Urteil des FG Münster vom 07.12.2010

FG Münster (gesellschaft mit beschränkter haftung, öffentliches recht, auskunft, nicht beteiligter dritter, steuersatz, verhältnis zu, verbindung, transport, beförderung, antragsteller)

Finanzgericht Münster, 15 K 3614/07 U
Datum:
07.12.2010
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
15. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
15 K 3614/07 U
Tenor:
Unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 02.01.2007 und der
Ein-spruchsentscheidung vom 26.07.2007 wird der Beklagte verurteilt,
der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, mit welchem Steuersatz der
Beklagte die vom Beigeladenen mit dem Transport von Blutkonserven,
von Blutproben, von Organen und der Beförderung von Ärzteteams in
den Jahren 2004 und 2005 erzielten Umsätze umsatzbesteuert hat.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht
erstattungsfähig.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig
vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des
Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, soweit nicht die
Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
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Streitig ist, ob das beklagte Finanzamt (FA) verpflichtet ist, der Klägerin (Klin.) als
Konkurrentin des beigeladenen X Regionalverband C e.V. (X) Auskunft darüber zu
erteilen, mit welchem Steuersatz (Regelsteuersatz oder ermäßigtem Steuersatz) es die
vom X mit dem Transport von Blutkonserven, von Blutproben, von Organen und der
Beförderung von Ärzteteams in 2004 und 2005 erzielten Umsätze umsatzbesteuert hat.
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Die als Gesellschaft mit beschränkter Haftung organisierte Klin. betreibt gewerbsmäßig
u.a. den Transport von Blutkonserven, Blutproben, Organen und die Beförderung von
Ärzteteams. Der durch Beschluss vom 29.07.2010 zum Verfahren beigeladene X ist ein
eingetragener Verein, der laut § 3 Abs. 1 seiner Satzung (Fassung vom 16.12.2004)
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ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige und mildtätige Zwecke im Sinne des
Abschnittes "Steuerbegünstigte Zwecke" der Abgabenordnung (AO) verfolgt, selbstlos
tätig ist und nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt. Wegen der
weiteren Einzelheiten verweist der Senat auf die zur Gerichtsakte gereichte Satzung des
X. In 2004 und 2005 erbrachte der X ebenfalls Transport- bzw. Beförderungsleistungen
der von der Klin. ausgeführten Art und wies zumindest teilweise in seinen über diese
Leistungen ausgestellten Rechnungen den ermäßigten Umsatzsteuer(USt)-Satz aus.
Die Transportumsätze der Klin. in P-M betrugen in 2004 und 2005 jährlich mindestens
285.000 €. Die Transportumsätze des X lagen laut Klin. in 2004 und 2005 zwischen
mindestens einem Drittel und möglicherweise bis zur Hälfte ihres Jahresnettoumsatzes.
Der von allen Anbietern mit dem Transport von Blutkonserven, Blutproben, Organen und
der Beförderung von Ärzteteams im Raum C erzielte Nettogesamtumsatz betrug laut
Klin. in 2004 und 2005 jährlich etwa 380.000 €. Weil die Klin. davon ausging, dass der X
seine Transportleistungen nicht - wie zumindest teilweise geschehen - mit dem
ermäßigten USt-Satz abrechnen und auch nicht mit dem ermäßigten USt-Satz
versteuern durfte, beantragte sie am 15.12.2006 beim FA die Übersendung der dem X
für 2004 und 2005 erteilten USt-Bescheide mit folgender Begründung: Die Besteuerung
der Transporte des X mit dem ermäßigten USt-Satz setze nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 a Satz
1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) voraus, dass der X mit seiner Leistung zu nicht
begünstigten Betrieben derselben oder ähnlichen Art nicht in größerem Umfang in
Wettbewerb treten dürfe, als dies bei Erfüllung der steuerbegünstigen Zwecke des X
unvermeidbar sei. Diese Voraussetzung sei wahrscheinlich nicht erfüllt und vermutlich
besteuere das FA den X zu niedrig. Falls die zu niedrige Besteuerung der
Transportumsätze des X zu einer Wettbewerbsverzerrung im Sinne der Richtlinie
77/388/EWG führe, müssten die Transportumsätze des X mit dem Regelsteuersatz
besteuert werden. Nach Erhalt der begehrten Unterlagen beabsichtige sie, die Klin.,
eine Konkurrentenklage zu erheben.
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Den Antrag vom 15.12.2006 lehnte das FA mit Bescheid vom 02.01.2007, dem keine
Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war, unter Hinweis auf das von ihm zu wahrende
Steuergeheimis ab. Eine Offenbarung der steuerlichen Verhältnisse des X sei nur
zulässig, wenn es sich um ein Verfahren in Steuersachen handele. Die von der Klin.
angekündigte Konkurrentenklage stelle selbst dann nicht ein solches Verfahren dar,
wenn im Rahmen der Konkurrentenklage die ust-rechtliche Behandlung der Umsätze
des X durch das FA entscheidungsrelevant sein sollte. Das mit Schriftsatz vom
21.06.2007 wiederholte Ansinnen des damaligen Bevollmächtigten der Klin. aus dem
Schriftsatz vom 09.01.2007, das Schreiben vom 02.01.2007 mit einer
Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen, da sonst der Klin. die Möglichkeit genommen
werde, ein Rechtsmittel einzulegen, sah das FA als Einspruch gegen seinen Bescheid
vom 02.01.2007 an, den es mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 26.07.2007 als
unbegründet zurückwies: Zu Recht habe es unter Berufung auf das Steuergeheimnis die
Offenbarung der steuerlichen Daten des X abgelehnt. Einem Steuerpflichtigen stehe nur
dann ein Auskunftsanspruch zu der Besteuerung eines Konkurrenten zu, wenn der
Antragsteller substantiiert und glaubhaft darlege, durch eine aufgrund von Tatsachen zu
vermutende oder zumindest nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit
auszuschließende unzutreffende Besteuerung eines Konkurrenten konkret feststellbare
Wettbewerbsnachteile zu erleiden. Ein Auskunftsanspruch bestehe nur dann, wenn der
Antragsteller gegenüber der Steuerbehörde mit Aussicht auf Erfolg ein subjektives
öffentliches Recht auf steuerlichen Drittschutz geltend machen könne. Dem
Antragsteller obliege die Nachweispflicht, dass er in einer drittschützenden Norm
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verletzt worden sei. Zwar behaupte die Klin., dass eine von ihr unterstellte Besteuerung
der Transportumsätze des X mit dem ermäßigten USt-Satz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 a
Satz 1 UStG rechtswidrig sei. Selbst in Verbindung mit der Regelung des § 65 Nr. 3 AO
komme der Regelung des § 12 Abs. 2 Nr. 8 a Satz 1 UStG keine drittschützende
Wirkung zu. Beiden Vorschriften lägen keine wettbewerbsrechtlichen Überlegungen
zugrunde.
Mit der Klage verfolgt die Klin. ihr Auskunftsbegehren weiter. Lege man einen
Transportumsatz des X in P-M von jährlich mindestens 95.000 € zugrunde, so betrage
die USt-Differenz bei einer Besteuerung dieser Umsätze mit dem ermäßigten Steuersatz
im Verhältnis zu einer Besteuerung mit dem Regelsteuersatz bis einschließlich 2006
jährlich 34.200 € und ab 2007 jährlich 45.600 €. Seine Besteuerung mit dem ermäßigten
Steuersatz verschaffe dem X einen erheblichen Angebotsvorteil. Die Kunden der Klin.
und die Kunden des X seien ausnahmslos nicht vorsteuerabzugsberechtigte
Einrichtungen des Gesundheitswesens wie Krankenhäuser bzw. Blutspendedienste
sowie die Deutsche Stiftung für Organtransplantation in Q. Für die Klin. sei die
Preisdifferenz aufgrund unterschiedlicher steuerlicher Belastung der gleichen
Transportleistung vor dem Hintergrund des zukünftig noch weiter steigenden
Kostendrucks deshalb nachteilig, weil die Auftraggeber jede Ausgabe auf
Einsparpotentiale hin untersuchten. Die Blutspendedienste in T und Q belieferten
zusammengeschlossene bzw. sich zusammenschließende Krankenhäuser. Kurz- bis
mittelfristig unterhielten Krankenhäuser mit weniger als 500 Betten, d.h. rund 75 % aller
Krankenhäuser im Regierungsbezirk E, kein eigenes Labor. Der Zusammenschluss der
Krankenhäuser zu Großeinheiten an zwei oder drei Standorten generiere pro Jahr einen
zusätzlichen Transportumsatz von circa 100.000 € netto, um den sie mit dem X
konkurriere. Auch dieser Umstand belege ihren erheblichen Wettbewerbsnachteil im
Vergleich zum X, falls dessen Leistungen mit dem ermäßigten USt-Satz besteuert
würden. Die Transporte des X stellten keine zweckbe-triebliche Tätigkeit dar, weil er
seine Transportleistungen am Markt anbiete, um damit Einnahmen wie ein
Gewerbebetrieb zu erzielen. Sie, die Klin., werde durch den in der Richtlinie
77/388/EWG niedergelegten Neutralitätsgrundsatz geschützt. Gegen diesen Grundsatz
verstoße das FA mit einer unterschiedlichen Besteuerung ihres Unternehmens und des
X. Ihr stehe der Auskunftsanspruch unabhängig davon zu, ob ihr tatsächlich ein im
Wege der Konkurrentenklage zu verfolgender Anspruch auf eine bestimmte
Besteuerung des Konkurrenten zustehe.
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Die Klin. beantragt,
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unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 02.01.2007 und der
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EE vom 26.07.2007 das FA zu verurteilen, ihr Auskunft darüber zu er-
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teilen, mit welchem Steuersatz das FA die von dem Beigeladenen
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mit dem Transport von Blutkonserven, Blutproben, Organen und der
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Beförderung von Ärzteteams in den Kalenderjahren 2004 und 2005
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erzielten Umsätze besteuert hat,
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hilfsweise die Revision zuzulassen.
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Das FA beantragt,
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die Klage abzuweisen,
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hilfsweise die Revision zuzulassen.
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Zur Begründung verweist es auf die EE und trägt ergänzend vor: Im Streitfall liege keine
drittschützende Steuerrechtsnorm vor, auf die die Klin. ihr Begehren stützen könne.
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Der X hat keinen Antrag gestellt.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist zulässig und begründet.
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Ob das FA zu Recht angenommen hat, der Klin. stehe gegen den Bescheid vom
02.01.2007 der Rechtsbehelf des Einspruchs im Sinne des § 347 Abs. 1 AO zur
Verfügung, und sie habe mit den Schreiben vom 09.01.2007 und 21.06.2007 einen
solchen Einspruch eingelegt, kann dahinstehen. Die Klage, mit der sich ein
Antragsteller gegen die Abweisung seines Antrags auf Auskunftserteilung zu den
steuerlichen Verhältnissen seines Konkurrenten wendet, ist nach der Rechtsprechung
des BFH (Urteil vom 05.10.2006, VII R 24/03, BFHE 215, 32, BStBl II 2007, 243)
nämlich als allgemeine Leistungsklage im Sinne des § 40 Abs. 1 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) zu beurteilen. Verfahrensrechtliche Grundlage für die
allgemeine Leistungsklage ist das Prozessgrundrecht des Art. 19 Abs. 4 des
Grundgesetzes (GG). Eine allgemeine Leistungsklage kann ohne ein
vorausgegangenes Vorverfahren erhoben werden, § 40 in Verbindung mit § 44 FGO
(vgl. BFH-Beschluss vom 06.05.1999, XI S 1/99, BFH/NV 1999, 1602).
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Der Ablehnungsbescheid vom 02.01.2007 und die EE vom 26.07.2007 waren
aufzuheben und das FA war zu verurteilen, der Klin. darüber Auskunft zu erteilen, mit
welchem Steuersatz es die in den Kalenderjahren 2004 und 2005 von dem X mit dem
Transport von Blutkonserven, Blutproben, Organen und der Beförderung von Ärzteteams
erzielten Umsätze umsatzbesteuert hat, nachdem das FA den Antrag der Klin. auf
Auskunft über die Besteuerung der vom X in 2004 und 2005 erzielten Transportumsätze
abschlägig beschieden hat.
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Grundlage für den von der Klin. geltend gemachten Auskunftsanspruch ist nicht die AO,
weil diese einen diesbezüglichen Anspruch nicht regelt, sondern das
Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit dem Grundrecht auf Berufsfreiheit des Art. 12
Abs. 1 GG (BFH-Urteil vom 05.12.2006, VII R 24/03, a.a.O.). Danach hat ein
Steuerpflichtiger einen verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch hinsichtlich der
Besteuerung des Konkurrenten, wenn er substantiiert und glaubhaft darlegt, durch eine
aufgrund von Tatsachen zu vermutende oder zumindest nicht mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit auszuschließende unzutreffende Besteuerung eines Konkurrenten
konkret feststellbare, durch Tatsachen belegte Wettbewerbsnachteile zu erleiden und
gegen die Steuerbehörde mit Aussicht auf Erfolg ein subjektives öffentliches Recht auf
steuerlichen Drittschutz gel-tend machen zu können. Dann darf die Auskunft erteilt
werden, wenn die Konkurrentenklage nicht offensichtlich unzulässig wäre. Die
Auskunftserteilung setzt nicht die Feststellung voraus, dass dem die Auskunft
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begehrenden Antragsteller die von ihm behaupteten Rechte tatsächlich zustehen, die er
auf der Grundlage der ihm erteilten Auskunft verfolgen möchte. Diese Frage ist erst im
nachfolgenden Verfahren zu klären. § 30 Abs. 4 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 a AO verlangt
lediglich, dass die Auskunft der Durchführung eines solchen Verfahrens "dient", also
geeignet ist, in einem solchen nachfolgenden Verfahren im Rahmen einer rechtlichen
Argumentation mit Aussicht auf Erfolg verwendet zu werden. Das ist allerdings nicht der
Fall ist, wenn feststeht, dass die behaupteten Rechte dem Antragsteller unter keinem
rechtlichen Gesichtspunkt zustehen können, d.h. wenn das angestrebte
Konkurrentenschutzverfahren von vorneherein keine Aussicht auf Erfolg verspricht
(BFH-Urteil vom 05.06.2006, VII R 24/03, a.a.O.). Besteht ein Anspruch auf
Auskunftserteilung, muss der Anspruch des Konkurrenten auf Wahrung seines
Steuergeheimnisses zurücktreten. Bei der Beurteilung der Frage, ob einem
Auskunftsbegehren zu entsprechen ist, hat gemäß dem Anwendungserlass zur AO
(BMF-Schreiben vom 02.01.2008, BStBl I 2008, 26, geändert durch BMF-Schreiben vom
22.12.2009, BStBl I 2010, 9, § 30 AO Tz. 4.7.) auch die Finanzverwaltung diese
Grundsätze anzuwenden.
Nach diesen Grundsätze steht der Klin. ein Anspruch auf Erteilung der begehrten
Auskunft gegen das FA zu, weil sie die Erfüllung der Voraussetzungen schlüssig
dargelegt hat, die ihren Anspruch auf Erteilung einer Auskunft über die durchgeführte
Besteuerung der vom X in 2004 und 2005 erbrachten Transportleistungen begründen.
Laut dem durch die Rechnungsvorlagen belegten Vortrag der Klin. hat der X die
streitigen Transportleistungen zum ermäßigten Steuersatz abgerechnet; mangels
entgegenstehender Anhaltspunkte hat der X diese Leistungen gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8
a Satz 1 UStG in Verbindung mit den §§ 51 AO mit dem ermäßigten Steuersatz
versteuert. Gesichtspunkte dafür, dass das FA die Transportumsätze des X mit dem
Regelsteuersatz besteuert hat, konnten nicht festgestellt werden. Eine unter
Berücksichtigung des § 3 Abs. 1 der Satzung des X, wonach dieser ausschließlich und
unmittelbar gemeinnützige und mildtätige Zwecke im Sinne des Abschnittes
"Steuerbegünstigte Zwecke" der AO verfolgt, selbstlos tätig ist und nicht in erster Linie
eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt, durchgeführte Besteuerung der
Transportleistungen des X mit dem ermäßigten USt-Satz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 a Satz 1
UStG in Verbindung mit den §§ 51 ff AO ist möglicherweise materiell unrichtig, was der
Senat im vorliegenden Verfahren aber nicht zu klären hat. Unter Erfüllung der in § 65 Nr.
1 und Nr. 2 AO normierten Voraussetzungen ist für die Annahme eines Zweckbetriebs
zusätzlich nach § 65 Nr. 3 AO erforderlich, dass der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zu
nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlichen Art nicht in größerem Umfang in
Wettbewerb tritt, als es bei der Erfüllung seiner steuerbegünstigten Zwecke
unvermeidbar ist. Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 30.03.2000, V R
30/99, BFHE 191, 434, BStBl II 2000, 705; vom 29.01.2009, V R 46/06, BStBl II 2009,
560, BFH/NV 2009, 867) liegt der Sinn und der Zweck des § 65 Nr. 3 AO in einem
umfänglichen Schutz des Wettbewerbs, der auch den potentiellen Wettbewerb umfasst.
Durch die steuerliche Begünstigung eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs sollen
weder Wettbewerber verdrängt noch zu Lasten potentieller Konkurrenten
Marktzutrittsschranken errichtet werden. Wettbewerb im Sinne des § 65 Nr. 3 AO setzt
nicht voraus, dass die Körperschaft auf einem Gebiet tätig wird, in der sie tatsächlich in
Konkurrenz zu steuerpflichtigen Betrieben derselben oder ähnlichen Art tritt. Sind die
von einer Körperschaft verfolgten gemeinnützigen Zwecke auch ohne steuerlich
begünstigte entgeltliche Tätigkeit zu erreichen, so ist aus der Sicht des
Gemeinnützigkeitsrechts eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs vermeidbar (BFH-
Urteil vom 29.01.2009, V R 46/06, a.a.O., Ziffer II 2 c bb (2)). Werden die von der
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gemeinnützigen Körperschaft ausgeführten Leistungen auch von nicht
steuerbegünstigten Unternehmen erbracht, wird die Körperschaft nicht im Rahmen eines
Zweckbetriebs im Sinne des § 65 AO tätig. Aufgrund des unwiderlegt gebliebenen
Vortrags der Klin. kann nicht definitiv ausgeschlossen werden, dass der X seine
Transportumsätze schon deshalb nicht im Rahmen eines Zweckbetriebs im Sinne des §
65 AO ausgeführt hat, weil die Klin. als Konkurrentin des X in den Streitjahren 2004 und
2005 dieselben Transport- und Beförderungsleistungen wie der X mit der Folge
ausgeführt hat, dass zwischen der Klin. und dem X ein steuerschädliches
Wettbewerbsverhältnis im Sinne des § 65 Nr. 3 AO bestand. Jedenfalls traten die Klin.
und der X auf demselben räumlich beschränkten Markt, nämlich dem Transportmarkt in
P-M, wie jeder anderer einnahmeorientierter, Transportleistungen anbietender
Wettbewerber auf. Schlüssig hat die Klin. dargelegt, dass sie durch eine im Vergleich
zur Besteuerung ihrer Transportleistungen unterschiedliche – niedrigere – Besteuerung
der Transportleistungen des X Wettbewerbsnachteile erleidet. Es liegt auf der Hand,
dass die im Wesentlichen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Nachfrager nach
Transportleistungen der streitigen Art den Unternehmer beauftragen, der im Vergleich
zur Konkurrenz einen niedrigeren Steuersatz berechnet, weil die Auftraggeber die USt-
Belastung ihrerseits nicht auf die Bezieher ihrer Leistungen abwälzen können. Der
Senat hat keine Gesichtspunkte festgestellt, wonach Zweifel an der Richtigkeit des
Sachvortrags der Klin. zur Höhe ihres Wettbewerbsnachteils aufgrund unterschiedlicher
Besteuerung der Transportleistungen berechtigt sein könnten.
Zwar werden in der Regel Rechte eines an dem betreffenden Steuerschuldverhältnis
nicht beteiligten Dritten nicht verletzt, wenn ein Unternehmer - rechtswidrig - zu niedrig
besteuert wird. Anderes gilt jedoch dann, wenn die zu niedrige Besteuerung gegen eine
Norm verstößt, die nicht ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit, insbesondere im
öffentlichen Interesse an der gesetzmäßigen Steuererhebung und Sicherung des
Steueraufkommens erlassen wurde, sondern zumindest auch dem Schutz der
Interessen einzelner an dem betreffenden Steuerverhältnis nicht beteiligter Dritter zu
dienen bestimmt ist. Nach der Rechtsprechung des BFH wie nach der Auffassung der
Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 02.01.2008, a.a.O., geändert durch BMF-
Schreiben vom 22.12.2009, a.a.O., § 30 AO Tz. 4.7.) sind z.B. § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2
des Körperschaftsteuergesetzes in Verbindung mit §§ 64 bis 68 AO drittschützende
Normen. Die Vorschriften schließen Steuervergünstigen wegen Verfolgung
steuerbegünstigter Zwecke insoweit aus, als die Körperschaften wirtschaftliche
Geschäftsbetriebe unterhalten, die keine Zweckbetriebe gemäß den §§ 65 bis 68 AO
sind. Der Ausschluss dient nicht ausschließlich dem Interesse der Allgemeinheit an der
Erhöhung des Steueraufkommens. Wie die Vorschrift des § 65 Nr. 3 AO zeigt, dienen
die Vorschriften vielmehr dem Schutz der mit den Nichtzweckbetrieben konkurrierenden
und steuerlich nicht begünstigten Betrieben (BFH-Urteil vom 15.10.1997, I R 10/92,
BFHE 184, 212, BStBl II 1998, 63, BFH-Beschluss vom 18.09.2007, I R 30/06, BFHE
219, 184, BStBl II 2008, 126; ferner BFH-Urteil vom 29.01.2009, V R 46/06, a.a.O.).
Gleiches gilt nach Auffassung des Senats auch hinsichtlich der in § 12 Abs. 2 Nr. 8 a
UStG in Verbindung mit §§ 65 bis 68 AO getroffenen Regelungen. Entscheidend ist,
dass die hier möglicherweise einschlägige Vorschrift des § 65 Nr. 3 AO belegt, dass
auch für Zwecke der Umsatzbesteuerung steuerlich nicht begünstigte Betriebe davor
geschützt werden sollen, dass Mitbewerber, die aufgrund ihrer Zweckbestimmung
grundsätzlich steuerlich begünstigt werden und damit steuerliche und in deren Folge
Wettbewerbsvorteile für die Tätigkeiten erhalten, nicht hinsichtlich der Umsätze
steuerbegünstigt werden sollen, die gerade nicht der Erfüllung ihrer die
Steuerbegünstigung begründenden Zweckbestimmung dienen (vgl. BFH-Urteil vom
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29.01.2009, V R 46/06, a.a.O.).
Das FA ist gehalten, der Klin. Auskunft über die steuerlichen Verhältnisses des X im
Umfang des Urteilstenors zu erteilen, weil zur Erhebung einer Konkurrentenklage durch
die Klin. es in diesem Umfang der Offenlegung der steuerlichen Verhältnisse des X
bedarf. Das dem verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch entgegenstehende,
ebenfalls verfassungsrechtlich verbürgte Recht auf informationelle Selbstbestimmung
des Konkurrenten beschränkt den Anspruch auf Auskunft auf die Informationen, die für
die Durchführung des Steuerverfahrens der Konkurrentenklage notwendig sind (Tipke-
Kruse, Kommentar zur FGO, § 40 Rdn. 86; BMF-Schreiben vom 22.12.2009, a.a.O., § 30
AO Tz. 4.7.). Für den Streitfall folgt daraus, dass die Klin. zur Durchsetzung ihrer Rechte
im Rahmen einer eventuell nachfolgenden Konkurrentenklage (nur) wissen muss, ob
das FA die vom X in 2004 und 2005 erzielten streitigen Umsätze mit dem
Regelsteuersatz oder mit dem ermäßigten Steuersatz umsatzbesteuert hat, um gegen
die nach ihrer Meinung unzutreffende Besteuerung des X vorgehen zu können.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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Die außergerichtlichen Kosten des X sind nicht erstattungsfähig, weil er in der
mündlichen Verhandlung keinen, ihn mit einem Kostenrisiko belastenden Antrag gestellt
hat.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155
FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
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Die Revision war nach § 115 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 FGO zuzulassen.
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