeschlusses müssen die davon Betroffenen mit der Verkündung und dem
Inkrafttreten der Neuregelung rechnen. Es ist ihnen von diesem Zeitpunkt an zuzumuten, ihr
Verhalten auf die beschlossene Gesetzeslage einzurichten (vgl. auch Urteil des Senats
vom 24.01.2003, 11 K 6863/01 E, a.a.O., sowie von Bornhaupt, Betriebsberater 2003, 125).
Förmlich beschlossen wurde aber das StEntlG 1999/2000/2002 bereits am 04.03.1999.
Dieser Zeitpunkt lag vor dem 10.03.1999..
Ist hiernach das Vertrauen der Kl. in den Fortbestand der bisherigen Rechtslage nicht
schutzwürdig, bedarf es im vorliegenden Fall auch keiner Übergangsregelung. Ob eine
solche verfassungsrechtlich geboten ist, wenn der Veräußerungsvorgang vor dem
04.03.1999 gelegen hat, kann dahingestellt bleiben. Eine derartige
Sachverhaltskonstellation liegt im Streitfall nicht vor.
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Dieser Rechtsauffassung steht die des Finanzgerichts Köln im Beschluss vom 25.07.2002
13 K 460/01 (a.a.O.) nicht entgegen. Denn in jenem Fall hatte die Veräußerung bereits am
26.02.1999 stattgefunden, d.h. vor dem 04.03.1999.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision ist gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.